Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (Senat für Familiensachen) - 6 UF 19/21

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankenthal (Pfalz) vom 25. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

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Der Antragsteller betreibt mit der unbestrittenen Behauptung, er sei der biologische Vater des Kindes H. das vorliegende Vaterschaftsanfechtungsverfahren. Er begehrt die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des weiteren Beteiligten zu 2) sowie die Feststellung seiner Vaterschaft. H. wurde am ... geboren. Am 22. August 2017 erkannte der weitere Beteiligte zu 2) die Vaterschaft an, die weitere Beteiligte zu 3) stimmte der Anerkennung zu. Die Standesbeamtin der Stadt Frankenthal (Pfalz) beurkundete die Abgabe beider Erklärungen. Der weitere Beteiligte zu 2) und die weitere Beteiligte zu 3) schlossen am 14. Februar 2019 die Ehe. H. lebt mit dem weiteren Beteiligten zu 2) und der weiteren Beteiligten zu 3) jedenfalls seit diesem Zeitpunkt in häuslicher Gemeinschaft zusammen. Nach seinen eigenen Angaben, erlangte der Antragsteller Kenntnis von seiner Vaterschaft im Dezember 2019. Zu einem Kontakt zwischen dem Kind und dem Antragsteller kam es erst im Dezember 2020. Nach Mitteilung des Jugendamtes finden begleitete Umgänge seit dem 04. Dezember 2020 statt.

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Das Familiengericht hat mit der angefochtenen Entscheidung den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Es hat dem Antragsteller die Anfechtungsberechtigung abgesprochen.

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Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, im Rahmen derer er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

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Der Senat hat die Akte des vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Frankenthal (Pfalz) unter dem Aktenzeichen 71 F 157/20 geführten Verfahrens betreffend die elterliche Sorge für das Kind H., hier anhängig unter im Aktenzeichen 6 UF 18/21, beigezogen. Auf den Inhalt der beigezogenen Akte wird, wie auf den Inhalt der gegenständlichen Verfahrensakte, wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

II.

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1. Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel im schriftlichen Verfahren, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Von der Durchführung eines weiteren Termins oder der Wiederholung von Verfahrenshandlungen sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten.

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Die Beschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei. In der Sache ist sie unbegründet. Die Entscheidung des Familiengerichts befindet sich im Einklang mit der geltenden Rechtslage.

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Der weitere Beteiligte zu 2) hat die Vaterschaft für H. wirksam anerkannt, §§ 1594, 1595, 1597 BGB. Gründe, die für eine Unwirksamkeit der Anerkennung sprechen, sind nicht gegeben. § 1598 Abs. 1 BGB enthält insoweit eine abschließende Aufzählung der Unwirksamkeitsgründe. Dies letztlich mit der Folge, dass selbst die bewusst wahrheitswidrige Anerkennung einer Vaterschaft nicht zu deren Unwirksamkeit führt (vgl. Brudermüller in Palandt, 79. Aufl. § 1598 Rn. 2). Eingeräumt ist, unter weiteren Voraussetzungen, lediglich die Möglichkeit der Anfechtung der anerkannten Vaterschaft.

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Maßgebend für die Frage, ob der Antragsteller als biologischer Vater des Kindes überhaupt berechtigt ist, die sich aus § 1592 Nr. 2 BGB ergebende rechtliche Vaterschaft des weiteren Beteiligten zu 2) anzufechten, ist die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 i. V. mit Abs. 2, Abs. 3 BGB. Hiernach kann der potenzielle biologische Vater die bestehende rechtliche Vaterschaft anfechten, wenn er an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht besteht und der Anfechtende der leibliche Vater des Kindes ist.

