Urteil vom Sozialgericht Speyer (17. Kammer) - S 17 KR 770/15

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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.837,50 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt 23 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Nachzahlung von Beitragszuschüssen gemäß § 257 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) streitig.

2

Der am … 1969 geborene Kläger war im Zeitraum vom 15.03.2008 bis zum 31.07.2010 als Rechtsanwalt bei der Beklagten, einer Steuer-und Rechtsberatungsgesellschaft, im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig.

3

An 27.02.2008 schloss der Kläger mit der Beklagten einen „Vertrag über freie Mitarbeit“, der unter anderem die folgenden Regelungen enthielt:

4

Präambel

5

Herr B… wird in den Büroräumen von M… ... in K… und ... in B…-B… als freier Mitarbeiter für M… tätig sein. Ein Arbeitsplatz wird ihm kostenfrei zur Verfügung gestellt.

6

Ziel der freien Mitarbeit ist ein Beitritt von Herrn B… in die Partnerschaftsgesellschaft von M…. Hierüber werden die Parteien zum Ende des Kalenderjahres 2008 in Verhandlungen treten.

7

§ 2 Vergütung

8

Herr B… erhält eine gewinnabhängige Tätigkeitsvergütung. MHP hat für jeden Berufsträger eine Kostenstelle eingerichtet, auf der diesem Berufsträger zuzuordnende Einnahmen und Ausgaben gebucht werden. Basis der Vergütung sind die Gewinne aus der Kostenstelle von Herrn B…. Herr B… erhält eine monatliche Vorabvergütung in Höhe von 5000,00 €.

9

Daneben vereinbarten die Beteiligten folgenden Zusatz zum Vertrag über eine freie Mitarbeit vom 27.02.2008:

10

§ 1 Vergütung

11

Die vereinbarte Vorabvergütung (§ 2 Abs. 3) wird nicht zurückgefordert. Diese Vergütung wird garantiert bis zum 31.12.2009. Über die ab 2010 geltenden Vergütungsregelungen werden die Parteien spätestens am Ende des 3. Quartals 2009 Verhandlungen aufnehmen. Ebenso werden die Partei nach Vorliegen des Jahresabschlusses 2008 über die Gewinnverteilung eine einvernehmliche Regelung treffen.

12

Während des Tätigkeitszeitraums stellte der Kläger der Beklagten monatliche Rechnungen über einen Betrag von 5000,00 € nebst Umsatzsteuer.

13

Die Beklagte erstellte für jedes Jahr betriebswirtschaftliche Auswertungen, in denen Umsatzerlöse und Kosten wie Personalkosten, Raumkosten, Fortbildung/Seminare, Kosten der EDV für den Kläger aufgeschlüsselt waren. Eine tatsächliche Abrechnung dieser Kosten gegenüber dem Kläger erfolgte im gesamten Tätigkeitszeitraum nicht; der Kläger erhielt durchgehend monatlich 5000,00 €.

14

Während des gesamten Zeitraums der Tätigkeit für die Beklagte war der Kläger freiwillig bei der Techniker Krankenkasse krankenversichert.

15

Im Zeitraum vom 15.03.2008 bis zum 31.07.2010 schuldete der Kläger der Techniker Krankenkasse die folgenden Beiträge zur Krankenversicherung:

16

15.03.2008-31.03.2008

299,88 €

01.04.2008-30.06.2008

(monatlich) 529,20 €

01.07.2008-31.12.2008

(monatlich) 529,20 €

01.09.2009-30.06.2009

(monatlich) 569,63 €

01.07.2009-31.12.2009

(monatlich) 547,58 €

01.01.2010-31.07.2010

(monatlich) 558,75 €

17

Auf den Bescheid der Techniker Krankenkasse vom 01.12.2015 (Blatt 96-106 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

18

Am 01.08.2011 beantragte der Kläger bei der DRV Bund die Feststellung seiner Sozialversicherungspflicht.

19

Mit Anhörungsschreiben vom 19.12.2011 teilte die DRV Bund sowohl dem Kläger, als auch der Beklagten mit, dass sie den Erlass eines Bescheids über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung des Klägers beabsichtige.

