Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 6 L 2028/21
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Der Antragsgegner erteilte der am 00.00.1968 geborenen Antragstellerin ausweislich des bei der Verwaltungsakte befindlichen rosafarbenen Führerscheins am 11. August 1988 eine Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3. Im örtlichen Fahrerlaubnisregister war der Führerschein unter der Listennummer XX 000000/00 eingetragen. Als Ende der Probezeit weist er den 11. August 1990 aus. Der Antragsgegner verfügt nach seinem Vortrag nicht über eine Fahrerlaubnisakte, die die fahrerlaubnisbezogenen Vorgänge vom Erwerb bis heute dokumentiert. Er erklärt, dass nahezu alle behördlichen Unterlagen vernichtet worden seien.
4Am 22. Juli 2021 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner während einer persönlichen Vorsprache, ihren rosafarbenen Führerschein in den heute gebräuchlichen Kartenführerschein umzutauschen. Der Antragsgegner weigerte sich und behielt stattdessen den rosafarbenen Führerschein ein. Denn die Führerscheindatei enthielt neben den bereits genannten Daten unter der Rubrik „Kz.“ die Eintragung „Entz.“ sowie die Eintragung „Endgültiger Entzug FS, Maßnahmegrund: sonstiger, Datum ab: 25.04.1991, Datum der Entscheidung: 25.04.1991, Behörde/Gericht: unbekannt“. Weiterhin enthält die örtliche Datei den Eintrag: „21561/90 - nicht im Keller (aufgelöst), FS.NOCH NICHT EINGEZOGEN, FAHNDUNG“. Der Antragsgegner geht davon aus, dass die Antragstellerin nach der Entziehung der Fahrerlaubnis im Jahr 1991 den Führerschein nicht abgegeben hat. Die daraufhin vermutlich vorgenommene Ausschreibung zur Fahndung sei nach Ablauf der Regelfrist wohl fruchtlos gelöscht worden. Auch das Kraftfahrtbundesamt, dem die Entziehung habe gemeldet werden müssen, habe nach 15 Jahren, also spätestens im Jahr 2007 alle Unterlagen darüber vernichtet. Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass die Antragstellerin zunächst wieder eine Fahrerlaubnis erwerben müsse, die ihr dann in Form des beantragten Kartenführerscheins erteilt werde.
5Die Antragstellerin behauptet, sie wisse nichts von einer Fahrerlaubnisentziehung. Sie sei seit 1991 vielfach im Straßenverkehr kontrolliert worden. Sie sei sogar in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen. Die herbeigerufene Polizei habe ihren Führerschein kontrolliert und keine Auffälligkeiten festgestellt. Hiergegen erklärt der Antragsgegner nach Rücksprache mit der Polizei, dass diese üblicherweise keine Führerscheine anhand des Fahrerlaubnisregisters überprüfe, die nach dem äußeren Erscheinungsbild gültig seien. Deswegen könne aus der Nichtbeanstandung nicht der Schluss gezogen werden, die Fahrerlaubnis sei nicht entzogen gewesen.
6Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Antragsgegner müsse die erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis nachweisen, und zwar einschließlich der Art der Entziehungsmaßnahme und der Behörde bzw. des Gerichts, das sie ausgesprochen habe. Es könne ohne Weiteres zu einem Fehler oder einer Verwechselung bei der Eintragung der Daten in die Datei des Antragsgegners gekommen sein. Schließlich wendet sie Verwirkung ein.
7Die Antragstellerin beantragt,
8dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den einbehaltenen rosafarbenen Führerschein, ausgestellt am 11. August 1988, Listennummer XX 000000/00, vorläufig wieder an die Antragstellerin herauszugeben.
9Der Antragsgegner beantragt,
10den Antrag abzulehnen.
11II.
12Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
131. Der Antrag ist nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin kann ihr Begehren, §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO, in der Hauptsache im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgen.
14Vgl. Kammerurteil vom 16. Februar 2017 – 6 K 8088/16, juris Rn. 27.
15Ihr Begehren ist auf die Herausgabe ihres Führerscheins und damit auf ein schlichtes Verwaltungshandeln gerichtet. Der Antrag auf Eilrechtsschutz richtet sich daher nicht nach dem gem. § 123 Abs. 5 VwGO vorrangigen § 80 Abs. 5 VwGO, weil der Antragsgegner das Erlöschen ihrer Fahrerlaubnis nicht durch einen Verwaltungsakt festgestellt hat. Dem Schreiben vom 22. Juli 2021 fehlt die für einen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 Satz 1 VwVfG NRW konstitutive Regelungswirkung. Der Antragsgegner verweist dort lediglich auf die nach seiner Ansicht vor rund 30 Jahren erfolgte Fahrerlaubnisentziehung und teilt den Einbehalt des rosafarbenen Führerscheins sowie die Anforderungen an eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis mit. Gegen einen Verwaltungsakt spricht in formeller Hinsicht auch die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung, die nach § 37 Abs. 6 Satz 1 VwVfG NRW für Verwaltungsakte obligatorisch ist.
