Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 4 K 7177/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein Werbeunternehmen, das in der klassischen Außenwerbung tätig ist. Als Werbeanlagen nutzt sie Großtransparente, die mithilfe eines an Gebäudefassaden angebrachten Stahlseilrahmens aufgespannt werden. Die so entstehenden Werbeflächen werden an Kunden vermietet, die im Zuge regionaler oder überregionaler Werbekampagnen auf diese Weise für ihr Produkt oder ihr Unternehmen werben möchten.
3Am 11. September 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Anbringung einer „Werbeanlage im Drahtseilrahmen mit wechselnden Motiven“ an der fensterlosen Teilfläche der straßenseitigen Fassade des mehrgeschossigen Gebäudes T.----straße 35 auf dem Grundstück Gemarkung Q. , Flur 0, Flurstück 00. Das Werbespanntuch mit einer Breite von 4,50 m, einer Höhe von 9 m und einer von der Gebäudewand gemessenen „Ausladung“ von 0,80 m soll eine Fassadenteilfläche im Bereich des 2. bis 4. Obergeschosses abdecken. Die lichte Durchgangshöhe über der T.----straße wird mit 7 m angegeben, der Abstand von der Fahrbahnkante mit 3 m. Das Prüfzeugnis zum Nachweis des Brandverhaltens des PVC-beschichteten Polyestergewebes des Spanntuches gilt bis zum 30. April 2016. Wegen der Einzelheiten des Vorhabens wird auf den Inhalt des Bauantrages und der zugehörigen Bauvorlagen Bezug genommen.
4Das Grundstück T.----straße 35 liegt im Geltungsbereich zweier Bauleitpläne, zum einen des im Jahr 1950 in Kraft getretenen Fluchtlinienplanes Nr. 0000/42 der Beklagten, zum anderen des im Jahr 1990 in Kraft getretenen Bebauungsplanes Nr. 0000/78 der Beklagten. Der Fluchtlinienplan weist durch die Festsetzung von Straßenfluchtlinien örtliche – im Zeitpunkt seiner Inkraftsetzung zum Teil erst noch anzulegende –Verkehrsflächen aus, in Höhe des Vorhabengrundstücks die örtliche Verkehrsfläche des Straßenzuges T.----straße . Nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes liegt das Vorhabengrundstück innerhalb eines ausgewiesenen Kerngebietes – MK -. Die diesbezüglichen textlichen Festsetzungen enthalten keine gesonderten Festsetzungen für Werbeanlagen insbesondere der Fremdwerbung. Wegen der Einzelheiten der Festsetzungen wird auf den Inhalt der in Kopie vorliegenden Planurkunden Bezug genommen.
5Mit Bescheid vom 2. Oktober 2014 lehnte die Beklagte den Bauantrag wegen Überschreitens der festgesetzten Fluchtlinie, mangels Zustimmung ihres Amtes für Verkehrsmanagement zur Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes und wegen verunstaltender Wirkung des Vorhabens ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
6Am 3. November 2014 hat die Klägerin hiergegen Verpflichtungsklage erhoben.
7Unter dem 21. Januar 2015 hat sie bei der Beklagten – Amt für Verkehrsmanagement – die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis für das Vorhaben beantragt.
