Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 10 K 5218/17
Tenor
Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18. September 2017 in der Fassung vom 17. Mai 2018 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks M. 00 in D. Auf diesem Grundstück stand bis Dezember 2017 in unmittelbarer Nähe zu der zur Straße „M.“ gelegenen Grundstücksgrenze eine Schwarzkiefer. Durch das Wurzelwerk dieses Baums sind Schäden im öffentlichen Straßenraum entstanden, deren Beseitigung die Beklagte von den Klägern mit der angegriffenen Ordnungsverfügung fordert. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
3Erstmals im Jahr 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Fällgenehmigung für die Schwarzkiefer. Den Antrag vom 24. Januar 2006 begründeten sie unter Verweis auf negative Auswirkungen des Baums auf ihr Grundstück und auch damit, dass durch die Wurzeln des Baums die Gehwegplatten angehoben würden und die Gefahr einer Beschädigung der unter dem Gehweg verlegten Gasleitung bestehe. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. März 2006 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der durch die örtliche Baumschutzsatzung geschützte Baum sei vital und trage wesentlich zur Gestaltung und Belebung des Wohnumfelds sowie zur Verbesserung der lufthygienischen Verhältnisse bei. Die von den Klägern beanstandeten Unebenheiten im Pflasterbelag des Gehwegs lägen im zumutbaren Toleranzbereich. Die mögliche Gefahr, dass die Wurzeln des Baums die Gasleitung beschädigten, basiere auf reinen Vermutungen. Eine konkrete Gefahr, dass der Baum in absehbarer Zeit Personen oder Sachen schädigen könne, liege nicht vor. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung komme daher nicht in Frage. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2006 zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass anlässlich einer Ortsbesichtigung festgestellt worden sei, dass die Gehwegplatten des angrenzenden öffentlichen Bürgersteigs eine leichte Anhebung aufwiesen. Diese Unebenheit beinhalte jedoch derzeit keine Stolpergefahr.
4Unter dem 19. Juni 2013 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass festgestellt worden sei, dass die öffentliche Verkehrsfläche durch Wurzeln des auf ihrem Grundstück stehenden Baums beschädigt worden sei. Sie forderte die Kläger auf, diese Schäden durch ein von ihnen zu beauftragendes eingetragenes Tiefbauunternehmen in Absprache mit dem zuständigen Fachbereich zu beheben. Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 wiesen die Kläger darauf hin, dass sie im Jahr 2006 bereits auf die wurzelbedingten Schäden hingewiesen hätten. Da die Erhaltung des Baums, der den Schaden verursacht habe, nach der Entscheidung der Beklagten im „öffentlichen Interesse“ liege, sei es auch ihre Aufgabe, für die Beseitigung der Folgeschäden zu sorgen. Dies sei in der Vergangenheit offenbar auch so gehandhabt worden. Jedenfalls seien vor dem Jahr 2006 Gehwegplatten erneuert worden, jedoch nicht von ihnen. Hätte der Baum damals schon beseitigt werden dürfen, wäre es zu den beanstandeten Folgeschäden nicht gekommen. Hierfür übernähmen sie keine Verantwortung. Daraufhin wurden durch Mitarbeiter der Beklagten am 26. November 2013 vier Gehwegplatten aufgenommen und neu verlegt.
5Mit Schreiben vom 6. April 2017 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass am 6. Februar 2017 festgestellt worden sei, dass ca. 4 m² Gehwegoberfläche, drei Bordsteine, ca. 3 m zweireihige Entwässerungssteinrinne und ca. 2 m² Asphaltoberfläche durch Einwirkungen von Wurzeln des auf dem Grundstück der Kläger befindlichen Grünbewuchses angehoben worden seien. Aus welchen Gründen die Angelegenheit im Jahr 2013 nicht weitergeführt worden sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Es sei nunmehr jedoch beabsichtigt, den Klägern aufzugeben, die Beseitigung der Schäden in Absprache mit den zuständigen Fachämtern unter Erhalt der Wurzeln der geschützten Kiefer vorzunehmen. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
6Mit Schreiben vom 21. April 2017 wiesen die Kläger darauf hin, dass die Angelegenheit im Jahr 2013 dadurch abgeschlossen worden sei, dass die Beklagte die Schäden am Gehweg ausgebessert habe. Damit seien in der Vergangenheit bereits zweimal Nachbesserungen durch die Beklagte erfolgt. Sie seien für die weitere Entwicklung nicht verantwortlich. Bereits im Jahr 2006 hätten sie einen Antrag auf Erteilung einer Fällgenehmigung für die Schwarzkiefer gestellt. Schon damals sei ein Anheben der Gehwegplatten erkennbar gewesen. Hierzu sei von der Beklagten in den ablehnenden Bescheiden ausgeführt worden, die Unebenheiten lägen im noch zumutbaren Toleranzbereich. Die Vergrößerung der Schäden am Gehweg sei im Jahr 2006 aber bereits voraussehbar gewesen. Eine endgültige und dauerhafte Schadensbeseitigung sei künftig erst dann zu erwarten, wenn die Kiefer gefällt werde. In einem ähnlich gelagerten Fall in der Nachbarschaft sei eine Schwarzkiefer auf städtischem Grund nach Schäden am Gehweg und an der Straße im vergangenen Jahr entfernt worden. Die Kosten für das Fällen der Kiefer würden sie übernehmen. Die Schäden an Gehweg und Straße seien jedoch durch die Beklagte zu beseitigen.
7Mit der vorliegend streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 18. September 2017 forderte die Beklagte die Kläger auf, die im Anhörungsschreiben vom 6. April 2017 aufgezeigten Schäden im Straßenraum unter Erhaltung der Wurzeln der geschützten Kiefer in Abstimmung mit dem Fachbereich Umwelt und dem D. Stadtbetrieb fachgerecht bis zum 30. November 2017 zu beseitigen. Zur Begründung führte sie aus, die Ordnungsverfügung erfolge auf der Rechtsgrundlage des § 22 StrWG NRW i. V. m. § 18 StrWG NRW sowie der §§ 1 und 2 der D. Straßenverordnung (..SV). Die Schäden im öffentlichen Straßenraum bestünden zwar seit Jahren und der betreffende Bereich werde vom D. Stadtbetrieb auch bislang in einem verkehrssicheren Zustand gehalten. Bei den erfolgten Nachbesserungen habe es sich aber nicht um eine qualifizierte Straßenbauarbeit, sondern um provisorische Maßnahmen zum Erhalt der Verkehrssicherheit gehandelt. Das natürliche Wachstum der Baumwurzeln habe zur Folge, dass sich das Schadensbild im Laufe der Zeit vergrößere. Der inzwischen entstandene Schaden müsse nunmehr beseitigt werden. Die beantragte Genehmigung sei im Jahr 2006 mit stichhaltigen Argumenten abgelehnt worden. Daher müsse es bei dem Erhalt der Kiefer und der zu diesem Baum gehörenden Wurzeln verbleiben. Es gebe eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Schäden nachhaltig zu beseitigen, ohne hierfür die Wurzeln des Baums beschädigen oder entfernen zu müssen.
8Mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 beantragten die Kläger nach Durchführung eines Ortstermins in Absprache mit der Beklagten erneut eine Genehmigung zum Fällen der Schwarzkiefer. Dem Antrag wurde mit Bescheid vom gleichen Tag entsprochen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Kiefer verursache mit ihrem Wurzelwerk bekanntermaßen Schäden im öffentlichen Straßenraum. Da die Instandsetzung der städtischen Fläche mit einem hohen Kostenaufwand verbunden sei, werde im Rahmen der Baumschutzsatzung wegen einer unzumutbaren Härte eine Genehmigung zum Fällen des betroffenen Baums erteilt. Diese Genehmigung sei mit der Auflage zur Durchführung einer Ersatzpflanzung verbunden. Die Schwarzkiefer wurde daraufhin im Dezember 2017 im Auftrag der Kläger gefällt.
9Bereits am 8. Oktober 2017 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, es werde nicht bestritten, dass die beanstandeten Schäden am Gehweg und dem sich anschließenden Straßenrand vorhanden und durch die vormals auf ihrem Grundstück stehende Schwarzkiefer kausal verursacht worden seien. Ihre Heranziehung zur Beseitigung der Schäden sei gleichwohl rechtswidrig. Die Beklagte habe ein etwaiges Recht zum Einschreiten verwirkt. Sie hätten im Jahr 2006 erfolglos die Erteilung einer Fällgenehmigung für die Schwarzkiefer beantragt. In der Folgezeit seien die Schäden durch den D. Stadtbetrieb überwacht und zweimal ausgebessert worden. Nachdem auf ihr Schreiben vom 24. Juni 2013 keinerlei Reaktion mehr erfolgt sei und die Schäden im Nachgang vielmehr sogar ausgebessert worden seien, hätten sie auch bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgehen dürfen, dass die Angelegenheit für sie vollständig erledigt sei. Jedenfalls spätestens mit Beginn des Jahres 2014 hätten sie daher rechtlich verbindlich darauf vertrauen dürfen, dass etwaige künftige Schäden auf Veranlassung der Beklagten und auf deren Kosten beseitigt werden würden. Vor Erteilung der Genehmigung zur Fällung des Baums hätten sie selbst keine Möglichkeit gehabt, die entstandenen Schäden zu vermeiden. Eine Beschädigung oder gar die Beseitigung der Wurzeln sei ihnen rechtlich untersagt gewesen. Damit seien Folgeschäden durch das Weiterwachsen des Baums aber in Kauf genommen worden. Hierfür könnten sie nunmehr nicht verantwortlich gemacht werden. Nach der im Dezember 2017 erfolgten Fällung der Kiefer seien weitere Folgeschäden im Übrigen künftig nicht mehr zu erwarten. Dafür, dass nach dem Fällen des Baums aufgrund seiner im Erdreich verbliebenen Wurzeln eine fortwährende Vergrößerung des Schadensumfangs zu befürchten sei, gebe es vielmehr keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegenteil sei das Schadensbild inzwischen eher rückläufig. Überdies handele es sich bei den Unebenheiten des Gehwegs ohnehin um vergleichsweise geringfügige Beschädigungen, dies insbesondere mit Blick auf den Zustand der Straßen und Gehwege in der örtlichen Umgebung von Richterich bzw. im gesamten Stadtgebiet. Die Höhendifferenz im Vergleich zum übrigen Niveau des Pflasters betrage nachweislich an keiner Stelle mehr als 2 cm, sodass die städtische Verkehrssicherungspflicht gegenüber Fußgängern nicht verletzt sein könne. Die Anhebungen befänden sich auch lediglich im Bereich des Bordsteins und der Basamentsteine, in dem ohnehin kein Fußgängerverkehr zu erwarten sei. Bis heute seien diese Unebenheiten im Übrigen nicht beseitigt. Die Forderung nach einer Nachbesserung auf ihre Kosten erweise sich daher zumindest als unverhältnismäßig. Diese Umstände hätten jedenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung Berücksichtigung finden und zu einem Absehen von der Ordnungsverfügung führen müssen. Es lägen daher weder die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme aufgrund einer unerlaubten Sondernutzung des Straßenraums durch das Wurzelwachstum des zwischenzeitlich gefällten Baums noch für eine mögliche Umdeutung der Heranziehung zur Schadensbeseitigung in eine Gefahrenabwehrmaßnahme auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 OBG NRW vor. Durch die Fällung des Baums im Dezember 2017 seien ihnen schließlich überdies Kosten in Höhe von insgesamt 1410,15 Euro entstanden. Äußerst vorsorglich und hilfsweise werde daher gegenüber etwaigen Schadensbeseitigungsansprüchen der Beklagten mit einem Erstattungsanspruch i. H. v. 705 Euro die Aufrechnung erklärt. Abstellend auf das noch bedeutend niedrigere Volumen der Schwarzkiefer im Jahr 2006 wären die tatsächlich angemessenen Kosten für die Fällung des Baums seinerzeit wenigstens um die Hälfte niedriger ausgefallen.
10Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2018 hat die Beklagte mit Blick auf die zwischenzeitlich erfolgte Fällung des Baums ihre Ordnungsverfügung vom 18. September 2017 wie folgt abgeändert (Unterstreichung im Original):
11„Die Kläger werden aufgefordert, die mit Schreiben vom 06.04.2017 aufgezeigten Schäden im Straßenraum unter Entfernung der Wurzeln der geschützten Kiefer in Abstimmung mit dem D. Stadtbetrieb (Ansprechpartner siehe Schreiben vom 06.04.2017) fachgerecht zu beseitigen.“
12Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
13die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18. September 2017 in der Fassung vom 17. Mai 2018 aufzuheben.
14Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags trägt sie vor, die angefochtene Ordnungsverfügung beruhe auf der Ermächtigungsgrundlage des § 22 StrWG NRW i. V. m. § 18 StrWG NRW bzw. auf § 2 Abs. 4 ..SV i. V. m. § 14 OBG NRW. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Satz 1 StrWG NRW seien erfüllt. Die Kläger übten durch das Dulden des Wurzelwachstums in den Straßenraum hinein sowie die damit verbundene Beschädigung des Straßenraums eine erlaubnispflichtige Sondernutzung aus. Insoweit sei die Sachlage vergleichbar mit dem Überwuchs von Anpflanzungen in das Lichtraumprofil einer Straße hinein. Eine Sondernutzungserlaubnis liege hierfür jedoch nicht vor. Dies allein rechtfertige schon das behördliche Einschreiten. Dass die Kläger einen offensichtlichen Anspruch auf eine Erteilung der Sondernutzungserlaubnis haben könnten, sei nicht ersichtlich. Die angegriffene Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Die Beseitigung der Straßenschäden sowie die Entfernung der Wurzeln seien geeignet, den gewünschten Erfolg herbeizuführen, namentlich eine Beseitigung der Stolper- und Sturzgefahren für Fußgänger. Gleich geeignete, aber weniger belastende Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Insbesondere würde eine erneute provisorische Reparatur das Problem lediglich weiter in die Zukunft verlagern. Die Ordnungsverfügung sei selbst dann rechtmäßig, wenn man davon ausgehe, dass der streitgegenständliche Überwuchs der Wurzeln keine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstelle. In diesem Fall stelle § 2 Abs. 4 ..SV i. V. m. § 14 OBG NRW eine taugliche Rechtsgrundlage dar. Danach seien Hecken, Sträucher und Bäume auf Grundstücken an Straßen so zu gestalten und zu unterhalten, dass eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern oder Sachen ausgeschlossen sei. Vorliegend sei der Straßenraum durch die Wurzeln der klägerischen Schwarzkiefer derart beschädigt worden, dass die Verkehrsteilnehmer aufgrund der bestehenden Stolperfallen gefährdet seien und damit ein verkehrssicherer Zustand nicht mehr gegeben sei. Die erforderliche abstrakte Gefahrenlage im Sinne von § 27 Abs. 1 OBG NRW liege damit vor. Hier sei zudem sogar von einer konkreten Gefahrenlage auszugehen. Deren Vorliegen habe daher auch unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten ein Einschreiten gerechtfertigt. Auf Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr habe sie ihre Ordnungsverfügung im Übrigen auch ursprünglich schon gestützt, und zwar mit dem Hinweis auf die D. Straßenverordnung. Einer Umdeutung der Ordnungsverfügung bedürfe es daher nicht. Jedenfalls mit der Änderung des Bescheids durch Schriftsatz vom 17. Mai 2018 sei die Ordnungsverfügung ausdrücklich auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt und insofern auch mit ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten begründet worden. Die geänderte Ordnungsverfügung enthalte ausreichende Ermessenserwägungen zur Gefahrenabwehr. Die Einwände der Kläger griffen nicht durch. Der Umstand, dass ihnen im Jahr 2006 die beantragte Fällgenehmigung versagt worden sei, führe nicht dazu, dass sie als Eigentümer des Baums nicht mehr für diesen verantwortlich seien. Rechtlich unerheblich sei, ob die Kläger die verursachten Schäden hätten verhindern können. Der Umstand, dass in der Vergangenheit kleinere Schäden im Sinne einer zügigen Gefahrenabwehr behördlicherseits beseitigt worden seien, habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Inanspruchnahme der Kläger sei daher weder verspätet noch sei Verwirkung eingetreten. Wie sich das Wurzelwachstum des Baums entwickeln werde, sei im Übrigen im Jahr 2006 auch nicht vorauszusehen gewesen. Mit den Zielen der D. Baumschutzsatzung wäre es nicht vereinbar, wenn geschützte Bäume immer dann, wenn ein zukünftiger Wurzelschaden theoretisch möglich sei, gefällt werden dürften. Eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass ein Großteil der geschützten Bäume in Wohngebieten gefällt werden müsste. Dieser Sachverhalt sei im Jahr 2017 wegen des zwischenzeitlichen Wurzelwachstums und der entstandenen Schäden völlig anders zu bewerten gewesen als noch im Jahr 2006. Soweit sie mit der Abänderung der Ordnungsverfügung im Schriftsatz vom 17. Mai 2018 die fachgerechte Beseitigung des streitgegenständlichen Schadens im Straßenraum unter Entfernung der Wurzeln fordere, diene dies nicht nur der Verhinderung zukünftiger Schäden durch weiteres Wurzelwachstum, zumal eine Entfernung des Wurzelwerks auch deshalb erforderlich sei, weil nach dem Verfaulen der Wurzeln im Boden Hohlräume entstehen könnten, durch die es zu Absackungen kommen könne. Mit der Entfernung der Wurzeln sei zudem ein deutlich geringerer Aufwand verbunden. So könnten die Arbeiten bei Entfernung der Wurzeln im Regelfall maschinell und mit schwerem Gerät erfolgen. Demgegenüber hätten die Arbeiten unter Beibehaltung der Wurzeln händisch erfolgen müssen. Soweit die Kläger schließlich einen angeblichen Erstattungsanspruch mit der streitgegenständlichen Forderung aufrechnen wollten, sei dies bereits deshalb nicht möglich, weil lediglich gleichartige Leistungen gegeneinander aufgerechnet werden könnten.
17Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Hefte) Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20A. Der Einzelrichter kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
21Gegenstand der Klage ist die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18. September 2017 in der Fassung, die sie durch die Abänderung im Schriftsatz der Beklagten vom 17. Mai 2018 gefunden hat. Die abgeänderte Ordnungsverfügung ist im Wege der zulässigen Klageänderung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
22Ob mit Blick darauf, dass die Beklagte erstmals im Rahmen ihrer Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 17. Mai 2018 die ordnungsbehördliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW als Ermächtigungsgrundlage angeführt hat, bereits eine Wesensänderung des ursprünglichen Bescheids und damit eine Änderung des Klagegegenstands anzunehmen ist, mag an dieser Stelle dahinstehen. Denn die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2018 jedenfalls den Tenor ihrer Ordnungsverfügung vom 18. September 2017 ausdrücklich abgeändert und den Klägern erstmals und abweichend vom ursprünglichen Tenor aufgegeben, die entstandenen Straßenschäden unter Entfernung - und nicht unter Erhalt - der Wurzeln der Schwarzkiefer zu beseitigen. Durch diese nicht lediglich unwesentliche Änderung des angefochtenen Bescheids hat sich der Streitgegenstand der Klage verändert.
23Vgl. Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Kommentar, Loseblatt-Sammlung (Stand: Juli 2020), § 91 Rn. 23a ff.; Wolff, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1. April 2020, § 91 Rn. 17 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31. Mai 2011 - 10 S 794/09 -, juris, Rn. 17; Bay. VGH, Urteil vom 20. Dezember 2019 - 9 B 12.940 -, juris, Rn. 24.
24Die Kläger haben ihren Sachvortrag in der Folge der geänderten Ordnungsverfügung angepasst und diese (ebenfalls) zum Gegenstand ihrer Klage gemacht. In die insoweit zunächst stillschweigend, später durch Prozesserklärung vorgenommene Klageänderung i. S. d. § 91 VwGO hat die Beklagte ausdrücklich eingewilligt.
25B. Die so verstandene Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
26Die angefochtene Ordnungsverfügung vom 18. September 2017 in der Fassung vom 17. Mai 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27I. Die Ordnungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage nicht in § 22 Satz 1 StrWG NRW.
28Nach dieser Vorschrift kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die Beendigung der ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgenden Benutzung der Straße anordnen.
29Es fehlt hier bereits tatbestandlich an einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW.
30Eine erlaubnispflichtige Sondernutzung setzt eine Benutzung der Straße voraus, die über den Gemeingebrauch hinausgeht. Mit anderen Worten muss der Gemeingebrauch anderer Straßennutzer, wenn auch nur kurzfristig, nicht nur unerheblich beeinträchtigt sein.
31Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 3. September 2018 - 11 A 546/15 -, juris, Rn. 51, und vom 25. April 2018 - 11 A 2142/14 -, juris, Rn. 50, und Beschlüsse vom 7. Februar 2019 - 11 B 1033/18 -, juris, Rn. 6 f., und vom 13. Mai 2020 - 11 A 4111/19 -, juris, Rn. 7 f.
