Urteil vom Sozialgericht Mainz (3. Kammer) - S 3 KR 398/14
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 1.299 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die weitere Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.299 Euro.
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Die Klägerin ist eine öffentliche Stiftung des Privatrechts und Trägerin des für die Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten zugelassenen D. –E. Krankenhauses in B.
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Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin befand sich vom 27.12.2012 bis zum 10.01.2013 zur stationären Krankenhausbehandlung im Krankenhaus der Klägerin.
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Die Klägerin stellte der Beklagten für diese Behandlung u.a. die DRG-Fallpauschale I68D und das Sonderentgelt ZE2012-41 (Multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) in Höhe von insgesamt 2.984,51 Euro in Rechnung.
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Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz mit der Begutachtung des Falls. Dieser kam in einer Stellungnahme vom 06.03.2013 durch die Ärztin im MDK Frau Dr. S. zu dem Ergebnis, dass nach den vorgelegten Unterlagen der OPS 8-977 (Multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) und damit das Zusatzentgelt ZE2012-41 nicht zu kodieren sei.
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Die Beklagte leistete am 08.03.2013 eine Teilzahlung in Höhe von 1.685,51 Euro.
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Die Klägerin hat am 10.10.2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass die Patientin ein individuelles Komplextherapieprogramm entsprechend OPS 8-977 erhalten habe. Der OPS-Kode 8-977 führe zur Abrechnung des Zusatzentgeltes ZE2012-41. Wie aus den Krankenunterlagen hervorgehe, seien die Mindestmerkmale bei der Behandlung erfüllt worden. Bei der Patientin habe ein multifaktorielles Krankheitsbild vorgelegen. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass eine Anrufung des Schlichtungsausschusses gemäß § 17c Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ausscheide, da in Rheinland-Pfalz von der Selbstverwaltung noch kein funktionsfähiger Schlichtungsausschuss bzw. keine funktionsfähige Schiedsstelle eingerichtet worden sei. Insoweit bleibe mangels anderer Rechtsschutzmöglichkeiten auch bei einem Streitwert von unter 2.000 Euro für die Klägerin nur die Möglichkeit, das Sozialgericht zur Klärung anzurufen. Andernfalls sei sie rechtlos gestellt. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.10.2014 (B 3 KR 7/14 R) werde verwiesen.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.299,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 10.12.2013 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie vor, dass die Klage auch nach der Entscheidung des BSG vom 08.10.2014 nicht ohne weiteres als zulässig anzusehen sein dürfte. Aus dem veröffentlichten Terminbericht lasse sich entnehmen, dass der Senat der Ansicht sei, die Sperre des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG greife „wegen der unverzichtbaren Klarheit über den gegebenen Rechtsweg“ erst dann, wenn die Schiedsstelle oder die Schlichtungsausschüsse den zuständigen Verbänden und Gesellschaften verbindlich angezeigt hätten, welches Gremium die Schlichtung durchführe und dass es tatsächlich handlungsunfähig sei. Insofern würden die Entscheidungsgründe des BSG abzuwarten sein, aus denen sich ergeben sollte, auf welche Norm der 3. Senat des BSG seine Normverwerfungskompetenz hinsichtlich der umstrittenen, aber bislang geltenden parlamentsgesetzlichen Regelung stütze. Derzeit sehe die Beklagte weiterhin das Gericht gemäß Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes an die Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG gebunden, die der Zulässigkeit vom Regelungsbereich erfasster Klagen derzeit entgegenstehe. Die Klage sei auch unbegründet. Die Beklagte mache sich die Auffassung und Bewertung des MDK zu Eigen. Es habe im vorliegenden Fall keine komplexe multifaktorielle Krankheit vorgelegen, sondern eine degenerative Erkrankung. Zur Erreichung des Behandlungsziels sei die Durchführung der multimodalen-nichtoperativen Komplexbehandlung des Bewegungssystems medizinisch nicht erforderlich gewesen.
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Auf Frage des Gerichts teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass in Rheinland-Pfalz eine Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG bestehe. Die Schiedsstelle habe bisher den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. nicht verbindlich angezeigt, welches Gremium in Rheinland-Pfalz die Schlichtung nach § 17c Abs. 4 KHG durchführe und dass dieses Gremium tatsächlich handlungsfähig sei. Die Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze nach § 18a KHG sei für Abrechnungsstreitigkeiten nicht arbeitsfähig.
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Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.
II.
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Die Klage ist unzulässig.
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1. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, da ein Streit im Gleichordnungsverhältnis vorliegt.
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2. Die Klage ist jedoch gemäß § 17c Abs. 4b S. 3 KHG unzulässig, weil ein Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG bislang nicht durchgeführt worden ist.
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2.1 § 17c Abs. 4 KHG in der Fassung des Art. 16a des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz - GKV-FQWG) vom 21.07.2014 (BGBl. I vom 24.07.2014, S. 1133, 1145) lautet:
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"Die Ergebnisse der Prüfungen nach § 275 Absatz 1c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch können durch Anrufung eines für die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsamen und einheitlichen Schlichtungsausschusses überprüft werden. Aufgabe des Schlichtungsausschusses ist die Schlichtung zwischen den Vertragsparteien. Der Schlichtungsausschuss besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden sowie Vertretern der Krankenkassen und der zugelassenen Krankenhäuser in gleicher Zahl. Die Vertreter der Krankenkassen werden von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen und die Vertreter der zugelassenen Krankenhäuser von der Landeskrankenhausgesellschaft bestellt; bei der Auswahl der Vertreter sollen sowohl medizinischer Sachverstand als auch besondere Kenntnisse in Fragen der Abrechnung der DRG-Fallpauschalen berücksichtigt werden. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen und die Landeskrankenhausgesellschaft sollen sich auf den unparteiischen Vorsitzenden einigen; § 18a Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Der Schlichtungsausschuss prüft und entscheidet auf der Grundlage fallbezogener, nicht versichertenbezogener Daten. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen vereinbaren mit der Landeskrankenhausgesellschaft die näheren Einzelheiten zum Verfahren des Schlichtungsausschusses sowie Regelungen zur Finanzierung der wahrzunehmenden Aufgaben. Kommt keine Vereinbarung zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 auf Antrag einer Vertragspartei. Wenn bis zum 31. August 2014 kein Schlichtungsausschuss anrufbar ist, ist die Aufgabe des Schlichtungsausschusses bis zu seiner Bildung übergangsweise von der Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 wahrzunehmen. Für diese Zeit kann die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben von Satz 3 einen vorläufigen Schlichtungsausschuss einrichten."
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Diese Fassung ist nach Art. 17 Abs. 3 GKV-FQWG am 01.08.2014 in Kraft getreten.
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Der mit Art 5c des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung (Beitragsschuldengesetz) vom 15.07.2013 (BGBl. I vom 18.07.2013, S. 2423, 2429) neu geschaffene und zum 01.08.2013 in Kraft getretene § 17c Abs 4b KHG hat folgenden Wortlaut:
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"Gegen die Entscheidungen der Schiedsstelle nach Absatz 2 Satz 3, Absatz 3 Satz 7 und Absatz 4a Satz 5 sowie des Schlichtungsausschusses auf Bundesebene nach Absatz 3 und der Schlichtungsausschüsse nach Absatz 4 ist der Sozialrechtsweg gegeben. Ein Vorverfahren findet nicht statt; die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Absatz 1c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, ist vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach Absatz 4 durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2 000 Euro nicht übersteigt."
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Demnach können nach § 17c Abs. 4 S. 1 KHG die Ergebnisse der Prüfungen nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfung von Abrechnungen für Krankenhausbehandlungen durch den MDK) durch Anrufung des Schlichtungsausschusses überprüft werden. Nach § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ist bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2.000 Euro nicht übersteigt.
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2.2 Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens stellt demnach gemäß § 17c Abs. 4b S. 3 KHG eine Sachurteilsvoraussetzung dar, wenn
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1. mit der Klage die Vergütung für eine Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 SGB V gefordert wird (a),
2. vor Klageerhebung eine Abrechnungsprüfung bezüglich dieser Krankenhausbehandlung stattgefunden hat (b)
3. der Wert der Forderung 2.000 Euro nicht übersteigt (c).