8Zur Begründung der Klage trägt sie im Wesentlichen vor, trotz fehlender privatrechtlicher Gestattung fehle es dem Bauantrag nicht am Sachbescheidungsinteresse. Das Vorhaben sei nach der Art der baulichen Nutzung allgemein zulässig. Es überschreite zwar die festgesetzte Fluchtlinie, aber davon könne nach Maßgabe von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung erteilt werden. Die Grundzüge der Planung seien nicht berührt, das Vorhaben sei wegen der Geringfügigkeit des Vortretens in den öffentlichen Straßenraum städtebaulich vertretbar, zumal eine dies ermöglichende allgemein verbindliche Festsetzung zulässiger Inhalt eines Bebauungsplanes sein könnte, und im Hinblick auf im Erdgeschossbereich vortretende Vordächer und Werbeanlagen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Es füge sich auch in die architektonische Gliederung der Fassade ein. Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf den Inhalt der klägerischen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
9Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragen schriftsätzlich,
10die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 02.10.2014 (AZ: 00/12-WA-0000/14) zu verpflichten, der Klägerin auf ihren Antrag vom 11.09.2014 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer unbeleuchteten Wechselwerbeanlage in Gestalt eines Spanntuches (4,5 x 9 m) in einem Drahtseilrahmen an der Fassade des Gebäudes T.----straße 35 in E. mit Gültigkeit bis zum 30.04.2016 zu erteilen,
11hilfsweise,
12die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 02.10.2014 (AZ: 63/12-WA-0617/14) zu verpflichten, den Antrag der Klägerin vom 11.09.2014 auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer unbeleuchteten Wechselwerbeanlage in Gestalt eines Spanntuches (4,5 x 9 m) in einem Drahtseilrahmen an der Fassade des Gebäudes T.----straße 35 in E. neu zu bescheiden.
13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Wegen der Klageerwiderung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beklagten nebst Anlagen Bezug genommen.
16Das Gericht hat durch Ortsbesichtigung Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt des Protokolls vom 30. September 2014 nebst Anlagen Bezug genommen.
17Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der in Kopie beigezogenen Pläne sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Das Gericht hat im erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden können (§§ 87a Abs. 2 und 3; 101 Abs. 2 VwGO).
20Die Klage ist mit ihrem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.
21Die Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; denn sie hat weder einen Anspruch die Beklagte zu verpflichten, ihr die beantragte Baugenehmigung zu erteilen, noch einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Bauantrages (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
22Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen stehen.
23Das beantragte Vorhaben ist hingegen bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es die ausgewiesene Fluchtlinie überschreitet. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer grundsätzlich ins behördliche Ermessen gestellten Befreiung von dieser Fluchtlinie liegen nicht vor.
24Im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplanes, der Festsetzungen über die örtlichen Verkehrsflächen - und gegebenenfalls noch über die überbaubaren Grundstücksflächen - enthält, ist ein Vorhaben insoweit planungsrechtlich zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht (§ 30 Abs. 1 und 3 BauGB). Das Vorhaben widerspricht jedoch den insoweit maßgeblichen Festsetzungen.
25Maßgeblich sind insoweit die Festsetzungen des im Jahr 1950 in Kraft getretenen Fluchtlinienplanes der Beklagten.
26Dieser Fluchtlinienplan gilt nach § 233 Abs. 3 BauGB in Verbindung mit § 173 Abs. 3 BBauG als übergeleiteter einfacher Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs. 1 und 3 BauGB fort, weil er vor dem Inkrafttreten des BBauG am 29. Juni 1961 förmlich festgestellt worden war und mit der Fluchtlinie verbindliche Regelungen der in § 9 BBauG bezeichneten Art enthalten hat.
27Für den Inhalt dieser Festsetzungen ist die Baupolizeiverordnung für den Regierungsbezirk E. (Sonderblatt zum Amtsblatt der Regierung zu E. vom 2. September 1939) – BauPolVO - in der im Zeitpunkt der Aufstellung des Fluchtlinienplanes geltenden Fassung maßgebend, soweit sie Vorschriften enthält, die solche Festsetzungen ergänzt. Eine derartige Ergänzung enthält § 6 Nr. 2 Satz 1 BauPolVO.
28Unter dieser Voraussetzung setzt sich das Planungsrecht aus dem dem Ortsrecht angehörenden Plan mit dem die in Rede stehende planerische Festsetzung ergänzendem überörtlichen Recht – hier § 6 Nr. 2 Satz 1 BauPolVO – zusammen. Dieses Recht ist insgesamt nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG übergeleitet worden. Einer ausdrücklichen Verweisung im örtlichen Recht auf das überörtliche Recht bedarf es nicht.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2003 – 10 A 372/00 – mit weiteren Nachweisen.
