Urteil vom Verwaltungsgericht Braunschweig (6. Kammer) - 6 A 10/16

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, für ein Fahrzeug ein Fahrtenbuch zu führen.

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Sie war Halterin eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D.. Die Beklagte wirft der Klägerin vor, dass mit diesem Pkw am E. 2015 um 10.04 Uhr auf der Bundesautobahn F. in A-Stadt, Fahrtrichtung Salzgitter/Kassel, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nach Abzug eines Toleranzwertes um 31 km/h überschritten wurde. Die Ordnungswidrigkeit wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät festgestellt und mittels Messfoto dokumentiert.

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Unter dem 20. April 2015 übersandte die Beklagte als die für die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit zuständige Behörde der Klägerin einen Zeugenfragebogen. Auf diesem Bogen, der an die Beklagte zurückgesandt wurde, gab ein Mitarbeiter der Klägerin an, das Fahrzeug sei zur Tatzeit dem in G. gemeldeten Herrn H. überlassen worden. Herr H. und Herr I. sind die beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin; beide sind einzelvertretungsbefugt.

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Unter dem 27. April 2015 übersandte die Beklagte Herrn H. einen Anhörungsbogen. Mit Schreiben vom 7. Mai 2015 fragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten an, ob es weitere Fotos gebe, die eventuell helfen würden, den Fahrer zu ermitteln. Unter dem 13. Mai 2015 antwortete die Beklagte, der Zeugenfragebogen beinhalte die erforderlichen Angaben, ein Fahrzeugnutzer sei auch bereits mitgeteilt; dem Schreiben war weiteres Fotomaterial zu der Verkehrsordnungswidrigkeit beigefügt. Mit Schreiben vom 19. Mai 2015 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um weitere Fotos mit dem Hinweis, die vorliegenden Fotos ermöglichten es nicht, einen Fahrzeugführer zu ermitteln. Die Beklagte forderte daraufhin von der Stadt G. eine Kopie des im Personalausweis- bzw. Passregister vorhandenen Fotos von Herrn H. an. Außerdem bat sie die Kreispolizeibehörde J. unter Angabe der Anschrift von Herrn H. um Ermittlungen zur Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers. Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 teilte die Polizei mit, die Wohnung sei zu unterschiedlichen Zeiten aufgesucht worden, Herr H. sei aber nicht erreichbar gewesen. Am 1. Juli 2015 suchte ein Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes der Beklagten (Zentraler Ordnungsdienst) die Geschäftsräume der Klägerin in A-Stadt auf. Das Sekretariat der Geschäftsführung teilte ihm mit, Herr H. sei nicht im Hause und halte sich ständig in den Filialen auf. Nach dem Besuch des Ermittlungsdienstes übersandte eine Mitarbeiterin der Klägerin der Beklagten den ausgefüllten Anhörungsbogen. In dem Bogen gab Herr H. unter dem 2. Juli 2015 an, er sei nicht der Fahrer gewesen, er erinnere sich weder an den Tag noch an den Ort und identifiziere sich auch nicht auf dem Foto.

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In einem Aktenvermerk vom 10. Juli 2015 hielt eine Mitarbeiterin der Beklagten nach einem Gespräch mit der Polizei fest, nach einem Abgleich der vorliegenden Fotos mit einem Foto aus einem Ermittlungsvorgang der Polizei sei Herr I. als Fahrer erkannt worden. Unter dem 10. Juli 2015 wurde diesem ein Anhörungsbogen übersandt. Mit Bußgeldbescheid vom 2. September 2015 setzte die Beklagte gegen Herrn I. ein Bußgeld und ein Fahrverbot fest. Gegen diesen Bescheid erhob Herr I. Einspruch mit der Begründung, er sei zur Tatzeit zu Hause gewesen; zu dieser Zeit hätten Vertreter des Finanzamtes im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens eine Durchsuchung vorgenommen. Dazu legte Herr I. die Durchsuchungsniederschrift vor. Daraufhin nahm die Beklagte den Bußgeldbescheid zurück und stellte das Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.

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Unter dem 22. Oktober 2015 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer möglichen Fahrtenbuchauflage an und bat darum, das Kennzeichen eines möglichen Ersatzfahrzeugs anzugeben, da das Tatfahrzeug (Kennzeichen D.) unter dem 30. Juli 2015 außer Betrieb gesetzt worden sei. Die Klägerin äußerte sich mit Schreiben vom 6. November 2015 zu einer Fahrtenbuchauflage, ohne ein Ersatzfahrzeug zu benennen. Mit Schreiben vom 18. November 2015 bat die Beklagte die Klägerin noch einmal darum, das Kennzeichen eines möglichen Ersatzfahrzeugs anzugeben. Eine Antwort darauf erhielt die Beklagte nicht.

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Mit Bescheid vom 10. Dezember 2015 gab die Beklagte der Klägerin nach Anhörung auf, für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen K. als Ersatzfahrzeug für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen D. ein Fahrtenbuch für die Dauer von 12 Monaten zu führen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe keine Angaben gemacht, die die Ermittlung des Fahrzeugführers ermöglicht hätten; alle angesichts dessen zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen seien ergriffen worden. Mit Bescheid vom selben Tage setzte die Beklagte die Kosten für die Fahrtenbuchanordnung auf 104,70 Euro fest.