32Hieran fehlt es vorliegend. Das Wurzelwachstum eines Baums, das oberflächennah unterhalb des Straßenkörpers stattfindet und den Straßenunterbau raumgreifend in Anspruch nimmt, wirkt zwar auf die öffentliche Straße ein. Denn zu dieser gehört auch der Straßenunterbau (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a StrWG NRW). Gleichwohl handelt es sich bei dieser - durch das Dulden des natürlichen Wurzelwachstums erfolgenden - „Nutzung“ der Straße schon deshalb nicht um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung, weil durch das Wurzelwachstum unterhalb des Straßenkörpers der widmungsgemäße Verkehr nicht beeinträchtigt wird. Denn dieser findet oberhalb des Straßenkörpers auf der Fahrbahn und den Gehwegen statt. Für ein derartiges Wurzelwachstum bedarf es daher regelmäßig keiner Erlaubnis nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW.
33Vgl. insoweit auch die Regelung in § 23 StrWG NRW, nach der die Benutzung des Eigentums an Straßen dem bürgerlichen Recht zugeordnet wird, wenn sie - wie regelmäßig die ebenfalls unterirdisch erfolgende Verlegung von Leitungen, die für Zwecke der öffentlichen Versorgung oder Entsorgung der Gemeinde erforderlich sind - den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt (sog. sonstige Benutzung von Straßen oder Sondernutzung nach bürgerlichem Recht).
34Hierin unterscheidet sich das streitgegenständliche Wurzelwachstum auch von dem von der Beklagten zum Vergleich herangezogenen Hineinwachsen von Anpflanzungen in den Luftraum über dem Straßenkörper. Wenn durch Anpflanzungen das sog. Lichtraumprofil der Straße in Anspruch genommen wird, beruht die Wertung einer Duldung dieses ebenfalls natürlichen Vorgangs als erlaubnispflichtige Sondernutzung gerade auf der Annahme, dass das Lichtraumprofil einer Straße regelmäßig für den widmungsgemäßen Verkehr (noch) in Anspruch genommen wird, das Überwachsen daher den Gemeingebrauch jedenfalls abstrakt beeinträchtigt.
35Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Juni 1999 - 23 B 844/99 -, n. v., Beschlussabdruck S. 2 f., und vom 21. Juli 2009 - 11 A 701/07 -, juris, Rn. 20 f., m. w. N.; vgl. auch Beschlüsse vom 16. Dezember 2015 - 11 E 1160/15 -, juris, Rn. 3, und vom 19. April 2007 - 11 A 4057/06 -, Rn. 7 (beide zur Anbringung einer Werbeanlage an einem Baugerüst in einer Höhe, in der der Verkehrsablauf nicht behindert wird und die Ausübung des Gemeingebrauchs daher nicht abstrakt beeinträchtigt sein kann).
36Zu einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung wird das Dulden des Wurzelwachstums entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht dann, wenn dieses zu Schäden am Straßenkörper und insbesondere zu Unebenheiten der Straßenoberfläche geführt hat. Derartige Straßenschäden sind - anders etwa als ein erlaubnispflichtiger Straßenaufbruch zur planmäßigen Durchführung von Bauarbeiten - als bloße Folge eines Vorgangs, der selbst nicht erlaubnispflichtig ist, regelmäßig ebenfalls weder erlaubnispflichtig noch überhaupt erlaubnisfähig, selbst wenn sie die Verkehrssicherheit verringern sollten. Geregelt ist eine Einstandspflicht daher auch allein für Schäden, die infolge einer Sondernutzung entstanden sind. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 StrWG NRW hat der Erlaubnisnehmer dem Träger der Straßenbaulast alle Kosten zu ersetzen, die diesem durch die Sondernutzung zusätzlich entstehen. Hierunter dürfte auch eine Erstattung der Aufwendungen für die Wiederherstellung einer durch die Sondernutzung beschädigten öffentlichen Straße gehören.
37Vgl. zu der entsprechenden bayerischen Regelung VG München, Urteil vom 27. Januar 2015 - M 2 K 14.3361 -, juris, Rn. 28; VG Ansbach, Urteil vom 3. April 2006 - AN 10 K 06.02634 -, juris, Rn. 22 (zur Heranziehung des „faktischen Sondernutzers“ in einem solchen Fall); vgl. hierzu zudem OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2017 - 11 A 1159/15 -, juris, Rn. 33.
38Eine Sondernutzung liegt hier aber gerade nicht vor. In einem solchen Fall ist es dem Straßeneigentümer - abgesehen von der unter Umständen bestehenden Möglichkeit eines ordnungsbehördlichen Einschreitens (dazu im Folgenden unter II.) - unbenommen, der Verletzung seines Eigentums zivilrechtlich zu begegnen.
39II. Die angefochtene Ordnungsverfügung kann entgegen der Annahme der Beklagten nicht mit Erfolg auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt werden.
40Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung einer straßenrechtlichen Beseitigungsverfügung in eine ordnungsrechtliche Beseitigungsverfügung bzw. für ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage vorliegen müssen, oder ob die Ordnungsverfügung bereits ursprünglich auch zur Gefahrenabwehr erlassen wurde. Ebenfalls muss die Kammer nicht entscheiden, ob die angefochtene Ordnungsverfügung in der geänderten Fassung unter formellen Mängeln leidet. Denn eine Heranziehung der Kläger zur Beseitigung der Straßenschäden erweist sich jedenfalls als materiell rechtswidrig.
41Nach § 14 Abs. 1 OBG NRW können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.
421. Es ist bereits zweifelhaft, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestütztes Einschreiten vorliegen.
43Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst dabei den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen.
44Vgl. u. a. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Juli 2020 - 15 A 2100/18 -, juris, Rn. 68 f., m. w. N., und vom 6. August 2015 - 5 B 908/15 -, juris, Rn. 7.
45Eine polizei- und ordnungsrechtlich relevante Gefahr für ein Schutzgut besteht dann, wenn eine Schädigung bei ungehindertem Geschehensablauf hinreichend wahrscheinlich ist. Konkret ist eine Gefahr, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend sicher gerechnet werden kann.
46Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2004 - 6 C 21.03 -, juris, Rn. 24 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Januar 2009 - 5 A 2239/08 -, juris, Rn. 17 ff., und vom 6. August 2015 - 5 B 908/15 -, juris, Rn. 7.
47Je gewichtiger das bedrohte Schutzgut und je größer das Ausmaß des möglichen Schadens ist, desto geringere Anforderungen werden an die Schadensnähe gestellt. Für polizeiliche und ordnungsrechtliche Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit genügt bereits die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts, nicht jedoch die nur rein theoretische, praktisch aber auszuschließende Möglichkeit.
48Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Januar 2009 - 5 A 2239/08 -, juris, Rn. 17 ff., m. w. N., und vom 6. August 2015 - 5 B 908/15 -, juris, Rn. 7.
49Ausgehend hiervon kommt vorliegend zwar sowohl eine Gesundheitsgefahr für Fußgänger als auch eine Verletzung der Rechtsordnung in Form von § 2 Abs. 4 Satz 1 ..SV in Betracht. Nach dieser kommunalen Regelung sind Hecken, Sträucher und Bäume auf Grundstücken an Straßen so zu gestalten und zu unterhalten, dass eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern oder Sachen ausgeschlossen ist. Führen - hier durch das Wachstum von Baumwurzeln hervorgerufene - Unebenheiten der Straße zu relevanten Stolper- und damit Sturzgefahren für Fußgänger, sind sie regelmäßig geeignet, zu auch erheblichen Gesundheitsschäden zu führen. Eine Gefahrenlage, die die zuständige Behörde zum Einschreiten berechtigte, stünde außer Zweifel.