20

Mit Bescheiden vom 26.01.2012, die gegenüber dem Kläger und der Beklagten ergingen, stellte die DRV Bund fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt bei der Beklagten in der Zeit vom 15.03.2008 bis zum 31.07.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden war und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Die DRV Bund regelte weiter, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterlag.

21

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Beklagten vom 16.02.2012 wies die DRV Bund mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2013 als unbegründet zurück. Der Kläger wurde durch die DRV Bund über den Erlass dieses Widerspruchsbescheids informiert.

22

Am 08.02.2013 erhob die Beklagte hiergegen eine Klage bei dem Sozialgericht K…. Der Rechtsstreit wurde bei dem SG K… unter dem Az.: S 9 R 496/13 geführt. Durch das Sozialgericht K… wurde der Kläger gemäß § 75 Abs. 2, 1. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu dem Rechtsstreit notwendig beigeladen.

23

Mit Urteil vom 12.11.2014 wurde die Klage durch das Sozialgericht K… abgewiesen.

24

Die durch die Beklagte gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 23.06.2015 zurückgewiesen. Der Kläger war auch im Berufungsverfahren durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg nach § 75 Abs. 2, 1. Alt. SGG notwendig beigeladen worden.

25

Am 30.12.2014 hat der Kläger die vorliegende Klage bei dem Sozialgericht K… erhoben.

26

Mit Beschluss vom 02.02.2015 hat sich das Sozialgericht K… für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Speyer verwiesen.

27

Mit Schreiben vom 11.02.2015 hat das Sozialgericht Speyer der Beklagten die Abschrift der Klagschrift vom 30.12.2014 übersandt. Die Beklagte hat das gerichtliche Schreiben nebst der in der Anlage beigefügten Klagschrift am 16.02.2015 erhalten.

28

Mit Schriftsätzen vom 12.03.2015 (Blatt 41-45 der Gerichtsakte) und 28.01.2016 (Blatt 81-82 der Gerichtsakte) hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

29

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass ihm die Beklagte einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung schulde, da er aufgrund der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sei und eine freiwillige Krankenversicherung bei der Techniker Krankenkasse bestanden habe. Der zu zahlende Beitragszuschuss liege bei der Hälfte der im streitgegenständlichen Zeitraum angefallenen Beiträge zur Krankenversicherung.

30

Der Kläger ist weiter der Rechtserfassung, dass der Anspruch auf Zahlung dieses Beitragszuschusses nicht verjährt sei, da der Lauf der Verjährungsfristen entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt worden sei. Dies folge daraus, dass er zum einen Beteiligter des Statusfeststellungsverfahrens bei der DRV Bund gewesen und zum anderen zu den gerichtlichen Verfahren bei dem Sozialgericht K… und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg notwendig beigeladen worden sei.

31

Der Kläger hat nach mehrfacher Neuformulierung seiner Anträge zuletzt beantragt:

32

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Arbeitgeberzuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 257 SGB V einen Nettobetrag in Höhe von 7.838,66 € zu zahlen.

33

Die Beklagte beantragt:

34

die Klage wird abgewiesen.

35

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass vorliegend die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB maßgeblich sei. Durch den Gesetzgeber sei für die Geltendmachung der Beitragszuschüsse nach § 257 Abs. 1 SGB V keine Regelung zur Verjährung getroffen worden. Diese Regelungslücke sei im Wege der analogen Anwendung des § 195 BGB zu schließen. Hierfür spreche insbesondere, dass diese Verjährungsfrist auch für sämtliche anderen Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis gelte.

36

Die Beklagte ist weiter der Rechtsauffassung, dass selbst bei Unterstellung einer 4-jährigen Verjährungsfrist zwischenzeitlich Verjährung eingetreten sein, da der Beklagten die am 31.12.2014 erhobene Klage erst am 16.02.2015 zugestellt worden sei.

37

Die Beklagte macht weiter geltend, dass der gegebenenfalls zu gewährende Beitragszuschuss entgegen der Auffassung des Klägers nicht bei der Hälfte der im streitgegenständlichen Zeitraum angefallenen Beiträge zur Krankenversicherung liege. Nach der für die Zeit des Beschäftigungsverhältnis maßgeblichen Fassung des § 257 Abs. 1 SGB V habe der Arbeitgeber von dem Krankenversicherungssatz von 14,9 % lediglich 7,0 % zu tragen.

