Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 1 K 602/20
Tenor
Das Verfahren wird, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, eingestellt.
Im Übrigen wird der Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17. Dezember 2019 aufgehoben, soweit in den in den Anlagen des Bescheides genannten Fällen Nr. 1, 3, 4, 6, 7, 13 bis 15, 18, 23 bis 25, 30 und 35 Zahlungsmitteilungen für die Meldemonate April 2017 und Mai 2017 sowie Februar 2018 bis Juli 2019 zurückgenommen wurden und der Betrag der zurückgenommenen Erstattungen 28.578,00 Euro übersteigt. Zudem wird der Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 22. Dezember 2020 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 90 % und die Klägerin zu 10 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des voll-streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist nach § 1 des Gesetzes über die Zuweisung und Aufnahme ausländischer Flüchtlinge in der bis zum 12. November 2021 gültigen Fassung (im Folgenden: FlüAG NRW) verpflichtet die ihr nach § 2 FlüAG NRW zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen. Nach § 4 FlüAG NRW stellte der Beklagte der Klägerin für die Aufnahme und Unterbringung sowie die Versorgung der ausländischen Flüchtlinge monatlich für jede Person eine Kostenpauschale in Höhe von 866,00 Euro zur Verfügung. Ausgenommen sind die Personen, die aufgrund ihres Einkommens oder Vermögens keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten. Nach § 4 Abs. 3 FlüAG NRW melden die Gemeinden an die für sie zuständige Bezirksregierung die Personen im Sinne des § 2 FlüAG NRW bis zum 10. des Monates, der auf den Monat folgt, für den eine Meldung abzugeben ist. Für eine solche Meldung erstellt die Kommune eine sogenannte AZR-Importtabelle und stellt diese über das Digitale Asylverfahren NRW (DiAs) online. Das DiAs ist eine gemeinsame Arbeitsplattform für alle Behörden in Nordrhein-Westfalen, die in Landeszuständigkeit am Asylverfahren beteiligt sind. Bei den Meldungen der Kommune über das DiAs erfolgt eine automatisierte Abfrage im Ausländerzentralregister (AZR) beim Bundesverwaltungsamt. Sollten zwischen den Angaben in der AZR-Importtabelle und der AZR-Abfrage Unstimmigkeiten festgestellt werden, wird die Kommune darauf hingewiesen und behebt die Beanstandungen. Sobald die Beanstandungen behoben sind oder es keine gibt, gibt die Kommune die AZR-Importtabelle im DiAs frei bzw. übermittelt diese an die Bezirksregierung Düsseldorf. Die Bezirksregierung Düsseldorf prüft sodann ihrerseits die Daten in der AZR-Importtabelle und gibt diese nach erfolgter Prüfung gegenüber dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKFFI) frei. Die Kommune erhält sodann eine Bestätigung per E-Mail und eine Zahlungsmitteilung der Bezirksregierung Düsseldorf.
3Entsprechend adressierte die Klägerin in den Jahren 2017 bis 2019 Meldungen an die Bezirksregierung Düsseldorf und erhielt, sofern im Zuge der Nachprüfung keine Beanstandungen festgestellt wurden, die Kostenpauschale.
4Nach einer Vor-Ort-Prüfung am 19. August 2019 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rückforderung der Kostenpauschale für insgesamt 35 Personen und 267 Monate an, da die Zahlungen zu Unrecht erfolgt seien. Daraufhin erklärte die Klägerin, dass sie für acht Personen eine Erstattung veranlasst habe. Im Übrigen berufe sie sich auf Vertrauensschutz, welcher einer Rückforderung entgegenstehe. Die für die Meldungen der ausländischen Flüchtlinge erforderlichen Personen- und Sachstandsdaten zu den laufenden Asylverfahren entnehme sie dem von der Ausländerbehörde des Kreises Wesel gepflegten Ausländerdaten-, Verwaltungs- und Informationssystem (ADVIS) sowie dem AZR. Die dortigen Angaben bildeten die Grundlage der Meldungen an den Beklagten. In der Praxis habe sich gezeigt, dass die Datensätze häufig unzureichend und zeitverzögert gepflegt würden. Nach der Zuweisung neuer Personen durch den Beklagten dauere es oft mehrere Monate bis die Datensätze zur Einsicht verfügbar seien. Fehlende Einträge würden teilweise mit dem Datum der Gültigkeit eingepflegt, d. h. nicht mit Tagesdatum der Bearbeitung. Somit gelangten die meldenden Kommunen häufig nicht an den tatsächlichen und aktuellen Stand der jeweiligen Asylverfahren. Wegen der Abgabe der jeweiligen Meldung aufgrund der ihr vorliegenden Informationen und deren Freigabe habe sie auf die Korrektheit der Daten und eine daraus resultierende rechtmäßige Gewährung der FlüAG-Pauschale vertrauen dürfen.
5Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 – bei der Klägerin am 6. Januar 2020 eingegangen – nahm der Beklagte die Zahlungsmitteilungen für die Meldemonate April und Mai 2017 sowie Februar 2018 bis Juli 2019 zurück (Ziffer 1), erließ neue Zuweisungen nach dem FlüAG NRW sowie Zahlungsmitteilungen (Ziffer 2) und forderte die Klägerin zur Erstattung von 193.118,00 Euro auf (Ziffer 3). Zur Begründung führte er aus, im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung am 19. August 2019 sei aufgefallen, dass für einen Teil der in den aufgeführten Monaten gemeldeten Personen, wie sich aus den Anlagen zum Bescheid ergebe, eine Überzahlung erfolgt sei, da entsprechende zahlungsbegründende Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Gemäß § 48 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) nehme er unter Beachtung des ihm zustehenden Ermessens die rechtswidrigen Zahlungsmitteilungen zurück. Es bestehe auch kein Vertrauensschutz auf den Bestand der Zahlungsmitteilungen. Dies gelte bereits mit Blick auf § 4 Abs. 7 FlüAG NRW in Verbindung mit dem Runderlass des MKFFI gemäß § 4 Abs. 6 FlüAG NRW zum Verfahren der FlüAG-Bestandsmeldungen und Auszahlung der FlüAG-Pauschale vom 26. Juni 2018, in dem im Falle einer rechtsgrundlosen Auszahlung der monatlichen Pauschale explizit auf die Möglichkeit einer separaten Rückforderung hingewiesen werde. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Rücknahme im Wesentlichen auf der Tatsache beruhe, dass erst nach Auszahlung der Pauschale ausländerrechtliche Zusammenhänge bekannt geworden seien, die dazu führten, dass die relevanten Personen als nicht bzw. nicht mehr abrechnungsfähig im Sinne des FlüAG NRW anzusehen gewesen seien. Da die Klägerin jedoch gemäß dem Erlass vom 26. Juni 2018 dazu verpflichtet sei, sämtliche Meldevoraussetzungen substantiiert darzulegen, beruhe der rechtswidrige Auszahlungsbescheid gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG NRW auf unvollständigen Angaben. Dabei beträfen die genannten Meldevoraussetzungen sämtliche für den Anspruch nach FlüAG NRW relevanten Rechtsaspekte, d. h. sowohl leistungs- als auch ausländerrechtliche Zusammenhänge. Eine Prüfung dieser Voraussetzungen sei für die Frage, ob eine Person im Sinne von § 2 FlüAG NRW meldefähig sei, unumgänglich. Grundsätzlich liege die Sicherstellung des Zugriffs sowie die Pflege der relevanten Daten im Verantwortungs- und Organisationsbereich der Kommune. Dies gelte insbesondere für diejenigen Daten, für deren Eingabe die Kommune selber zuständig sei. Auch der hierfür erforderliche Informationsfluss zwischen den jeweiligen Dienststellen innerhalb der Kommune sei durch diese selbstständig zu gewährleisten. Schließlich liege es auch in der alleinigen Entscheidungshoheit der Kommune, ob sie sich zur Prüfung der Meldevoraussetzungen allein der durch sie gepflegten bzw. genutzten Datenbanken wie ADVIS oder AZR bediene oder zwecks Verifizierung der genannten Daten auf persönliche Vorstellungen und Vorlage der Dokumente durch die Betroffenen zurückgreife. Ihr Vertrauen sei daher auch aus diesem Grund nicht schutzwürdig. Selbst bei der Annahme, dass die Klägerin auf den Bestand der Zahlungsmitteilungen hätte vertrauen können, falle die Abwägung zwischen ihrem und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme der rechtswidrigen Zahlungsmitteilungen zu Gunsten des öffentlichen Interesses aus.