50Ob aber die streitgegenständlichen Unebenheiten der Straße bereits die Gefahrenschwelle überschreiten, dürfte zweifelhaft sein. Im Rahmen der vorzunehmenden Einschätzung des Vorliegens einer Gesundheitsgefahr für Fußgänger ist es gerechtfertigt, sich an der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht der Kommunen zu orientieren. Danach werden scharfkantig gegeneinander abgesetzte Niveauunterschiede auf asphaltierten, plattierten oder gepflasterten Gehwegen bis zu 2 cm für Fußgänger grundsätzlich als beherrschbar angesehen. Erst darüber hinaus beginnt ein Bereich, in dem Unebenheiten für Fußgänger nicht mehr in jedem Fall hingenommen werden müssen, so dass eine Pflicht zur Gefahrbeseitigung des Verkehrssicherungspflichtigen in Betracht kommt, da bei derartigen Höhenunterschieden die Gefahr von Stürzen für Fußgänger zu besorgen ist. Dabei stellt der genannte Höhenunterschied von 2 cm keine starre Grenze dar, die schematisch heranzuziehen ist, sondern es ist auf die jeweilige vernünftige Erwartungshaltung der Verkehrsteilnehmer in der konkreten Örtlichkeit unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls abzustellen, wobei dem Gesamteindruck, den die Verkehrsfläche dem Benutzer bietet und aus dem dieser seine Erwartungshaltung vernünftigerweise zu einem wesentlichen Teil herleitet, sowie der Verkehrsbedeutung wesentliche Bedeutung zukommt. Von gleichem Gewicht ist das Maß der Ablenkung der Fußgänger, also die Frage, ob der Fußgänger seine Aufmerksamkeit nahezu uneingeschränkt der Gehwegfläche widmen kann oder ob diese durch äußere Umstände abgelenkt wird. Daher bewirkt ein Höhenversatz von bis zu 2,5 cm, mitunter auch bis 3 cm in normalen Fußgängerbereichen ohne Ablenkungsmöglichkeit im Regelfall keinen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht.
51Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Juli 2020 - 11 U 103/19 -, juris, Rn. 9 f., m. w. N.; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 30. November 2017 - 7 U 23/17 -, juris, Rn. 5, und Beschluss vom 7. Februar 2018 - 16 U 157/17 -, juris, Rn. 4; Rebler, Verkehrssicherungspflicht: Straßenzustand, Bauarbeiten, Bäume, ZfSch 2019, 185 ff., 189, m. w. N.
52Die hier beanstandeten Schäden an Gehweg und Straße wurden durch den D. Stadtbetrieb aktenkundig erstmals am 10. Februar 2020 auf gerichtliche Anforderung hin im Einzelnen dokumentiert (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. Mai 2020 = Bl. 108 ff. der Gerichtsakte). Nach der Bewertung des Stadtbetriebs müsse die Asphaltfläche der Fahrbahn in einem Bereich von ca. 50 cm Breite und 240 cm Länge erneuert werden. Die Asphaltschäden beschränken sich nach den vorgelegten Lichtbildern, die den Eindruck des Einzelrichters im Ortstermin bestätigen, auf eine leichte wellenförmige Anhebung ohne nennenswerte Rissbildung. Die im Fahrbahnbereich als zweizeilige Rinne an den Bordstein angrenzend verlegten Basamentsteine sind auf einer Länge von ca. 240 cm gleichermaßen angehoben. An wenigen Stellen haben sich die Basamentsteine gegeneinander verschoben, so dass es dort zu Höhendifferenzen gekommen ist, die die Beklagte mit bis zu 3 cm ausgemessen hat. Im Gehwegbereich haben sich im fraglichen Bereich überdies die Bordsteine leicht gegeneinander verschoben. Einer der vier dort verlegten Bordsteine weist gegenüber dem angrenzenden Bordstein eine Höhendifferenz auf, die die Beklagte mit 2,5 cm ausgemessen hat. Bei den Gehwegplatten ist ebenfalls eine leichte wellenförmige Anhebung festzustellen. Nennenswerte Risse in den Platten sind ebenso wenig festzustellen wie lose Platten. Das Gleiche gilt für etwaige Stolperkanten. Solche befinden sich im Bereich der Gehfläche des Gehwegs augenscheinlich nicht. Einer der Randsteine, die den Gehweg zum Grundstück der Kläger hin abgrenzen, wurde im Wurzelbereich des früher dort stehenden Baums ebenfalls angehoben. Abgesehen von den wellenförmigen Anhebungen des Asphalts und der Gehwegplatten ist es lediglich an drei Stellen zu Materialverschiebungen mit nennenswerten Höhendifferenzen gekommen, namentlich im Bereich der Basamentsteine sowie eines Bordsteins und eines Randsteins.
53Dass die Asphaltschäden die von der Beklagten angenommene Stolpergefahr für Fußgänger begründen, ist weder von ihr substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich die Verkehrssicherungspflicht für die Fahrbahn an den Anforderungen des Fahrzeugverkehrs ausrichten muss, nicht jedoch an denen des Fußgängerverkehrs. Damit sind in diesem Bereich an die Verkehrssicherungspflicht ohnehin andere Anforderungen zu stellen als im Bereich des Gehwegs.
54Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25. Mai 2004 - 9 U 208/03 -, juris, Rn. 6 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. September 2008 - I-18 U 213/07 -, juris, Rn. 17; vgl. auch OLG Köln, Beschlüsse vom 29. Dezember 2020 - 7 U 101/20 -, juris, Rn. 5, und vom 7. Februar 2018 - 16 U 157/17 -, juris, Rn. 4.
55Insoweit scheidet ausgehend von den festgestellten Asphaltschäden (leichte wellenförmige Anhebungen) eine Gefahrenlage für Fußgänger offenkundig bereits aus. Dass die Unebenheiten des Straßenbelags für die bestimmungsgemäße Nutzung durch den Fahrzeugverkehr eine Gefahrenlage darstellen, ist von der Beklagten nicht einmal angenommen worden und auch sonst nicht erkennbar. Im Ergebnis gilt dies auch für die Unebenheiten im Bereich der zwischen dem asphaltierten Straßenbelag und den Bordsteinen des Gehwegs befindlichen Basamentsteine. Auch insoweit handelt es sich um einen Bestandteil der dem Straßenverkehr dienenden Fahrbahnfläche und nicht des Gehwegs. Dies bedeutet, dass sich die Reichweite der den Bereich dieser Randsteine betreffenden Verkehrssicherungspflicht ebenfalls grundsätzlich nach den Anforderungen des Fahrzeugverkehrs richtet.
56Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. September 2008 - I-18 U 213/07 -, juris, Rn. 17.
