Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 7 K 612/22
Tenor
Die Festsetzungsanordnung des Direktors der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragten – Pflanzenschutzdienst – vom 04. August 2021 wird in Bezug auf Ziffer 2 aufgehoben, soweit der Klägerin das sonstige Verbringen in Gestalt der Rückgabe an die Vorlieferantin B. GmbH Handels GmbH, V. N. 2, J. untersagt worden ist.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist ein Agrarhandelsunternehmen, das u.a. Pflanzenschutzmittel vertreibt. Dazu gehörte auch das Pflanzenschutzmittel „Synergy Generics Metamitron“ des britischen Unternehmens Synergy Generics Limited. Sie gehört der Gruppe „AgChemAccess Limited an. Firmen dieser Gruppe handelten nach den Feststellungen des beklagten Landes Produktfälschungen unter dem Deckmantel des Parallelhandels. Das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel enthält den Wirkstoff Metamitron in einer Konzentration von 700g/l und ist ein Rübenherbizid, das in Deutschland, insbesondere im Rheinland, eingesetzt wird. Das Mittel wurde für die Zeit vom 12. März 2018 bis zum 31. August 2023 von dem dafür in Deutschland zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) unter der Zulassungsnummer 00A235-00 zugelassen.
3Die Klägerin hatte das Mittel von der B. Handels GmbH bezogen, und zwar mit der vertraglichen Zulassung, dass das Mittel in Deutschland zugelassen sei.
4Von Februar bis April 2021 fand unter Federführung von EUROPOL die Operation „Silver Axe VI“ statt, bei der die Einfuhr illegaler Pflanzenschutzmittel verstärkt kontrolliert werden sollte. Neben den EU-Staaten nahmen auch mehrere Drittstaaten wie z.B. Australien, die Schweiz und die Ukraine teil. Auf Fachebene beteiligte sich die Bundesrepublik Deutschland mit den Pflanzenschutzdiensten der Länder Bremen, Hamburg und Niedersachsen. Ferner waren das BVL, das Zollkriminalamt und das Bundeskriminalamt beteiligt.
5Das BVL erhielt in diesem Zeitraum mehrfach Hinweise des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) auf verdächtige Importe. Mehrere Hinweise betrafen Importe aus dem Vereinigten Königreich, bei denen der Versender die britische Firma „Farmsaver Limited“ war. Die Mittel wurden im T1-Versandverfahren über kleinere Zollämter fernab von großen Häfen oder anderen Einfuhrstellen in Verkehr gebracht.
6Im Rahmen einer Kontrolle am 03. Mai 2021 durch den Pflanzenschutzdienst des Direktors der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragten (nachfolgend: Pflanzenschutzdienst) wurde festgestellt, dass die Klägerin das Pflanzenschutzmittel Synergy Generics Metamitron für den Verkauf vorrätig hielt. Der Vertrieb der Mittel in Deutschland wurde mündlich untersagt, und die Mittel wurden festgesetzt.
7Die auf dem Gebinde angegebene Chargennummer 1522 08 sowie das Herstelldatum stimmten mit einer im Frühjahr gezogenen und analysierten Verdachtsprobe überein, die im Zusammenhang mit der Operation „Silver Axe VI“ gezogen worden war.
8Mit Bescheid vom 22. Juni 2021 untersagte der Pflanzenschutzdienst der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 3 der Anordnung) das Inverkehrbringen und das sonstige Verbringen des Pflanzenschutzmittels Synergy Generics Metamitron (Zulassungsnummer: 00A235-00) der Firma Synergy Generics Limited ohne seine vorherige schriftliche Zustimmung (Ziffer 1). Zugleich ordnete er an, dass das sonstige Verbringen innerhalb des Betriebes nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Pflanzenschutzdienstes gestattet sei (Ziffer 2). Zur Begründung der auf § 60 Abs. 2 Nr. 2 PflSchG gestützten Anordnung führte er aus, anlässlich mehrerer Kontrollen im Frühjahr 2021 seien Verdachtsproben mehrerer Chargen des Pflanzenschutzmittels „Synergy Generics Metamitron“ des Herstellers Synergy Generics Limited aus Großbritannien im deutschen Handel gezogen und durch das Labor des BVL chemisch analysiert worden. Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass alle Präparate aufgrund einer fehlerhaften Konzentration eines Beistoffes als nicht verkehrsfähig einzustufen seien und nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürften. Am 03. Mai 2021 sei am Standort der Klägerin in Würselen festgestellt worden, dass sie das unter 1.) aufgeführte Präparat für den Verkauf gelagert habe. Die auf dem Gebinde angegebene Chargennummer 1522 08 sowie das Herstellungsdatum stimmten mit einer im Frühjahr gezogenen und analysierten Verdachtsprobe überein. Auch diese Charge sei aufgrund der Abweichung eines Beistoffes von der Zulassung nicht verkehrsfähig.
9Mit Bescheid vom 04. August 2021 hob der Pflanzenschutzdienst die Anordnung vom 22. Juni 2021 auf und untersagte der Klägerin auf der Grundlage des § 60 Abs. 2 Nr. 2 PflSchG i.V.m. Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 das Inverkehrbringen und das sonstige Verbringen des Pflanzenschutzmittels Synergy Generics Metamitron (Zulassungsnummer: 00A235-00) der Firma Synergy Generics Limited – Festsetzung – (Ziffer 1). Zugleich ordnete er an, dass das sonstige Verbringen innerhalb des Betriebes nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Pflanzenschutzdienstes gestattet sei (Ziffer 2). Unter Ziffer 4 der Anordnung ordnete der Landesbeauftragte die sofortige Vollziehbarkeit der Regelungen unter Ziffer 2 und 3 an. Zur Begründung führte er erneut aus, dass die Klägerin das Pflanzenschutzmittel „Synergy Generics Metamitron“ für den Verkauf vorrätig gehalten habe. Ergänzend hat er dargelegt, dass die Festsetzung auch ermessensgerecht sei. Ein nicht der Zulassung entsprechendes Pflanzenschutzmittel dürfe nicht in den Handel gebracht werden. Deswegen sei das bei der Klägerin im Handel vorgefundene Gebinde dieses Mittels durch Festsetzung in der Kontrolle aus dem Verkehr gezogen worden. Da der Importeur und das dahinterstehende Firmenkonsortium durch nicht rechtskonformes Verhalten aufgefallen sei, sei bis zu einer abschließenden Bescheidung über den Verbleib der Gebinde auch das sonstige Verbringen zu untersagen, um ein erneutes Inverkehrbringen – auch durch den Importeur – sicher auszuschließen. Mildere, gleich geeignete Mittel seien nicht ersichtlich. Zum Schutz vor schädlichen Auswirkungen des Mittels für Umwelt, Anwender und Verbraucher sowie zur Verhinderung eines fortgesetzten rechtswidrigen Handels in einem hoch regulierten Handelsbereich sei die Festsetzung auch angemessen.
10Gegen den Bescheid vom 22. Juni 2021 hatte die Klägerin bereits am 22. Juli 2021 unter dem Aktenzeichen 7 K 1664/21 Klage erhoben und diese mit Schriftsatz vom 18. August 2021 auf den Bescheid vom 04. August 2021 erstreckt. Mit Beschluss vom 14. März 2022 hat die Kammer das Verfahren getrennt und in Bezug auf die Anordnung vom 04. August 2021 unter dem Aktenzeichen 7 K 612/22 fortgeführt.