- 27
Die Klage wurde am 10.10.2014 erhoben. Zu diesem Zeitpunkt waren § 17c Abs. 4 und Abs. 4b KHG in der aktuellen Fassung bereits in Kraft getreten, so dass sich Fragen des intertemporalen Prozessrechts nicht stellen.
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Die Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht auch auf Behandlungen und Abrechnungsprüfungen, die vor Inkrafttreten dieser Regelung stattgefunden haben (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 13 - alle Entscheidungen im Folgenden zitiert nach juris; SG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2014 - S 5 KR 4463/13 - Rn. 19ff.; dem folgend SG Berlin, Urteil vom 25.03.2014 - S 182 KR 2450/13 - Rn. 19ff.; a.A. Weis/Romeyke NZS 2013, S. 734). Das Gesetz sieht keine Altfall- oder Übergangsregelung vor. Dass die Krankenhausbehandlung im vorliegenden Fall bereits vom 27.12.2012 bis zum 10.01.2013, d.h. vor Inkrafttreten des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG stattgefunden hat, ist daher unerheblich.
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Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG sind vorliegend erfüllt.
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a) Die Klägerin fordert mit ihrer Klage die (weitere) Vergütung einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V. Diese Voraussetzung ergibt sich aus § 17c Abs. 4b S. 3 KHG, in dem ausdrücklich nur von Klagen, "mit denen (...) eine streitig gebliebene Vergütung" gefordert wird, die Rede ist, sowie aus dem Verweis auf § 275 Abs. 1c SGB V, der sich seinerseits ausschließlich auf Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V bezieht. Ausgeschlossen sind damit Krankenhausbehandlungen, die auf anderer Rechtsgrundlage als § 39 SGB V erbracht werden, wie z. B. die Behandlung und Pflege im Krankenhaus anlässlich einer ambulanten oder stationären Entbindung (§ 24c SGB V) (insoweit zutreffend BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 17). Nicht von § 17c Abs. 4b S. 3 KHG erfasst sind außerdem Klagen, mit denen Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegen Krankenhausträger aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB geltend gemacht werden. Wenn die Krankenkasse vom Krankenhausträger die Erstattung einer aus ihrer Sicht zu Unrecht erbrachten Leistung fordert, handelt es sich bei der Forderung nicht um eine Vergütung, selbst wenn die kondizierte Leistung ursprünglich zum Zwecke der Erfüllung eines Vergütungsanspruchs bestimmt war (a.A. SG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.03.2014 - S 41 KR 419/13 - Rn. 25 und Buchner SGb 2014, S. 119, jeweils ohne Begründung). Es gibt keinen Anhaltspunkt im Normtext für eine Auslegung dahingehend, dass von der Sachurteilsvoraussetzung jegliche Klageverfahren, die mit einer streitigen Vergütung in irgendeiner Form im Zusammenhang stehen und bei denen eine Abrechnungsprüfung stattgefunden hat, erfasst sein sollen (SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 20; vgl. BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 15: "§ 17c Abs 4b Satz 3 KHG erfasst nach dem Wortlaut (...) nur Vergütungsklagen der Krankenhäuser").
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Für eine "entsprechende" Anwendung auf Erstattungsansprüche (befürwortet durch BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 15) fehlt es an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke. Die Krankenkasse kann Erstattungsansprüche gemäß § 54 Abs. 5 SGG weiterhin ohne streitwertbezogene Einschränkungen per Leistungsklage geltend machen. Die Änderungen des § 17c Abs. 4 KHG und die Einführung des § 17c Abs. 4b KHG haben diesbezüglich keine Unklarheiten und keine "Lücke" herbeigeführt. Soweit hiermit eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen geschaffen wurde, wäre allenfalls zu prüfen, ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorliegen könnte. Vor dem Hintergrund des Gesetzesbindungsgebotes aus Art. 20 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 GG ist eine analoge Anwendung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG auf Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegen Krankenhausträger ohne ausfüllungsbedürftige Lücke aber nicht zu rechtfertigen.
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Da vorliegend eine Vergütungsforderung des Krankenhausträgers gegen die Krankenkassen im Streit steht, kommt es auf diese Frage hier nicht an.
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b) Vor Klageerhebung hat eine Abrechnungsprüfung in Bezug gerade auf die Krankenhausbehandlung stattgefunden, deren Vergütung im vorliegenden Verfahren eingeklagt wird. Dass vor Klageerhebung eine Abrechnungsprüfung bezogen auf gerade diejenige Krankenhausbehandlung stattgefunden haben muss, deren Vergütung mit der Klage gefordert wird, ergibt sich daraus, dass im Normtext des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG von einer "nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung (…) streitig gebliebene(n) Vergütung" die Rede ist. Durch die Wendung "streitig geblieben" wird deutlich, dass § 17c Abs. 4b S. 3 KHG nur auf solche Klagen anzuwenden ist, mit denen gerade die Forderung eingeklagt wird, die selbst der Abrechnungsprüfung durch den MDK unterlag. Es muss sich bei dem Gegenstand der Abrechnungsprüfung und der Klage daher um dieselbe Forderung handeln (SG Mainz, Urteil vom 04.062014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 23; zustimmend Schütz jurisPR-SozR 21/2014 Anm. 2).
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Im Falle der Verrechnung bzw. Aufrechnung einer auf einer Prüfung durch den MDK beruhenden Erstattungsforderung mit einer unstreitigen Forderung durch die Krankenkasse hat dies zur Folge, dass die Sachurteilsvoraussetzung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG nicht vorliegen muss, wenn der Krankenhausträger die verrechnete, als solche unstreitige Forderung im Klagewege geltend macht (a.A. BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 14; SG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2014 - S 5 KR 4463/13 - Rn. 18; dem folgend SG Ulm, Urteil vom 09.07.2014 - Rn. 19ff.). Die ggf. nach Abrechnungsprüfung streitig gebliebene Vergütung, die die Krankenkasse ggf. kondizieren kann, ist in diesen Fällen nicht der eigentliche Streitgegenstand, sondern lediglich Vorfrage im Hinblick darauf, ob die streitgegenständliche Forderung nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 389 BGB erloschen ist. Auch diesbezüglich gibt es keinen Anhaltspunkt im Normtext für eine Auslegung dahingehend, dass von der Sachurteilsvoraussetzung sämtliche Klageverfahren, die in einem rechtlichen Zusammenhang mit einer nach Abrechnungsprüfung streitigen Vergütung stehen, erfasst sein sollen (SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 24). Die in den so genannten Verrechnungsfällen eingeklagte Forderung wird erst durch die Aufrechnungserklärung der Krankenkasse streitig, sie kann deshalb semantisch nicht als nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung "streitig gebliebene" Vergütung im Sinne des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG bezeichnet werden. Die Behauptung, auf welchem technischen Wege die Forderung gerichtlich geltend gemacht werde, sei ohne Bedeutung (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 14), ist kein Argument hiergegen, sondern wäre nur die Folge einer den Wortlaut des Gesetzes überschreitenden Auslegung.
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An diesem Befund ändert sich auch nichts dadurch, dass ein Großteil der vor den Sozialgerichten erhobenen Klagen auf Vergütungen von Krankenhausbehandlungen mit Streitwert bis zu 2.000 Euro nicht der Sachurteilsvoraussetzung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG unterliegen, weil die Krankenkassen in der Praxis die von den Krankenhäusern gestellten Rechnungen zumeist innerhalb der landesvertraglich gesetzten Fälligkeitsfristen unabhängig von Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung zahlen und erst nach Durchführung der MDK-Prüfung ihren behaupteten Erstattungsanspruch per Aufrechnung gegen eine unstreitige Vergütungsforderung geltend machen (so SG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2014 - S 5 KR 4463/13 - Rn. 18: "Würde diese typische Konstellation von § 17c Abs. 4b S. 3 KHG nicht erfasst, liefe die Regelung praktisch leer"). Da die Verrechnungspraxis seit Jahren etabliert ist, hätten solche Fälle in ein obligatorisches Schlichtungsverfahren im Wege einer allgemeinen Formulierung ohne Schwierigkeiten in den Normtext aufgenommen werden können. Die mutmaßliche gesetzgeberische Intention, gerade auch die Verrechnungsfälle mit der Zulässigkeitsbeschränkung zu erfassen, hat keinen Niederschlag im Wortlaut der Regelung gefunden.