57Ausgehend hiervon ergeben sich aus den Höhendifferenzen der Basamentsteine keine Gefahren für Fußgänger und im Übrigen wohl auch nicht für Teilnehmer des Fahrzeugverkehrs. Dieser Randbereich der Fahrbahn wird regelmäßig nicht zum Befahren und erst recht nicht zum Begehen genutzt, sondern dient als Rinnstein vor allem der Abführung des Niederschlagswassers der Straße. Im Ergebnis dürfte es ebenfalls hinsichtlich der plattierten Gehwegfläche, die keine Stolperkanten oder lose Platten, sondern nur leichte wellenförmige Anhebungen aufweist, wohl an einer Gefahrenlage fehlen. Mit derartigen Unebenheiten müssen Fußgänger regelmäßig rechnen und sich darauf einstellen. Die Anhebung des Randsteins an der Grenze zum klägerischen Grundstück ist für die Feststellung einer Gefahrenlage nicht von Bedeutung, weil in diesem Bereich ein Fußgängerverkehr auszuschließen ist. Einzig der einzelne angehobene Bordstein, der die Gehwegfläche zur Fahrbahn abgrenzt, kommt als Gefahrenquelle für Fußgänger ernstlich in Frage. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich der festzustellende Niveauunterschied, den die Beklagte mit 2,5 cm ausgemessen hat, nicht auf der eigentlichen Gehfläche, sondern in dem Randbereich befindet, der von Fußgängern regelmäßig allenfalls beim Überqueren der Fahrbahn genutzt wird. In dem fraglichen Bereich des Gehwegs befindet sich keine Querungsstelle für Fußgänger. Auch dürfte in der Straße „M.“ als reiner Anliegerstraße ohnehin kaum mit einem erhöhten Fußgängeraufkommen zu rechnen sein. Es spricht daher Vieles dafür, dass Fußgänger, die die Fahrbahn an dieser Stelle überqueren wollen und der Bodenbeschaffenheit wegen der regelmäßig bestehenden Höhendifferenz zwischen Gehweg und Fahrbahn ohnehin eine besondere Aufmerksamkeit widmen müssen, durch die Höhendifferenz des fraglichen Bordsteins nicht gefährdet werden. Damit wäre nicht nur eine konkrete Gesundheitsgefahr für Fußgänger ausgeschlossen. Es läge auch kein Verstoß gegen § 2 Abs. 4 Satz 1 ..SV vor. Letztlich kann dies aber dahinstehen.
582. Denn jedenfalls ist die Heranziehung der Kläger ermessensfehlerhaft erfolgt.
59Gemäß § 40 VwVfG NRW hat die Behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Den gerichtlichen Prüfungsumfang bei Ermessensentscheidungen legt § 114 Satz 1 VwGO fest. Danach hat das Gericht in diesen Fällen auch zu prüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dagegen ist das Gericht nicht befugt, die Ermessensentscheidung der Behörde durch eine eigene Entscheidung zu ersetzen, die es für sachdienlicher und zweckmäßiger hält. Bei Ermessensentscheidungen mit einem Ermessensspielraum im konkreten Fall gibt es mehrere „richtige“ Entscheidungen und die Verwaltung darf eine von ihnen wählen, während die Gerichte nur prüfen dürfen, ob eine Entscheidung gefällt wurde, die außerhalb dieser Wahlmöglichkeiten liegt. Die Kontrolle wird somit auf die Überprüfung von Ermessensfehlern beschränkt.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2016 - 10 C 8/15 -, juris, Rn. 13; W.-R. Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 25. Auflage 2019, § 114 Rn. 1a, 4; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Kommentar, Loseblatt-Sammlung (Stand: Juli 2020), § 114 Rn. 51; Decker, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1. Oktober 2020, § 114 Rn. 26; Rennert, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Auflage 2019, § 114 Rn. 10.
61Innerhalb des durch den Zweck der Ermächtigung gebildeten Ermessensraums hat die Behörde bei der Auswahl der Gesichtspunkte grundsätzlich Ermessensfreiheit. Ein Ermessensdefizit lässt sich nicht unabhängig vom Verhältnismäßigkeitsgebot aus der Pflicht herleiten, alle ermessensrelevanten Gesichtspunkte im Sinne einer vollständigen Interessenabwägung in die Entscheidung einzubeziehen. Es müssen die wesentlichen, also nicht alle Gesichtspunkte des Einzelfalls einbezogen werden. Im Ergebnis sind nur solche Gesichtspunkte wesentlich, die sich ohne nähere Sachkenntnisse der jeweiligen Entscheidung als erheblich aufdrängen.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris, Rn. 43; Rennert, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Auflage 2019, § 114 Rn. 24; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 5. Auflage 2018, § 114 Rn. 178 f.
63Ein Ermessensdefizit liegt daher (nur dann) vor, wenn nicht alle nach Lage des Falls betroffenen wesentlichen Belange in die Ermessensentscheidung eingestellt werden. Ein Ermessensfehler in der Form des Ermessensdefizits liegt ferner dann vor, wenn die Behörde zwar alle wesentlichen sachgemäßen Belange herangezogen hat, diese aber offensichtlich falsch gewichtet hat bzw. den Ausgleich der unterschiedlichen betroffenen Belange in einer Weise vorgenommen hat, die zu ihrer jeweiligen (objektiven) Gewichtigkeit erkennbar außer Verhältnis stehen.
64Vgl. Decker, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1. Oktober 2020, § 114 Rn. 23; Rennert, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Auflage 2019, § 114 Rn. 24 ff.
65Ausgehend hiervon hat die Beklagte ihr Ermessen vorliegend fehlerhaft ausgeübt.
66Insofern gewinnt zunächst an Bedeutung, dass sich die Ordnungsverfügung vom 18. September 2017 in ihrer ursprünglichen Gestalt als eine rein straßenrechtliche Beseitigungsverfügung erweist. Dies wird schon daraus deutlich, dass sie nicht vom Ordnungsamt der Beklagten, dem Fachbereich Sicherheit und Ordnung (FB 32), sondern ausweislich des Briefkopfs und der Person des handelnden Sachbearbeiters offenkundig vom D. Stadtbetrieb (E 18) - wenn auch im Auftrag der Stadt D. („i. A.“) - erlassen worden ist und nach Tenor und Begründung allein auf die fachgerechte Beseitigung der durch eine unerlaubte Sondernutzung verursachten Schäden gerichtet ist. Folgerichtig fehlt es in dem Bescheid vollständig an Ermessenserwägungen zur Gefahrenabwehr. Die erforderlichen Ermessenserwägungen für eine auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützte Ordnungsverfügung sind mit den Erwägungen für eine Anwendung des § 22 Satz 1 StrWG NRW aber nicht ohne weiteres vergleichbar. Allein der in der Begründung erfolgte Hinweis darauf, dass der D. Stadtbetrieb in der Vergangenheit die Schäden beseitigt hat, um die Straße „provisorisch in einem verkehrssicheren Zustand“ zu halten, ersetzt keine gefahrenabwehrrechtlichen Ermessenserwägungen. Das Gleiche gilt für die bloße zusätzliche („sowie“) Erwähnung der §§ 1 und 2 ..SV im Zusammenhang mit der Nennung des als Ermächtigungsgrundlage herangezogenen § 22 StrWG NRW i. V. m. § 18 StrWG NRW. Auch aus dem in Bezug genommenen Anhörungsschreiben vom 6. April 2017 ergibt sich nichts anderes. Das Fehlen weiterer Ermessenserwägungen ist für sich genommen aus Sicht der Beklagten auch konsequent und wäre, läge die von ihr angenommene formell illegale Sondernutzung vor, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn allein das Fehlen der für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche erforderlichen Sondernutzungserlaubnis (formelle Illegalität) berechtigte zu einem auf § 22 Satz 1 StrWG NRW gestützten Einschreiten.
