Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 2 L 1913/14
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 16.000,-- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 19. August 2014 bei Gericht eingegangene Antrag,
3- 1.4
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller zum 1. September 2014 zum Polizeikommissar zu ernennen und ihn in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen,
- 2.5
hilfsweise, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über den Anspruch des Antragstellers auf Ernennung zum Polizeikommissar und zu einer Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung des Gerichts erneut zu entscheiden,
hat keinen Erfolg.
7Das Gericht lässt offen, ob dem Begehren das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, weil der Antragsteller vor Anrufung des Gerichts – jedenfalls aktenkundig - keinen Antrag auf Ernennung bei der Behörde gestellt hat. Dafür könnte sprechen, dass das Beamtenverhältnis auf Widerruf gemäß § 22 Abs. 4 BeamtStG grundsätzlich mit dem Ablauf des Tages der Ablegung der für die Laufbahn vorgeschriebenen Prüfung endet und das Landesrecht in Gestalt des § 12 Abs. 3 Satz 2 LVOPol nur insoweit eine Modifikation enthält, als das Ende des Beamtenverhältnisses auf Widerruf auf den Ablauf des Monats, in dem die Prüfung abgelegt wurde, verschoben wird.
8Vgl. zur Beendigung des Beamtenverhältnis auf Widerruf auch VG Köln, Beschluss vom 13. Februar 2012 – 19 L 1646/11 -, juris.
9Andererseits wird den Kommissaranwärtern gemäß § 12 Abs. 2 LVOPol nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes und Bestehen der II. Fachprüfung die Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Im konkreten Fall ist dem Antragsteller allerdings schon im Mai d. J., also mehrere Monate vor dem Ende des Vorbereitungsdienstes, im Rahmen eines Personalgesprächs verdeutlicht worden, dass er mit der Möglichkeit rechnen müsse, wegen seines außerdienstlichen Verhaltens am 1. September 2014 keine Ernennungsurkunde zu erhalten. Insoweit wäre aus Sicht des Antragstellers eine rechtzeitige Antragstellung, mit dem Begehren, zum 1. September 2014 zum Polizeikommissar ernannt zu werden, interessensgerecht gewesen, weil er durch den dann zu erlassenden Bescheid im Falle der Ablehnung Kenntnis von den tragenden Gründen erlangen würde, die er wiederum zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung hätte machen können.
10Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
11Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts des Antragstellers getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung unter anderem zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen des Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht gegeben.
12Der Antragsteller erstrebt mit seinem Antrag eine grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, weil eine einstweilige Anordnung, mit der dem Antragsgegner aufgegeben würde, ihn, den Antragsteller, zum Polizeikommissar zu ernennen und in ein Beamtenverhältnis auf Probe einzustellen, die Rechtsposition vermitteln würde, die der Antragsteller in einem noch anzustrengenden Hauptsacheverfahren anstrebt, wenn auch zeitlich begrenzt bis zum rechtskräftigen Abschluss desselben. Im Hinblick auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist eine Vorwegnahme der eigentlich dem Klageverfahren vorbehaltenen Entscheidung nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen ist, dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohen und er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird.
13Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht vollständig erfüllt.
14Der Antrag hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil ein Anspruch auf Ernennung unter Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe ebensowenig gegeben ist wie ein als Minus darin enthaltener Anspruch auf (Neu-)Bescheidung.
15Ein Bewerber hat keinen Rechtsanspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis. Die Entscheidung darüber, ob jemand als Beamter in den öffentlichen Dienst eingestellt wird, liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Diesem ist es überlassen, in welcher Weise er den Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung umsetzt, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt ist.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1990 - 2 C 13.87 -, DVBl. 1990, 867.
17Anspruchsgrundlage für das Begehren ist der schon erwähnte § 12 Abs. 2 LVOPol. Danach wird Kommissaranwärtern nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes und Bestehen der II. Fachprüfung die Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Die Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe unterliegt als Ernennung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG den allgemeinen Kriterien der Ernennung. § 9 BeamtStG, ihm folgend und konkretisierend § 15 Abs. 3 Satz 1 LBG NRW sowie § 3 Abs. 1 Nr. 2 LVOPol, nennt insoweit u.a. die schon in Art. 33 Abs. 2 GG erwähnte Eignung. Die im Rahmen des Entscheidungsprozesses vorzunehmende Beurteilung der Eignung des Bewerbers, welche neben der fachlichen und der gesundheitlichen auch die charakterliche bzw. persönliche Eignung erfordert, ist ein Akt wertender Erkenntnis. Er ist vom Gericht nur beschränkt daraufhin zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 1998 – 2 C 5.97 -, BVerwGE 106, 263.