6Die Klägerin hat am 4. Februar 2020 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Zahlungsmitteilungen gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG NRW gegeben sei. Vertrauensschutz bestehe grundsätzlich, wenn der Begünstigte die gewährten Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen habe, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Dies sei vorliegend der Fall. Sie habe für die in Rede stehenden Meldemonate höhere Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge verauslagt, als sie Zuwendungen erhalten habe, die nunmehr zurückgefordert würden. Zudem habe sie entgegen den Ausführungen des Beklagten in dem Aufhebungsbescheid alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Abgabe zutreffender Meldungen ausgeschöpft. Sie weise jeden Leistungsempfänger ausdrücklich auf die Anzeige- und Mitwirkungspflichten hin. Sie vergleiche ihre Angaben in der AZR-Importtabelle vor einer entsprechenden Meldung mit den Angaben, die für sie im ADVIS zur Verfügung stünden. Andere Kontrollmöglichkeiten bestünden nicht. Insbesondere sei ihr eine Befragung der Asylbewerber bereits aufgrund der Vielzahl der Fälle nicht möglich. Hinzukomme, dass die Asylbewerber teilweise ihren aktuellen Status nicht kennen würden oder nicht in der Lage seien, in deutscher Sprache zu kommunizieren. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass nunmehr bei einer Vor-Ort-Prüfung festgestellt worden sei, dass der Datenbestand im August 2019 im AZR und ADVIS andere Personenzahlen rechtfertige, als der Datenbestand zur Zeit der jeweiligen Meldungen in den hier in Rede stehenden Meldemonaten. Die Datenbestände im AZR und ADVIS würden und könnten auch nicht von ihr gepflegt werden. Auf deren Aktualität müsse sie vertrauen dürfen. Zur Zeit der FlüAG-Meldungen hätten die Angaben den Datensätzen in ADVIS und AZR entsprochen. Der Beklagte habe die Meldungen selbst monatlich überprüft und nicht beanstandet. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass die DiAs Software in Abstimmung mit dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen eigens für die FlüAG-Datenanalyse entwickelt worden sei. Vor dem Hintergrund könne es nicht richtig sein, dass der Beklagte sich nun darauf berufe, dass sie den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Jedenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung sei die fehlende Kenntnis bzw. unverschuldete Unkenntnis zu berücksichtigen. Dies sei nicht geschehen. Daher sei die Entscheidung des Beklagten ermessensfehlerhaft.
7Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,
8den Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17. Dezember 2019 aufzuheben.
9Mit Bescheid vom 22. Dezember 2020 hat der Beklagte die Zahlungsmitteilungen für die Meldemonate Februar bis Mai sowie Juli bis Dezember 2017 zurückgenommen, soweit sie die aus der dem Bescheid beigefügten Anlage ersichtlichen überzahlten FlüAG-Pauschalen enthielten (Ziffer 1). Zudem hat er die bereits ergangenen Rückforderungsbescheide zurückgenommen und diese durch den Bescheid vom 22. Dezember 2020 ersetzt, soweit sie sich auf das Jahr 2017 bezogen und die aus der beigefügten Anlage ersichtlichen überzahlten FlüAG-Pauschalen enthielten (Ziffer 2). Schließlich hat er die Klägerin zur Erstattung eines Überzahlungsbetrages in Höhe von 55.424,00 Euro aufgefordert (Ziffer 4). Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, es sei festgestellt worden, dass für einen Teil der von der Klägerin gemeldeten Personen eine Überzahlung erfolgt sei, da entsprechende zahlungsbegründende Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. In den betreffenden Monaten sei für die in der Anlage aufgeführten Personen eine Auszahlung ohne Rechtsgrund erfolgt. Im Rahmen des nach § 48 VwVfG NRW grundsätzlich bestehenden Ermessens würden die rechtswidrigen Zahlungsmitteilungen zurückgenommen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sowohl § 4 Abs. 7 FlüAG NRW als auch der Erlass des MKFFI vom 26. Juni 2018 die Verpflichtung zur Rückzahlung bei zu Unrecht gewährten Leistungen ausdrücklich vorsähen. Danach sei eine Auszahlung ohne Rechtsgrund durch die Gemeinde zu erstatten bzw. eine fehlerhafte Zahlungsmitteilung zurückzunehmen. Sein Ermessen sei insofern durch die genannten Vorgaben intendiert. Da der Klägerin die gesetzlichen Regelungen bekannt gewesen seien, habe sie auf den Bestand der Zahlungsmitteilungen nicht vertrauen können. Selbst wenn die Klägerin auf den Bestand der Zahlungsmitteilungen hätte vertrauen können, falle die Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme der rechtswidrigen Zahlungsmitteilungen zu Gunsten des öffentlichen Interesses aus.
10Daraufhin hat die Klägerin am 19. Januar 2021 auch gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2020 Klage erhoben und macht insoweit zur Begründung geltend, dass erhebliche Bedenken gegen die Bestimmtheit des Bescheides gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW bestünden. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, für welche Personen aufgrund welcher fehlerhaften Angaben die Auszahlung zu Unrecht erfolgt sei. Ebenso wenig würden die einzelnen Beträge der Bewilligungsbescheide näher genannt, sondern auf einen nicht näher erläuterten Betrag in Höhe von 55.424,00 Euro abgestellt. Des Weiteren sei der Rückforderungsbescheid nicht binnen der Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG NRW erfolgt, da die Vor-Ort-Prüfung bereits am 19. August 2019 stattgefunden habe. Die Zuwendungen seien zudem verbraucht, da die tatsächlichen Ausgaben die erhaltenen Pauschalen überstiegen hätten.