67Vgl. OVG NRW, u. a. Beschluss vom 20. November 2020 - 11 B 1459/20 , juris, Rn. 56 f.
68Hier liegt aber gerade keine (formell illegale) Sondernutzung vor.
69Erst mit der Klageerwiderung durch Schriftsatz vom 17. Mai 2018 erfolgten erstmals eine zusätzliche Nennung des § 14 Abs. 1 OBG NRW als mögliche (weitere) Ermächtigungsgrundlage sowie gefahrenabwehrrechtliche Erwägungen, wenngleich diese im Zusammenhang mit der nachträglichen Begründung einer Verhältnismäßigkeit der auf § 22 StrWG NRW gestützten Ordnungsverfügung und „Lediglich der Vollständigkeit halber“ erfolgt sind. Diese Erwägungen sind vorliegend auch zu berücksichtigen, weil es jedenfalls durch die mit diesem Schriftsatz zugleich erfolgte Änderung des Bescheidtenors, die zu einer Wesensänderung der ursprünglichen Ordnungsverfügung geführt hat, zu einer Verschiebung des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkts gekommen ist.
70Vgl. hierzu etwa Bay. VGH, Beschluss vom 22. August 2015 - 22 ZB 15.1802, 22 ZB 15.1277 -, juris, Rn. 22, sowie Urteil vom 30. Juni 2017 - 22 B 15.2365 -, juris, Rn. 57.
71Die Beklagte hat insoweit ausgeführt, die mit der Ordnungsverfügung aufgegebene Beseitigung der Straßenschäden sowie die Entfernung der Wurzeln seien geeignet, den gewünschten Erfolg einer Beseitigung der Stolper- und Sturzgefahr für Fußgänger herbeizuführen. Außerdem lasse die Abwägung der Belange aller Beteiligten, insbesondere der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die Ordnungsverfügung als angemessen erscheinen. Diese Erwägungen sind grundsätzlich geeignet, gleichsam eine auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützte Beseitigungsverfügung zu tragen. Die im weiteren Verlauf des Klageverfahrens von der Beklagten vorgetragenen gefahrenabwehrrechtlichen Argumente für eine Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung erweisen sich daher als Ergänzung und Vertiefung dieser rechtzeitig jedenfalls dem Grunde nach vorgebrachten Ermessenserwägungen. Doch auch unter Berücksichtigung des vollständigen Vorbringens der Beklagten sind Ermessensfehler festzustellen, die zur Aufhebung der angefochtenen Ordnungsverfügung in der im Klageverfahren geänderten Fassung führen.
72Dabei misst die Kammer festzustellenden Unzulänglichkeiten der Erwägungen für die Frage, ob überhaupt ein ordnungsbehördliches Einschreiten erfolgt („Ob“ des Einschreitens), kein entscheidendes Gewicht bei. Wenngleich es fraglich sein dürfte, ob die Beklagte den Umstand ausreichend gewürdigt hat, dass die Kläger im Jahr 2006 vergeblich eine Fällgenehmigung für die streitgegenständliche Schwarzkiefer beantragt hatten und infolge der Schutzregelungen der Baumschutzsatzung der Stadt Aachen rechtlich daran gehindert waren, dem Entstehen künftiger Schäden durch die Fällung des Baums oder jedenfalls die Kappung der in den Straßenbereich hineinwachsenden Wurzeln zu begegnen. Soweit die Beklagte im Klageverfahren insoweit lediglich ausgeführt hat, es sei „rechtlich unerheblich, ob die Kläger den durch ihr Eigentum verursachten Schaden verhindern konnten oder nicht“, dürfte diese Erwägung zu kurz greifen. Überdies dürfte die Beklagte in ihren Erwägungen nicht ausreichend berücksichtigt haben, dass es sich bei der von ihr angenommenen Gefahr für Fußgänger wohl allenfalls um eine relativ geringfügige Gefahr handeln dürfte, weil Stolperkanten lediglich in einem (Rand-)Bereich des Gehwegs aufgetreten sind, der von Fußgängern regelmäßig nicht zum Begehen genutzt wird. Bislang ist es offenbar noch nicht zu Stürzen von Fußgängern gekommen. Dass auch die Beklagte nicht von einer stärkeren Gefährdung der Fußgänger ausgeht, zeigt der Umstand, dass die Schäden bereits seit Jahren unverändert bestehen und sie gleichwohl ein Einschreiten im Wege des Verwaltungszwangs bislang nicht für erforderlich gehalten hat.
73Ungeachtet dieser Unzulänglichkeiten der Ermessenserwägungen, deren Auswirkungen die Kammer letztlich offen lassen kann, krankt die Ermessensausübung der Beklagten in Bezug auf den Umfang der geforderten Maßnahmen („Wie“ des Einschreitens) bereits daran, dass sie offenkundig nicht lediglich eine Gefahrenabwehr, sondern eine umfassende Schadensbeseitigung erreichen wollte. Das ist mit Blick auf die ursprüngliche Zielrichtung der Unterbindung einer illegalen Sondernutzung auch nachvollziehbar, trägt jedoch nicht eine auf eine Gefahrenabwehr gerichtete Ordnungsverfügung. Denn die Schadensbeseitigung, die die Beklagte für erforderlich hält und den Klägern mit der angegriffenen Ordnungsverfügung aufgegeben hat, geht deutlich über die Maßnahmen hinaus, die zur Beseitigung der von ihr angenommenen Gefahr erforderlich wären. Dies wird schon daraus deutlich, dass die Beklagte einerseits (lediglich) eine Stolper- und Sturzgefahr für Fußgänger angenommen, andererseits den Klägern aber die vollständige Sanierung des beschädigten Straßenbereichs und damit auch eine Beseitigung der Schäden im Bereich der Fahrbahn (Asphalt und Basamentsteinrinne) aufgegeben hat. Die Kosten für die Beseitigung dieser Schäden im Straßenbereich hat die Beklagte im Klageverfahren immerhin mit voraussichtlich ca. 2.150 Euro angegeben, die Kosten für die Gehwegschäden mit ca. 1.280 Euro. Dass eine Beseitigung der Schäden im Bereich der Fahrbahn zur Vermeidung von Sturzgefahren für Fußgänger überhaupt erforderlich ist, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten substantiiert dargelegt. Der Umfang der geforderten Arbeiten erweist sich daher bereits aus diesem Grund als unverhältnismäßig. Das gilt in gleicher Weise für die Forderung, die Schäden unter Entfernung der Wurzeln zu beseitigen. Insoweit hat die Beklagte zum einen ausgeführt, das Entfernen sei erforderlich, weil Wurzeln noch mehrere Jahre nach dem Fällen des zugehörigen Baums weiter wachsen und so den öffentlichen Straßenraum beschädigen könnten. Zum anderen sei die Entfernung erforderlich, weil nach dem Verfaulen der Wurzeln im Boden Hohlräume entstünden, durch die es zu Absackungen und in deren Folge zu Straßenschäden kommen könne. Mangels näherer Begründung ist schon nicht nachvollziehbar, warum zur Beseitigung einer Stolper- und Sturzgefahr für Fußgänger „das komplette im Boden befindliche Wurzelwerk zu entfernen“ sein sollte (so aber die fachliche Einschätzung des D. Stadtbetriebs vom 10. Februar 2020, die