38

Mit Beschluss vom 15.04.2016 hat das Sozialgericht Speyer einen zwischen den Beteiligten zustande gekommenen Vergleich über die Beitragszuschüsse zur Pflegeversicherung gemäß §§ 202 SGG in Verbindung mit 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.

39

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

40

Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist diese unbegründet.

41

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Zahlung von Beitragszuschüssen für das Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 1.837,50 € (hierzu 1.)). Die Zahlungsansprüche des Klägers für die Jahre 2008 und 2009 sind nach Auffassung der Kammer verjährt (hierzu 2.)).

42

1. Grundlage für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf die Zahlung von Beitragszuschüssen für die Zeit vom 01.01.2010 - 31.07.2010 in Höhe von 1.837,50 € ist § 257 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung vom 26.03.2007 (zukünftig: § 257 Abs. 1 (a.F.)).

43

Nach dieser Vorschrift erhalten Beschäftigte, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuss die Hälfte des Beitrags, der bei Anwendung des um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen wäre.

44

Die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V lag im Jahr 2010 bei einem Betrag von 49.950,00 €.

45

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 257 Absatz 1 Satz 1 SGB V (a.F.) sind gegeben. Der Kläger war als Arbeitnehmer bei der Beklagten tätig.

46

Es bestand des Weiteren eine freiwillige Krankenversicherung des Klägers bei der Techniker Krankenkasse.

47

Mit dem erzielten Monatsverdienst von 5.000,00 € war der Kläger wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 SGB V versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung.

48

Durch die Beklagte wurden in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.07.2010 Beitragszuschüsse von 1.837,50 € geschuldet.

49

Nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) gilt als beitragspflichtige Einnahme für Arbeitnehmer, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, für den Kalendertag 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs. 3 SGB V). Diese entsprach im Jahr 2010 einen Betrag von (jährlich) 45.000,00 € (monatlich 3750,00 €). Der allgemeine Beitragssatz (§ 241 SGB V) lag im Jahr 2010 bei 14,9 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder.

50

Der durch den Kläger geschuldete Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung lag unter Zugrundelegung des allgemeinen Beitragssatzes von 14,9% bei einem Betrag von monatlich 558,75 € (3.750,00 € x 14,9 %). Bei Anwendung des um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatzes ergibt sich ein durch den Arbeitgeber zu zahlender Beitragszuschuss von monatlich 262,50 € ((3.750,00 € x 7,0%). Dies führt zu einem für das Jahr 2010 insgesamt geschuldeten Beitragszuschuss von 1837,50 € (262,50 € x 7 Monate).

51

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Verjährung des Anspruchs auf die Beitragszuschüsse für das Jahr 2010 nicht gegeben.

52

Bei der gebotenen analogen Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (siehe unten) wäre eine Verjährung der im Jahr 2010 entstandenen Ansprüche auf die Beitragszuschüsse mit Ablauf des 31.12.2014 eingetreten.

53

Die Verjährung wurde jedoch durch die Erhebung der vorliegenden Klage bei dem Sozialgericht K… am 30.12.2014 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.

54

Unschädlich ist, dass der Beklagten die am 30.12.2014 bei dem Sozialgericht K… eingegangene Klagschrift erst am 16.02.2015 zuging. Denn gemäß § 94 SGG wird die Streitsache mit der Erhebung der Klage, d.h. dem Eingang der Klage bei Gericht rechtshängig. Unschädlich ist, dass die Klage bei dem unzuständigen Sozialgericht K… erhoben und anschließend mit Beschluss vom 02.02.2015 an das Sozialgericht Speyer verwiesen worden ist. Denn die Wirkung der früheren Rechtshängigkeit blieb gemäß § 98 SGG in Verbindung mit § 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG bestehen.

55

2. Der im Zeitraum vom 15.03.2008 bis zum 31.12.2009 bestehende Anspruch des Klägers auf Zahlung der Beitragszuschüsse ist verjährt.

56

Die Einrede der Verjährung wurde durch die Beklagte mit den Schriftsätzen vom 12.03.2015 (Blatt 41-45 der Gerichtsakte) und 28.01.2016 (Blatt 81-82 der Gerichtsakte) erhoben.