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Gegen die Einbeziehung der Verrechnungsfälle in den Anwendungsbereich des § 17c Abs.4b S. 3 KHG spricht im Übrigen, dass die Frage der Zulässigkeit der Klage davon abhängig gemacht würde, auf welche Weise sich die Beklagte gegen die Klage verteidigt. Die Beklagte kann jederzeit auch solche Einwendungen gegen die mit der Klage geltend gemachte Vergütungsforderung erheben, die nicht mit der Frage der Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung zusammenhängen. Auch kann zwischen den Beteiligten im Streit stehen, mit welcher Forderung die Beklagte gegen die klageweise geltend gemachte Vergütung aufgerechnet hat. Denkbar sind auch Konstellationen, in denen mit einer streitigen Erstattungsforderung gegen mehrere unstreitige Vergütungsforderungen aufgerechnet wird und umgekehrt, wobei unklar wäre, aus welcher Forderung sich die für die Anwendung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG maßgebliche Streitwerthöhe ergibt.
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Für eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG besteht mangels Regelungslücke kein Raum.
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Da im vorliegenden Fall vor Klageerhebung jedoch eine Abrechnungsprüfung bezogen auf gerade diejenige Krankenhausbehandlung stattgefunden hat, deren Vergütung mit der Klage gefordert wird, ist der Anwendungsbereich des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG eröffnet.
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c) Die Höhe der Forderung liegt mit 1.299 Euro nicht über 2.000 Euro. Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4 KHG war daher gemäß § 17c Abs. 4b S. 3 KHG obligatorisch.
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2.3 Weitere Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG müssen nicht erfüllt sein. Insbesondere hängt die Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens entgegen der Auffassung des 3. Senats des BSG (Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 32 ff.) nicht davon ab, ob die Schiedsstelle oder der Schlichtungsausschuss den jeweiligen Landeskrankenhausgesellschaften und den Verbänden der Krankenkassen förmlich angezeigt haben, dass sie "funktionsfähig errichtet" sind bzw. die Aufgaben der Schlichtung tatsächlich übernehmen können.
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a) Für diese Annahme fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Mit der Erschaffung einer "ungeschriebene(n), aber verfassungsrechtlich gebotene(n) Anwendungsvoraussetzung" (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 18) verstößt der 3. Senat des BSG gegen das Gebot der Bindung an das Gesetz und berühmt sich faktisch einer Normverwerfungskompetenz, die im deutschen Rechtssystem ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht zukommt.
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Der Wortlaut eines Gesetzes steckt die äußersten Grenzen funktionell vertretbarer und verfassungsrechtlich zulässiger Sinnvarianten ab. Entscheidungen, die den Wortlaut einer Norm offensichtlich überspielen, sind unzulässig (Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 310, zum Ganzen Rn. 304 ff., 10. Aufl. 2009; vgl. auch Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation: Die Bindung des Richters an das Gesetz, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann (Hrsg.): Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 8. Aufl. 2011, S. 267; Hochhuth, Methodenlehre zwischen Staatsrecht und Rechtsphilosophie - zugleich eine Verschleierung des Theorie-Praxis-Bruchs?, in: Rechtstheorie 2011, S. 227 ff.). Die Bindung der Gerichte an das Gesetz folgt aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG. Dass die Gerichte dabei an den Gesetzestext (im Sinne des amtlichen Wortlauts bzw. Normtextes) gebunden sind, folgt aus dem Umstand, dass nur dieser Gesetzestext Ergebnis des von der Verfassung vorgegebenen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens ist. Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip.
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"§ 17c Abs 4b Satz 3 KHG ist so zu verstehen, dass die prozessuale Sanktion der Unzulässigkeit der Klage nur dann eingreift, wenn das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs 4 KHG tatsächlich durchführbar ist. Das wiederum setzt Anrufbarkeit des Schlichtungsausschusses voraus. Der Schlichtungsausschuss ist jedoch nur dann anrufbar, wenn er tatsächlich gebildet worden und auch funktionsfähig ist, was ua voraussetzt, dass Vereinbarungen zu den näheren Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens abgeschlossen und Regelungen zur Finanzierung der wahrzunehmenden Aufgaben getroffen worden sind (§ 17c Abs 4 Satz 8 KHG). Ferner muss die Funktionsfähigkeit bekanntgegeben werden. Die Anrufbarkeit des Schlichtungsausschusses stellt eine ungeschriebene, aber verfassungsrechtlich gebotene Anwendungsvoraussetzung für den Ausschluss der unmittelbaren Anrufung des Sozialgerichts dar".
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Das BSG gesteht mit der Formulierung, dass die "Anrufbarkeit des Schlichtungsausschusses" eine ungeschrieben Anwendungsvoraussetzung sei, offen ein, dass eine Grundlage in Gesetzestext und -systematik hierfür nicht ersichtlich ist. Weshalb und auf welcher Grundlage sich der Senat dazu berufen fühlt, diese Anwendungsvoraussetzung selbst zu schaffen, erläutert er nicht.
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b) Die Berufung auf "Sinn und Zweck" des § 17c Abs. 4, Abs. 4b S, 3 KHG und auf die Gesetzessystematik (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 16) wird nicht weiter erläutert.
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Zur Begründung seiner als "Auslegung" bezeichneten vorläufigen Nichtanwendung der Norm führt der Senat stattdessen zunächst Argumente aus der historischen Entwicklung des § 17c Abs. 4, Abs. 4b KHG an (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 19 - 25). Abgesehen davon, dass die Gesetzesentwicklung für die Frage, ob und unter welchen Umständen ein Gericht gesetzliche Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Vorschriften erweitern darf, nichts hergibt, sind die Ausführungen des BSG zur Gesetzesentwicklung auch nicht dazu geeignet, dessen Auffassung in sachlicher Hinsicht zu stützen.
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Wenn das BSG erkennt, dass der Gesetzgeber an der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens trotz der Widerstände der zur Einführung des Schlichtungsverfahrens berufenen Vertragspartner auf Landesebene festhalten will (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 24), dann folgt hieraus nicht die Unanwendbarkeit der Zulässigkeitsvoraussetzung, solange die Arbeitsfähigkeit der Schlichtungsausschüsse nicht gegeben ist (so aber BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 25). Die Gesetzesentwicklung lässt eher auf das Gegenteil schließen, denn durch die Einführung der Auffangzuständigkeit für die bereits flächendeckend etablierten Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG zum 01.08.2014 wurde der Druck auf die Vertragsparteien erhöht, die organisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung von Schlichtungsverfahren tatsächlich zu schaffen. Die "Anrufbarkeit" des Schlichtungsausschusses wurde hierbei gerade nicht zur Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG gemacht, sondern bei dessen Fehlen die Zuständigkeit der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG begründet (§ 17c Abs. 4 S. 10 KHG). Mit dieser Änderung des § 17c Abs. 4 KHG hat der Gesetzgeber nicht nur einen wohl verfassungswidrigen Zustand behoben, sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass das Bestehen eines (arbeitsfähigen) Schlichtungsausschusses keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG sein soll. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Gesetzesänderung offensichtlich das Gegenteil dessen erreichen, was das BSG mit seiner im Urteil vom 08.10.2014 obiter dicta geäußerten Auffassung bewirkt hat: dass es allein vom Gestaltungswillen der Vertragspartner auf Landesebene abhängt, ob das obligatorische Schlichtungsverfahren durchgeführt wird oder nicht.
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c) Die vom BSG für seine Auffassung weiter herangezogenen verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 26-28) treffen für den Rechtszustand bis zum 31.07.2014 zwar zu. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) vor, wenn die Zulässigkeit einer Klage von einer praktisch nicht erfüllbaren Voraussetzung abhängig gemacht wird. Dieser Zustand war jedenfalls in Rheinland-Pfalz bis zum 31.07.2014 gegeben, da kein Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 S. 1 KHG bestand, bei dem ein Schlichtungsverfahren hätte anhängig gemacht und durchgeführt werden können (vgl. SG Mainz, Urteil vom 06.04.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 28).