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Gegen diese beiden Bescheide, die ihrem Prozessbevollmächtigten nach eigenen Angaben am 15. Dezember 2015 zugestellt wurden, hat die Klägerin am 15. Januar 2016 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen Folgendes geltend: Es sei nicht nachgewiesen, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h mit dem Tatfahrzeug begangen worden ist. Sie habe aber jedenfalls auch nicht die Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers verweigert. Der zuständige Sachbearbeiter, Herr L., sei seinerzeit in den Ruhestand getreten und habe den Vorgang nicht fehlerfrei und abschließend bearbeitet, ohne dass dies für sie erkennbar gewesen sei. Ein Telefongespräch zwischen der Beklagten und einer Mitarbeiterin der Klägerin habe es nicht gegeben. Ihr seien auch keine Daten abverlangt worden, die die Ermittlung des Fahrers ermöglicht hätten. „Die Frage der charakterlichen Zuverlässigkeit“ könne „sich nicht gegen eine Firma – also eine juristische Person –, sondern lediglich gegen eine natürliche Person richten“. Es liege auch kein erheblicher Verkehrsverstoß vor. Schließlich sei eine Fahrtenbuch-Anordnung für die Dauer von 12 Monaten nicht angemessen, sechs Monate hätten genügt; die Beklagte habe zu berücksichtigen, mit welchem wichtigen Steuerzahler sie es zu tun habe. Die festgesetzte Gebühr von 102,40 Euro sei weder dem Grunde noch der Höhe nach gerechtfertigt. Ein Arbeitsaufwand von zwei Stunden könne nicht nachvollzogen werden. Bestimmte Handlungen wie die Überwachung von Vorlageterminen und die Überprüfung des Fahrtenbuchs hätten noch gar nicht stattgefunden.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 10. Dezember 2015 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie tritt den Ausführungen der Klägerin entgegen und trägt dazu im Wesentlichen vor, die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht hinreichend nachgekommen, sodass die durchgeführten Ermittlungen ausreichend gewesen seien. Die Fahrtenbuchauflage sei verhältnismäßig und entspreche ihrer Verwaltungspraxis.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht sieht die Klage als zulässig, insbesondere als fristgerecht erhoben an. Sie folgt damit der Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wonach die angegriffenen Bescheide am 15. Dezember 2015 zugestellt worden sind. Damit ist die am 15. Januar 2016 bei Gericht eingegangene Klage innerhalb der Klagefrist (vgl. § 74 VwGO) erhoben worden. Bedenken, die sich aus der anderslautenden Angabe zum Zustelldatum in der vorliegenden Postzustellungsurkunde (Bl. 100a der Beiakte) ergeben, stellt das Gericht zurück.

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Die Klage ist jedenfalls nicht begründet. Rechtsgrundlage für die gegenüber der Klägerin verfügte Fahrtenbuchauflage ist die Regelung in § 31a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge auferlegen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Behörde kann ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die verfügte Fahrtenbuchauflage sind erfüllt.

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Die Klägerin ist Halterin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D. gewesen. Mit diesem ist zur Überzeugung des Gerichts am E. 2015 um 10.04 Uhr auf der Bundesautobahn F. in A-Stadt, Fahrtrichtung Salzgitter/Kassel, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nach Abzug eines Toleranzwertes um 31 km/h überschritten und damit eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen worden. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit des bei der Radarmessung gewonnenen und dokumentierten Ergebnisses zu zweifeln. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde ausweislich der vorliegenden Unterlagen in einem standardisierten Verfahren mit dem Lasermessgerät „ES 3,0“, einem allgemein anerkannten Messgerät, durchgeführt (zu diesem Gerät z.B. VG Braunschweig, U. v. 06.05.2016 - 6 A 625/15 -; s. a. Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 31a StVZO Rn. 17 m.w.N.). Das Gerät war ausweislich des vorliegenden Eichscheins im Zeitpunkt der Messung gültig geeicht (Bl. 63 der Beiakte) und wurde vom Messbeamten nach dem von ihm erstellten Messprotokoll entsprechend der Gebrauchsanweisung des Herstellers und den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt eingesetzt (Bl. 55 der Beiakte). Bei dieser Sachlage sind ohne ein substanziiertes Bestreiten durch die Klägerin weitere Ermittlungen nicht erforderlich (vgl. BVerwG, B. v. 09.12.1993 - 11 B 113.93 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, B. v. 11.05.1999 - 12 L 2087/99 -, insoweit teilw. abgedr. in DAR 1999, 424; VG Braunschweig, U. v. 21.07.2006 - 6 A 16/06 -, juris Rn. 17 = DAR 2007, 165). Dies gilt insbesondere für die im Messprotokoll und seinen Anlagen dokumentierten Tatsachen: Bei diesen Unterlagen handelt es sich um öffentliche Urkunden im Sinne des § 98 VwGO i. V. m. § 418 ZPO, die den vollen Beweis der in ihnen bezeugten Tatsachen begründen, es sei denn, derjenige, zu dessen Nachteil sich die Beweisregel auswirkt, erbringt nach substanziiertem Beweisantritt den Beweis der Unrichtigkeit (vgl. Nds. OVG, B. v. 29.11.1999 - 12 L 5605/99 -; VG Braunschweig, a. a. O.). Dies hat die Klägerin nicht getan. Ob die Zuwiderhandlung bereits im Ordnungswidrigkeitenverfahren substanziiert bestritten werden muss, kann das Gericht daher offenlassen (vgl. dazu Nds. OVG, B. v. 11.05.1999, a. a. O.).

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Die Feststellung der Person, die bei dem Verkehrsverstoß das Fahrzeug gefahren hat, ist der Beklagten als zuständiger Ordnungsbehörde nicht möglich gewesen. Nicht möglich im Sinne des § 31a StVZO ist die Fahrerfeststellung dann gewesen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Angemessen sind die Maßnahmen, die die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 3/80 -, juris Rn. 7 = Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12; B. v. 23.12.1996 - 11 B 84/96 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, B. v. 04.12.2003 - 12 LA 442/03 -, juris Rn. 4 = DAR 2004, 607; B. v. 01.02.2013 - 12 LA 122/12 -, juris Rn. 7 = NZV 2013, 257). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Bußgeldbehörde hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen.