162. Der Antrag ist indessen nicht begründet.
17Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, d.h. ein Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind die einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund begründenden Tatsachen glaubhaft zu machen.
18Die Antragstellerin hat bereits nicht glaubhaft gemacht, dass ihr mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Herausgabe ihres Führerscheins zusteht, den der Antragsgegner am 22. Juli 2021 einbehalten hat.
19Anspruchsgrundlage für die Herausgabe ist § 22 Abs. 3 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde den Führerschein ausfertigen zu lassen und auszuhändigen hat, wenn alle Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis vorliegen. Die Vorschrift ist im Abschnitt „Verfahren bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis“ verortet und regelt die Ausfertigungs- und Aushändigungspflicht im Rahmen des Erlaubniserteilungsverfahrens. Ist dem Fahrerlaubnisinhaber bereits ein Führerschein ausgehändigt worden, dieser aber (erneut) in den Besitz der Fahrerlaubnisbehörde gelangt, ohne dass die Fahrerlaubnis erloschen ist, besteht hiernach jedoch erst Recht ein Anspruch auf Herausgabe.
20Vgl. Kammerurteil, vom 16. Februar 2017 – 6 K 8088/16, juris Rn. 29; VG Bremen, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 5 V 2934/20, juris Rn. 23; VG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2014 – 15 E 521/14, juris Rn. 4; VG Gera, Beschluss vom 9. Januar 2019 – 3 E 2255/18, juris Rn. 30.
21§ 22 FeV verdrängt als Spezialgesetz den allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch, soweit der Anspruchsteller – wie hier – geltend macht, die Behörde behalte seinen (existierenden) Führerschein rechtswidrig ein.
22Mit den beschränkten Mitteln, die der Kammer im Eilrechtsschutzverfahren zu Gebote stehen, lässt sich nicht aufklären, ob die Antragstellerin (noch) Inhaberin einer Fahrerlaubnis ist. Die Aktenlage ermöglicht kein klares Tatsachenbild. Der bei der Akte befindliche Führerschein beweist lediglich, dass der Antragstellerin im Jahr 1988 die Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3 erteilt worden ist. Er lässt jedoch keine Schlüsse darauf zu, ob sie die Fahrerlaubnis bis heute inne hält.
23Gegen ihre Inhaberschaft sprechen die Vermerke des Antragsgegners, die er seinen rudimentären Aufzeichnungen (Fahrerlaubnisdatei) über die Fahrerlaubnis der Antragstellerin entnehmen kann. Danach erscheint es ohne Weiteres möglich, dass der Antragstellerin die Fahrerlaubnis im Jahr 1991 bereits entzogen worden ist. Dass sie noch über ihren Führerschein verfügt spricht nicht dagegen, weil der Antragsgegner vermerkt hat, dass der Führerschein zur Fahndung ausgeschrieben war, diese aber – offenbar – erfolglos geblieben ist.
24Hieran ändert nichts, wenn man den antragstellerischen Vortrag, ihr Führerschein sei anlässlich eines selbst verschuldeten Verkehrsunfalls von der Polizei akzeptiert worden, als wahr unterstellt. Im zentralen Fahrerlaubnisregister sind erst Führerscheine enthalten, die ab 1999 ausgestellt worden sind. Der Führerschein der Antragstellerin stammt aber von 1988. Weiterhin prüft die Polizei nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners nicht routinemäßig bei der örtlichen Fahrerlaubnisbehörde – zumal wenn sich der Unfall außerhalb der regulären Dienstzeiten der Verkehrsverwaltung ereignet haben mag –, ob ein augenscheinlich gültiger Führerschein auch inhaltlich (noch) richtig ist.
25Soweit die Antragstellerin einen Fehler oder eine Verwechselung bei der Dateneingabe mutmaßt, war dem im Eilrechtsschutzverfahren nicht weiter nachzugehen. Greifbare Anhaltspunkte dafür gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um Behauptungen ins Blaue, denen – bei näherer Substanziierung – erst in einem Hauptsacheverfahren nachgegangen werden kann.