11In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen.
12Die Klägerin beantragt nunmehr,
13- 1.14
den Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17. Dezember 2019 aufzuheben, soweit in den in den Anlagen des Bescheides genannten Fällen Nr. 1, 3, 4, 6, 7, 13 bis 15, 18, 23 bis 25, 30 und 35 Zahlungsmitteilungen für die Meldemonate April 2017 und Mai 2017 sowie Februar 2018 bis Juli 2019 aufgehoben wurden und der Betrag, der zurückgenommenen Erstattungen 28.578,00 Euro übersteigt,
- 2.15
den Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 22. Dezember 2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Der Beklagte trägt zur Verteidigung seiner Bescheide vor, dass der Verbrauch der Zuwendungen durch die Klägerin nicht bestritten werde. Allerdings könne sich eine Behörde gegenüber einer anderen Behörde nicht auf den in § 48 Abs. 2 VwVfG NRW normierten Vertrauensschutz berufen. Dies gelte auch für eine Gemeinde als Selbstverwaltungskörperschaft. Vielmehr müsse die Klägerin darauf achten, dass öffentliche Mittel sachgerecht und rechtmäßig verwendet würden. Zudem sei eine Berufung auf Vertrauensschutz ausgeschlossen, weil die zurückgenommenen Verwaltungsakte auf Angaben beruhten, die unrichtig gewesen seien. Es sei unstreitig, dass die Angaben in AZR bzw. ADVIS im Zeitpunkt der Meldung durch die Klägerin bzw. des Erlasses der Zahlungsmitteilung objektiv unrichtig bzw. unvollständig gewesen seien. Daher beruhe der rechtswidrige Verwaltungsakt auf unrichtigen Angaben der Klägerin. Maßstab für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Angaben sei dabei die wahre Rechtslage und nicht die in AZR oder ADVIS vorhandenen Daten. Die genannten Vor-Ort-Prüfungen dienten daher gerade dazu, vorliegende Daten zu überprüfen und entsprechende Nachweise einzufordern. Die genannte Vorgehensweise sei der Klägerin auf Basis des Erlasses des MKFFI vom 26. Juni 2018 bekannt gewesen. Indem die Klägerin die Meldung auf Basis der genannten Daten an ihn abgegeben habe, habe sie den rechtswidrigen Verwaltungsakt auch erwirkt. Zutreffend sei, dass weder der Klägerin noch ihm bei der Prüfung positiv die Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit der Angaben bekannt gewesen sei. Das Verschulden sei für den Ausschluss des Vertrauensschutzes jedoch nicht Voraussetzung. Die Vorschrift gehe vielmehr davon aus, dass es im Verantwortungsbereich der Klägerin liege, richtige und vollständige Angaben zu machen. Die bloße Verursachung der Rechtswidrigkeit sei ausreichend für den Ausschluss des Vertrauensschutzes. Aufgrund der eindeutigen Erlasslage liege es im Verantwortungsbereich der Klägerin, die Meldevoraussetzungen substantiiert vorzutragen und die notwendigen Informationen von der Ausländerbehörde einzuholen, selbst wenn die Klägerin keinen Einfluss auf die Pflege der entsprechenden Datenbanken habe. Der Behauptung der Klägerin, die Pauschale sei nicht auskömmlich, werde widersprochen. Insoweit nehme er Bezug auf das beigefügte Gutachten von Prof. Dr. M. von November 2018 „Evaluierung der Kostenpauschale nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW auf Grundlage eines Pauschalerstattungssystems“. Die Vorschriften zur Entreicherung seien im öffentlichen Recht aber auch nicht ohne weiteres entsprechend anwendbar. Der Bescheid vom 22. Dezember 2020 sei hinreichend bestimmt. Die Regelungen und Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes seien eindeutig und vollständig. Auch die Höhe des Rückforderungsbetrages sei beziffert. Zudem ergebe sich die Berechnung der Rückforderungssumme aus der im Bescheid in Bezug genommenen Anlage.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Soweit die Klägerin die Klage gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2019 zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2019 insoweit, als mit diesem ein Rückforderungsbetrag über 164.540,00 Euro hinaus geltend gemacht wird, mithin in Höhe von 28.578,00 Euro zurückgenommen.
22Die mit Schriftsatz der Klägerin vom 19. Januar 2021 erklärte Klageänderung in der Form der Klageerweiterung ist zulässig, da sich der Beklagte sachlich auf diese eingelassen hat; sie ist im Übrigen auch sachdienlich, § 91 Abs. 1 und 2 VwGO.
23Die zulässige geänderte Klage ist begründet.