11Die Klägerin erklärt, sie habe nicht die Absicht, das Mittel in Deutschland weiter in den Verkehr zu bringen.
12Weiter macht sie geltend:
13Die sachliche Zuständigkeit des Pflanzenschutzdienstes sei nicht gegeben. Art. 4 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 schreibe vor, dass die Mitgliedstaaten diejenigen Behörden benennen, die für die Umsetzung der Verordnung zuständig seien. Daran fehle es. Insbesondere werde in § 59 Abs. 1 PflSchG die Verordnung nicht einbezogen. Die letzte Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes zum 13. Februar 2012 sei vor der Gültigkeit der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 erfolgt. Durch Art. 161 VO (EU) Nr. 2017/625 sei die bisherige Kontrolltätigkeit der Mitgliedstaaten nach Art. 68 VO (EG) Nr. 1107/2009 an dieser Stelle ersatzlos gestrichen worden und nur noch eine Berichtspflicht geregelt.
14Es gebe eine Divergenz in der Probencodierung. Der Pflanzenschutzdienst habe auch bei anderen Agrarhändlern in Nordrhein-Westfalen Proben des Pflanzenschutzmittels gezogen. Daher sei es zur Vermeidung von Verwechslungen notwendig, dass sich in der Dokumentation nachvollziehen lasse, dass das bei ihr vorgefundene Produkt exakt auch dasjenige sei, das später beim BVL untersucht worden sei. Das Protokoll des Pflanzenschutzdienstes vom 03. Mai 2021 zur Pflanzenschutz-Verkehrskontrolle trage die laufende Nummer 1-Col-055-21. Demgegenüber finde sich im BVL-Prüfbericht vom 31. Mai 2021 die Probencodierung des Auftraggebers NW-1-Col-051-21-01. Beide Codierungen seien nicht identisch.
15In dem Prüfbericht des BVL werde ausgeführt, der ermittelte Gehalt liege mit 13,0 g/l außerhalb der für den deklarierten Gehalt zulässigen Toleranz. Es könne anhand dieser Aussage nicht nachvollzogen werden, um welchen Stoff es sich handele. Zum einen spreche der Prüfbericht von einem Dispergiermittel, zum anderen von einem Frostschutzmittel, das in dem Dispergiermittel enthalten sein soll. Dem Bericht könne schließlich nicht entnommen werden, wie hoch der deklarierte Gehalt des in Betracht gezogenen Stoffs und wie hoch die zulässige Toleranz sei. Selbst wenn man auf der Grundlage des BVL-Prüfberichts davon ausginge, dass die Abweichung der tatsächlichen Formulierung von der zugelassenen Spezifikation außerhalb zulässiger Toleranz liege und deshalb die Formulierung in Deutschland nicht verkehrsfähig sei, bleibe dennoch festzuhalten, dass die Abweichung weder zu einer geringeren Wirkung noch zu höheren Risiken für den Gesundheits- und Umweltschutz führe und daher eher dem formalen Bereich zuzuordnen sei.
16Der Pflanzenschutzdienst habe keine ausreichenden Maßnahmen getroffen, um Ursprung und Umfang des Verstoßes zu ermitteln (vgl. Art. 138 Abs. 1 lit. a) VO (EU) Nr. 2017/625). In Bezug auf den Umfang hätte er berücksichtigen müssen, dass eine konkrete Wirkungseinbuße oder höhere Risiken bei Vertrieb oder Anwendung des Pflanzenschutzmittels nicht festgestellt worden seien, sondern das Mittel nur einen Beistoff mit einem Frostschutzmittel enthalte, der seinerseits einen höheren Grad an Frostschutzmittel aufweise. Der Anteil an Frostschutzmittel betreffe nur die Lagerstabilität des Mittels bei einer nicht frostfreien Lagerung. Zu wenig Frostschutzmittel könne gewiss Schaden am Produkt bei Frosttemperaturen verursachen, aber nicht zu viel Frostschutzmittel.
17Mit der zu weitgehenden Festsetzungsanordnung werde sie, die Klägerin, in ihrem Recht aus § 903 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 3 Nr. 9 und Art. 28 Abs. 1 und 2 lit. d) VO (EG) Nr. 1107/2009 verletzt, das Produkt entweder selbst oder unter Mithilfe der B. Handels GmbH unter Zollaufsicht in einen Drittstaat zu exportieren. Damit werde sie gleichzeitig daran gehindert, durch Rückgabe an den Vorlieferanten im Wege der Rückabwicklung des Kaufvertrages die rechtliche Basis für die ihr zustehende Rückzahlung des Kaufpreises zu schaffen.
18Da die Klägerin durch den Pflanzenschutzdienst am Vertrieb gehindert worden sei, mache sie gegenüber ihrer Lieferantin als Schadensersatzanspruch eine Zahlung in Höhe des Kaufpreises geltend. Erst recht stünde ihr ein solcher Anspruch zu, wenn sich herausstellen sollte, dass die festgesetzte Partei des Pflanzenschutzmittels wegen fehlender Konformität mit der Zulassung in Deutschland nicht verkehrsfähig sein sollte. Es sei nicht auszuschließen, dass die B. GmbH im Gegenzug den Anspruch erhebe, die festgesetzten Pflanzenschutzmittel im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrages zurückgewährt zu bekommen (§ 346 BGB). Gleiches gelte für das Schadensersatzrecht. Die Rückgabe an den früheren Verkäufer falle nicht unter den zulassungspflichtigen Tatbestand des Inverkehrbringens (Art. 3 Nr. 9 Satz 1 Halbs. 2 VO (EG) Nr. 1107/2009). Die B. Handels GmbH habe sich ausdrücklich gegenüber der Klägerin verpflichtet, die streitgegenständliche Partie des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels nach entsprechender Freigabe zurückzunehmen, ihr den Kaufpreis zu erstatten und das Mittel in einen Drittstaat unter Zollaufsicht zu exportieren.
19Ein Rückgabeanspruch ergebe sich auch aus § 27 PflSchG. Die Norm sei über ihren Wortlaut hinaus anwendbar, wenn einzelne Chargen des Produkts nicht der ansonsten zugelassenen Spezifikation entsprechen.
20Die B. GmbH sei zum zulassungsfreien Export berechtigt. Weil der Drittstaat kein EU-Mitgliedstaat sei und daher nicht der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 unterliege, müsse das Exportprodukt auch nicht eine pflanzenschutzrechtliche Zulassung nach der Verordnung besitzen. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages habe in seiner Ausarbeitung vom 03. März 2020 zu dem Thema „Export nichtzugelassener Pflanzenschutzmittel“ (WD 5-3000-015/20) dargelegt, dass die in der EU geltende Zulassungspflicht des Art. 28 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1107/2009 nicht greife, wenn das Pflanzenschutzmittel in einen Drittstaat exportiert werden solle. Durch Einhaltung gültiger Inspektionsanforderungen solle lediglich nach Art. 28 Abs. 2 lit. d VO (EU) Nr. 1107/2009 sichergestellt werden, dass das Pflanzenschutzmittel aus seinem Hoheitsgebiet in ein Drittland ausgeführt werde. Darüber hinaus weise das Gutachten auf die Relevanz der Verordnung (EU) 649/2021 in Bezug auf den Export von Pflanzenschutzmittel hin. Sie regele ein Exportverbot nur für Chemikalien, deren Verwendung in der Union zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt verboten sei. Es handele sich um die persistenten organischen Stoffe, zu denen das Produkt „Synergy Generics Metamitron“ mit seinem Wirkstoff Metamitron nicht gehöre.