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Die Klägerin hat an der Feststellung, wer den Verkehrsverstoß mit ihrem Fahrzeug als Fahrzeugführer begangen hat, nicht hinreichend mitgewirkt. An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es bereits dann, wenn er den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis macht, der das Tatfahrzeug benutzt (Nds. OVG, B. v. 04.12.2003, a. a. O.; B. v. 01.02.2013, a. a. O.; VG Braunschweig, B. v. 12.03.2012 - 6 B 40/12 -, juris Rn. 22; ständige Rechtsprechung). Damit sind die Fälle einer Mitwirkungsverweigerung des Halters aber nicht abschließend bezeichnet. Dem Vorwurf einer unzureichenden Mitwirkung, die regelmäßig weitere behördliche Ermittlungen überflüssig macht, kann der Halter nur mit qualifizierten Angaben zum Nutzerkreis entgehen. Der Halter muss die Personen, die das Tatfahrzeug in dem fraglichen, die Tatzeit umfassenden Zeitraum genutzt haben, konkret benennen. Er muss dabei von sich aus alle möglicherweise weiterführenden Hinweise zur Person des Fahrzeugführers geben. Dazu gehören der Name und die Anschrift der Personen, die das Fahrzeug im fraglichen Zeitraum genutzt haben, jedenfalls dann, wenn dem Halter diese Angaben ohne erheblichen Ermittlungsaufwand möglich sind (vgl. zu allem VG Braunschweig, B. v. 12.03.2012, a. a. O.). Aber auch wenn es dem Halter subjektiv unmöglich ist, im Ordnungswidrigkeitenverfahren Name und Anschrift des Fahrers anzugeben, steht dies der Annahme einer Mitwirkungsverweigerung jedenfalls nicht zwingend entgegen. In diesen Fällen ist der Vorwurf einer unzureichenden Mitwirkung gerechtfertigt, wenn der Halter nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um diese Angaben machen zu können und damit die Feststellung des verantwortlichen Fahrers zu ermöglichen (vgl. VG Braunschweig, B. v. 12.03.2012, a. a. O., Rn. 24). Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fall nicht hinreichender Mitwirkung der Fahrzeughalterin auszugehen.

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Die Klägerin hat den Kreis der Personen, die das Tatfahrzeug in dem fraglichen, die Tatzeit umfassenden Zeitraum genutzt haben, weder eingegrenzt, noch diese Personen konkret benannt. Sie hat auf dem ihr übersandten Zeugenfragebogen lediglich angegeben, das Tatfahrzeug sei zur Tatzeit Herrn H. überlassen worden, einem ihrer Geschäftsführer. Diese Angabe ist objektiv unzutreffend gewesen, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat (vgl. auch Dauer, a. a. O., Rn. 35 m.w.N.). Zu weiteren Angaben wäre sie auch ohne Weiteres in der Lage gewesen. In der Rechtsprechung ist hinsichtlich der Nutzung von Firmenfahrzeugen anerkannt, dass es ungeachtet der aus § 238 Abs. 1 und § 257 HGB folgenden Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten sachgerechtem kaufmännischem Verhalten entspricht, dass ein kaufmännischer Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen oder die Vorlage eines Tatfotos auch nach längerer Zeit in der Lage ist, Geschäftsfahrten anhand (schriftlicher) Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen (vgl. Hamb. OVG, B. v. 12.01.2006 - 1 A 236/05 -, juris Rn. 6; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 31.03.1995 - 25 A 2798/93 -, juris Rn. 17 f.; VG Braunschweig, U. v. 31.05.2011 - 6 A 162/10 -, juris Rn. 23 = VD 2012, 123). Hiermit ist zwar keine Rechtspflicht zur Dokumentation der Geschäftsfahrten verbunden. Es ist deswegen Sache eines Unternehmens, sich dafür zu entscheiden, hinreichende Aufzeichnungen nicht zu führen; die Folge ist indessen, dass die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, in der Regel rechtmäßig ist, wenn sich nicht hat aufklären lassen, wer mit dem Firmenfahrzeug den Verkehrsverstoß begangen hat (vgl. Nds. OVG, B. v. 30.11.2000 - 12 M 4036/00 -, juris Rn. 3; VG Braunschweig, a. a. O.). Es liegt in der Sphäre der Betriebsleitung, von vornherein organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat (OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 16.09.2003 - 1 L 90/03 -, juris Rn. 4; VG Braunschweig, a. a. O.). Dies ist wegen des öffentlichen Interesses an der Aufklärung von Verkehrsverstößen gerechtfertigt und belastet den kaufmännischen Wirtschaftsbetrieb nicht in unzumutbarer Weise. Hinsichtlich seiner Geschäftsvorgänge ist dieser ohnehin buchführungspflichtig, sodass der (schriftliche) Nachweis der mit seinen Fahrzeugen unternommenen Dienstfahrten nicht mit einer ihm gänzlich ungewohnten Belastung verbunden ist – anders als dies für Fahrzeughalter von zu privaten Zwecken eingesetzten Pkw der Fall wäre. Wegen des im Vergleich zu Privatfahrzeugen regelmäßig größeren und deswegen unübersichtlicheren Benutzerkreises geht von Geschäftsfahrzeugen eine größere Gefahr als von Privatfahrzeugen aus, dass eine Ordnungswidrigkeit ohne längerfristige Dokumentation des Fahrzeugeinsatzes unaufgeklärt bliebe. Zudem liegt die Dokumentation des Fahrzeugeinsatzes im kaufmännischen Eigeninteresse, schon um Vorkehrungen gegen missbräuchliche Verwendung der Fahrzeuge für Privatfahrten zu treffen oder in Schadensfällen Ersatzansprüche belegen zu können (vgl. VG des Saarlandes, B. v. 09.10.2007 - 10 L 1099/07 -, juris Rn. 17; VG Braunschweig, a. a. O.).