die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 6. Mai 2020 ausdrücklich in Bezug nimmt, vgl. Bl. 95 ff., 98 der Gerichtsakte). Gerade die in der Vergangenheit zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit durch den D. Stadtbetrieb durchgeführten Arbeiten am Gehweg haben gezeigt, dass die auch damals schon beanstandeten Stolperkanten ohne weiteres durch eine mit deutlich weniger Aufwand verbundene Neuverlegung der Gehwegplatten beseitigt werden konnten. Dem Einwand der Beklagten, hierbei habe es sich jeweils lediglich um provisorische Maßnahmen gehandelt, auf die sie sich nicht verweisen lassen müsse, steht entgegen, dass sich die Situation nach der Fällung des Baums grundlegend geändert hat. Die Annahme, es komme bei einem Verbleib der Wurzeln im Boden entweder durch Wurzelwachstum zu weiteren Anhebungen oder durch das Verfaulen der Wurzeln zu Absackungen, ist spekulativ und vermag allenfalls zu begründen, dass es durch mögliche Bodenbewegungen künftig wieder zu Straßenschäden kommen kann. Das mag nicht gänzlich auszuschließen sein. Dass aber nach einer etwaigen Neuverlegung der Gehwegplatten und einer Neuausrichtung des einzelnen verschobenen Bordsteins, aus bautechnischen Gründen ggf. einschließlich einer Entfernung der oberflächennahen Wurzeln im Erdreich, alsbald mit dem Entstehen einer neuen Gefahrenlage für Fußgänger zu rechnen und daher trotz dieser Maßnahmen eine fortdauernde Gefahr anzunehmen ist, wird hierdurch nicht begründet. Die Kammer muss daher auch nicht entscheiden, ob die eine Annahme oder die andere (oder möglicherweise beide oder keine) zutreffend ist, ob die im Erdreich verbliebenen Wurzeln also absterben und verfaulen oder aber weiterwachsen werden.
74Vgl. insoweit aber etwa Streckenbach, Das Wurzelwachstum gefällter Bäume, in: TASPO Baumzeitung 04/2017, 48 ff., im Internet abrufbar unter: https://www.baumimboden.de/downloads/MST_Wurzelwachstum.pdf (abgerufen am 17. Februar 2021), dem zufolge die Entnahme eines Baumes durch Fällung in den allermeisten Fällen einen ausreichenden Schutz vor der Ausweitung vorhandener oder der Entstehung weiterer Schäden durch dessen Wurzeln darstellt.
75Die Forderung, die gesamten Wurzeln und nicht nur die im oberflächennahen Bereich des Straßenunterbaus befindlichen zu entfernen, erweist sich auch mit Blick darauf als unverhältnismäßig, dass die Schwarzkiefer durch ihren charakteristischen Wurzelaufbau zu den Pfahlwurzlern gehört, die wiederum allesamt Tiefwurzler sind.
76Vgl. die Beschreibung der Schwarzkiefer u. a. durch die Georg-August-Universität Göttingen, im Internet abrufbar unter: https://www.uni-goettingen.de/de/biologie/551993.html (abgerufen am 17. Februar 2021).
77Dass das Wurzelwerk eines gefällten Baums, das sich (ggf. weit) unterhalb der Tragschicht des Gehwegs befindet, aber überhaupt Auswirkungen auf die Gehwegoberfläche hat, ist weder erläutert noch erkennbar.
78Eine Neuverlegung der Gehwegplatten verbunden mit der Neuausrichtung des einzelnen verschobenen Bordsteins, aus bautechnischen Gründen ggf. einschließlich einer Entfernung der oberflächennahen Wurzeln in diesem Bereich, ggf. auch nur eine Neuausrichtung des einzelnen Bordsteins und ein Belassen des bislang keine nennenswerten Stolperfallen aufweisenden Gehwegs in seinem bisherigen Zustand, sind daher - das Vorliegen einer zum Einschreiten berechtigenden Gefahrenlage insoweit unterstellt - mildere Mittel, die nach derzeitigem Sachstand als zur Gefahrenbeseitigung (nicht notwendig auch zur Schadensbeseitigung) gleichermaßen geeignet anzusehen sind.
79Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18. September 2017 in der Fassung vom 17. Mai 2018 erweist sich mithin (jedenfalls) als unverhältnismäßig. Tragen die vorgenommenen Ermessenserwägungen die Entscheidung nicht, so ist sie rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten.
80Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2016 - 10 C 8/15 -, juris, Rn. 13; W.-R. Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 25. Auflage 2019, § 114 Rn. 18; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Kommentar, Loseblatt-Sammlung (Stand: Juli 2020), § 114 Rn. 51.
81Offen bleiben kann angesichts dieses Ergebnisses auch, ob die mit der Ordnungsverfügung aufgegebene Schadensbeseitigung, die durch die Kläger selbst bzw. durch ein von ihnen zu beauftragendes Tiefbauunternehmen auf fremdem Grundstück im öffentlichen Verkehrsraum erfolgen soll, eine zulässige Maßnahme zur Gefahrenbeseitigung darstellen kann. Auch muss die Kammer nicht entscheiden, ob die Ordnungsverfügung unter dem Gesichtspunkt einer hinreichenden Bestimmtheit durchgreifenden Bedenken begegnet, weil sie den Klägern aufgibt, die Schäden „in Abstimmung mit dem D. Stadtbetrieb“ fachgerecht zu beseitigen.
82C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- 23 B 844/99 1x (nicht zugeordnet)
- 7 U 23/17 1x (nicht zugeordnet)
- 11 B 1459/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- 11 A 4057/06 1x (nicht zugeordnet)
- 18 U 213/07 2x (nicht zugeordnet)
- 11 A 1159/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 OBG 2x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 40 Ermessen 1x
- VwGO § 154 1x
- § 23 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- 16 U 157/17 2x (nicht zugeordnet)
- 15 A 2100/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 91 1x
- Urteil vom Oberlandesgericht Celle (9. Zivilsenat) - 9 U 208/03 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- § 27 Abs. 1 OBG 1x (nicht zugeordnet)
- 11 U 103/19 1x (nicht zugeordnet)
- 11 B 1033/18 1x (nicht zugeordnet)
- 11 A 4111/19 1x (nicht zugeordnet)
- 10 C 8/15 2x (nicht zugeordnet)
- 11 E 1160/15 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 114 1x
- 11 A 701/07 1x (nicht zugeordnet)
- 5 B 908/15 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 18 Abs. 3 Satz 1 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 1 OBG 9x (nicht zugeordnet)
- 11 A 546/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 18 StrWG 3x (nicht zugeordnet)
- 7 U 101/20 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 22 Satz 1 StrWG 4x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 101 1x
- § 22 StrWG 4x (nicht zugeordnet)
- 5 A 2239/08 2x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- 10 S 794/09 1x (nicht zugeordnet)
- 11 A 2142/14 1x (nicht zugeordnet)