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Dies rechtfertigt jedoch nicht, alle bis zum 31.08.2014 unmittelbar erhobenen Klagen auf Vergütungen im Sinne des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens für zulässig zu erachten (so aber BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 29). Sofern ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist und die Frage der Gültigkeit des Gesetzes für das dortige Verfahren entscheidungserheblich ist, hat es das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Das Fachgericht darf hingegen nicht selbst über die als verfassungswidrig erkannte Norm disponieren. Es hat lediglich die Verpflichtung zu prüfen, ob ein verfassungsmäßiger Zustand im Wege der verfassungskonformen Auslegung erreicht werden kann. Eine verfassungskonforme Auslegung ist allerdings nur unter Beachtung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlautes zulässig. Andernfalls würde die Verfassungskonformität der "ausgelegten" Vorschrift durch einen Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG und zugleich gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz erkauft. Dadurch, dass das BSG den verfassungsgemäßen Zustand mit Hilfe einer "ungeschriebenen" Anwendungsvoraussetzung herbeiführen will, überschreitet es den Spielraum, innerhalb dessen eine verfassungskonforme Auslegung zulässig ist.
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Im vom BSG entschiedenen Fall war die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG allerdings nicht entscheidungserheblich, da nach dem mitgeteilten Sachverhalt ohnehin nicht die Vergütung für eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V im Streit stand, sondern die Vergütung für eine Entbindung auf der Rechtsgrundlage des § 197 Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. oder des § 24c SGB V. In § 17c Abs. 4b S. 3 KHG wird nur auf Abrechnungsprüfungen nach § 275 Abs. 1c SGB V Bezug genommen, der wiederum auf Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V verweist (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 17).
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d) Der weitergehenden (obiter dicta erfolgenden) Schlussfolgerung des BSG, dass auch nach Einführung der Auffangzuständigkeit der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG Klagen über streitig gebliebene Krankenhausvergütungen noch ohne Anrufung der Schiedsstelle oder eines Schlichtungsausschusses zulässig seien, solange die Schiedsstelle oder der Schlichtungsausschuss den jeweiligen Landeskrankenhausgesellschaften und den Verbänden der Krankenkassen nicht förmlich angezeigt hätten, dass sie "funktionsfähig errichtet" seien (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 32ff.), kann demnach erst recht nicht zugestimmt werden. Denn auch mit der Gesetzesänderung zum 01.08.2014 wurde die Anrufbarkeit oder Arbeitsfähigkeit der Schiedsstelle oder des Schlichtungsausschusses nicht zur Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG gemacht. Der Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG wird mit dieser "Auslegung" noch vertieft, indem über die "ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung" der Arbeits- bzw. Funktionsfähigkeit hinaus eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG, die "förmliche Anzeige" der funktionsfähigen Errichtung an die Vertragspartner, geschaffen wird (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 32ff.).
- 53
Das vom BSG hierfür herangezogene Argument, auch der zuständige Bundestagsausschuss sei im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum GKV-FQWG davon ausgegangen, dass nicht gesichert sei, dass ab dem 01.09.2014 effektiv und zeitnah ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden könne (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 32) ist so nicht nachvollziehbar, da die Auffangzuständigkeit der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG gerade dafür geschaffen wurde, diesen Zustand zu beheben, was das BSG wiederum mit der Schaffung weiterer Anwendungsvoraussetzungen konterkariert. Der 3. Senat des BSG handelt hier deutlich und bewusst gegen die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention (vgl. BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 34).
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e) Das weitere Argument, es sei nicht geklärt, welches der in § 17c Abs. 4 S. 9 bis 11 KHG angesprochenen Gremien zunächst das Schlichtungsverfahren durchführe und diese Unklarheit es in hohem Maße unsicher erscheinen ließe, dass die Anforderungen des BVerfG an eine obligatorische Schlichtung vor Eröffnung des Rechtsweges schon jetzt erfüllt seien, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die gesetzliche Regelung ist in diesem Bereich nicht zu unbestimmt. Nach § 17c Abs. 4 S. 10 KHG ist für die Aufgaben des Schlichtungsausschusses ab dem 01.09.2014 die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG zuständig, solange kein Schlichtungsausschuss eingerichtet ist. In § 17c Abs. 4 S. 11 KHG wird der Schiedsstelle die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Zweck einen vorläufigen Schlichtungsausschuss einzurichten. Somit können drei verschiedene Stellen für das Schlichtungsverfahren zuständig sein: die Schiedsstelle, der vorläufige Schlichtungsausschuss oder der Schlichtungsausschuss. Dabei ist vorrangig der eigentliche Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 S. 3 KHG zuständig. Solange dieser nicht besteht, liegt die Zuständigkeit beim vorläufigen Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 S. 11 KHG. Wenn und solange ein solcher durch die Schiedsstelle nicht eingerichtet wurde, bleibt die Zuständigkeit bei der Schiedsstelle. Welcher Fall tatsächlich im jeweiligen Bundesland zu welcher Zeit gegeben ist, ist eine Tatsachenfrage, die sich ohne Schwierigkeiten jeweils klären lassen dürfte.
- 55
Entgegen der Einschätzung des BSG dürfte es in der Praxis für die potenziellen Verfahrensbeteiligten kein Problem sein herauszufinden, ob in ihrem Bundesland ein Schlichtungsausschuss besteht oder nicht. Für die Einrichtung desselben sind schließlich die jeweiligen Dachverbände zuständig, die bei Zweifelsfragen für die Krankenhausträger und Krankenkassen ansprechbar sein dürften, was auch das BSG voraussetzt (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 33). Im Zweifelsfall kann sich der jeweilige Verfahrensbeteiligte an die Schiedsstelle wenden, um zu erfahren, ob ein vorläufiger Schlichtungsausschuss besteht. Auch im sonstigen Rechtsleben stellt es noch keine verfassungswidrige Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes dar, wenn vom Rechtsuchenden erwartet wird, selbst zu recherchieren, welche Behörde für sein Anliegen zuständig ist.
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Die vom BSG herangezogenen Beispiele für das Erfordernis einer "Anzeige" als Mitteilung mit rechtlicher Außenwirkung (§ 116b Abs. 2 S. 1 SGB V; § 115b Abs. 2 S. 2 SGB V) stellen Substitute zu einem Genehmigungsverfahren dar und sind in keiner Weise mit der Einrichtung eines Schlichtungsgremiums vergleichbar. Die gleichfalls angeführte Erfolglosigkeitsbescheinigung nach § 13 Abs. 1 S. 2 des zum 31.12.2010 außer Kraft getretenen nordrhein-westfälischen Gütestellen- und Schlichtungsgesetzes (GüSchlG NRW) betrifft den Nachweis für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens, nicht die Bekanntgabe der für die Durchführung zuständigen Stelle. Warum diese Regelungen erkennen lassen sollen, dass es im Interesse der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes geboten sei, die "scharfe Sanktion" der Unzulässigkeit einer Klage wegen unterlassener Anrufung einer Schlichtungsstelle an transparente, formalisierte und leicht überprüfbare Kriterien zu binden (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 33), bleibt unklar. Warum diese Qualitätsanforderungen im Anwendungsbereich der § 17c Abs. 4b S. 3 KHG dann ausgerechnet eine förmliche Mitteilung des zuständigen oder als vorübergehend zuständig bestimmten Gremiums an die jeweiligen Landesverbände der Krankenkassen und die Landeskrankenhausgesellschaft erfordern sollten, erschließt sich ebenfalls nicht.
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f) Sollte das BSG im Fehlen einer gesetzlichen Regelung über eine förmliche Mitteilung der zuständigen Stelle an die Vertragsparteien auf Landesebene einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutz sehen, müsste es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG einholen. Es ist jedoch nicht dazu befugt, die seiner Auffassung nach fehlende Regelung selbst zu schaffen. Das BSG überschreitet mit seinem Urteil vom 08.10.2014 die Grenzen einer jedenfalls bis zur Einführung der Auffangzuständigkeit der Schiedsstellen in § 17c Abs. 4 S. 10 KHG gebotenen restriktiven, verfassungskonformen Auslegung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG (vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 08.06.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 28).
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2.4 Ein Schlichtungsverfahren wurde vor Klageerhebung nicht durchgeführt. Die Klage ist somit als unzulässig abzuweisen.
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In dieser Hinsicht kann offen bleiben, zu welchem Zeitpunkt ein Schlichtungsverfahren im Sinne des § 17c Abs. 4 KHG als durchgeführt gelten kann, da ein solches im vorliegenden Fall gar nicht erst eröffnet wurde.