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Der Einwand der Klägerin, der für die Dokumentation der Fahrzeugbewegungen zuständige Mitarbeiter habe seinerzeit – für sie nicht erkennbar – fehlerhaft gehandelt, rechtfertigt keine andere rechtliche Wertung. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles ist es gleichwohl nach Sinn und Zweck des § 31a StVZO geboten, von einer Mitwirkungsverweigerung der Klägerin auszugehen. Die Fahrtenbuchauflage nach § 31a StVZO soll verhindern, dass in Zukunft erneut ein Verkehrsverstoß mit dem Tatfahrzeug oder einem Ersatzfahrzeug wie im Anlassfall nicht aufgeklärt werden kann. Sie richtet sich an den Halter, weil dieser die Verfügungsbefugnis über das Fahrzeug besitzt. Damit dient sie der Abwehr einer abstrakten, in der Risikosphäre des Halters liegenden Gefahr. Organisatorische Defizite in der Sphäre des Fahrzeughalters gehen daher zu seinen Lasten (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 16.09.2003 - 1 L 90/03 -, juris Rn. 4; VG Braunschweig, U. v. 06.01.2012 - 6 A 142/07 - und v. 31.05.2011 - 6 A 162/10 -, juris Rn. 22). Solche Defizite können die Pflicht der Ordnungsbehörde zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich nicht begründen. Nach diesen Grundsätzen ist die Annahme einer Mitwirkungsverweigerung hier schon deswegen gerechtfertigt, weil die unzutreffenden Angaben zum Fahrzeugführer auf das Fehlverhalten eines Mitarbeiters der Klägerin und damit auf Umstände zurückzuführen sind, die in die Sphäre der Klägerin fallen. Sie hat durch organisatorische Regelungen nicht sicherstellen können, dass sie als Halterin eines Fahrzeugs im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens zur Aufklärung eines mit diesem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes beitragen kann.

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Die Klägerin kann auch nicht erfolgreich einwenden, ein Telefonat eines Ermittlungsbeamten mit einer ihrer Mitarbeiterinnen habe es nicht gegeben, die Beklagte habe auch keine Daten bei ihr abgefragt, die die Ermittlung des Fahrers ermöglicht hätten. Für die Frage, ob eine Mitwirkungsverweigerung vorliegt, kommt es allein auf das Verhalten des Fahrzeughalters an. Der Halter muss von sich aus alle weiterführenden Angaben zum Fahrer machen, Nachfragen der Ordnungsbehörde sind nicht erforderlich (vgl. Nds. OVG, B. v. 04.12.2003 - 12 LA 442/03 -, juris Rn. 3 f.; VG Braunschweig, U. v. 17.09.2004 - 6 A 258/04 -, juris Rn. 19; Dauer, a. a. O., Rn. 35). Unabhängig davon hat die Beklagte klargestellt, dass das fragliche Gespräch zwischen einem Mitarbeiter ihres Ermittlungsdienstes und einer Mitarbeiterin der Klägerin nicht telefonisch, sondern im Rahmen eines Besuchs der Geschäftsräume der Klägerin geführt worden ist (Schriftsatz v. 09.02.2016, Bl. 15 a.E. der Gerichtsakte).

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Wirkt der Fahrzeughalter nicht hinreichend an der Fahrerfeststellung mit, weil er keine oder nur unzureichende Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugnutzer macht, so darf die Bußgeldbehörde in aller Regel davon ausgehen, dass weitere Ermittlungen zeitaufwendig wären und kaum Aussicht auf Erfolg bieten würden, und mit dieser Begründung auf weitere Ermittlungsversuche verzichten. Weitere Ermittlungen sind in diesen Fällen nur ausnahmsweise erforderlich, nämlich dann, wenn sich im Einzelfall besondere Anzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrers hindeuten (Nds. OVG, B. v. 31.10.2006 - 12 LA 463/05 -, juris Rn. 4; zu Beispielen s. VG Oldenburg, B. v. 01.10.2008 - 7 B 2577/08 -, juris Rn. 23 f. u. VGH Baden-Württemberg, B. v. 29.01.2008 - 10 S 129/08 -, juris Rn. 4 = DAR 2008, 278). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die gleichwohl von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen – der Fotoabgleich, Nachforschungen der Polizei und des Zentralen Ordnungsdienst sowie die Anhörung des anderen Geschäftsführers der Klägerin – haben unabhängig davon keine ausreichenden Hinweise ergeben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten.

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Die Beklagte durfte die Fahrtenbuchauflage auch für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen K. verfügen. Rechtsgrundlage dafür ist die Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO. Danach darf die Behörde das Führen eines Fahrtenbuchs auch für ein Ersatzfahrzeug anordnen. Das Fahrzeug mit dem Kennzeichen K. ist als Ersatzfahrzeug im Sinne dieser Regelung anzusehen.