57

Die Ansprüche auf die Zahlung der Beitragszuschüsse für das Jahr 2008 sind mit Ablauf des 31.12.2012 und diejenigen für das Jahr 2009 mit Ablauf des 31.12.2013 verjährt.

58

Nach Auffassung der Kammer verjähren Ansprüche auf einen Beitragszuschuss in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dies folgt aus einer analogen Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).

59

Die Verjährung des Anspruchs des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf einen Beitragszuschuss nach § 257 Abs. 1 SGB V ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.

60

Diese planwidrige Regelungslücke ist nach Auffassung der Kammer durch eine analoge Anwendung des § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV zu schließen. Eine solche Analogie ist aufgrund von systematischen und teleologischen Aspekten geboten.

61

In systematischer Hinsicht sind sowohl der Anspruch auf den Beitragszuschuss, als auch die vom unmittelbaren Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV umfassten Beitragsansprüche grundsätzlich dem System der Regeln über die Aufbringung von Beiträgen zuzuordnen.

62

Darüber hinaus verfolgt der Anspruch nach § 257 SGB V, der sich im 8. Kapitel des SGB V „Finanzierung“ befindet, den öffentlichen Zweck, eine beitragsmäßige Gleichbehandlung der erfassten versicherungsfreien bzw. befreiten Beschäftigten mit versicherungspflichtigen Beschäftigten herzustellen (so Böttiger in Krauskopf, SGB V, § 2. 57, Rn. 2). Es besteht daher bei diesem sozialversicherungsrechtlichen Anspruch eigener Art, ebenso wie bei den Beitragsansprüchen, ein besonderes öffentliches Interesse an dessen Erfüllung durch den jeweils verpflichteten Arbeitgeber/Dritten.

63

Zwar führt der Umstand, dass der Anspruch nach § 257 SGB V das Verhältnis des Versicherten zu einem zahlungspflichtigen Arbeitgeber/Dritten betrifft, dazu, dass sich die Interessenlage von derjenigen der Beitragsansprüche unterscheidet. Denn die Dauer der Verjährungsfrist für Beitragsansprüche beruht auf einer Abwägung zwischen den Interessen der mit dem Beitragseinzug beauftragten und dafür ausgerüsteten Behörde auf der einen Seite und dem Interesse der in Anspruch genommenen Arbeitgeber/Dritten auf der anderen Seite. In diesem Zusammenhang bedarf die vom Gesetz beauftragte Behörde eines geringeren Schutzes, als der leistungspflichtige Dritte, dessen Belastung in Grenzen gehalten werden muss. Demgegenüber ist der von § 257 SGB V erfasste Beschäftigte, der den Anspruch selbst geltend machen muss, schutzbedürftiger, als der verpflichtete Arbeitgeber/Dritte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 02.06.1982, Az.: 12 RK 66/81, Rn. 17 zitiert nach Juris).

64

Dieser Unterschied, der dazu führte, dass sich das BSG (BSG, Urteil vom 02.06.1982, Az.: 12 RK 66/81, Rn. 17 zitiert nach Juris) noch an einem Analogieschluss gehindert sah, führt nach Wegfall des § 197 BGB (a.F.) nicht mehr zum Ausschluss einer solchen.

65

Denn durch die Anwendung der 4-jährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wird der gesteigerten Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers in höherem Maße Rechnung getragen, als bei der anderenfalls gebotenen Anwendung der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Darüber hinaus wird durch die analoge Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der Gleichlauf der Verjährung von Beitragsansprüchen und Beitragszuschüssen sichergestellt (so Grimmke in Schlegel/Voelzke, Juris PK-SGB V, § 257, Rn. 118).

66

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Lauf der Verjährungsfristen nicht durch das Statusfeststellungsverfahren bei der DRV Bund und durch die anschließend geführten Rechtsstreite vor dem Sozialgericht K… und Landessozialgericht Baden-Württemberg gehemmt worden.

67

Die Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung von Ansprüchen nach § 257 Abs. 1 SGB V ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Diese Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung der §§ 203 ff. BGB zu schließen (so BSG, Urteil vom 02.06.1982, Az.: 12 RK 66/81, Rn. 27, zitiert nach Juris).

68

Durch die Einleitung des Statusfeststellungsverfahrens bei der DRV Bund ist kein Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 BGB ausgelöst worden.