19Eine rechtmäßige Ablehnung einer Einstellung in ein Beamtenverhältnis, die mit der fehlenden charakterlichen Eignung des Bewerbers begründet wird, erfordert, dass die Eignungseinschätzung auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage beruht.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Dezember 2008 – 6 B 1520/08 -, juris.
21Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen zum Geschehen am 13. April 2014 berechtigte Zweifel an der persönlichen bzw. charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst. Hinsichtlich der daraus abgeleiteten Wertungen ist mangels angezeigter Bescheidung auf den Vortrag des Antragsgegners, insbesondere in seiner Antragserwiderung, abzustellen.
22Ausweislich der Strafanzeige war der Antragsteller im Zusammenhang mit dem Besuch einer Diskothek an einer körperlich geführten Auseinandersetzung mit zwei Angestellten der Vergnügungsstätte beteiligt, was er im Kern auch nicht bestritten hat. Eine Zäsur bildet das Eintreffen der zur Hilfe gerufenen Polizeivollzugsbeamten der KPB X. . Diese haben beim Antragsteller eine Blutalkoholkonzentration von 1,05 mg/l gemessen. Zudem hat einer der Beamten, offenbar der Einsatzführer, in einer gesonderten Meldung neben der Strafzeige zum außerdienstlichen Verhalten des Antragstellers gegenüber den Einsatzkräften auf dem Dienstweg berichtet. Danach ist der Antragsteller durch folgende Äußerungen im Rahmen seiner Befragung aufgefallen:
23- Ihr habt ja alle keine Ahnung.- Willste meinen Dienstausweis oder den normalen? Ich bin selbst Polizeibeamter beim PP E. .- Ich hab keine Lust mir auf die Fresse schlagen zu lassen. Das lass ich mir nicht bieten. Ich kann mich wehren und das auch alleine klären.
24In tatsächlicher Hinsicht- ist der Antragsteller des weiteren kaum zu beruhigen gewesen- hat er sich in die Befragungen von Zeugen und Beschuldigten eingemischt, so dass er mehrfach ermahnt werden musste, sich zu mäßigen- hat er den polizeilichen Einsatzkräften gegenüber Vorhaltungen gemacht, wie sie ihre Arbeit zu verrichten hätten- hat er gegenüber einem Begleiter vorgeschlagen, dass man trotz erteilten Hausverbots weiterhin die Diskothek aufsuchen könne, um mit den Türstehern zu diskutieren- ist er einem ausgesprochenen Platzverweis des Verfassers der Meldung erst nach Androhung der Ingewahrsamnahme nachgekommen.
25Diesen Feststellungen ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
26Aus dem gesamten Verhalten des Antragstellers gegenüber den Einsatzkräften leitet der Verfasser der Meldung negative Wertungen in Bezug auf den Antragsteller ab. Dieser habe sich sehr unkooperativ, ungehalten sowie provokativ gezeigt und sei den polizeilichen Einsatzkräften gegenüber sehr geringschätzig und respektlos aufgetreten.