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3. Das Gericht hatte das Verfahren nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, da § 17c Abs. 4b S. 3 SGG nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Insbesondere liegt nach Einführung der Auffangzuständigkeit der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG in § 17c Abs. 4 S. 10 KHG kein Verstoß gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. hierzu Huber in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19, Rn. 363ff. 4. Auflage 1999) vor.
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3.1 Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung (SG Dresden, Beschluss vom 20.02.2014 - S 18 KR 1051/13 - Rn. 8; SG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2014 - S 5 KR 4463/13 - Rn. 28; SG Berlin, Urteil vom 25.03.2014 – S 182 KR 2450/13 - Rn. 32; Bayerisches LSG, Beschluss vom 26.05.2014 – L 5 KR 124/14 B – Rn. 9; SG Neuruppin, Beschluss vom 05.06.2014 - S 20 KR 12/14 - Rn. 12; SG Ulm, Urteil vom 09.07.2014 - S 8 KR 4113/13 - Rn. 43ff.; Weis/Romeyke NZS 2013, S. 734; Felix NZS 2014, S. 602;Schütz jurisPR-SozR 12/2014 Anm. 1;Baierl jurisPR-SozR 20/2014 Anm. 1; Schütz jurisPR-SozR 21/2014 Anm. 2; nicht festgelegt: BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 28) ist Art. 19 Abs. 4 GG in der vorliegenden Konstellation nicht einschlägig (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 28; SG Mainz, Urteil vom 19.09.2014 - S 3 KR 367/12 - Rn. 22; Rehm, jurisPR-SozR 19/2014 Anm. 5).
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Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG lautet:
- 63
„Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, steht ihm der Rechtsweg offen“.
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Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG ist somit eine (vermeintliche) Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob neben Akten der vollziehenden Gewalt auch Akte der Rechtsprechung und der Legislative unter die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG fallen (vgl. hierzu BVerfG, Plenumsbeschluss vom 30.04.2003 - PBvU 1/02 - Rn. 22ff.), setzt die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG stets einen hoheitlichen Eingriff voraus (vgl. Enders in BeckOK-GG, Art. 19, Rn. 55, Stand: 01.12.2014). Diese Beschränkung wird häufig in der (verkürzenden) Formulierung zum Ausdruck gebracht, Art. 19 Abs. 4 GG gewähre Rechtsschutz in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, der allgemeine Justizgewährungsanspruch in zivilrechtlichen Streitigkeiten (vgl. SG Ulm, Urteil vom 09.07.2014 - S 8 KR 4113/13 - Rn. 36; Huster/Rux in BeckOK, Art. 20, Rn. 199, Stand 01.12.2014). Die gerichtsorganisatorische und rechtssystematische Zuordnung von zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ist nicht deckungsgleich mit der Frage, ob ein Akt der vollziehenden (hoheitlichen) Gewalt Gegenstand der Auseinandersetzung ist. Bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen durch Krankenhausträger gegenüber Krankenkassen handelt es sich zwar um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die jedoch im Gleichordnungsverhältnis ausgetragen werden (anders verhielte es sich beispielsweise bei einem Rechtsstreit über Begehungsbefugnisse des MDK nach § 276 Abs. 4 SGB V). Wenn ein Krankenhaus die Vergütung für die Behandlung eines Versicherten fordert und die Krankenkasse die Zahlung verweigert, handelt Letztere nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse. So hat die Krankenkasse auch keine Befugnis, den Anspruch auf Vergütung des Behandlungsfalls per Verwaltungsakt festzusetzen oder die Zahlung der Vergütung per Verwaltungsakt abzulehnen.
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3.2 Allerdings sichert auch der aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Justizgewährungsanspruch (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1993 - 1 BvR 249/92 - Rn. 21) das Offenstehen des Rechtsweges für Streitigkeiten im Gleichordnungsverhältnis. Die Rechtsschutzgarantie stellt eine rechtsstaatlich zwingende formell-verfahrensrechtliche Ergänzung der verfassungsmäßigen Anerkennung (von der Verfassung, im Gesetz oder aufgrund gesetzlich verbürgter Befugnis begründeter) materieller Individualrechtspositionen dar (Enders in BeckOK-GG, Art. 19, Rn. 51, Stand: 01.12.2014). Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher Institutionen ist Rechtfertigungsgrund für das Gewaltmonopol des Staats, für den Rechtsstaat mithin existenziell (vgl. BVerfG, Plenumsbeschluss vom 11.06.1980 - 1 PBvU 1/79 - Rn. 48; Huster/Rux in BeckOK, Art. 20, Rn. 199, Stand 01.12.2014). Der Justizgewährungsanspruch umfasst daher das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter. Die Gewährleistung schließt eine gesetzliche Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs allerdings nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 12.02.1992 - 1 BvL 1/89 - Rn. 28).
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a) Die Zulässigkeitsbeschränkung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG genügt dem Justizgewährungsanspruch. Hinsichtlich der Art der Gewährung des durch diesen Anspruch gesicherten Rechtsschutzes verfügt der Gesetzgeber über einen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum, der sich auf die Beurteilung der Vor- und Nachteile für die jeweils betroffenen Belange sowie auf die Abwägung mit Blick auf die Folgen für die verschiedenen rechtlich geschützten Interessen erstreckt (BVerfG, Beschluss vom 14.02.2007 - 1 BvR 1351/01 - Rn. 25).
- 67
Der allgemeine Justizgewährungsanspruch gewährleistet zum einen, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten eröffnet ist. Darüber hinaus garantiert er die Effektivität des Rechtsschutzes. Die Rechtsschutzgewährung durch die Gerichte bedarf der normativen Ausgestaltung durch eine Verfahrensordnung. Deren Regelungen können für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, nur kontradiktorische Verfahren vorzusehen. Er kann auch Anreize für eine einverständliche Streitbewältigung schaffen, etwa um die Konfliktlösung zu beschleunigen, den Rechtsfrieden zu fördern oder die staatlichen Gerichte zu entlasten. Ergänzend muss allerdings der Weg zu einer Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte eröffnet bleiben (BVerfG, Beschluss vom 14.02.2007 - 1 BvR 1351/01 - Rn. 26).
- 68
b) Diese Voraussetzungen sind in § 17c Abs. 4b S. 3 KHG sei dem 01.09.2014 gewahrt. Den Krankenhausträgern ist der Weg zu den Gerichten auch in den Fällen, die vor Klageerhebung der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4 KHG bedürfen, nicht versperrt oder auf unzumutbare Weise erschwert. Mit der Einführung der Auffangzuständigkeit der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG in S 17c Abs. 4 S. 10 KHG zum 01.09.2014 ist sichergestellt, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden kann und anschließend der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist.
- 69
c) Wie bereits unter 2.3 e) ausgeführt, ist die Regelung hinsichtlich der für das Schlichtungsverfahren zuständigen Stelle hinreichend bestimmt. § 17c Abs. 4 KHG normiert klare Regelungen dafür, welche Stelle für das Schlichtungsverfahren zuständig ist. Solange - wie vorliegend in Rheinland-Pfalz - kein (vorläufiger) Schlichtungsausschuss eingerichtet ist, verbleibt es bei der Zuständigkeit der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG. Es ist für die Krankenhausträger durch Kontaktaufnahme mit der jeweils zuständigen Landeskrankenhausgesellschaft und/oder Schiedsstelle ohne weiteres möglich zu klären, ob ein (vorläufiger) Schlichtungsausschuss eingerichtet ist oder nicht.
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d) Die Regelungen des § 17c Abs. 4 KHG und des § 17c Abs. 4b KHG sind auch nicht in dem Sinne zu unbestimmt, dass der von den Beteiligten einzuschlagende Rechtsweg oder der zu erhebende Rechtsbehelf unklar wäre.
- 71
Nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ist nach wie vor die Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG die statthafte Klageart, mit der ein Anspruch auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung verfolgt werden kann. Es ist nicht erforderlich, eine „Entscheidung“ der Schiedsstelle oder des Schlichtungsausschusses zunächst im Wege der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG zu beseitigen. Die in den Regelungen des § 17c Abs. 4 KHG und § 17c Abs. 4b KHG angelegten Unklarheiten lassen sich im Wege der Auslegung zu einem widerspruchsfreien Rechtsschutzsystem verknüpfen (zweifelnd Felix NZS 2014, S. 605f.).