69

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB analog nicht gegeben.

70

Hiernach wird die Verjährung durch die Zustellung der Streitverkündung gehemmt.

71

Vorliegend ist eine Streitverkündung während der vor dem Sozialgericht K… und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg geführten Rechtsstreitigkeiten nicht erfolgt. Der Kläger wurde vielmehr sowohl durch das Sozialgericht K…, als auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg gemäß § 75 Abs. 2, 1. Alt. SGG notwendig beigeladen.

72

Zwar kann auch die Beiladung eine Hemmung der Verjährung entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB auslösen (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 75, Rn. 17 a). Eine solche Hemmung der Verjährung wird durch eine Beiladung nach Auffassung der Kammer jedoch nur dann bewirkt, wenn die Konstellation der Beiladung derjenigen einer Streitverkündung im Sinne der §§ 72 ff. ZPO entspricht. Denn Sinn und Zweck des Hemmungstatbestands des § 204 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist es, zu verhindern, dass der Regressanspruch verjährt, weil der Prozess, durch den die Voraussetzungen der Regresspflicht ganz oder zum Teil festgestellt werden, über den Ablauf der für den Regressanspruch geltenden Verjährungsfrist hinaus andauert (so Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, § 204, Rn. 39). Dementsprechend muss die Beiladung gemäß § 75 SGG durch die Erwartung/Besorgnis des Gerichts ausgelöst worden sein, dass ein Beteiligter im Falle des für ihn ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen alternativen Anspruch gegen einen Dritten haben kann oder einen Anspruch des Dritten befürchten muss.

73

Diese Voraussetzungen waren nicht gegeben. Die Beiladungen in den Verfahren vor dem Sozialgericht K… und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg beruhten auf § 75 Abs. 2, 1. Alt. SGG. Denn die Entscheidung über die zwischen der DRV Bund und der Beklagten streitige Problematik, ob der Kläger bei der Beklagten als Rechtsanwalt sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, griff unmittelbar in die Rechte des Klägers ein.

74

Unabhängig hiervon steht der entsprechenden Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB entgegen, dass die Stellung des Klägers in den vor dem Sozialgericht K… und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg geführten Rechtsstreitigkeiten nicht der des Streitverkünders, sondern der eines Dritten im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO entsprach. Denn der Kläger war an den dortigen Verfahren nicht als Partei, sondern lediglich als Beigeladener beteiligt.

75

Der Beklagten war es darüber hinaus auch nicht dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

76

Eine solche Konstellation wäre dann gegeben, wenn die Beklagte den Kläger von der Klageerhebung abgehalten hätte. Ein solches Abhalten kann in einer mangelnden, pflichtwidrig unterlassen Aufklärung oder Unterrichtung liegen. Es genügt weiterhin, dass der andere Beteiligte zu der Annahme berechtigt war, das Verfahren werde ohne Rechtsstreit abgewickelt werden können (so BSG a.a.O., Rn. 29, zitiert nach Juris).

77

Während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bestand für die Beklagte -ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei dem als Rechtsanwalt tätigen Kläger um einen rechtskundigen Arbeitnehmer handelte- nicht die Verpflichtung zur Aufklärung oder Unterrichtung über den Anspruch nach § 257 SGB V. Denn während dieses Zeitraums sind die Beteiligten offensichtlich übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Kläger als freier Mitarbeiter für die Beklagte tätig ist und ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht besteht. Anderenfalls wäre das Verhältnis anders ausgestaltet oder der Antrag auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht zeitnah nach Aufnahme der Tätigkeit am 15.03.2008 gestellt worden.

78

Der Kläger konnte auch nicht davon ausgehen, dass das Verfahren ohne Rechtsstreit abgewickelt werden könne. Aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte den Bescheid der DRV Bund vom 26.01.2012 nicht akzeptierte, musste sich dem rechtskundigen Kläger aufdrängen, dass die Beklagte weder die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses hinnehmen, noch die Beitragszuschüsse nach § 257 Abs. 1 SGB V ohne weiteres zahlen werde. Es hätte dem Kläger daher oblegen, auf eine einvernehmliche Verlängerung der Verjährungsfristen bzw. eine Verjährungsverzichtsvereinbarung hinzuwirken und/oder gesondert Klage zu erheben.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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