21Die Drittstaatenausfuhr richte sich nach der Verordnung (EU) N. 649/2012 und nicht nach der Verordnung (EU) Nr. 2017/625. Die seitens der EU-Kommission vorgesehenen Ergänzungen der Anhänge I und II der Verordnung (EU) Nr. 649/2012 erfassten in erheblichem Umfang Chemikalien, die als Pflanzenschutzmittelwirkstoff keine Genehmigung mehr in der Europäischen Union besäßen. Die Voraussetzungen für ein Verbot der Drittstaatenausfuhr gemäß der Verordnung (EU) Nr. 649/2012 seien nicht erfüllt.
22Es sei nicht ersichtlich, dass der Pflanzenschutzdienst sein Ermessen überhaupt ausgeübt habe. Die angefochtene Festsetzung sei nun älter als ein Jahr. Daher scheine es mit der bloßen Ankündigung der Entsorgung sein Bewenden zu haben. So aber wäre sie, die Klägerin, auf Dauer verpflichtet, Lagerhaltung eines nicht verkehrsfähigen Pflanzenschutzmittels zu betreiben.
23Es werde bestritten, dass die Klägerin das Mittel von einem Importeur oder einem dahinterstehenden Firmenkonsortium bezogen habe, das „durch nicht rechtskonformes Verhalten auffällig geworden“ wäre. Das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel sei kein Importprodukt. Es handele sich um ein in Deutschland i.S.d. Art. 28 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1107/2009 zugelassenes Mittel. Die B. Handels GmbH habe – was das beklagte Land nicht bestreitet – das Mittel nicht importiert, sei eigenständig und auch kein Konzernunternehmen irgendeines Firmenkonsortiums. Dass die Inhaberin der Zulassung, die Synergy Generics Limited, ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen sei, liefere ebenfalls keinen Grund zu der Annahme, mit dem Mittel und seiner deutschen Zulassung sei etwas nicht in Ordnung. Es gehöre zu dem in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 niedergelegten Ziel der Harmonisierung, dass ein Antragsteller entweder im System des Zonalen Verfahrens nach Art. 33 für die ganze Zone – hier zehn Mitgliedstaaten – oder im System der gegenseitigen Anerkennung nach Art. 40 VO (EG) Nr. 1107/2009 in mehreren Mitgliedstaaten für ein und dasselbe Pflanzenschutzmittel eine nationale Zulassung beantragen könne. Es gebe auch keinen konkreten Anlass für die Annahme, bei Freigabe der Mittel würden diese wieder illegal nach Deutschland zurückkehren. Der Klägerin seien weder die Vorlieferantin der B. Handels GmbH noch die Zulassungsinhaberin Synergy Generics Limited bekannt. Sie müsse kein zugelassenes Produkt in Täuschungsabsicht nachahmen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass unbeabsichtigt ein Produktfehler in der Charge unterlaufen sei. Diesen Unterschied habe der Pflanzenschutzdienst nicht in seine Ermessenerwägungen einbezogen.
24Der Rückgabe an den Lieferanten einschließlich Drittstaatexport stehe Art. 138 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 nicht entgegen. Die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 seien als lex specialis gegenüber der allgemeineren Norm der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 vorrangig, weil sie die spezielle Materie des Pflanzenschutzrechts dezidiert regele, während die Verordnung (EU) Nr. 2017/625 für alle Rechtsmaterien wie Tierwohl, Lebensmittel etc. allgemeine Regelungen treffe. Wenn hiernach die Rückgabe an den Vorlieferanten und/oder der Export in den Drittstaat ohne pflanzenschutzrechtliche Zulassung oder Genehmigung auf Basis der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zulässig bleibe, könne solches nicht nach Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 verboten werden.
25Für die Ausfuhr aus der Europäischen Union sei es unerheblich, ob das zu exportierende Pflanzenschutzmittel über eine pflanzenschutzrechtliche Zulassung im bestimmungsgemäßen Einfuhrstaat verfüge. Nach der generell für Chemikalien geltenden Verordnung (EU) Nr. 649/2012 (sog. PIC-Verordnung) sei nur maßgeblich, ob es sich bei dem Pflanzenschutzmittel um eine gefährliche Chemikalie handele. Dann müsse der beabsichtigte Export nach Art. 8 Abs. 1 VO (EU) Nr. 649/2012 bei der zuständigen Stelle angemeldet werden. Der Wirkstoff Metamitron werde nicht als gefährliche Chemikalie eingestuft.
26Der Hilfsantrag werde mit dem Ziel gestellt, der Klägerin den Drittstaatenexport in ihrem Auftrag und nicht unter Beteiligung der B. Handels GmbH durchgeführt werden solle.
27Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
28die Festsetzungsanordnung des Pflanzenschutzdienstes vom 04. August 2021 dahingehend teilweise aufzuheben, dass sie berechtigt ist, die festgesetzte Menge des Pflanzenschutzmittels „Synergy Generics Metamitron“ von 303 Stück Gebinden á 5 l an ihre Vorlieferantin B. GmbH Handels GmbH, V. N. 2, 55218 J. , unter behördlicher Aufsicht mit der Maßgabe zurückzugeben, dass die GmbH ihrerseits das vorgenannte Pflanzenschutzmittel unter Einhaltung zollrechtlicher Bestimmungen in einen Staat ausführt, der nicht Mitglied der Europäischen Union (Drittstaat) ist,
29hilfsweise,
30die vorgenannte Festsetzungsanordnung dahingehend teilweise aufzuheben, dass sie berechtigt ist, die festgesetzte Menge des Pflanzenschutzmittels „Synergy Generics Metamitron“ von 303 Stück Gebinden á 5 l in einen Staat unter Zollaufsicht zu exportieren, der nicht Mitglied der Europäischen Union (Drittstaat) ist.
31Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,
32die Klage abzuweisen.
33Zur Begründung führt es aus:
34Der Pflanzenschutzdienst sei für die Anordnungen sachlich und örtlich zuständig gewesen. Er sei zuständige Stelle i.S.d. Art. 2 Abs. 1 VO (EU) Nr. 625/2017. Diese Verordnung habe die Verordnung (EU) Nr. 1107/2009 geändert und die amtlichen Kontrollen nunmehr gesondert geregelt. Gemäß Art. 24 Abs. 1 würden zu amtlichen Kontrollen auch Kontrollen von Wirkstoffen und Safenern, Synergisten, Beistoffen und Zusatzstoffen i.S.d. Art. 2 Abs. 2 und 3 VO (EU) Nr. 1107/2009 gehören. Eine Zuständigkeitsänderung sei durch die Einführung der Verordnung (EU) Nr. 625/2017 gerade nicht beabsichtigt gewesen. Die Zuständigkeit bezüglich der Umsetzung des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (PflSchG) sei in dessen § 59 geregelt. Gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 8 PflSchG habe die Behörde als Pflanzenschutzdienst insbesondere auch die Überwachung des Inverkehrbringens, des innergemeinschaftlichen Verbringens und des Verbringens im Inland sowie der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, Pflanzenstärkungsmitteln und Zusatzstoffen. Nach § 1 der Verordnung zur Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes NRW sei der Landesbeauftragte zuständige Behörde gemäß § 59 PflSchG. Die Zuständigkeit ergebe sich auch aus dem Integrierten mehrjährigen Kontrollplan der Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum 01. Januar 2017 bis 31. Dezember 2021. Schließlich verweist das beklagte Land auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. Juli 2021 - 13 L 1018/21, in dem ausgeführt worden ist, die Zuständigkeit folge bereits aus Art. 68 VO (EG) Nr. 1107/2009, Art. 3 Nr. 3 lit. b) VO (EU) Nr. 625/2017.