- 72
aa) Nach § 17c Abs. 4b S. 3 KHG muss in den dort genannten Fällen vor Klageerhebung ein Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4 KHG durchgeführt worden sein. In § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ist von Klagen, „mit denen (…) eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird“, die Rede. Diese Formulierung legt nahe, dass es sich bei einer solchen Klage weiterhin um eine reine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG handelt (vgl. Felix NZS 2014, S. 604f.). Voraussetzung für die Klage ist demzufolge die Durchführung des Schlichtungsverfahrens. Über die Frage, wann ein Schlichtungsverfahren als „durchgeführt“ anzusehen ist, enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Vorausgesetzt werden kann aber, dass zumindest ein Schlichtungsverfahren anhängig gemacht werden muss, wozu erforderlich ist, dass die für das Verfahren zuständige Stelle überhaupt besteht. Diese Stelle ist in Rheinland-Pfalz gemäß § 17c Abs. 4b S. 10 KHG die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG, da ein Schlichtungsausschuss noch nicht eingerichtet worden ist. Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens muss demzufolge bei der Schiedsstelle beantragt werden. Solange die Vertragspartner auf Landesebene keine Verfahrensvorschriften vereinbart haben (§ 17c Abs. 4 S. 8 KHG) ist die Antragstellung an keine bestimmte Form gebunden.
- 73
bb) Nach § 17c Abs. 4b S. 3 KHG muss das Schlichtungsverfahren durchgeführt, d.h. beendet worden sein. Für die Frage, auf welche Weise ein Schlichtungsverfahren beendet werden kann, bzw. unter welchen Umständen von einer Durchführung des Schlichtungsverfahren ausgegangen werden kann, enthält das Gesetz ebenfalls keine nähere Regelung. Allerdings können auch diesbezüglich die Vertragsparteien auf Landesebene gemäß § 17c Abs. 4 S. 8 KHG das Schlichtungsverfahren ausgestalten. Solange dies nicht der Fall ist, muss aber davon ausgegangen werden, dass ein Schlichtungsverfahren jedenfalls dann erfolglos durchgeführt wurde, wenn dies von der zuständigen Stelle erklärt wird. Der Grund für die Erfolglosigkeit spielt für die Zulässigkeitsfrage keine Rolle, so dass beispielsweise auch von einer erfolglosen Durchführung ausgegangen werden kann, wenn die Schiedsstelle sich zur Unterbreitung eines Schlichtungsvorschlags nicht in der Lage sieht und dies den Verfahrensbeteiligten mitteilt. Ob und ggf. wann von einer erfolglosen Durchführung des Schlichtungsverfahrens ausgegangen werden kann, wenn die zuständige Stelle untätig bleibt oder wenn beide Verfahrensbeteiligten übereinstimmend erklären, dass das Schlichtungsverfahren gescheitert ist, muss vorliegend nicht entschieden werden. Die (feststellende) Entscheidung der zuständigen Stelle, dass das Schlichtungsverfahren erfolglos durchgeführt wurde, könnte als Verwaltungsakt im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG erzwungen werden. Jedenfalls besteht die Möglichkeit, den Begriff der „Durchführung“ des Schlichtungsverfahrens so auszulegen, dass die Feststellung, ob diese Sachurteilsvoraussetzung im Einzelfall gegeben ist, durch das Gericht getroffen werden kann (a.A. wohl BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 41). Solange keine Verfahrensregelungen bestehen, dürfen die Anforderungen an den Nachweis der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor dem Hintergrund der Effektivität des Rechtsschutzes nicht überspannt werden.
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cc) Entgegen der Auffassung des 3. Senats des BSG (Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 36ff.; ebenso Felix NZS 2014, S. 604) ist der von der Schiedsstelle oder dem Schlichtungsausschuss zu unterbreitende Schlichtungsvorschlag kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bzw. § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) (so auch Buchner SGb 2014S. 122ff.).
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Die Krankenhausträger müssen nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens dessen „Entscheidung“ nicht per Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) gegen die Schiedsstelle beseitigen, um den Eintritt von Bestandskraft zu verhindern. Zwar sprechen die Formulierungen in § 17c Abs. 4b S. 1 und S. 2 KHG dafür, dass Schlichtungsausschüsse und die deren Aufgabe übernehmenden Schiedsstellen mit der Anfechtungsklage angreifbare Verwaltungsakte erlassen können. Andernfalls bedürfte es keiner Regelung darüber, dass gegen die „Entscheidungen“ der Schlichtungsausschüsse nach § 17c Abs. 4 KHG der Sozialrechtsweg gegeben ist, dass kein Vorverfahren stattfindet und dass die Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Regelungen beziehen sich zwar auch auf gänzlich anders gelagerte Fälle von Entscheidungen durch Schiedsstellen und auf den Schlichtungsausschuss auf Bundesebene, die Schlichtungsausschüsse nach § 17c Abs. 4 KHG sind aber ausdrücklich mit aufgenommen.
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Allerdings besagt diese Regelung im Ausgangspunkt nicht mehr, als dass für den Fall, dass der Schlichtungsausschuss „Entscheidungen“ trifft, der Sozialrechtsweg ohne Vorverfahren und ohne Suspensiveffekt gegeben ist. Sie besagt hingegen nichts darüber, unter welchen Umständen der Schlichtungsausschuss „Entscheidungen“ treffen darf (Verwaltungsaktbefugnis), welchen Inhalt die Entscheidungen haben dürfen und welche Rechtsqualität diese Entscheidungen haben sollen.
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Da die Aufgabe der Schlichtungsstelle nach § 17c Abs. 4 S. 2 KHG die „Schlichtung“ zwischen den Verfahrensbeteiligten (die Formulierung „Vertragsparteien“ ist missverständlich, aber durch die Übernahme aus der früheren Fassung des § 17c Abs. 4 KHG erklärbar) ist, liegt die Annahme fern, dass die Schlichtungsstelle die Befugnis haben soll, den Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegen die Krankenkasse verbindlich per Verwaltungsakt festzulegen. Anders als bei Verfahren nach § 17c Abs. 2 KHG und nach § 18 Abs. 4 KHG ist Gegenstand der Schlichtung nach § 17c Abs. 4 KHG keine Vereinbarung zwischen den Beteiligten, bei der ein Verhandlungsspielraum besteht, der notfalls durch Wertungsentscheidungen der Schiedsstelle ersetzt werden kann. Das Verfahren nach § 17c Abs. 4 KHG ist auch nicht mit dem Schlichtungs- und Schiedsstellenverfahren nach § 17c Abs. 3 KHG vergleichbar, bei dem für eine Vielzahl von Fällen für Leistungserbringer und Leistungsträger verbindliche Regelungen getroffen werden sollen.
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Das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG betrifft vielmehr einen bestimmten Behandlungsfall, für den ein nach einem komplexen Regelungssystem festgelegter Vergütungsanspruch besteht, für den zwischen den Verfahrensbeteiligten im Einzelfall kein Verhandlungsspielraum besteht. Deswegen kann der Prüfungsumfang im nachfolgenden Gerichtsverfahren unabhängig von der rechtlichen Qualifikation des Handelns der Schiedsstelle nicht eingeschränkt sein (a.A. Felix NZS 2014, S. 605). Im Gerichtsverfahren muss für die Klärung dieser Fragen der Sachverhalt ermittelt und einer rechtlichen Würdigung unterzogen werden. Würde hierüber durch die Schlichtungsstelle als Behörde per Verwaltungsakt entschieden, wäre diese an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden und hätte vor einer Entscheidung ein komplettes Prüfprogramm zu absolvieren. Gegen die Annahme eines hoheitlichen Verwaltungshandelns spricht vor diesem Hintergrund, dass die Aufgabe der Schlichtungsstelle auf die Überprüfung der Ergebnisse der Prüfungen durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V, d.h. auf Fragen der medizinischen Voraussetzungen und Kodierungsfragen, beschränkt ist (§ 17c Abs. 4 S. 1 KHG). Die Schlichtungsstelle ist darüber hinaus in der Sachverhaltsermittlung auf fallbezogene Daten beschränkt (§ 17c Abs. 4 S. 7 KHG), so dass beispielsweise Fragen der Versicherteneigenschaft, die neben der Vergütungshöhe streitig sein können, nicht ermittelt und beurteilt werden können. Somit ist die Schlichtungsstelle weder zur vollständigen Amtsermittlung noch zur Prüfung sämtlicher Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs befugt. Sie kann die Anforderungen, die an eine gesetzmäßige Verwaltung zu stellen wären, demnach nicht erfüllen (vgl. auch Buchner SGb 2014, S. 124).