24Die Rücknahme- und Rückforderungsbescheide der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17. Dezember 2019 und 22. Dezember 2020 sind, soweit sie noch angegriffen sind, rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
25Der Beklagte hat mit den angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheiden vom 17. Dezember 2019 (Ziffer 1) und 22. Dezember 2020 (Ziffer 2) zu Unrecht die Gewährung der Kostenpauschale nach dem FlüAG NRW für die in den jeweiligen Anlagen zu den Bescheiden genannten Personen für die Monate April und Mai 2017 sowie Februar 2018 bis Juli 2019 in Höhe von 164.540,00 Euro und die Monate Februar bis Mai sowie Juli bis Dezember 2017 in Höhe von 55.424,00 Euro aufgehoben und diesen Betrag von der Klägerin zurückgefordert (Ziffer 3).
261.
27Es liegen zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme der jeweiligen Zahlungsmitteilungen vor. Die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Rücknahmeentscheidung vom 17. Dezember 2019 ergibt sich aber aus einer fehlerhaften Ermessensausübung der Bezirksregierung Düsseldorf.
28Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
29Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass es sich bei den zurückgenommenen Zahlungsmitteilungen jeweils um einen solchen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, da die Kostenpauschale in den genannten Monaten für die in der Anlage des Bescheides genannten Personen nicht hätte bewilligt werden dürfen. Denn es lagen bereits bei Erlass der Zahlungsmitteilungen nicht die für eine Erstattungsfähigkeit der gemeindlichen Kosten notwendigen Voraussetzungen der §§ 4 und 2 FlüAG NRW vor.
30Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FlüAG NRW stellt das Land den Gemeinden für die Aufnahme und Unterbringung sowie für die Versorgung der ausländischen Flüchtlinge monatlich für jede Person im Sinne des § 2 FlüAG NRW eine Kostenpauschale zur Verfügung. § 2 FlüAG NRW umfasst unter anderem ausländische Personen, die um Asyl nachgesucht, einen Asylantrag gestellt, einen Folgeantrag nach § 71 des Asylgesetzes (AsylG) oder einen Zweitantrag nach § 71a AsylG gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes zu wohnen. Nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 FlüAG NRW endet die Zahlungsverpflichtung des Landes für alle ausländischen Personen nach § 2 Nr. 1 und 1a FlüAG NRW in dem Monat, in dem sie als Asylberechtigte anerkannt wurden, beziehungsweise in dem Monat, in dem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes erfolgt ist, oder drei Monate nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht. Maßgeblich für die Gewährung der Kostenpauschale ist angesichts des Wortlauts der Normen, dass eine von § 2 FlüAG NRW erfasste Person gemeldet wird und kein Fall des § 4 Abs. 5 FlüAG NRW vorliegt. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten lagen diese Voraussetzungen in den streitgegenständlichen Fällen bei Meldung der Personen nicht vor. Für die Frage der Rechtswidrigkeit der erlassenen Zahlungsmitteilungen kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin den Meldungen die zu diesem Zeitpunkt für sie verfügbaren Daten zugrunde gelegt hat und keine Kenntnis von deren Unrichtigkeit hatte. Denn für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Zahlungsmitteilungen ist alleine die tatsächliche Rechtlage zum Zeitpunkt deren Erlasses entscheidend.
31Der Rücknahme der Zahlungsmitteilungen stehen auch nicht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 entgegen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt der u. a. eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf dem Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, können sich Gebietskörperschaften als Untergliederung des Staates nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Denn das Institut des Vertrauensschutzes ist in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 242 BGB im Verwaltungsrecht entwickelt worden, um den Staatsbürger unter gewissen Voraussetzungen im Vertrauen auf Maßnahmen der Verwaltung zu schützen. Eines solchen Schutzes bedarf die Verwaltung hingegen in der Regel nicht. Das gilt auch für Selbstverwaltungskörperschaften wie Gemeinden, die – ungeachtet ihrer Autonomie – dem Staat eingegliedert sind.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2006 – 3 C 23/05 –, juris.
33Es liegt auch kein Fall vor, der eine Ausnahme von diesem Ausschluss der Berufung auf Vertrauensschutz rechtfertigen würde. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 2. Juli 1997 – 12 A 1080/95 – angenommen, dass einer Gemeinde eine Berufung auf Vertrauensschutz dann nicht verwehrt ist, wenn sie letztlich nur als Bote tätig wird, weil sie nicht endgültiger Empfänger der Zuwendung, sondern verpflichtet ist, diese an eine natürliche Person weiterzugeben, die sich wiederum auf Vertrauensschutz berufen kann. Diese Erwägungen sind hingegen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Freilich besteht auch hier ein Zusammenhang zwischen den von den Kommunen an die Asylbewerber zu erbringenden Leistungen nach dem AsylbLG und der vom Land an die Kommunen zur Kompensation dieser Leistungen zu zahlenden FlüAG-Pauschalen. Allerdings handelt es sich dabei um zwei eigenständige Regelungssysteme und die Klägerin wird nicht lediglich als Bote der Zahlung des Landes an den Asylbewerber tätig. Vielmehr erhält sie die Pauschale des Landes unabhängig von dem konkreten Umfang der von ihr erbrachten Leistung nach dem AsylbLG.