35Aufgrund des Nachweises, dass es bei dem bei der Klägerin vorgefundenen nicht um das ursprünglich zugelassene Produkt handele, sei es nicht verkehrsfähig. Das Laborergebnis des BVL vom 31. Mai 2021 zeige, dass die chemische Zusammensetzung aufgrund der Abweichung des Beistoffes Propylenglykol von der zugelassenen Zusammensetzung abweiche und deswegen als nicht verkehrsfähig eingestuft werde. Es bestehe kein Zweifel, dass das vom BVL untersuchte Pflanzenschutzmittel tatsächlich ein geeigneter Beweis für die fehlende Verkehrsfähigkeit sei. Dem Prüfbericht des BVL lasse sich auf Seite 1 die Zulassungsnummer und die Chargennummer – hier: 1522 08 – entnehmen. Die bei der Kontrolle gefertigten Photos würden belegen, dass genau das Pflanzenschutzmittel mit dieser Zulassungsnummer und dieser Chargennummer durch das BVL getestet worden sei. Es sei nicht notwendig, jedes einzelne Gebinde zu untersuchen, da durch die Zuordnung anhand des Produktionsdatums und der Chargennummer darauf geschlossen werden könne, dass alle Güter mit dieser Chargennummer dieselben Eigenschaften aufweisen und in einem zusammenhängenden Prozess gemeinsam verarbeitet würden. Genau die von der Klägerin zum Verkauf angebotene Charge sei durch das BVL untersucht worden. Die Probe sei nicht aus dem Gebinde der Klägerin gezogen worden. Aufgrund der eindeutigen Zuordnung zu der Charge sei das aber unerheblich. Anderenfalls müsste jedes Gebinde gesondert untersucht werden.
36Zur Auswahl der Klägerin als Adressatin des Bescheides sei mangels spezieller Bestimmung im EU-Recht auf nationales Recht zurückzugreifen. Art. 138 VO (EU) Nr. 625/2017 treffe keine ausdrückliche Regelung darüber, wer Adressat einer geeigneten Maßnahme sein müsse. Hier sei lediglich vom „Unternehmer“ die Rede.
37Die Festsetzung sei auch verhältnismäßig. Um wirksam zu verhindern, dass die nicht verkehrsfähige Ware in Deutschland oder der EU erneut in den Verkehr gebracht werde, dürfe das Pflanzenschutzmittel nicht an den Hersteller zurückgeführt werden. Der Hersteller Synergy Generics Limited und seine mit ihm teils unter derselben Adresse und denselben Ansprechpartnern verbundenen Handelsfirmen seien im Zuge aktueller Ermittlungen in erheblichem Umfang mit dem Handel illegaler, nicht zulassungskonformer Pflanzenschutzmittel aufgefallen, so dass eine Rückführung mit der Gefahr erneuter Importversuche evtl. über einen Mitbetreiber dieses Mittels verbunden wäre. Eine Entsorgung durch den Hersteller sei vor diesem Hintergrund nicht durchsetzbar. Eine Überlassung an den Hersteller sei auch nicht aus sonstigen Erwägungen zwingend geboten.
38Der Geschäftsführer der B. Handels GmbH, Herr D. L. , sei ab Herbst 2012 Mitarbeiter der AgChemAccess gewesen. Hierzu legte das beklagte Land eine E-Mail des Herrn L. an den Pflanzenschutzdienst Niedersachsen vom 29. April 2013 vor.
39Eine wie auch immer zwischen der Klägerin und ihrem Lieferanten bestehende zivilrechtliche Verpflichtung könne auf die behördliche Anordnung keinen Einfluss haben. Sie ziele darauf ab, festgestellte Verstöße zu beseitigen, nicht aber, zu ihrer Beseitigung weitere unzulässige Exporte zu gestatten bzw. zu fördern. So regele insbesondere Art. 138 Abs. 2 lit. d) VO (EU) Nr. 2017/625 ausdrücklich, dass die zuständige Behörde alle geeignet erscheinenden Maßnahmen ergreifen dürfe, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2017/625 zu gewährleisten. Dazu gehöre nach Buchstabe d) ausdrücklich auch das Verbieten der Rückkehr von Waren in den entsendenden Mitgliedstaat. Die genannten Maßnahmen seien zudem nicht abschließend, und eine Rückgabe an ein Nicht-Mitgliedstaat – außerhalb jedes Einflussbereichs – sei als geeignete Maßnahme erst recht nicht in Betracht zu ziehen. Zudem ergebe sich aus Art. 137 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 die Pflicht der zuständigen Behörden, denjenigen Maßnahmen Vorrang einzuräumen, die ergriffen werden müssten, um die Risiken für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, für den Tierschutz oder auch für die Umwelt auszuschalten oder einzudämmen.
40Der Verweis der Klägerin auf einen Anspruch auf Rückgabe der Mittel an die B. GmbH könne allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden. Grundsätzlich dürfte es immer verhältnismäßig sein, wenn ein nicht verkehrsfähiges Mittel festgesetzt werde, um zu verhindern, dass es weiter in den Verkehr gebracht werde. Dies diene dem Schutz der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze. Es entspreche zudem nicht dem Sinn und Zweck des europäischen Pflanzenschutzrechts, ein Problem dadurch zu beheben, dass ein Produkt aus dem Geltungsbereich einer EU-Verordnung geschafft werde. Dementsprechend sähen die gesetzlichen Regelungen eine Rückgabe nur vor, wenn die Zulassung abgelaufen sei. Nicht erfasst sei der Fall, dass ein Produkt nicht verkehrsfähig sei.
41Die Klägerin lege aber schon nicht dar, auf welcher rechtlichen Grundlage ein Rückgabeanspruch bestehe. Er ergebe sich jedenfalls nicht aus § 27 PflSchG, da es sich nicht um den Fall der Beendigung einer Zulassung handele, sondern um ein nicht verkehrsfähiges Pflanzenschutzmittel. Auch § 27 Abs. 2 PflSchG sei nicht einschlägig, da nicht der Widerruf einer Zulassung im Raum stehe.
42Im Übrigen ergebe sich aus Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625, dass die zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet. Lasse man die ungehinderte Rückgabe nicht verkehrsfähiger Pflanzenschutzmittel zu, hätten die betreffenden Unternehmen keinen Anreiz, auf den Handel mit nicht verkehrsfähigen Pflanzenschutzmitteln zu verzichten, da im schlimmsten Fall eine Rückabwicklung und Rückgabe der Mittel zu befürchten sei. Dies widerspreche dem klaren Ziel der Verordnung, zukünftige Verstöße dieser Art zu verhindern. Die festgesetzten Pflanzenschutzmittel stünden zudem in Zusammenhang mit der Europol-Operation „Silver Axe VI“.