30§ 6 Nr. 2 Satz 1 BauPolVO verweist für den Inhalt von Baufluchtlinien auf das Baufluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 – BauFlLG 1875 -, nach dessen § 1 Abs. 4 Satz 1 die Straßenfluchtlinien regelmäßig zugleich die Baufluchtlinien bilden, das heißt die Grenzen, über welche hinaus die Bebauung ausgeschlossen ist. Nach Satz 2 dieses § 1 Abs. 4 kann aus besonderen Gründen aber eine hinter die Straßenfluchtlinie zurückweichende Baufluchtlinie festgesetzt werden.
31Letzteres ist in Bezug auf den hier in Rede stehenden Vorhabenstandort nicht der Fall.
32Damit kommt der hier festgesetzten Straßenfluchtlinie neben der Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche im Sinne einer heutigen Straßenbegrenzungslinie zugleich die Funktion einer Baugrenze im heutigen Sinne des § 23 Abs. 3 BauNVO zu, auch wenn die BauNVO mangels der Voraussetzungen des § 25 BauNVO nicht anwendbar ist. Ohne Planänderung findet die BauNVO in solchen Fällen auf alte Pläne keine Anwendung.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1967 – IV C 96.65 -, BRS 18 Nr. 11.
34Nach § 30 Abs. 1 und 3 BauGB widerspricht der Anbringungsort der projektierten Werbeanlage dieser Fluchtlinie, weil er diese in Richtung des öffentlichen Straßenraumes um 0,80 m übertritt; denn das Gebäude T1. .35 ist mit der straßenseitigen Fassade in der Fluchtlinie errichtet.
35Diese Festsetzung hat ihre Wirksamkeit auch nicht nachträglich wegen etwaiger zwischenzeitlich eingetretener Funktionslosigkeit verloren.
36Nach ständiger bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung kann ein Plan oder können einzelne seiner Festsetzungen funktionslos und damit unwirksam werden, wenn die in Rede stehende Festsetzung auf unabsehbare Zeit schlechterdings nicht mehr realisierbar ist und damit ihre sinnvolle Durchsetzung gänzlich unmöglich ist. Dies setzt eine nachträgliche tatsächliche Entwicklung und einen Zustand voraus, der neben dem Ausschluss der Verwirklichung der Festsetzungen auf nicht absehbare Zeit die Erkennbarkeit dieses Zustandes in einem Maß erfordert, das einem in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2004 – 10 A 4840/01 -, BRS 67 Nr. 84 mit weiteren Nachweisen.
38Ein solcher Zustand ist hier nicht zu verzeichnen.
39Auch wenn Vorbauten von Gebäuden wie Erker ab dem 1. Obergeschoss und Vordächer als vorkragende Geschoßplatten zwischen Erd- und Obergeschoss und an Gebäudefassaden angebrachte Werbeanlagen – in der Regel solche an der Stätte der Leistung oder zumindest in einem noch erkennbaren räumlichen und sachlichen Bezug zu einem am Standort ausgeübten Gewerbe - in den Luftraum über der Straße vorspringen und damit die Fluchtlinie überschreiten, handelt es sich doch um Einzelfälle, die vielfach, soweit es sich um Teile von Gebäuden handelt, – wäre § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO anwendbar – wegen geringfügigen Vortretens schon nach dieser Vorschrift zulassungsfähig wären, ohne der Fluchtlinie den Eindruck ihrer allgemeinen Rechtsverbindlichkeit und Fortgeltung zu nehmen.
40Der hier vorliegende Widerspruch zur ausgewiesenen Fluchtlinie ließe sich nur durch Erteilung einer Befreiung dieses Vorhabens von dieser Festsetzung beheben; indessen liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vor.
41Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und 1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder 2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
42Der Umstand, dass die Beklagte bei förmlicher Feststellung des Fluchtlinienplanes an die Anbringung von Anlagen der Fremdwerbung an Gebäuden und ihre städtebauliche Positionierung bei Errichtung der Gebäude in der Fluchtlinie kaum gedacht haben dürfte, erlaubt noch nicht den Schluss, die Grundzüge der Planung seien nicht berührt.
43§ 31 Abs. 2 BauGB erfasst vielmehr Fallgestaltungen, für die sich der Ortsgesetzgeber regelmäßig keine oder jedenfalls keine genauen Vorstellungen darüber gemacht hat, ob trotz der bauplanerischen Festsetzungen ein Abweichen von ihnen zur sachgemäßen Verfolgung der städtebaulichen Ziele im Sinne gebotener Einzelfallgerechtigkeit sachnäher ist.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2004 – 10 A 4840/01 -, BRS 67 Nr. 84 mit weiteren Nachweisen.
45Bei der Frage, ob ein planerischen Festsetzungen widersprechendes Vorhaben im Wege der Befreiung zugelassen werden kann, ist der Rechtsnormcharakter des Bebauungsplanes zu beachten. Die Festsetzungen sind für das Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich strikt verbindlich. Das tatbestandliche Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung dient der Sicherstellung, dass die Festsetzungen nicht beliebig oder in einem allmählich fortschreitenden Prozess durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden dürfen. Die für die Änderung von Bebauungsplänen geltenden Regelungen dürfen nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden; denn die Änderung eines Bebauungsplanes ist nach § 1 Abs. 8 BauGB nicht Sache der Bauaufsichtsbehörde, sondern der Gemeinde vorbehalten. § 31 Abs. 2 BauGB dient im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit trotz dieser Rechtsbindung der Schaffung lediglich eines Mindestmaßes an Flexibilität für solche Vorhaben, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der Umplanung möglich ist. Die Befreiung darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen.
46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 – 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99; OVG NRW, Urteile vom 8. Oktober 2003 – 7 A 1397/02 -, BRS 66 Nr. 92, vom 20. Februar 2004 – 10 A 4840/01 -, BRS 67 Nr. 84 und vom 17. Februar 2009 – 10 A 568/07 -, Juris.
47Das Vorhaben berührt die Grundzüge der Planung, d. h. der in den Festsetzungen des Fluchtlinienplanes zum Ausdruck kommenden städtebaulichen Konzeption. Die Straßenfluchtlinien, insbesondere auch soweit sie – wie hier – zugleich die Funktion einer Baufluchtlinie erfüllen, bezwecken den Ausschluss einer sie überschreitenden Bebauung, d. h. von jeglicher vor die Fluchtlinie tretender baulicher Nutzung. Mit der Erteilung einer Befreiung von dieser Festsetzung für das beantragte Vorhaben würde im Wege der Genehmigungspraxis ein allmählich fortschreitender Prozess eingeleitet, denn sie ließe sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle der Anbringung von Anlagen der Fremdwerbung als Anlagen gewerblicher Hauptnutzung an in der Fluchtlinie errichteten Gebäuden und damit zugleich für eine Vielzahl, wenn nicht sogar für die weit überwiegende Anzahl von dieser Fluchtlinienfestsetzung betroffenen Grundstücke anführen. Die Abweichung von der Fluchtlinie durch den sie übertretenden Standort der in Rede stehenden Anlage für Fremdwerbung zeigt damit eine städtebauliche Situation auf, bei der im Falle der Erteilung einer Befreiung eine Entwicklung eingeleitet werden würde, die das Bedürfnis nach einer sie steuernden ergänzenden Bauleitplanung auf der Grundlage von § 23 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 BauNVO hervorriefe. Eine behördliche Befreiungspraxis kann und darf indessen nicht als informeller Ersatz für eine solche förmliche Bauleitplanung herhalten.
48Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
49Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.
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