26Die in § 25 Abs. 4 FeV für Ersatzführerscheine beispielhaft aufgezählten Erkenntnisquellen für den Bestand der Fahrerlaubnis sind nicht abschließend. Kann der Nachweis nicht auf diese Weise oder durch andere amtliche Unterlagen über die Erteilung der Fahrerlaubnis geführt werden, können nach den allgemeinen Regeln der Tatsachenfeststellung auch andere Urkunden, aus denen sich die Betriebsart und Klasse der Fahrerlaubnis unmittelbar und unzweifelhaft ergibt, anerkannt werden. Darüber hinaus können andere Bescheinigungen, Erklärungen glaubwürdiger Zeugen oder sonstige Beweismittel im Rahmen der freien Beweiswürdigung von der Verwaltungsbehörde und vom Gericht anerkannt werden, wenn der Nachweis anders nicht erbracht werden kann, vgl. § 96 VwGO, § 26 VwVfG NRW. Eine solche Beweisaufnahme ist dem Eilrechtsschutzverfahren jedoch verwehrt und dem Klageverfahren vorbehalten.
27Nach den im Eilrechtsschutzverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln der Glaubhaftmachung erscheint es sowohl möglich, dass die Antragstellerin Inhaberin einer Fahrerlaubnis ist als auch, dass sie ihre Fahrerlaubnis bereits 1991 durch Entziehung verloren hat. Damit bleibt die Rechtstatsache der Inhaberschaft der Fahrerlaubnis auch am – im Vergleich zum Überzeugungsgrundsatz, § 108 VwGO – abgesenkten Maßstab der Glaubhaftmachung unaufklärbar ("non liquet").
28Diese Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der Antragstellerin. Der Verwaltungsprozess kennt im Gegensatz zum Zivilprozess zwar grundsätzlich keine Behauptungslast und keine Beweisführungspflicht (formelle Beweislast), da diese mit dem Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht vereinbar wären. Gleichwohl kennt er die materielle Beweislast des "non liquet", d. h. die Notwendigkeit, die trotz aller Bemühungen des Gerichts gegebenenfalls verbleibende Unerweislichkeit von Tatsachen zu Lasten eines Prozessbeteiligten gehen zu lassen.
29Welchem Beteiligten es zum Nachteil gereicht, wenn die vom Gericht aufgrund seiner gemäß § 86 Abs. 1 VwGO bestehenden Amtsermittlungspflicht vorgenommenen Ermittlungen zu keinem Ergebnis führen, der Sachverhalt also in einem wesentlichen Punkt ungeklärt bleibt, ist für den Verwaltungsprozess in Anlehnung an die im Zivilprozess entwickelten Grundsätze zu beantworten. Hiernach trägt – wie überwiegend angenommen wird – grundsätzlich jeder Beteiligte die (materielle) Beweislast, für die ihm günstigen Voraussetzungen einer Norm. Maßgeblich für die materielle Beweislast sind primär die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und, soweit solche fehlen, die allgemeinen Grundsätze über die Verteilung der Beweislast. Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. November 1993 – 7 B 190.93, NJW 1994, 468; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979 – IV C 52.76, DÖV 1979, 602 m.w.N.; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 55.
31Auf den Anspruch auf Herausgabe eines existierenden, von der Behörde einbehaltenen Führerscheins gewendet bedeutet das: Der (ggf. vermeintliche) Inhaber der Fahrerlaubnis, der den Führerschein herausverlangt, hat den Nachweis dafür zu erbringen, dass er materiell fahrberechtigt, also Inhaber der Fahrerlaubnis ist, die aus dem Führerschein hervorgeht. Denn der aus § 22 Abs. 3 FeV folgende Anspruch auf Herausgabe eines existierenden Führerscheins besteht nur, wenn der Anspruchsteller Inhaber der Fahrerlaubnis ist. Das wird von § 25 Abs. 4 Satz 2 und 3 FeV bestätigt, der die Ausstellung eines Ersatzführerscheins bei abhandengekommenem Führerschein regelt. In diesen Fällen hat sich die Fahrerlaubnisbehörde auf Kosten des Antragstellers durch die Einholung einer Auskunft aus dem Zentralen Fahrerlaubnisregister und aus dem Fahreignungsregister zu vergewissern, dass der Antragsteller die entsprechende Fahrerlaubnis besitzt. Sie kann außerdem – in der Regel über das Kraftfahrt-Bundesamt – auf seine Kosten eine Auskunft aus den entsprechenden ausländischen Registern einholen.