43Die Ausführungen der Klägerin bezüglich Art. 28 Abs. 2 lit. d) VO (EG) Nr. 1107/2009 könnten nicht überzeugen. Die Norm begründe keinen Anspruch auf einen Drittstaatenexport. Sie führe abschließend lediglich jene Fälle auf, in denen keine Zulassung nach Abs. 1 erforderlich sei. Insoweit bleibe auch völlig unklar, inwieweit Art. 28 die Befugnisse der zuständigen Stelle nach § 60 PflSchG sowie Artt. 137, 138 VO (EU) Nr. 2017/625 beschränken solle.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Pflanzenschutzdienstes Bezug genommen.
45E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
46Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
47Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
48I.
49Vorab ist der Streitgegenstand wie folgt zu konkretisieren: Die Klägerin wendet sich nicht gegen das Verbot des Inverkehrbringens des Pflanzenschutzmittels Synergy Generics Metamitron. Insoweit hat sie auch klargestellt, dass sie nicht die Absicht habe, das Mittel in den Verkehr zu bringen. Inverkehrbringen ist nach Art. 3 Nr. 9 Satz 1 VO (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln das Bereithalten zum Zwecke des Verkaufs innerhalb der Gemeinschaft, einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, unabhängig davon, ob entgeltlich oder unentgeltlich, sowie Verkauf, Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst, jedoch nicht die Rückgabe an den früheren Verkäufer. Wenn es der Klägerin antragsgemäß explizit darum geht, dass ihr letzteres ermöglicht wird, erhellt hieraus, dass sie nicht die Aufhebung des Verbots des Inverkehrbringens anstrebt – insoweit sieht die Kammer den Bescheid in der Folge als bestandskräftig an –, sondern ihr Ziel vielmehr die Aufhebung des Verbots des sonstigen Verbringens ist, und dies auch nur in Gestalt der Rückgabe an den Verkäufer, so dass der in Rede stehende Bescheid auch im Übrigen als bestandskräftig einzustufen ist.
50Dem Zusatz, die Rückgabe solle mit der Maßgabe erfolgen, dass die B. Handels GmbH ihrerseits das vorgenannte Pflanzenschutzmittel unter Einhaltung zollrechtlicher Bestimmungen in einen Staat ausführt, der nicht Mitglied der Europäischen Union (Drittstaat) ist, kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Bereits aus der Formulierung des Antrags geht hervor, dass nicht die begehrte Aufhebung selbst durch die in Rede stehende Maßgabe modifiziert wird. So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Drittstaatenausfuhr lediglich zivilrechtlich zwischen der Klägerin und der B. Handels GmbH vereinbart worden ist. Es obliegt aber (öffentlich-rechtlich) nicht dem – ohnehin nur für Nordrhein-Westfalen zuständigen – Pflanzenschutzdienst, über die Drittstaatenausfuhr durch die B. Handels GmbH zu entscheiden.
51II.
521.) Rechtsgrundlage für das in Nr. 2 des Bescheides verfügte Verbot des sonstigen Verbringens ist Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel. Nach Art. 138 Abs. 1 Satz 1 lit. b VO (EU) Nr. 2017/625 ergreift die zuständige Behörde, wenn ein Verstoß festgestellt wird, geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Als unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltendes EU-Recht hat Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 in seinem Anwendungsbereich Vorrang vor nationalem Recht (vgl. Artikel 288 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -).
53Vgl. BayVGH, Beschluss vom 12. August 2021 – 20 CS 21.688 –, juris Rn. 8; VGH BW, Beschluss vom 17. September 2020 – 9 S 2343/20 –, juris Rn. 8; VG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2022 – 14 L 611/21 –, juris Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 15. Januar 2020 – 15 A 819/18 –, juris Rn. 20;
54Dass die angegriffene Untersagungsverfügung hier auf § 60 Abs. 2 Nr. 2 PflSchG gestützt ist, führt nicht zu ihrer Rechtswidrigkeit. Denn jedenfalls ist in dem angefochtenen Bescheid auch Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 als Rechtsgrundlage angegeben.
552.) Es spricht einiges dafür, dass der Pflanzenschutzdienst für die Anordnung der Maßnahme zuständig war. Die Klägerin kann dem nicht von vornherein Art. 4 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 entgegenhalten. Danach benennen die Mitgliedstaaten für jeden durch die Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2017/625 geregelten Bereiche eine oder mehrere zuständige Behörden, denen sie die Verantwortung für die Organisation oder die Durchführung amtlicher Kontrollen oder anderer amtlicher Kontrollen übertragen. Eine solche Benennung ist hier erfolgt, und zwar durch den Integrierten mehrjährigen Kontrollplan der Bundesrepublik Deutschland – Geltungsperiode: 01. Januar 2017 bis 31. Dezember 2021, der der Europäischen Kommission übermittelt worden ist. In dem Plan heißt es u.a.:
56„Die amtlichen Pflanzenschutzdienste der Länder sind für die Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes und der darauf gestützten Verordnungen verantwortlich.“
57Die Benennung des Pflanzenschutzdienstes dürfte sich als zutreffend erweisen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist Art. 138 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625. Darin werden „die zuständigen Behörden“ ermächtigt, Maßnahmen zu ergreifen. Auf „die zuständigen Behörden“ wird auch in der allgemeinen Vorschrift des Art. 137 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 abgestellt. Gemäß Art. 3 Nr. 3 b) VO (EU) Nr. 2017/625 bezeichnet dieser Ausdruck die zentralen Behörden eines Mitgliedstaats, die für die Durchführung amtlicher Kontrollen und anderer amtlicher Tätigkeiten nach dieser Verordnung und den Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 verantwortlich sind (lit. a) und alle anderen Behörden, denen diese Verantwortung übertragen wurde (lit. b). „Amtliche Kontrollen“ sind nach Art. 2 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 Tätigkeiten, die von den zuständigen Behörde durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob die Unternehmer die Verordnung und die Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 einhalten (lit. a) und die Tiere oder Waren die Anforderungen in den Vorschriften gemäß Art. 1 erfüllen, auch im Hinblick auf die Ausstellung einer amtlichen Bescheinigung oder einer amtlichen Attestierung (lit. b). Für den innerdeutschen Bereich bestimmt § 59 Abs. 1 PflSchG, dass in den Ländern u.a. die Durchführung dieses Gesetzes einschließlich der Überwachung der Einhaltung seiner Vorschriften und der Kontrollen nach Art. 68 VO (EG) Nr. 1107/2009 den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Als Pflanzenschutzdienst sind sie insbesondere mit der Überwachung des Inverkehrbringens, des innergemeinschaftlichen Verbringens sowie des Verbringens im Inland (§ 59 Abs. 2 Nr. 8 PflSchG) betraut. Landesrechtlich bestimmt die Verordnung zur Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes vom 04. Oktober 1988 (GV. NW. S. 420, zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NW. S. 934), dass der Direktor der Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragter – hier als Pflanzenschutzdienst – zuständige Behörde gemäß § 59 PflSchG ist.