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Der Begriff des „Ersatzfahrzeugs“ in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO ist weit auszulegen. Er erfasst nicht nur das vor oder während der Geltung der Fahrtenbuchauflage anstelle des veräußerten oder abgemeldeten Kfz neu angeschaffte Fahrzeug, sondern auch alle anderen Fahrzeuge des Halters, die im Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Abmeldung des Tatfahrzeugs von ihm betrieben werden und demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, B. v. 03.02.1989 - 7 B 18/89 -, juris Rn. 5 f. und Nds. OVG, B. v. 30.04.2015 - 12 LA 156/14 -, juris Rn. 9; s. a. Dauer, a. a. O., Rn. 59 m. w. N.). Die Vorschrift soll verhindern, dass sich der Halter durch Veräußerung oder Abmeldung des Tatfahrzeugs der zum Zweck der Gefahrenabwehr bestehenden Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuchs entziehen kann; der Halter soll diese Verpflichtung nicht umgehen können (vgl. OVG Berlin, B. v. 13.03.2003 - 8 S 330.02 -, juris Rn. 3 = NJW 2003, 2402; Nds. OVG, B. v. 10.06.2011 - 12 ME 40/11 -, juris Rn. 5; VG Hannover, U. v. 30.10.2008 - 9 A 461/08 -, juris Rn. 20; Dauer, a. a. O., m. w. N.). Die Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO trägt dazu bei sicherzustellen, dass es nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften künftig anders als im Anlassfall ohne Schwierigkeiten möglich wird, den Fahrer festzustellen. Durch die Regelung soll daher nicht der Umgang mit einem bestimmten Fahrzeug sichergestellt werden, sondern die Beachtung der einem Kfz-Halter obliegenden Aufsichtspflicht über die von ihm in Verkehr gebrachten Fahrzeuge (OVG Berlin, a. a. O.). Für die Frage, ob ein im Rahmen eines Geschäftsbetriebs genutztes Fahrzeug des Halters als Ersatzfahrzeug anzusehen ist, kommt es nicht auf die Sicht des Halters an. Vielmehr ist die Frage nach objektiven Kriterien zu klären, maßgeblich ist also die „objektive Zweckbestimmung“ (ebenso OVG Berlin, a. a. O.; VG Hannover, a. a. O., Rn. 21; VG Köln, B. v. 26.05.2010 - 18 L 588/10 -, juris Rn. 38). Nur so ist gewährleistet, dass die Fahrtenbuchanordnung den gesetzlichen Zweck der Gefahrenabwehr und der Verhinderung von Umgehungsmöglichkeiten erreichen kann und die behördliche Entscheidung nicht von den von persönlichen Interessen geleiteten Angaben des Halters abhängt. Ob ein Fahrzeug „demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt ist“, hängt davon ab, ob das Fahrzeug in vergleichbarer Weise zu geschäftlichen oder privaten Zwecken eingesetzt wird wie das Tatfahrzeug (vgl. Nds. OVG, B. v. 17.09.2007 - 12 ME 225/07 -, juris Rn. 6; VG Hannover, a. a. O., Rn. 21; VG Köln, a. a. O., Rn. 42). Dabei ist auf die typische Benutzung der Fahrzeuge abzustellen (vgl. Nds. OVG, B. v. 30.04.2015 - 12 LA 156/14 -, juris Rn. 9). Bei geschäftlich genutzten Fahrzeugen ändert sich die Zweckbestimmung nicht dadurch, dass diese von verschiedenen Mitarbeitern genutzt werden (ebenso im Ergebnis: OVG Berlin, a. a. O., Rn. 3 f.; VG Hannover, a. a. O.; VG Köln, a. a. O., Rn 44). Dies ergibt sich schon daraus, dass die Fahrtenbuchauflage der Gefahrenabwehr dient und zu diesem Zweck an die Aufsichtspflicht des Halters anknüpft. Die Notwendigkeit, zur Gefahrenabwehr einzuschreiten, ist aber unabhängig davon gegeben, ob das Fahrzeug von einem anderen Mitarbeiter genutzt wird. Denn die Fahrtenbuchauflage ist erforderlich geworden, weil ein mit einem Fahrzeug des Halters begangener Verkehrsverstoß im Bußgeldverfahren trotz Rückgriffs auf den zur Aufsicht verpflichteten Halter nicht aufgeklärt werden konnte. Die Gefahrenlage, die sich aus dem Anlassfall für künftige Fälle von Verkehrszuwiderhandlungen ergibt, entfällt nicht dadurch, dass der Halter ein geschäftlich genutztes Fahrzeug einem anderen Mitarbeiter überlässt als das Tatfahrzeug. Wenn ein Fahrzeug schon deswegen nicht als Ersatzfahrzeug bestimmt werden dürfte, weil es von einem anderen Mitarbeiter genutzt wird als das Tatfahrzeug, hätte es der Halter im Übrigen entgegen dem Regelungszweck des § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO in der Hand, seine Verpflichtungen durch geschäftsinterne Entscheidungen über die Zuordnung von Fahrzeugen zu umgehen.

26

Für die Beurteilung der Frage, ob die Behörde die Fahrtenbuchauflage auf ein anderes Fahrzeug des Halters als Ersatzfahrzeug für das Tatfahrzeug erstrecken durfte, kommt es nach den für Anfechtungsklagen geltenden allgemeinen Grundsätzen maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses an. An den Ermittlungsaufwand der Behörde sind dabei in aller Regel keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Nds. OVG, B. v. 17.09.2007 - 12 ME 225/07 -, juris Rn. 6 = NJW 2008, 167). Dies gilt insbesondere dann, wenn auf den Halter – wie auf die Klägerin im vorliegenden Fall – eine größere Anzahl von Fahrzeugen zugelassen ist. Die Ermittlungen der Behörde dürfen sich dann an dem Beitrag orientieren, den der Halter zur Ermittlung des Ersatzfahrzeuges leistet. Wirkt der Halter nicht mit, so darf sich die Behörde bei der Bestimmung des Ersatzfahrzeugs für das veräußerte oder abgemeldete Tatfahrzeug auf die objektiven Kriterien beschränken, die für sie aus den ihr zugänglichen Daten der auf den Halter zugelassenen Fahrzeuge ersichtlich sind und nach denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die zu verfügende Fahrtenbuchauflage tatsächlich ein Ersatzfahrzeug betrifft. Diese eingeschränkte Ermittlungspflicht ist nach dem Sinn und Zweck des § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO geboten. Die Vorschrift soll verhindern, dass sich der Halter durch Veräußerung oder Abmeldung des Tatfahrzeugs der zum Zweck der Gefahrenabwehr bestehenden Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuchs entziehen kann (s. oben). Diese Zielsetzung wäre gerade bei größeren Fahrzeugparks nicht erreichbar, wenn der Behörde stets abverlangt würde, die Nutzungszwecke für jedes Fahrzeug im Einzelnen aufzuklären.