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Zunächst ist das vorliegende Anfechtungsverfahren dem Antragsteller trotz dessen eröffnet, dass dieser eine eidesstattliche Versicherung nicht vorgelegt hat. Das Familiengericht hat sich in den Gründen seiner Entscheidung mit der Erforderlichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auseinandergesetzt. Es hat sie im Hinblick auf die unbestrittene leibliche Vaterschaft des Antragstellers verneint. Dies begegnet aus Sicht des Senats keinen Bedenken. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist eine Verfahrensvoraussetzung. Die Regelung hat den Zweck, eine Anfechtung durch irgendeinen interessierten Mann ins Blaue hinein zu vermeiden. Über die Beiwohnung ist bei Vorlage der eidesstattlichen Versicherung also auch im Bestreitensfall nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Anfechtung Beweis zu erheben. Die nach § 177 Abs. 2 FamFG vorgesehene förmliche Beweiserhebung zum Zwecke der eigentlichen Abstammungsprüfung ist davon selbstverständlich nicht betroffen (vgl. Wellenhofer in MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, BGB § 1600 Rn. 18; Rauscher in Staudinger (2011) BGB § 1600, Rn. 36). Die Beteiligten des Verfahrens, insbesondere die weitere Beteiligte zu 3), gehen übereinstimmend von der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers aus. Eine Beweiserhebung bzw. die Glaubhaftmachung im Wege der eidesstattlichen Versicherung ist vorliegend nicht erforderlich. Insbesondere bedarf es nicht des Schutzes vor einer Anfechtung „ins Blaue hinein“. Die Anfechtung beruht auf nachvollziehbarem Grund, nämlich einer unstreitigen und somit für die Frage der Zulässigkeit zu unterstellenden biologischen Vaterschaft des Antragstellers. Ein Festhalten am Wortlaut der Norm käme unter diesen Umständen der Förmelei gleich.

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Mit dem Familiengericht sieht der Senat die Anfechtungsberechtigung des Antragstellers als nicht gegeben an. Sie scheitert an dem Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem weiteren Beteiligten zu 2) und dem Kind. § 1600 Abs. 2 BGB schafft eine zusätzliche Voraussetzung für die Anfechtung einer Vaterschaft durch den leiblichen Vater. Diesem wird ein Anfechtungsrecht nur dann zugestanden, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat. § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB enthält eine unwiderlegliche Vermutung, wonach eine sozial-familiäre Beziehung besteht, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt bzw. getragen hat. Verantwortung trägt grundsätzlich derjenige, der sich um Pflege und Erziehung des Kindes kümmert. § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB normiert wiederum eine widerlegliche Regelannahme dafür, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung übernommen hat, wenn er mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Ob ein Zusammenleben „längere Zeit“ stattgefunden hat, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (vgl. Brudermüller in Palandt, 79. Aufl. § 1600 Rn. 7 ff.). Eine bestimmte Mindestdauer ist nicht vorausgesetzt. Ein längeres Zusammenleben mit dem Kind ist zwar ein Indiz, nicht aber eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der der letzten Tatsacheninstanz (vgl. BGH FamRZ 2018, 41; BGH FamRZ 2007, 538 (539)).

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Soweit der Antragsteller nach der Erklärung seines Verfahrensbevollmächtigten erster Instanz die Verfassungsmäßigkeit des § 1600 BGB in Zweifel zieht, dringt er damit nicht durch. Die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ist durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 23.04.2004 eingeführt worden. Der Gesetzgeber kam damit einer Anordnung des BVerfG nach. Dieses hat in seiner Entscheidung vom 09.04.2003 (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 816) die Vorschrift des § 1600 BGB in der seinerzeit gültigen Fassung für insoweit mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht vereinbar erklärt, als er den leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos von der Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung ausschloss. Aus Sicht des BVerfG stehe auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Leiblicher Vater eines Kindes zu sein, mache diesen zwar allein noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Die Grundrechtsnorm schütze den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen. Dieser Schutz vermittle ihm kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Ihm sei jedoch vom Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegenstehe und festgestellt werde, dass er der leibliche Vater des Kindes sei. Das BVerfG hat mit seiner Entscheidung den verfassungsrechtlich gebotenen Rahmen einer gesetzlichen Neuregelung bereits dahin vorgegeben, dass das Anfechtungsrecht gesetzlich dann zu gewährleisten ist, wenn keine familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater besteht. Die Regelung in § 1600 Abs. 2 BGB ist somit ihrem Wortlaut entsprechend als bewusste gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren. Die Frage, ob die bestehende gesetzliche Regelung auch zukünftig noch rechtspolitisch wünschenswert erscheint oder ob den Interessen des leiblichen Vaters ein höherer Stellenwert gebührt, fällt schließlich in die alleinige Zuständigkeit des Gesetzgebers (vgl. BGH FamRZ 2018, 41).