34Der Ausschluss von Vertrauensschutz im Verhältnis zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung bedeutet indes wegen des gleichermaßen zu berücksichtigenden Gesichtspunkts der Rechtssicherheit nicht, dass ein an einen Hoheitsträger gerichteter rechtswidriger Verwaltungsakt stets korrigiert werden muss. Die besonderen Umstände des Einzelfalles müssen vielmehr im Rahmen des Rücknahmeermessens berücksichtigt werden.
35Daran fehlt es vorliegend.
36Der Beklagte hat das ihm nach § 48 Abs. 1 VwVfG NRW zukommende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, § 40 VwVfG NRW.
37Die ordnungsgemäße Ausübung von Ermessen setzt voraus, dass die Behörde die im Rahmen der gesetzlichen Ermessensvorschrift liegenden Handlungsmöglichkeiten erkennt, den Zweck der Ermächtigung und die Wertungen der Rechtsordnung in den Blick nimmt und ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach umfassender Abwägung des Für und Wider trifft (vgl. § 40 VwVfG NRW). Dabei darf sie grundsätzlich Richtlinien zur Lenkung des Ermessens erlassen. Diese Richtlinien müssen jedoch ihrerseits am Zweck der Ermächtigung orientiert und sachgerecht sein. Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
38Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. März 2008 – OVG 4 B 18.07 –, juris, Rn. 26.
39Hiernach erweist sich die Ermessensausübung des Beklagten in dem Bescheid vom 17. Dezember 2019 als fehlerhaft.
40Der Beklagte stützt sich in dem Bescheid darauf, dass die Zahlungen zu Unrecht erfolgt seien und die Klägerin auf den Bestand der Zahlungsmitteilungen nicht habe vertrauen können. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist hingegen bereits Tatbestandsvoraussetzung und vermag daher das Ermessen nicht in eine bestimmte Richtung zu lenken. Im Hinblick auf die weiteren Erwägungen ist bereits unklar, ob der Beklagte ein intendiertes Ermessen annimmt und die Ermessensausübung bereits aus diesem Grund fehlerhaft ist. Denn ein intendiertes Ermessen liegt nicht vor. Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW, wonach der Verwaltungsakt in der Regel zurückzunehmen ist, wenn die Berufung auf Vertrauensschutz ausscheidet, weil der rechtswidrige Verwaltungsakt von dem Begünstigten durch unrichtige Angaben erwirkt wurde, § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG NRW. Ein Erwirken der Zahlungsmitteilungen durch unrichtige Angaben liegt nicht vor. Zwar ist insoweit unerheblich, ob die Unrichtigkeit der Angaben erst nach eingehender Prüfung erkannt werden kann und die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind. Voraussetzung ist jedoch auch das „Erwirken“ des rechtswidrigen Verwaltungsaktes durch die unrichtigen Angaben. An diesem Merkmal fehlt es. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine bestimmte (Rechts-)Folge gerichtet ist und liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Begünstigte alles ihm Zumutbare zur Abgabe zutreffender Angaben unternommen hat.
41Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, § 48 VwVfG, Rn. 150.
42Ein solches zweck- und zielgerichtetes auf die Erlangung einer entsprechenden Begünstigung gerichtetes Verhalten kann der Vorgehensweise der Klägerin nicht entnommen werden. Sie hat zur Abgabe der Meldungen die ihr zur Verfügung stehenden vom Bundesverwaltungsamt und der für sie zuständigen Ausländerbehörde gepflegten Datenbanken genutzt und auf die Richtigkeit der darin enthaltenen Daten ebenso wie der Beklagte vertraut, der die Datenbanken zwecks Prüfung der klägerischen Meldungen heranzieht.