58Der Klägerin ist zuzugestehen, dass in die letztgenannte Norm die Verordnung (EU) Nr. 2017/625 nicht einbezogen ist. Auch durch den jüngst erlassenen Art. 2 des Gesetzes zur Pflanzengesundheit vom 05. Juli 2021 (BGBl. I S. 2354) ist § 59 Abs. 1 PflSchG nicht neugefasst worden. Die Schlussfolgerung, damit sei die Zuständigkeit des Pflanzenschutzdienstes nicht (mehr) gegeben, erweist sich indes als zweifelhaft. Zum einen ist die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht außer Kraft getreten, und in ihrem Art. 68 Abs. 1 ist weiterhin von amtlichen Kontrollen die Rede. Dabei bezieht das Gericht die Änderung der Vorschrift durch Art. 161 Nr. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 ein. Zwar ist der ursprüngliche Satz 1 („Die Mitgliedstaaten führen amtliche Kontrollen durch, um die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung durchzusetzen“) weggefallen. Einen Umkehrschluss des Inhalts, dass die Mitgliedstaaten nunmehr keine amtlichen Kontrollen durchführen, um die Einhaltung der Verordnung sicherzustellen, hält die Kammer indes für zu weitgehend. Denn in seiner aktuellen Fassung („Die Mitgliedstaaten unterbreiten der Kommission bis zum 31. August jedes Jahres für das vorangegangene Jahr einen Bericht über den Umfang und die Ergebnisse der amtlichen Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung dieser Verordnung.“) impliziert die Norm die Durchführung amtlicher Kontrollen. Soweit die Klägerin geltend macht, § 59 Abs. 2 Nr. 8 PflSchG greife nicht Platz, weil keine der darin geregelten Überwachungstätigkeiten Gegenstand desjenigen Teils der Anordnung sei, der angefochten sei, folgt ihr die Kammer nicht. Zum einen ist ausdrücklich das Verbringen im Inland aufgeführt, das hier tatbestandlich einschlägig ist. Zum anderen verdeutlicht das einleitend verwendete Adverb „insbesondere“, dass die Aufzählung der dem Pflanzenschutzdienst obliegenden Aufgaben nicht abschließend ist.
593.) Es liegt ein Verstoß i.S.d. Art. 138 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 vor. Dieser ergibt sich nicht bereits aus der teilweisen Bestandskraft der Anordnung, soweit nämlich der Klägerin schon das Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels Synergy Generics Metamitron untersagt worden ist. Denn der Untersagung kommt keine Feststellungswirkung in dem Sinne zu, dass das Gericht (oder die Behörde) an die rechtliche Beurteilung oder die Sachverhaltsfeststellungen zur Begründung gebunden wäre. Denn hierfür fehlt es an der erforderlichen besonderen gesetzlichen Begründung.
60Vgl. zur Feststellungswirkung eines VA allgemein Goldhammer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht Band VwVfG, § 43 Rn. 81 (Stand: August 2021); Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 43 Rn. 26; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 43 Rn. 160.
61Allerdings liegt der (drohende) Verstoß in der mangelnden Verkehrsfähigkeit der in Rede stehenden Partie des Pflanzenschutzmittel Synergya Generics Metamitron. Gemäß Art. 28 VO (EG) Nr. 1107/2009 dürfen Pflanzenschutzmittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland durch das BVL zugelassen sind. Für das Pflanzenschutzmittel Synergy Generics Metamitron besteht eine solche Zulassung. Allerdings steht fest, dass es sich bei der Partie, die bei der Klägerin vorgefunden worden ist, nicht um das ursprünglich zugelassene Produkt handelt. Vielmehr hat die Laboruntersuchung durch das BVL ergeben, dass die chemische Zusammensetzung in Bezug auf den Beistoff Propylenglykol von der zugelassenen Zusammensetzung abweicht und damit nicht verkehrsfähig ist. Dies ergibt sich aus dem Prüfbericht Plan-, Verdachts- und Sonstige Kontrollproben des BVL vom 31. Mai 2021. Die Probe wurde ausweislich der Ergebnisbewertung auf den Gehalt an einem Frostschutzmittel, das Bestandteil eines Dispergiermittels ist, untersucht. Der ermittelte Gehalt liegt mit 13,0 g/L außerhalb der für den deklarierten Gehalt zulässigen Toleranz von 7,74 g/L. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 hat das beklagte Land mitgeteilt, dass es sich bei dem Beistoff um Propylenglykol handelt. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin nicht mehr damit durchdringen, dem Prüfbericht des BVL könne nicht entnommen werden, wie hoch der deklarierte Gehalt des in Betracht gezogenen Stoffes und wie hoch der Wert der zulässigen Toleranz sei.
62Die Kammer folgt auch nicht dem Einwand, es handele sich um einen eher formalen Verstoß, weil die Abweichung weder zu einer geringeren Wirkung noch zu höheren Risiken für Gesundheits- und Umweltschutz führe. Beim Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels sind alle Bestandteile (Wirkstoffe, Safener, Synergisten und Beistoffe), die bewusst zugegeben werden, unabhängig von der Menge anzugeben (vgl. Teil A, Abschnitt 1.4.1. des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 der Kommission vom 01. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln). Beistoffe (Formulierungshilfsstoffe) verleihen dem Produkt die für die Anwendung nötigen Eigenschaften. Sie sorgen nach der Beschreibung des BVL auf seiner Internetseite etwa dafür, dass Pflanzenschutzmittel leicht zu handhaben, gut auszubringen und lagerstabil sind. Sie können die Sicherheit für Anwender beim Ansetzen der Spritzflüssigkeit erhöhen und ermöglichen eine gute Verteilung der Wirkstoffe in der Spritzflüssigkeit und über die Pflanzen.
63Vgl. https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/08_Produktchemie/01_BeistoffeFormulierungschemie/psm_BeistoffeFormulierungschemie_node.html.
64Zu diesen Beistoffen gehört auch das hier in Rede stehende Propylenglykol.
65Vgl. die Liste des BVL: Beistoffe in zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, abrufbar unter
66https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/04_Pflanzenschutzmittel/zul_info_liste_beistoffe.pdf?__blob=publicationFile&v=5.
67Alle Beistoffe, die in der Formulierung eines Pflanzenschutzmittels enthalten sind, müssen bei einem Antrag auf Zulassung nach den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 durch den Antragsteller oder Hersteller charakterisiert werden. Die einzelnen Beistoffsubstanzen sind quantitativ (i.d.R. Gehalt ≥0,1%) und qualitativ (chemische Bezeichnung nach IUPAC und CA Index, Struktur sowie CAS- und EC-Nummer) anzugeben. Im Zulassungsverfahren werden u.a. die Beistoffe geprüft und im Zulassungsbescheid festgelegt. Ist nach alledem davon auszugehen, dass die Grenzwerte u.a. für die Beistoffe von einer Fachbehörde aufgrund einer sachverständigen Prüfung festgelegt werden, kann die Relevanz einer Grenzwertüberschreitung nicht mit der bloßen Behauptung in Abrede gestellt werden, es handele sich lediglich um einen bloß formalen Verstoß.
68Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz in der Probencodierung ist nicht relevant. Zwar trägt das Protokoll des Pflanzenschutzdienstes über die Pflanzenschutzmittel-Verkehrskontrolle die laufende Nummer 1-Col-055-21. Demgegenüber ist in dem genannten Prüfbericht des BVL die Probencodierung des Auftraggebers angegeben mit: NW-1-Col-051-21-01. Diese Abweichung hat das beklagte Land plausibel damit erklärt, dass die untersuchte Probe bei einem anderen Händler gezogen worden ist. Die Untersuchung betrifft aber dieselbe Charge. So sind in dem Prüfbericht die Chargennummer 1522 08 und das Produktionsdatum Mai 2020 angegeben. Diese Angaben sind auch auf dem Foto eines Originalgebindes aus dem Betrieb der Klägerin deutlich zu erkennen. Hieraus folgt, dass die untersuchte Probe und die bei der Klägerin vorgefundenen Produkte derselben Charge zuzuordnen sind, d.h. der Endproduktmenge, die unter gleichen Umständen entstanden ist.