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Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung ergeben sich nicht. Der Gesetzgeber hat sich bei der Gesetzesfassung an den Vorgaben des BVerfG orientiert, die dieses aus einer grundrechtlichen Bewertung der Interessenlage der Beteiligten entwickelt hat. Das BVerfG hat in seiner nachfolgenden Rechtsprechung die gesetzliche Regelung nicht beanstandet (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 817f. mwN BGH FamRZ 2018, 41). Die Gesetzeslage ist auch mit Art. 8 EMRK vereinbar. So hat der EGMR, etwa mit Urteil vom 22.03.2012 - 45071/09, die vom deutschen Gesetzgeber getroffene Entscheidung als im Rahmen des nationalen Beurteilungsspielraums zulässig angesehen (vgl. FuR 2012, 473; BGH NJW 2018, 947 m.w.N.).

13

Von einer sozial-familiären Bindung zwischen H. und dem weiteren Beteiligten zu 2) ist auszugehen. Für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung für das Kind durch den weiteren Beteiligten zu 2) spricht, dass dieser seit dem 14. Februar 2019 mit der weiteren Beteiligten zu 3) verheiratet ist, § 1600 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 BGB. Zudem lebt der weitere Beteiligte zu 2) jedenfalls seit der Eheschließung, mithin seit mehr als 2 Jahren, in häuslicher Gemeinschaft mit H., § 1600 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BGB. Setzt man die Zeit des Bestehens der häuslichen Gemeinschaft ins Verhältnis zum Alter des am ... geborenen Kindes, so erlebt H. das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft bereits die überwiegende Zeit ihres Lebens. Das Erfordernis des Zusammenlebens über einen längeren Zeitraum ist folglich unschwer erfüllt. Der Antragsteller hat die Regelvermutung nicht widerlegt. Darüber hinausgehend spricht auch deutlich für die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung, dass H., jedenfalls seit der Zeit des Zusammenlebens, von den weiteren Beteiligten zu 2) und zu 3) gemeinsam erzogen und versorgt wird. Das Jugendamt hat im gegenständlichen Verfahren das Bestehen einer sozial-familiären Bindung zwischen dem weiteren Beteiligten zu 2) und dem Kind bestätigt. Diese, ohne nähere Darlegung getroffene Einschätzung, findet sich bestätigt durch die Schriftsätze und Stellungnahmen, die in dem beigezogenen Verfahren betreffend die elterliche Sorge (71 F 157/20 Amtsgericht - Familiengericht - Frankenthal; hier 6 UF 18 aus 21) abgegeben wurden. Dort hat die weitere Beteiligte zu 3) mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 - unwidersprochen - erklärt, der weitere Beteiligte zu 2) sei „von Anfang an“ der rechtliche als auch der soziale Vater von H.. Diese kenne nur den weiteren Beteiligten zu 2) als ihren Vater. Auch aus den Berichten des Verfahrensbeistandes wird offenbar, dass H. im Familienverbund mit den weiteren Beteiligten zu 2) und 3) aufwächst und den weiteren Beteiligten zu 2) als „sozialen Vater“ ansieht. Diese Einschätzung ist auch nach den Berichten des Jugendamtes Beurteilungsgrundlage.

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Da von dem Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem weiteren Beteiligten zu 2) und H. auszugehen ist, scheidet eine Anfechtungsberechtigung des Antragstellers aus. Sein Antrag ist unbegründet. Seine Beschwerde unterliegt demnach der Zurückweisung.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

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3. Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 FamGKG.

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