32Dieser Nachweis ist der Antragstellerin (bislang) nicht gelungen, da ebenso viel für wie gegen ihre Fahrerlaubnisinhaberschaft spricht. Sie hat die Tatsachen, die den Herausgabeanspruch begründen könnten, nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
33Soweit die Antragstellerin hilfsweise Verwirkung einwendet, weil die – von ihr bestrittene – Entziehung bereits 30 Jahre zurückliegt, kann die Kammer dem nicht folgen. Denn verwirkbar sind lediglich verfügbare (disponible) Rechte, aber keine ordnungsbehördlichen Pflichten zum Einschreiten bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Eine solche liegt hier vor, denn von dem rosafarbenen Führerschein geht aus der maßgeblichen Sicht des Antragsgegners der unrichtige Rechtsschein aus, die Antragstellerin verfüge über eine Fahrerlaubnis. Ob hiervon eine Ausnahme zu machen ist, wenn die Behörde dem Ordnungspflichtigen, hier der Antragstellerin, unzweideutig zu erkennen gegeben hat, dass sie gegen den rechtswidrigen Zustand nicht einschreiten, sondern diesen hinnehmen werde, muss die Kammer nicht entscheiden. Denn für eine solche "aktive Duldung" hat die Antragstellerin nichts vorgetragen. Im Gegenteil hat der Antragsgegner durch die Ausschreibung zur Fahndung auch nach außen hin alles dafür getan, um den erkannten rechtswidrigen Zustand zu beenden.
343. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Tatsachenlage derzeit so vage ist, dass eine hinreichend tragfähige Einschätzung des Anordnungsanspruchs ausgeschlossen ist, bleibt der Eilantrag ohne Erfolg.
35In diesem Fall kann das Gericht lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vornehmen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die einstweilige Anordnung ergeht, der geltend gemachte Herausgabeanspruch aber nicht besteht, weil die Antragstellerin nicht materiell fahrberechtigt ist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn der Führerschein einbehalten wird, sich der Einbehalt aber später als rechtswidrig erweist, weil die Antragstellerin in Wirklichkeit Fahrerlaubnisinhaberin ist.
36Vgl. zu dieser Methode: BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 (= juris Rn. 23 ff.).
37Diese Abwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus. Denn sie hat kein besonders gewichtiges Interesse an der Rückgabe ihres Führerscheindokuments. Zwar ist die Fahrerlaubnis durch den Führerschein nachzuweisen, § 2 Abs. 1 Satz 3 StVG. Der Führerschein begründet die materielle Fahrerlaubnis und damit das Recht, fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge zu führen, aber nicht. Vielmehr kommt es für die materielle Fahrberechtigung nur darauf an, ob die Antragstellerin derzeit Inhaberin einer Fahrerlaubnis ist. Kann sie über den Führerschein als körperlichen Gegenstand und Nachweisdokument nicht verfügen, hat das keinen Einfluss auf ihre Fahrerlaubnis, die lediglich als ungegenständliche Rechtsposition existiert.
38Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 1966 – II ZR 12/64, NJW 1966, 1216; missverständlich OVG LSA, Beschluss vom 20. November 2015 – 3 L 102/15, NZV 2016, 597.
39Fehlt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis, geht von dem Führerschein – der erst mit dem Ende der Übergangsfrist am 19. Januar 2024 ungültig wird (Anlage 8e I) Zeile 4, zu § 24a Abs. 2 Satz 1 FeV) – ein unrichtiger und die Verkehrssicherheit gefährdender Rechtsschein aus.
40Ist die Antragstellerin dagegen in Wahrheit Inhaberin der Fahrerlaubnis (geblieben), kann sie lediglich ihren aus dem StVG folgenden Nachweispflichten nicht genügen, wenn ihr der Führerschein für die Dauer des Eilrechtsschutzverfahrens vorenthalten bleibt. Dieser Nachteil erscheint weniger gewichtig als der ggf. unrichtige Rechtsschein des zu Unrecht ausgehändigten Führerscheins. Das gilt auch, weil in einem evtl. Bußgeldverfahren wegen nicht mitgeführten Führerscheins zu ihren Gunsten berücksichtigt würde, dass sich der Führerschein in amtlicher Verwahrung befindet.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Interesse an dem Führerschein wird im Hauptsacheverfahren mit dem Betrag des halben Auffangwertes des § 52 Abs. 2 GKG angesetzt. In Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich der danach zu berücksichtigende Betrag von 2.500,- Euro wegen der Vorläufigkeit der erstrebten Entscheidung um die Hälfte.
42Rechtsmittelbelehrung:
43(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
44Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
45Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
46Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
47Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
48Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst 1-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
49(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
50Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
51Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
52Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
53Die Beschwerdeschrift soll möglichst 1-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
54War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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