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dd) Demzufolge sind die Regelungen in § 17c Abs. 4 S. 1 KHG und § 17c Abs. 4 S. 7 KHG so zu verstehen, dass die Schlichtungsstelle das Ergebnis der MDK-Prüfung „prüft“, um auf dieser Grundlage eine „Entscheidung“ ohne unmittelbare Regelungswirkung nach außen zu treffen, ob und mit welchem Inhalt den Verfahrensbeteiligten ein Schlichtungsvorschlag gemacht wird. Diese Entscheidung ist kein Verwaltungsakt. Der Vorschlag wird nur verbindlich, wenn beide Beteiligten diesem zustimmen. Solange keine Verfahrensvorschriften vereinbart werden, sind weder Vorschlag noch Zustimmung an eine bestimmte Form gebunden.
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ee) Da die Entscheidung über den Schlichtungsvorschlag mangels Verwaltungsaktqualität keine Bindungswirkung entfalten kann, ist es weder erforderlich noch besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, gegen diese Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen zu können. Nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens kann Leistungsklage erhoben werden.
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ff) Die Regelungen des § 17c Abs. 4b S. 1 und S. 2 KHG haben in Bezug auf Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG dennoch eine Funktion. Die Schlichtungsstellen nach § 17c Abs. 4 KHG können - je nach Ausgestaltung des Verfahrens - verfahrensbezogene Entscheidungen treffen, für deren Anfechtung durch die Verfahrensbeteiligen ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen kann. Dies kann beispielsweise die Feststellung der (erfolglosen) Durchführung des Schlichtungsverfahrens betreffen oder auch die Festsetzung der von den Verfahrensbeteiligten zu erhebenden Gebühren (vgl. § 10 Abs. 2 Pflegesatz-Schiedsstellenverordnung Rheinland-Pfalz – PflSchVO-RLP). Gegen diese und andere denkbare Entscheidungen der Schlichtungsstelle ist nach § 17c Abs. 4b S. 1 KHG der Sozialrechtsweg gegeben. Warum man die Feststellung der Erfolglosigkeit der Schlichtung und damit den Abschluss des Verfahrens nicht einmal mit größtem Wohlwollen als „Entscheidung“ bezeichnen können soll (Felix NZS 2014, S. 603), erschließt sich nicht.
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gg) Die für die Klassifizierung der Entscheidung der Schiedsstelle als Verwaltungsakt über die Höhe des Vergütungsanspruchs vorgebrachten Argumente überzeugen demgegenüber nicht.
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Der 3. Senat des BSG begründet seine Auffassung u.a. damit, dass die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG nach der Rechtsprechung des Senats eine Behörde im Sinne des Verfahrensrechts, die durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) entscheide. Dies könne dann für die Schlichtungsausschüsse, deren Funktion die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG in unveränderter Ausgestaltung und Zusammensetzung zunächst übernehmen solle, nicht anders beurteilt werden (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 36). Die Behördeneigenschaft der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG habe der Senat bereits bejaht. Der Klage unmittelbar gegen diese Schiedsstelle bei Schiedssprüchen zu Budgets und Pflegesätzen stehe nur entgegen, dass diese Entscheidungen genehmigt werden müssen (§ 14 KHEntgG), weshalb die Klagen gegen die Genehmigungsbehörde bzw. deren Rechtsträger zu richten seien. Da im Anwendungsbereich des § 17c Abs. 4 KHG eine staatliche Genehmigung nicht vorgesehen sei und in § 17c Abs. 4b S. 2 KHG ausdrücklich die aufschiebende Wirkung von Klagen gegen die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses nach Absatz 4 ausgeschlossen werde, spreche alles dafür, dass der Gesetzgeber den Rechtsschutz so habe ausgestalten wollen, dass Klagen unmittelbar gegen die "Entscheidungen" (Verwaltungsakte) der Schlichtungsausschüsse zu erheben seien, die ohne die Klageerhebung bestandskräftig würden (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 37).
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Diese Begründung überzeugt nicht, weil sie auf der Annahme beruht, der Gesetzgeber wolle die vom BSG entwickelten dogmatischen Abgrenzungen in jedem Fall einhalten. Wenn die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG in ihrem originären Zuständigkeitsbereich per Verwaltungsakt und mit Verwaltungsaktbefugnis handelt, folgt hieraus nicht, dass dies auch für ihre Tätigkeit bei der Wahrnehmung der Aufgaben eines Schlichtungsausschusses gilt. Die Behördeneigenschaft legt die Behörde nicht darauf fest, per Verwaltungsakt zu handeln. Dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen Entscheidungen des Schlichtungsausschusses nicht zwangsläufig auf die Verwaltungsaktqualität des Schlichtungsvorschlags der Schiedsstelle oder des Schlichtungsausschusses schließen lässt, wurde bereits dargelegt.
- 85
Die Ausführungen des BSG zu den verschiedenen Streitschlichtungsformen im Bereich des SGB V, insbesondere zu den Typen „Schiedsamt“ und „Vertragshelfer“ (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 39ff.) helfen nicht weiter. Der Gesetzgeber ist an diese anhand verschiedener Beispiele für im SGB V normierte Konfliktlösungsmechanismen entwickelten Modelle nicht gebunden. Deshalb ergibt die Aussage, der Gesetzgeber habe sich für die Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4b KHG als schiedsamtsähnliches Verfahren entschieden und dies sei kein redaktionelles Versehen, das die Rechtsprechung korrigieren könne (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 38), ebenso wenig Sinn, wie die geäußerten Zweifel an der Eignung des „Vertragshelfermodells“ für die Schlichtung im Sinne des § 17c Abs. 4 KHG (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 41).
- 86
Der 3. Senat des BSG stellt selbst fest, dass die von ihm vertretene Auffassung kein völlig widerspruchsfreies Konzept erkennen lasse und dies zur Folge habe, dass sich nunmehr die Prozesskonstellationen bei Auseinandersetzungen über streitig gebliebene Vergütungen grundlegend danach unterschieden, ob ein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden sei. Sei das der Fall, müsse der Beteiligte, der mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist, Klage gegen den Schlichtungsausschuss erheben. Sei kein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden, weil der Ausschuss wegen Überschreitung der Grenze der streitigen Vergütung von 2000 Euro nicht habe angerufen werden müssen, bleibe es bei der unmittelbaren Klagemöglichkeit im Gleichordnungsverhältnis (BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 41). Weitere Widersprüche entstünden im Übrigen auch im Vergleich zu Verfahren, die einen Streitwert bis zu 2.000 Euro haben, in denen aber keine MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V stattgefunden hat. Fraglich wäre des Weiteren, wie Verfahren mit einem Streitwert von über 2.000 Euro zu behandeln wären, die freiwillig dem Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG zugeführt würden (vgl. Buchner SGb 2014, S. 123f.).
- 87
Aus den Gesetzesmaterialien zum Beitragsschuldengesetz (BT-Drucks. 17/13947, S. 39f.) und zum GKV-FQWG (BT-Drucks.18/1579, S. 10; BT-Drucks. 18/1657, S. 75) ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Einführung des Schlichtungsverfahrens bzw. mit der Übertragung der Aufgaben auf die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG eine Änderung der statthaften Rechtsschutzform im anschließenden Klageverfahren einhergehen sollte. Angesichts der hieraus resultierenden Unklarheiten und der deutlichen Steigerung der Komplexität der sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Felix NZS 2014, S. 604f.) erscheint es fernliegend, dass dies mit den hier maßgeblichen Gesetzesänderungen bezweckt wurde.