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Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Das als Ersatzfahrzeug bestimmte Fahrzeug mit dem Kennzeichen K. hat zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses einem vergleichbaren Zweck wie das Tatfahrzeug gedient. Die Klägerin hat dieses Fahrzeug wie das Tatfahrzeug zu geschäftlichen Zwecken genutzt. Insoweit ist unerheblich, dass die Klägerin den Pkw nach den in der mündlichen Verhandlung erfolgten Angaben ihres Prozessbevollmächtigten einem anderen Mitarbeiter zugeordnet hat – dem Prokuristen Herrn M. – als das Tatfahrzeug, das der Geschäftsleitung zur Verfügung gestanden haben soll. Auf die Frage, von welchem Mitarbeiter ein geschäftlich genutztes Fahrzeug nach den Regelungen des Halters genutzt werden soll, kommt es bei der Bestimmung eines Ersatzfahrzeugs aus den dargelegten Gründen nicht an (s. auch OVG Berlin, a. a. O., Rn. 4). Weitere Ermittlungen musste die Beklagte für ihre Entscheidung nicht vornehmen. Sie durfte sich auf die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen beschränken und darauf abstellen, dass das als Ersatzfahrzeug bestimmte Fahrzeug auf die Klägerin zugelassen ist und eine andere als eine geschäftliche Nutzung danach nicht ersichtlich war; außerdem durfte sie die Art und die Größe des Fahrzeugs berücksichtigen. Dabei handelt es sich um insgesamt für die Entscheidung geeignete objektive Kriterien. Weitere Ermittlungen waren unabhängig davon auch deswegen nicht erforderlich, weil die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht daran mitgewirkt hatte aufzuklären, welches ihrer Fahrzeuge als Ersatzfahrzeug anzusehen ist. Die Beklagte hatte bereits in ihrem Anhörungsschreiben vom 22. Oktober 2015 darum gebeten, für den Fall einer Fahrtenbuchauflage das Kennzeichen eines möglichen Ersatzfahrzeugs anzugeben, weil das Tatfahrzeug außer Betrieb gesetzt worden sei. Angaben dazu hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem Antwortschreiben vom 6. November 2015 nicht gemacht. In einem weiteren, im vorliegenden Verwaltungsvorgang mit Abvermerk versehenen Schreiben vom 18. November 2015 hatte die Beklagte ihre Bitte, das Kennzeichen eines möglichen Ersatzfahrzeugs anzugeben, wiederholt und angekündigt, sonst ein Fahrzeug aus dem Pool der Firmenfahrzeuge zu bestimmen, von dem sie annehmen könne, dass es – wie das Tatfahrzeug – der Geschäftsführung zur Verfügung stehe. Dieses Schreiben hat die Klägerin nicht beantwortet. Die Beklagte hat der Klägerin damit hinreichend Gelegenheit gegeben, ein Fahrzeug zu benennen, das als Ersatzfahrzeug in Betracht kommt. Unerheblich ist insoweit, dass es für die Entscheidung rechtlich nicht maßgeblich darauf ankam, welchem Mitarbeiter das Fahrzeug zugeordnet ist. Da die Klägerin in keiner Weise mitgewirkt hat, durfte die Beklagte ihre weiteren Ermittlungen eng begrenzen. Sie hat nach Durchsicht einer Aufstellung der auf die Klägerin zugelassenen Fahrzeuge das Ersatzfahrzeug danach bestimmt, welches der Fahrzeuge nach Fahrzeugklasse und Größenordnung dem Tatfahrzeug, das der Nutzung durch die Geschäftsleitung zu dienen bestimmt war, am nächsten kommt. Nach diesen Kriterien war jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das bestimmte Fahrzeug tatsächlich als Ersatzfahrzeug zu qualifizieren ist. Rechtlich hätte es sogar ausgereicht, nicht auf die individuelle Nutzung, sondern allein auf den objektiven Nutzungszweck (s. oben) abzustellen.

28

Die von der Klägerin erhobenen Einwände rechtfertigen keine andere Beurteilung. Soweit sie geltend macht, bei dem von der Beklagten bestimmten Fahrzeug handele es sich nicht um ein Nachfolgefahrzeug des Tatfahrzeugs, übersieht sie, dass als Ersatzfahrzeuge nicht nur die Nachfolgefahrzeuge, also die nach der Veräußerung oder Abmeldung des Tatfahrzeugs neu angeschafften Fahrzeuge anzusehen sind. Der Begriff ist vielmehr deutlich weiter zu interpretieren (s. oben). Der Anschaffungswert eines Fahrzeugs ist kein maßgebliches Kriterium für die Qualifizierung eines Fahrzeugs als Ersatzfahrzeug (s. oben). Insbesondere dann, wenn der Halter – wie hier – bei der Bestimmung des Ersatzfahrzeugs nicht mitwirkt und im Fahrzeugpool des Halters im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses kein Fahrzeug von demselben Anschaffungswert vorhanden ist, darf die Behörde das Ersatzfahrzeug nach anderen Kriterien bestimmen (s. oben).

29

Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

30

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung darstellt, dass eine Androhung nicht ausreicht, sondern die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 3/80 -, juris Rn. 9 sowie B. v. 28.05.2015 - 3 C 13/14 -, juris Rn. 23 = BVerwGE 152, 180; VGH Baden-Württemberg, B. v. 10.08.2015 - 10 S 278/15 -, juris Rn. 14).