27Wenn sich der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung im Sinne eines Schwerpunktes maßgeblich auf das Verhalten des Antragstellers am 13. April 2014 gegenüber den Einsatzkräften der KPB X. stützt, so ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die rechtliche Stellung im Beamtenverhältnis ist davon geprägt, dass das Verhalten der Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die ihr Beruf erfordert, § 34 Satz 3 BeamtStG. Dem ist der Antragsteller nicht gerecht geworden. Sein Auftreten ist nach den tatsächlichen Feststellungen von Unbeherrschtheit und einer gewissen Aggressivität geprägt gewesen. Von einem Polizeibeamten darf und muss erwartet werden, dass er in der Öffentlichkeit auch im außerdienstlichen Bereich deeskalierend und besonnen auftritt. Diese Grundeinstellungen gehören zum beruflichen Anforderungsprofil. Indem der Antragsteller sich gegenüber den Einsatzkräften der KPB X. einerseits als Kollege vorgestellt, andererseits aber deren Weisungen nur widerwillig Folge geleistet hat, zeigt er in hinreichend deutlicher Weise, dass er nicht willens und in der Lage ist, unter Zurückstellung eigener Belange einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren in der gebotenen Weise Raum zu geben. Seine Äußerung, er könne die Angelegenheit auch allein klären, lässt seine Bereitschaft erkennen, ohne rechtfertigenden Grund eine „Klärung“ außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols, dem er von Berufs wegen angehören will, herbeizuführen. Gerade im sensiblen Bereich körperlicher Auseinandersetzungen im Milieu darf und muss von einem angehenden Polizeibeamten erwartet werden, dass er dafür eintritt, Konflikte zu vermeiden und Einsatzkräfte vor Ort bei deren Ermittlungen zu unterstützen, statt sie zu behindern. Der Umstand, dass er alkoholisiert gewesen ist, entlastet ihn nicht.
28Die Einlassungen des Antragstellers, er habe seine Leistungen kontinuierlich verbessert und zeige mittlerweile eine gute Leistungsbereitschaft, gehen ebenso an der Sache vorbei wie der Hinweis, im Hinblick auf das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren gelte die Unschuldsvermutung. Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung die besondere Bedeutung des im April 2014 gezeigten Verhaltens gegenüber den Einsatzkräften betont und in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Das korrespondiert mit dem am 6. Mai 2014 geführten Personalgespräch. Darin ist dem Antragsteller klar gemacht worden, nicht die schwer zu ermittelnden Details [des strafrechtlich relevanten Sachverhalts; Anm. der Kammer] seien zu missbilligen, sondern vielmehr der Umstand, dass er zum einen nach Aufforderung nicht unverzüglich die Lokalität verlassen habe und er zum anderen nach Eintreffen der örtlichen Polizei nicht den Anweisungen unmittelbar Folge geleistet habe, sondern durch sein in der Bezugsmeldung dargestelltes Verhalten aufgefallen sei. Dieses Verhalten bildet auch eine Grundlage des gegen den Antragsteller eingeleiteten Disziplinarverfahrens.
29Wenn der Antragsgegner zur Abrundung seiner Bewertung, der Antragsteller weise erhebliche Mängel in Bezug auf seine charakterliche Eignung auf, auf die dokumentierten Defizite im Bereich der persönlichen-sozialen Kompetenz während der Ausbildung zurückgreift, ist dies nicht zu beanstanden.
30Dem Antragsteller ist zwar zuzugestehen, dass der am 25. Oktober 2012 festgestellte Verkehrsverstoß (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am Messpunkt innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 53 km/h) isoliert betrachtet für die Feststellung, ihm fehle die erforderliche charakterliche Eignung, nicht ausreichen dürfte. Dem Antragsteller ist danach aber bewusst gewesen, dass weitere negative Vorkommnisse zu seinen Lasten zu vermeiden sind. Das folgt aus dem am 3. Januar 2013 durchgeführten Personalgespräch im Anschluss an das abgeschlossene Bußgeldverfahren. Nachdem ein Verstoß gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht missbilligt und darüber hinaus festgestellt worden ist, dass der Antragsteller seiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden sei, hat der Antragsteller zugestanden, zukünftig ein tadelloses Verhalten anzustreben. Insoweit hätte es dem Antragsteller oblegen, sich im Umgang mit den Einsatzkräften anlässlich der Ereignisse im April 2014 kooperativ zu zeigen.
31Bei einer Gesamtbetrachtung kann nicht festgestellt werden, dass das Verhalten des Antragstellers am 13. April 2014 eine einmalige und persönlichkeitsfremde Entgleisung gewesen ist.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und den Sätzen 2 und 3 GKG. Wegen der vom Antragsteller angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache - hier: Verleihung eines Amts - kam eine Reduktion der Streitwertsumme nicht in Betracht (vgl. Ziffer 1.5 „Allgemeines“ des Streitwertkatalogs 2013).
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 2x
- Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 19 L 1646/11 1x
- BeamtStG § 9 Kriterien der Ernennung 1x
- 6 B 1520/08 1x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 22 Entlassung kraft Gesetzes 1x
- LBG § 15 1x
- BeamtStG § 8 Ernennung 1x
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x