694.) Allerdings erweist sich die Untersagung des sonstigen Verbringens, soweit dieses die Rückgabe an den Verkäufer umfasst, als ermessensfehlerhaft. Art. 138 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 sieht bei Feststellung eines Verstoßes vor, dass die zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen treffen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften. Dies bedeutet, dass dem Antragsgegner bei der Feststellung von Verstößen grundsätzlich kein Entschließungsermessen hinsichtlich der Frage des „Ob“ des Einschreitens zusteht. Er ist gehalten zu handeln.
70Vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 21. Januar 2022 – RN 5 S 21.2172 –, juris Rn. 40; VG Stade, Beschluss vom 11. August 2021 – 6 B 800/21 –, juris Rn. 39; abweichend dagegen VG Berlin, Beschluss vom 21. Oktober 2021 – 14 L 453/21 –, juris Rn. 34: Entschließungsermessen, aber im gefahrenabwehrrechtlichen Bereich „in der Regel“ intendiert, so dass sich in der Praxis kein Unterschied ergeben dürfte.
71Lediglich bei der Frage des „Wie“ des Einschreitens steht ihm ein Ermessen zu, wobei er insoweit die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit zu beachten und insbesondere die Erforderlichkeit der zu treffenden Maßnahmen in den Blick zu nehmen hat.
72Vgl. Nds.OVG, Beschluss vom 09. Februar 2021 – 13 ME 580/20 –, juris Rn. 34 f.; VG Regensburg, Beschluss vom 21. Januar 2022 – RN 5 S 21.2172 –, juris Rn. 40; VG Berlin, Beschluss vom 21. Oktober 2021 – 14 L 453/21 –, juris Rn. 34.
73Der Prüfungsumfang des Gerichts ist bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen gemäß § 114 VwGO, dahingehend begrenzt, dass es zu prüfen hat, ob die Entscheidung ohne Ermessensfehler getroffen worden ist. Es gelten die allgemeinen Ermessensgrenzen, so dass sich Ermessensfehler aus dem Ermessensnichtgebrauch (Ermessensausfall, Ermessensunterschreitung), dem Ermessensfehlgebrauch (Ermessensmissbrauch) und der Ermessensüberschreitung ergeben können.
74Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 114 Rn. 7 ff.; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 114 Rn. 56 ff. (Stand: Juli 2021); Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 114 Rn. 114a ff., jeweils m.w.N.
75Gemessen daran liegt ein Ermessensfehler vor.
76Der Pflanzenschutzdienst hat zwar erkannt, dass ihm bei der Entscheidung über die Festsetzung Ermessen zukommt, so dass ein Ermessensausfall nicht gegeben ist. So heißt es auf Seite 2 der Anordnung, dass die Festsetzung auch ermessensgerecht gewesen sei. Dies wird im Folgenden in dem Bescheid weiter ausgeführt.
77Indes ist ein Ermessensfehlgebrauch gegeben. Die Erwägungen in der streitgegenständlichen Festsetzungsanordnung vom 04. August 2021 sind in Bezug auf das Verbot des sonstigen Verbringens klar unzureichend. Der Pflanzenschutzdienst hat das Verbot damit begründet, dass der Importeur sowie das dahinterstehende Firmenkonsortium durch „nicht rechtskonformes Verhalten“ auffällig geworden seien. Daher sei auch das sonstige Verbringen zu untersagen, um ein erneutes Inverkehrbringen – auch durch den Importeur – sicher auszuschließen. Zum Schutz vor schädlichen Auswirkungen des Mittels für Umwelt, Anwender und Verbraucher sowie zur Verhinderung eines fortgesetzten rechtswidrigen Handels des festgesetzten Mittels in einem hoch regulierten Handelsbereich sei die Festsetzung auch erforderlich und angemessen. Es ist aber nicht dargetan, in welcher Weise der Importeur und das dahinterstehende Firmenkonsortium durch nicht rechtskonformes Verhalten auffällig geworden sind. Es ist noch nicht einmal klar, ob damit ein strafrechtlich relevantes Verhalten gemeint ist oder aber ein Verhalten, das noch unterhalb dieser Schwelle einzuordnen ist. Zudem ist der Verkäufer nicht der Importeur des Produkts, und es ist in der Festsetzungsanordnung auch nicht dargelegt, dass er dem Firmenkonsortium des Herstellers angehört. In der Folge bleibt der Bezug zu vermeintlich „auffällig“ agierenden Akteuren im Dunkeln.
78Der Ermessensfehler wird – die Anwendbarkeit des § 114 Satz 2 VwGO unterstellt – auch nicht durch die Erwägungen des beklagten Landes im Klageverfahren ausgeglichen.
79Soweit es in dem Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 darauf abstellt, es sei grundsätzlich immer verhältnismäßig und damit ermessensgerecht, wenn ein nicht verkehrsfähiges Pflanzenschutzmittel festgesetzt werde, um zu verhindern, dass es in den Verkehr gebracht werde, betrifft diese Erwägung allein das Inverkehrbringen, um das es hier aber, wie oben herausgearbeitet, gerade nicht geht. Es steht wegen der bloßen Teilanfechtung der Festsetzungsanordnung bestandskräftig fest, dass das Mittel nicht in den Verkehr gebracht werden darf.
80In Bezug auf das allein relevante sonstige Verbringen, soweit es um die Rückgabe des Pflanzenschutzmittels an den Verkäufer geht, erweist sich ferner das Argument als nicht weiterführend, der Hersteller Synergy Generics Limited und seine mit ihm teils unter derselben Adresse und denselben Ansprechpartnern verbundenen Handelsfirmen seien im Zuge aktueller Ermittlungen in erheblichem Umfang mit dem Handel illegaler, nicht zulassungskonformer Pflanzenschutzmittel aufgefallen, so dass eine Rückführung mit der Gefahr erneuter Importversuche möglicherweise über einen Mitvertreiber dieses Mittels verbunden wäre. Denn zum einen bleiben die Angaben zu den strafrechtlichen Ermittlungen vage; insbesondere ist nicht klar, ob die Ermittlungsverfahren auch zu einem konkreten Ergebnis etwa in Gestalt von Verurteilungen geführt haben. Zum anderen ist nicht konkret dargetan, dass es sich bei dem Verkäufer, der B. Handels GmbH, um eine mit dem Hersteller verbundene Handelsfirma handelt, so dass die Gefahr eines illegalen Re-Imports durch den Hersteller oder einen Mitvertreiber nicht substantiiert dargelegt ist. Der gesamte hierauf abzielende Vortrag erweist sich als spekulativ. Der Hinweis des beklagten Landes in dem Schriftsatz vom 22. August 2022, der Geschäftsführer der B. Handels GmbH, Herr D. L. , sei ab Herbst 2012 Mitarbeiter des B1. -Konzerns und dessen deutscher Ansprechpartner gewesen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn lediglich eine E-Mail vorgelegt wird, die noch dazu vor nahezu zehn Jahren geschrieben worden ist (Datum: 29. April 2013), ist das schon an sich kein sonderlich überzeugender Beleg, weil nicht dargetan ist, dass der personale Bezug auch aktuell noch besteht. Zudem würde er nichts daran ändern, dass – wie ausgeführt – ein nicht rechtskonformes Verhalten nur unzulänglich dargetan ist. Dies aber wäre umso mehr angezeigt, als das in Rede stehende Mittel in Deutschland zugelassen ist, so dass nicht ersichtlich ist, warum Veranlassung bestehen sollte, das Produkt zu fälschen.