43Das Ermessen des Beklagten wurde auch nicht sachgerecht durch den von ihm angeführten Erlass des MKFFI vom 26. Juni 2018 oder die Regelung in § 4 Abs. 7 FlüAG NRW in Richtung einer Rücknahme der Zahlungsmitteilungen gelenkt. Die gesetzliche Vorgabe verhält sich lediglich zu einer der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes nachgehenden Rückforderung der gezahlten Kostenpauschalen. Die Ausführungen in dem Erlass stellen ebenfalls keine sachgerechte Lenkung des Ermessens dar, da in diesem pauschal die Rücknahme rechtsgrundlos erlassener Zahlungsmitteilungen ausgesprochen wird, ohne insoweit die jeweiligen Interessen und Verantwortungsbereiche der Beteiligten bei den Meldungen zu berücksichtigen. Dies wäre hingegen entweder in dem Erlass oder in den weiteren „freien“ Ermessenserwägungen des Beklagten in dem Bescheid erforderlich gewesen. Der Beklagte bürdet in dem streitgegenständlichen Bescheid das Risiko unzutreffender Meldungen vollständig der Klägerin auf. Dabei gesteht er zwar ein, dass die Klägerin die Datenbanken nicht selbst pflegt, es hingegen in ihrem Organisationsbereich liege, sich die zutreffenden Informationen für eine Meldung zu beschaffen. Eine derartig einseitige Gewichtung lässt hingegen angesichts des vom Beklagten vorgegebenen Meldesystems und des Außerachtlassens des eigenen Verantwortungsbereiches wesentliche Aspekte unberücksichtigt. Der Beklagte setzt sich unzureichend mit dem Gesichtspunkt alternativer, zumutbarer Möglichkeiten der Klägerin zur Informationsgewinnung sowie der jeweiligen Risikoverteilung auseinander. Insofern wäre etwa zu berücksichtigen gewesen, dass der Bezirksregierung Düsseldorf aufgrund ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde über die für die Klägerin zuständige Ausländerbehörde des Kreises X. ein wesentlich größerer Einfluss auf die von der Ausländerbehörde gepflegte Datenbank zukommt als der Klägerin, die auf eine zeitnahe Eingabe der aktuellen Erkenntnisse angewiesen ist, eine solche hingegen anders als die Bezirksregierung Düsseldorf nicht anweisen kann. Die von dem Beklagten angeführten möglichen Befragungen der Asylbewerber beinhalten, wie bereits dargestellt, bei Betrachtung der Vielzahl der monatlich zu Meldenden, der Meldefrist, der Sprachbarriere und der bei realitätsnaher Betrachtung häufigen Unkenntnis der Asylbewerber von ihrem aktuellen Status Hindernisse, die der Beklagte wiederum bei seinen Ermessenserwägungen nicht berücksichtigt hat. Dies gilt ebenso für den in der mündlichen Verhandlung angeführten Aspekt, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, bei der zuständigen Ausländerbehörde des Kreises X. nach dem Status des jeweiligen Asylbewerbers zu fragen. Insoweit räumt der Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst ein, dass ein monatliches Nachfragen in allen Fällen sowohl der Klägerin als auch dem Kreis X. , der auch die Fragen der weiteren kreisangehörigen Städte bedienen müsste, nicht zumutbar sei und zur Vermeidung solcher Nachfragen gerade die ADVIS-Datenbank dienen solle. Der Erwägung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass in erkennbar problematischen Einzelfällen ein gezieltes Nachfragen der Klägerin geboten sei, ist nichts entgegenzuhalten. Allerdings hat diese Erwägung keinen Eingang in die Ermessensabwägung in dem streitgegenständlichen Bescheid gefunden. Der Beklagte hat insoweit nicht dargestellt, welche Fälle die Klägerin als problematisch hätte erkennen können und welche somit eine Nachfrage erforderlich gemacht hätten. Die in der mündlichen Verhandlung dargestellte Überlegung, dass eine gezielte Nachfrage bei der Ausländerbehörde etwa bei Dublin-Verfahren oder bei Fällen, in denen eine Rückforderung von über 12 Monaten erfolgt sei, geboten und für die Klägerin erkennbar gewesen sei, findet sich ebenfalls nicht in dem streitgegenständlichen Bescheid, mit dem unterschiedslos Zahlungsmitteilungen von einem bis 19 Monaten zurückgenommen werden.
44Der weitere Einwand des Beklagten, dass eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Vermeidbarkeit der gerügten Fehler im Rahmen der Ermessenerwägungen nicht möglich gewesen sei, weil die Klägerin im Rahmen des Anhörungsverfahrens nicht detailliert geltend gemacht habe, aus welchem Grund ihr die Unrichtigkeit der Daten nicht aufgefallen sei, führt zu keiner anderen Bewertung. Der Beklagte geht insoweit zutreffend davon aus, dass das Maß an Differenziertheit der Ermessenserwägungen mit der Ausführlichkeit der dem Bescheid vorgehenden Stellungnahmen korreliert, und die Klägerin im Anhörungsverfahren vergleichsweise pauschal geltend gemacht hat, dass sie keine Kenntnis von der Unrichtigkeit der Daten gehabt habe und auch nicht hätte haben können. Daher hätte es auch keiner jeden Einzelfall betrachtenden Abwägung bedurft. Vorliegend fehlt es hingegen, wie dargelegt, bereits an einer allgemeinen Abwägung der jeweiligen Verantwortungsbereiche und Risikosphären.