31

Auch im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Um die Fahrzeugbenutzung wirksam überwachen und den Fahrzeughalter künftig im Falle eines Verkehrsverstoßes zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers anhalten zu können, ist es erforderlich, das Führen des Fahrtenbuchs für eine gewisse, nicht zu geringe Dauer anzuordnen. Bei der Bemessung der Frist ist insbesondere das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen, daneben können weitere Gesichtspunkte - wie das Verhalten des Fahrzeughalters im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bußgeldstelle zur Tataufklärung - in die zu treffende Ermessensentscheidung einfließen (vgl. Nds. OVG, U. v. 10.02.2011 - 12 LB 318/08 -, juris Rn. 21; VGH Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2002 - 10 S 1408/01 -, DAR 2003, 90; VG Braunschweig, U. v. 16.08.2004 - 6 A 477/03 -, juris Rn. 27). Stellt die Behörde - wie die Beklagte - auf das Gewicht des Verkehrsverstoßes ab, so darf sie die Dauer der Fahrtenbuchauflage anhand dieses Kriteriums staffeln (BVerwG, U. v. 28.05.2015 - 3 C 13/14 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 152, 180; Nds. OVG, a. a. O.). Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis bei der Beurteilung der Schwere des Verkehrsverstoßes an den in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geregelten Punktzahlen und den damit zum Ausdruck gekommenen Wertungen orientiert. Darüber hinaus darf sie bei den mit gleicher Punktzahl belegten Geschwindigkeitsüberschreitungen nach der Höhe der drohenden Geldbuße sowie des gegebenenfalls drohenden Fahrverbots differenzieren, da nach der zum 1. Mai 2014 in Kraft getretenen Neuordnung des Punktsystems ein Punkt aktuell einem bis drei Punkten nach dem früheren System entspricht (so zum Sanktionssystem der Beklagten bereits VG Braunschweig, U. v. 16.02.2016 - 6 A 490/15 -, bestätigt durch Nds. OVG, B. v. 19.01.2017 - 12 LA 69/16 -; vgl. auch Dauer, a. a. O., Rn. 53, 55 m. w. N.). Demgemäß hat die Beklagte ermessensfehlerfrei für die mit einem Punkt zu ahndende Geschwindigkeitsübertretung von 31 km/h außerorts eine Fahrtenbuchauflage von 12 Monaten verfügt. Bereits unter der Geltung des „alten“ Punktsystems war es verhältnismäßig, bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h ein Fahrtenbuch für die Dauer von 12 Monaten anzuordnen (vgl. VG Braunschweig, U. v. 22.03.2011 - 6 A 108/10 -). An den dafür maßgeblichen rechtlichen Wertungen hat sich durch die Neuordnung des Punktsystems nichts Entscheidendes geändert (vgl. BVerwG, U. v. 28.05.2015, a. a. O., Rn. 22 f. - im konkreten Fall für eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h -).

32

Soweit die Klägerin geltend macht, der Vorwurf charakterlicher Unzuverlässigkeit könne sich nicht gegen sie als juristische Person richten, verkennt sie, dass ein solcher Vorwurf mit der Fahrtenbuchauflage nicht verbunden ist. Die Fahrtenbuchanordnung setzt nicht voraus, dass der Verkehrsverstoß Bedenken gegen die charakterliche Zuverlässigkeit des Fahrzeughalters begründet. Die verfügte Anordnung entspricht auch damit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Fahrtenbuchauflage ist keine Sanktion, sondern eine Maßnahme der Gefahrenabwehr: Die Anordnung soll helfen zu gewährleisten, dass die Behörden den Fahrzeugführer in Zukunft (für die Dauer der Anordnung) anders als im Anlassfall im Hinblick auf die im Ordnungswidrigkeitenverfahren geltende kurze Verjährungsfrist rechtzeitig ermitteln können, wenn erneut mit einem Fahrzeug des Halters gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wird. Eine Fahrtenbuchauflage ist daher schon dann erforderlich, wenn nach den Erfahrungen in dem Anlassfall nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, dass der Fahrzeughalter in einer vergleichbaren Konstellation erneut nicht angeben wird oder nicht angeben kann, wer das Fahrzeug gefahren hat. So ist es hier. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb künftig die Begehung von Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug der Klägerin ausgeschlossen sein sollte. An das Vorliegen einer derartigen Gefahr sind keine übersteigerten Anforderungen zu stellen. Vielmehr genügt regelmäßig die bei jeder Kraftfahrzeugnutzung nicht auszuschließende Möglichkeit, dass der jeweilige Fahrer Verkehrsvorschriften zuwiderhandelt (vgl. BVerwG, B. v. 30.06.1989 - 7 B 90/89 -, juris Rn. 8 = NJW 1989, 2704). Die Fahrtenbuchauflage richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Für die Verhältnismäßigkeit der hier angeordneten Fahrtenbuchauflage spricht neben dem dargelegten, bei dem Gewicht des vorliegenden Verkehrsverstoßes erheblichen öffentlichen Interesse an der Feststellung des Täters bei weiteren Verkehrszuwiderhandlungen auch die Tatsache, dass die Klägerin als Halterin des Tatfahrzeugs keinen hinreichenden Beitrag zur Aufklärung des Verkehrsverstoßes geleistet hat. Die von der Fahrtenbuchauflage ausgehende Belastung für den Fahrzeughalter wiegt demgegenüber nicht schwer (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 10.08.2015 - 10 S 278/15 -, juris Rn. 14).