81Erschwerend – was den Ermessensfehlgebrauch anbelangt – kommt hinzu, dass in Bezug auf die bloße Rückgabe an den Verkäufer das Bestehen eines Anspruchs der Klägerin unbeachtet geblieben ist. Sie hat zwar keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch: Die Rückgabe von Pflanzenschutzmitteln ist in § 27 PflSchG geregelt. Die Norm ist hier aber tatbestandlich nicht einschlägig. § 27 Abs. 1 Satz 1 PflSchG setzt die Beendigung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels voraus, woran es hier fehlt. Der Ansicht der Klägerin, die Norm greife auch dann Platz, wenn einzelne Chargen des Produktes nicht der ansonsten zugelassenen Spezifikation entsprächen, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Denn diese Auslegung ist mit dem Wortlaut der Norm nicht in Einklang zu bringen. Einem erweiterten Verständnis steht der Rechtsgrundsatz „singularia non sunt extendenda“ – Ausnahmevorschriften dürfen nicht weit ausgelegt werden – entgegen. Gemäß Art. 28 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009 darf ein Pflanzenschutzmittel nur in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß der Verordnung zugelassen wurde. In Art. 28 Abs. 2 VO (EG) 1107/2009 sind Ausnahmen von diesem Grundsatz enumerativ geregelt. Der demnach europarechtlich maßgeblichen Bedeutung der Zulassung als Voraussetzung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels ist auch bei § 27 Abs. 1 PflSchG Rechnung zu tragen, indem die Konstellation eines nicht verkehrsfähigen Pflanzenschutzmittels nicht mit der eines nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmittels auf eine Stufe gestellt wird. Auch § 27 Abs. 2 Satz 1 PflSchG greift nicht Platz, da das BVL nicht die Rücknahme oder den Widerruf der Zulassung verfügt und auch nicht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen einer Aufhebung vorgelegen hätten. Allerdings ist die Klägerin zivilrechtlich zur Rückgabe der Partie des Pflanzenschutzmittels berechtigt. Dies folgt ungeachtet einer etwaigen kaufvertragsrechtlichen Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstands bereits daraus, dass sich die B. Handels GmbH mit Schreiben vom 17. August 2021 gegenüber der Klägerin verpflichtet hat, das Pflanzenschutzmittel zurückzunehmen und ihr den Kaufpreis zu erstatten.
82Das (umfassende) Verbot des sonstigen Verbringens kann auch nicht damit ermessensfehlerfrei begründet werden, dass die Vernichtung des Pflanzenschutzmittels erforderlich sei, um dem Schutz der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze Rechnung zu tragen.
83Zum einen stellt sich die Festsetzungsanordnung insoweit als nicht erforderlich und damit als unverhältnismäßig dar.
84Vgl. zur Verhältnismäßigkeit als bei der Ermessensausübung zu beachtendes Kriterium statt vieler Geis, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 40 VwVfG Rn. 102 (Stand: April 2022); Schönen-broicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 40 Rn. 210, jeweils m.w.N.
85Denn ist nicht nachvollziehbar begründet, dass mit einer Rückgabe an den Verkäufer eine Gefährdung von Mensch, Tier oder Pflanze verbunden wäre. Sie ergibt sich insbesondere nicht ohne weiteres aus der beabsichtigten Ausfuhr des Pflanzenschutzmittels in einen Drittstaat. Vielmehr ist zwischen der Rückgabe an den Verkäufer – das ist die Konstellation des hier allein zu betrachtenden Hauptantrags – und dem Verbringen des Mittels in einen Drittstaat zu differenzieren. Die Argumentation des beklagten Landes setzt erkennbar bei letzterem an, verbietet aber ohne Differenzierung schon die Rückgabe an den Verkäufer, die erkennbar (noch) nicht zu einer Gefährdung von Mensch, Tier oder Pflanze führen kann. Die Erforderlichkeit kann auch nicht damit begründet werden, Unternehmen hätten keinen Anreiz, auf den Handel mit nicht verkehrsfähigen Pflanzenschutzmitteln zu verzichten, wenn man deren ungehinderte Rückgabe zulässt, weil im schlimmsten Falle eine Rückabwicklung und Rückgabe der Mittel zu befürchten sei. Denn dabei wird der in aller Regel stark ausgeprägte Anreiz übersehen, Geld zu verdienen. Bei einer Rückabwicklung wird dieses Ziel gerade nicht erreicht, weil bei Rückgabe des Kaufgegenstands auch der Kaufpreis zurückzuzahlen ist.
86Zum anderen ist die Gefährdung von Mensch, Tier oder Pflanze – notabene: in einem Drittstaat – schon kein zulässiges Kriterium im Rahmen des Ermessens: Wenn nach dem hier maßgeblichen europarechtlichen Rechtsregime – den Verordnungen (EU) Nr. 1107/2009 und Nr. 625/2017 – die Ausfuhr eines nicht verkehrsfähigen Pflanzenschutzmittels in einen Drittstaat nicht unzulässig wäre, könnte der Pflanzenschutzdienst nicht eine abweichende Regelung treffen, die lediglich damit begründet ist, dass es darum gehe, Gefahren für Menschen, Tiere oder Pflanzen in einem Drittstaat abzuwehren. Der Verweis auf den Zweck der Gefahrenabwehr wäre vielmehr unzureichend, weil er mit dem Befund nicht zu vereinbaren wäre, dass der EU-Verordnungsgeber gerade nicht die Notwendigkeit gesehen hat, uneingeschränkt die Ausfuhr von Pflanzenschutzmitteln (oder anderen Chemikalien) zu ebendiesem Zwecke zu unterbinden. Die oben formulierte Prämisse ist aus der Sicht der Kammer erfüllt: In pflanzenschutzrechtlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass Art. 28 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1107/2009 grundsätzlich die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels als Voraussetzung für das Inverkehrbringen postuliert. Ausnahmen hierzu sind in Art. 28 Abs. 2 VO (EG) 1107/2009 aufgeführt. Insbesondere bedarf es nach Art. 28 Abs. 2 lit. d) VO (EG) Nr. 1107/2009 für das Verbringen eines Pflanzenschutzmittels in einen Drittstaat keiner Zulassung. Es bedarf freilich auch hier keiner Entscheidung, ob der von der Klägerin befürwortete Gleichsetzung von „nicht zugelassen“ und „nicht verkehrsfähig“ zuzustimmen ist. Denn jedenfalls ist zu konstatieren, dass die Verordnung explizite Vorgaben für Pflanzenschutzmittel, die von den zuständigen Behörden als nicht verkehrsfähig eingestuft worden sind, nicht enthält. Chemikalienrechtlich ist von Belang, dass die insoweit einschlägige Verordnung (EU) Nr. 649/2012 die Ausfuhr verbotener Chemikalien verbietet (vgl. Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Anhang V) und die Ausfuhr gefährlicher Chemikalien reglementiert (vgl. Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Anhang I). Der Wirkstoff Metamitron ist aber weder in der Anhang I noch in Anhang V aufgeführt und mithin weder als gefährlich noch als verboten eingestuft. So bedürfte es weitergehender Erwägungen über die Abwehr von Gefahren für Menschen, Tiere und Pflanzen in einem Drittstaat hinaus, die hier aber nicht angestellt worden sind.
87Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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