45Der Beklagte hat auch keine derartigen Ermessenserwägungen nachgeschoben. Ein Nachschieben von Ermessen muss genügend bestimmt geschehen. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit ergibt sich aus § 37 Abs. 1 VwVfG NRW und gilt als Ausprägung des Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) auch für die Änderung eines Verwaltungsakts einschließlich seiner Begründung. Wird die Änderung erst in einem laufenden Verwaltungsprozess erklärt, so muss die Behörde unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 46/12 –, juris, Rn. 35.
47Der Beklagte hat bereits nicht eindeutig kenntlich macht, dass er seine Ermessenserwägungen durch sein Vorbringen im Klageverfahren ergänzen möchte. Vielmehr handelt es sich bei dem Vorbringen des Beklagten um Verteidigungsvorbringen. Insoweit wiederholt er seine im Bescheid angeführten Erwägungen, aus welchem Grund es in dem alleinigen Verantwortungsbereich der Klägerin liege, zutreffende Meldungen abzugeben. Zudem führt der Beklagte wiederholt aus, dass der Klägerin aufgrund von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG NRW kein Vertrauensschutz zukommt. Dabei handelt es sich hingegen um Ausführungen, die den Tatbestand und nicht die Rechtsfolge der Rücknahme betreffen.
48Das Ermessen des Beklagten ist auch nicht auf Null reduziert. Nach dem Vorstehenden liegen keine Umstände vor, die als einzig fehlerfreie Entscheidung die Rücknahme der Zahlungsmitteilungen geboten erscheinen lassen.
492.
50Der Aufhebungsbescheid vom 22. Dezember 2020, in dem der Beklagte ein intendiertes Ermessen aufgrund des Erlasses des MKFFI vom 26. Juni 2018 und der Regelung in § 4 Abs. 7 FlüAG NRW ausdrücklich annimmt, ein Vertrauen auf den Bestand des Bescheides ablehnt und ohne nähere Begründung ausführt, das öffentliche Interesse an einer Rücknahme überwiege das Interesse der Klägerin an dem Behalt der geleisteten Pauschalen, ist aus den dargestellten Gründen ebenfalls ermessensfehlerhaft. Vor diesem Hintergrund bedürfen die gleichfalls nicht unproblematischen Fragen des Vorliegens einer ordnungsgemäßen Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW und der hinreichenden Bestimmtheit des Bescheides nach § 37 Abs. 1 VwVfG NRW keiner weiteren Klärung.
513.
52Da die auf § 48 Abs. 1 VwVfG gestützten Rücknahmen der Zahlungsmitteilungen in den Bescheiden vom 17. Dezember 2019 und 22. Dezember 2020 aus den vorstehenden Gründen keinen Bestand haben, fehlt es für die auf § 49a Abs. 1 VwVfG NRW i. V. m. § 4 Abs. 7 FlüAG NRW fußenden Rückforderungen überzahlter Kostenpauschalen in den streitgegenständlichen Bescheiden bereits an der Erfüllung des Tatbestandes der Ermächtigungsgrundlagen. Die Rückforderungen unterliegen, soweit sie noch streitig sind, damit ebenfalls der Aufhebung.
53Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
54Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711, § 709 der Zivilprozessordnung erfolgt.
55Das Gericht hatte keinen Anlass, die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
56Rechtsmittelbelehrung:
57Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
58Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
59Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
60Die Berufung ist nur zuzulassen,
611. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
622. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
633. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
644. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
655. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
66Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
67Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
68Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
69Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
70Beschluss
71Der Streitwert wird bis zum 18. Januar 2021 auf 193.118,00 Euro und ab dem 19. Januar 2021 auf 248.542,00 Euro festgesetzt.
72Gründe:
73Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes erfolgt.
74Rechtsmittelbelehrung:
75Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
76Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
77Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
78Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
79Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
80War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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Referenzen
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- § 71a AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- VwVfG § 40 Ermessen 2x
- VwGO § 167 1x
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- § 4 Abs. 7 FlüAG 4x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 6 FlüAG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 91 1x
- VwGO § 113 1x
- § 4 Abs. 1 Satz 1 FlüAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 5 Nr. 1 FlüAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Nr. 1 und 1a FlüAG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 114 1x
- VwVfG § 28 Anhörung Beteiligter 1x
- VwVfG § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung 1x
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 67 1x
- 3 C 23/05 1x (nicht zugeordnet)
- 12 A 1080/95 1x (nicht zugeordnet)
- 8 C 46/12 1x (nicht zugeordnet)