33

Soweit die anwaltlich vertretene Klägerin geltend macht, die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung „zu berücksichtigen, mit welchem wichtigen Steuerzahler sie es zu tun hat“, verkennt sie vollständig, dass die Beklagte nach dem Grundgesetz an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG) und bei ihren Entscheidungen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beachten hat. Die Fahrtenbuchauflage dient der Abwehr von Gefahren für die anderen Verkehrsteilnehmer. Der Umfang der Steuerzahlungen ist danach evident kein sachlicher Grund, der es rechtfertigen kann, von der Anordnung eines Fahrtenbuchs ganz abzusehen oder die Dauer der Anordnung zu begrenzen. Würde die Beklagte auf dieses Kriterium abstellen, würde sie der Klägerin willkürlich einen Vorteil gegenüber weniger zahlungskräftigen Bürgerinnen und Bürgern verschaffen und damit evident gegen das Grundgesetz verstoßen.

34

Auch der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtliche Grundlage für die Festsetzung der Gebühren ist § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) i. V. m. Nr. 252 der Anlage zu § 1 dieser Gebührenordnung. Die gesetzliche Grundlage der Gebührenordnung findet sich in § 6a StVG. Soweit die Gebührenordnung keine abweichenden Regelungen enthält, ist außerdem gemäß § 6 Abs. 1 GebOSt das Verwaltungskostengesetz in der bis zum 14. August 2013 geltenden Fassung (VwKostG) ergänzend anzuwenden.

35

Nach Nr. 252 der Anlage zur GebOSt ist für eine Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches einschließlich der Prüfung der Eintragungen ein Gebührenrahmen von 21,50 Euro bis 200 Euro vorgesehen. Innerhalb dieser Grenzen ist die im Einzelfall angemessene Gebühr nach den in § 9 VwKostG aufgestellten Kriterien des Verwaltungsaufwands für die einzelne Amtshandlung und des Gegenstandswertes zu bestimmen. Damit sind der Behörde Maßstabshilfen an die Hand gegeben, die sie bei ihrer Ermessensentscheidung zu beachten und als Grundlage der Gebührenfestsetzung für den Adressaten erkennbar umzusetzen hat. Insoweit bedarf es jedoch nicht einer bis ins Einzelne gehenden betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung und einer konkreten Berechnung im betroffenen Einzelfall, die vom Aufwand her regelmäßig außer Verhältnis zur Höhe der hier in Betracht zu ziehenden Gebühren stünde. Dem Äquivalenzprinzip in § 9 Abs. 1 VwKostG wird vielmehr in der Regel mit einer Pauschalierung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwandes und einer typisierenden Wertrelation von Verwaltungsleistung und Nutzen der Amtshandlung genügt, sofern die Gebührenermittlung, deren wesentliche Gesichtspunkte darzulegen sind, nicht grob übersetzt ist (vgl. hierzu Nds. OVG, U. v. 22.04.1981 - 9 OVG A 12/80 -, m. w. N.; VG Braunschweig, U. v. 30. 04.2008 - 6 A 239/07 -). Auf dieser Grundlage sind die nachvollziehbaren Darlegungen der Beklagten zum pauschaliert angenommenen zeitlichen und kostenrelevanten Aufwand eines Sachbearbeiters für einen derartigen Vorgang nicht zu beanstanden (so zur Praxis der Beklagten schon VG Braunschweig, U. v. 06.05.2016 - 6 A 173/15 -).

36

Da nach § 1 GebOSt i. V. m. Nr. 252 der GebOSt die Gebühr für eine „Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches einschließlich der Prüfung der Eintragung“ erhoben wird, durfte die Beklagte bereits mit dem die Fahrtenbuchanordnung erlassenden Bescheid eine anteilige Gebühr hinsichtlich der erst später erfolgenden und der Behördenpraxis entsprechenden Maßnahmen zur Kontrolle des Fahrtenbuches erheben (so bereits VG Braunschweig, U. v. 24.11.2011 - 6 A 26/11 -). Die Regelung in § 11 Abs. 1 VwKostG, nach der die Gebührenschuld erst mit Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung entsteht, steht dem gemäß § 6 Abs. 1 GebOSt nicht entgegen, weil die GebOSt die dargestellte abweichende Regelung über die Kostenerhebung enthält (a. A. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 24.11.2015 - 6 K 1140/15 -, juris Rn. 69 f.). Diese Auslegung der gebührenrechtlichen Vorschriften entspricht auch den gesetzlichen Regelungen über die Fahrtenbuchanordnung in § 31a StVZO. Die Pflicht des Halters, der Behörde das Fahrtenbuch zur Prüfung auszuhändigen, ist in § 31a Abs. 3 StVZO geregelt. Diese Verpflichtung ist untrennbar mit der Fahrtenbuchauflage verbunden, weil sich ohne die nachfolgende Vollzugskontrolle der mit der Fahrtenbuchauflage verfolgte Sicherungszweck nicht erreichen ließe (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 25.11.2016 - OVG 1 N 31.15 -, juris Rn. 8 = NJW 2017, 501). Die Auflage, gemäß § 31a StVZO ein Fahrtenbuch zu führen, ist keine Strafe, sondern eine verkehrsrechtliche Maßnahme, die der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dient. Daher ist die Pflicht des Fahrzeughalters, das Fahrtenbuch samt den vorgeschriebenen Eintragungen zur Einsicht der Straßenverkehrsbehörde bereitzuhalten und auf Verlangen auszuhändigen, schon durch die Fahrtenbuchauflage selbst begründet. Dieser enge Zusammenhang rechtfertigt es, von einer in aller Regel stattfindenden Vollzugskontrolle durch die Behörde auszugehen und der Behörde demgemäß zur Vermeidung zusätzlichen Verwaltungsaufwands das Recht einzuräumen, schon mit der Fahrtenbuchauflage die Gebühr unter anteiliger Berücksichtigung des pauschalen Aufwands für die Kontrollmaßnahmen festzusetzen.

 


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