- 88
Dass die zu anderen Zwecken eingerichteten Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG mit der neuen Aufgabe im Hinblick auf personelle und finanzielle Ausstattung zunächst überfordert sein könnten (vgl. nur Felix NZS 2014, S. 603), hat noch nicht die Verfassungswidrigkeit der Regelung zur Folge. Nicht von der Hand zu weisen ist die Befürchtung, dass es zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen in der Bearbeitung der Schlichtungsfälle kommen wird. Allerdings liegt es in der Hand der Vertragspartner auf Landesebene, die Voraussetzungen für die Durchführung der Schlichtungsverfahren zu verbessern. Für die Wahrung der Rechtsschutzgarantie ist jedoch entscheidend, dass überhaupt die Möglichkeit besteht, Rechtsschutz zu erlangen, d.h. die Voraussetzungen für eine zulässige Klageerhebung herbeiführen zu können. Dass die Überforderung der Schiedsstellen mit dieser Aufgabe so massiv ist, dass es praktisch gar nicht zur Durchführung und zum Abschluss von Schlichtungsverfahren kommen kann, ist derzeit noch nicht absehbar. Insbesondere wird die Belastung dadurch gemindert, dass die in der Praxis häufigen Verrechnungsfälle nach geltendem Recht nicht von der Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG erfasst sind.
- 89
e) Ein Verstoß gegen den Justizgewährungsanspruch liegt auch nicht darin, dass die Verfahrensbeteiligten sich - je nach Ausgestaltung des Verfahrens - möglicherweise an den Kosten für das Schlichtungsverfahren beteiligen müssen. Mangels geltender Regelungen hierfür in Rheinland-Pfalz besteht bislang keine Rechtsgrundlage für eine Erhebung von Gebühren. Die Regelung nach § 10 Abs. 1 PflSchVO-RLP ist nicht anwendbar, da sie sich auf Grundlage des § 18a Abs. 4 Nr. 4 KHG ausschließlich auf das Verfahren der Pflegesatzvereinbarung nach § 18 Abs. 4 KHG bezieht. Die Kosten der Schiedsstelle werden nach § 10 Abs. 3 PflSchVO-RLP im Übrigen von den die Schiedsstelle tragenden Organisationen getragen, soweit sie durch Verfahrensgebühren nicht gedeckt werden können. Die Finanzierung der Schiedsstelle ist somit geregelt. Solange keine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Verfahrensgebühren besteht, stellt sich die Frage nach einer die Rechtsschutzgarantie faktisch unterlaufenden Kostenbelastung nicht.
- 90
e) Ein Verstoß gegen den Justizgewährungsanspruch ist auch nicht deshalb gegeben, weil ein besonderer Tatbestand zur Hemmung der Verjährung während der Durchführung des Schlichtungsverfahrens nicht geschaffen wurde (anders zum Güteverfahren nach § 15a ZPOEG in § 204 Abs. 1 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
- 91
aa) Vergütungsansprüche von Krankenhausträgern gegen Krankenkassen unterliegen gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 195 BGB der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 41ff.). Es könnte deshalb ein Verstoß gegen den Justizgewährungsanspruch vorliegen, wenn Ansprüche auf Grund der obligatorischen Durchführung des Schlichtungsverfahrens verjähren würden. Deshalb ist die Hemmung der Verjährung während des Schlichtungsverfahrens notwendige Bedingung für die Verfassungskonformität des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG.
- 92
bb) Während der Durchführung des Schlichtungsverfahrens nach § 17 Abs. 4 KHG tritt eine Hemmung der Verjährung nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 203 S. 1 BGB ein. Nach § 203 S. 1 BGB ist die Verjährung gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Für das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG greift kein speziellerer Hemmungstatbestand nach § 204 BGB. Eine analoge Heranziehung beispielsweise des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB (so Buchner SGb 2014, S. 125; vgl. auch BSG, Urteil vom 08.10.2014 - B 3 KR 7/14 R - Rn. 30) ist allerdings nicht erforderlich, da die Einführung spezieller Hemmungstatbestände für Schieds- oder Gutachterstellen in § 204 BGB die parallele Anwendung des § 203 BGB nicht ausschließt (Grothe in MüKo-BGB, § 203 Rn. 6, 6. Auflage 2012). In Folge dessen, dass das Schlichtungsverfahren nach der hier vertretenen Auffassung auf eine einvernehmliche Streitbeilegung ausgerichtet ist (§ 17c Abs. 4 S. 2 KHG), schweben während der Durchführung des Schlichtungsverfahrens Verhandlungen zwischen den Beteiligten, so dass die Voraussetzungen des § 203 S. 1 BGB gegeben sind. Der Umstand, dass die Beteiligten, insbesondere die Krankenhausträger, in den Fällen des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens gezwungen sind, schließt begrifflich die Führung von "Verhandlungen" nicht aus. Verhandlungen müssen nicht freiwillig geführt werden. Die Weigerung eines der Beteiligten, die Verhandlungen fortzuführen führt zum Scheitern der Schlichtung und zum Ende der Verjährungshemmung.
- 93
3.3 Die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ist somit verfassungsgemäß. Seit der Einführung der Auffangzuständigkeit der Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG mit Änderung des § 17c Abs. 4 KHG zum 01.08.2014 bzw. ab dem 01.09.2014 liegt für ab dem 01.09.2014 erhobene Klagen kein Verstoß gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch mehr vor.
- 94
4. Das Verfahren war nicht zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens und somit zur nachträglichen Herbeiführung der Zulässigkeitsvoraussetzung auszusetzen (a.A SG Dresden, Beschluss vom 20.02.2014 – S 18 KR 1051/13; SG Augsburg, Beschluss vom 23.07.2014 – S 10 KR 411/13; SG Neuruppin, Beschluss vom 05.06.2014 - S 20 KR 12/14 - Rn. 12f.). Für ein solches Vorgehen besteht keine Rechtsgrundlage. Insbesondere ergibt sich die Möglichkeit zur Aussetzung des Verfahrens weder unmittelbar noch analog aus § 114 Abs. 2 SGG.
- 95
a) Nach § 114 Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist.
- 96
b) Die in § 114 Abs. 2 S. 1 SGG genannten Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt zum einen nicht von einem anderen, anderweitig anhängigen Rechtsstreit ab. Bei dem Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG handelt es sich um denselben Rechtstreit, der sich lediglich in einem anderen Verfahrensstadium befindet. Zum anderen hängt die Entscheidung im Klageverfahren nicht von der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses durch eine Verwaltungsstelle ab. Auch wenn die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG jedenfalls als Verwaltungsstelle bezeichnet werden kann, sind deren Feststellungen für das Gerichtsverfahren in keiner Weise verbindlich oder vorgreiflich. Sie sind - im Gegenteil - durch das Gericht voll überprüfbar bzw. ersetzbar. Hiervon abgesehen genügt es für die Zulässigkeit der Klage, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde. Von einer wie auch immer gearteten „Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses“ durch die Schiedsstelle (oder den Schlichtungsausschuss) hängt die Entscheidung im Gerichtsverfahren jedoch nicht ab. Der Anwendungsbereich des § 114 Abs. 2 S. 1 SGG ist somit in der vorliegenden Konstellation nicht eröffnet.
- 97
c) Auch eine analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 S. 1 SGG kommt nicht in Betracht. Im Falle der Unzulässigkeit der Klage in Folge des nicht durchgeführten Schlichtungsverfahrens bedarf es der Möglichkeit einer Aussetzung nicht. Die Klage kann - wie beim Fehlen sonstiger Sachurteilsvoraussetzungen - als unzulässig abgewiesen werden. Es besteht also bereits keine "Lücke" in der Gesetzessystematik, die - Planwidrigkeit und vergleichbare Interessenlage vorausgesetzt - im Wege einer Analogie gefüllt werden müsste bzw. dürfte (vgl. zur Aussetzung bei noch nicht durchgeführtem Widerspruchsverfahren: SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 09.05.2011 - S 20 SO 1922/11; SG Mannheim, Gerichtsbescheid vom 04.04.2012 - S 10 AS 627/12; SG Berlin, Urteil vom 16.05.2012 - S 205 AS 11726/09; Bayerisches LSG, Urteil vom 12.08.2013 - L 7 AS 455/13; SG Mainz, Gerichtsbescheid vom 12.11.2013 - S 17 SO 133/13).
III.
- 98
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Demnach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Da die Beklagte voll obsiegt hat, waren der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
IV.
- 99
Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wonach bei einem Antrag, der eine bezifferte Geldleistung betrifft, deren Höhe maßgebend ist.
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