Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 4 K 3597/19

Tenor

Es wird festgestellt, dass das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten beendet worden ist.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Durchsicht eines ihr gehörenden Datenträgers im Zuge eines Vereinsverbotsverfahrens.
Die Antragstellerin zu 1 ist die Verfasste Studierendenschaft (vgl. § 65 LHG) der X. Die Antragsteller zu 2 und 3 gehören ihrem Vorstand an.
Im Zuge des Verbotsverfahrens gegen den Verein „linksunten indymedia“ ließ das Regierungspräsidium Freiburg am 25.08.2017 die Wohnung von Herrn X durchsuchen. Dabei wurde eine Reihe von Datenträgern als Beweismittel sichergestellt bzw. die Beschlagnahme von Vereinsvermögen vollzogen. Unter den sichergestellten Datenträgern waren auch eine Festplatte und ein USB-Stick, die der Antragstellerin zu 1 gehörten. X war in deren Besitz gekommen, weil die Antragstellerin zu 1 ihn im Juli 2017 eingestellt und mit der Datenverarbeitung beauftragt hatte. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1 waren auf der Festplatte (als Sicherungskopien) nahezu alle Dateien und Daten gespeichert, die bei ihrer Arbeit über zehn bis 15 Jahre hinweg angefallen und gespeichert worden waren, u.a. zu ihrer Mail-Korrespondenz und zu ihrer Finanzverwaltung seit 2013, weiter Wählerverzeichnisse aus den Jahren 2014 bis 2017 sowie auch Daten der Studierendenvertretung der Pädagogischen Hochschule Freiburg, ferner auch Daten aller seit dem Jahr 2012 erstellter Accounts, u.a. mit Fotos von verschiedenen Protestorganisationen, sowie Abstimmungsergebnisse, insbesondere zu Entscheidungen des Studierendenrats zu Anträgen und Bewerbungen.
Nach Rückgabe beider Datenträger an die Antragstellerin zu 1 bat diese das Regierungspräsidium Freiburg, auch die gefertigten Kopien zurückzugeben. Dies lehnte das Regierungspräsidium mit der Begründung ab, dass eine Auswertung bislang nicht habe erfolgen können, weil die Dateien noch nicht hätten dekryptiert werden können. In der Zwischenzeit hatte das Bundesministerium des Innern bereits das Bundesamt für Verfassungsschutz mit der Dekryptierung und ggf. Auswertung der auf dem Datenträger gespeicherten Dateien beauftragt.
Anträge der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz, mit der diese eine Beendigung der Auswertung des Datenträgers anstrebten, hatten keinen Erfolg (u.a. VG Freiburg, Beschl. v. 06.04.2018 - 4 K 9673/17 -, und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.04.2019 - 1 S 982/18 -, beide juris).
Die Antragsteller haben am 27.08.2019 „Klage“ erhoben und zunächst beantragt, dem Antragsgegner aufzugeben, die Entschlüsselung, Öffnung und Verarbeitung sowie die Weitergabe der gespiegelten Daten des am 25.08.2017 sichergestellten Datenträgers (Nr. 11 des Beschlagnahmeprotokolls) selbst oder durch Dritte zu unterlassen und die Datenträger mit den gespiegelten Daten zu vernichten, hilfsweise, nach ggf. erfolgter Entschlüsselung nur solche Daten ihrer Überprüfung und Auswertung zu Grunde zu legen, die nach dem 15.07.2017 bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme am 25.08.2017 auf das Backup eingespeichert worden seien.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 29.01.2019 die Klagen zum Verbot der Vereinigung „linksunten.indymedia“ abgewiesen hatte, hat der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners unter Vorlage eines Schreibens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Bundesministerium des Innern, in dem in der Anrede und in der Grußformel die jeweils verwendeten Namen geschwärzt waren, mitgeteilt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie die unterstützenden Behörden Bundeskriminalamt und Bundespolizei die Maßnahmen zur Dekryptierung der verschlüsselten IT-Asservate eingestellt hätten; sämtliche Sicherungskopien seien rückstandslos gelöscht worden. Das Verfahren habe sich somit erledigt.
Die Antragsteller baten daraufhin, dass der Antragsgegner entsprechende Erklärungen aller an der Auswertung beteiligten Behörden vorlege. Der Antragsgegner reichte entsprechende Erklärungen nach, die ebenfalls teilweise geschwärzt waren.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller äußerte hierzu unter dem 01.09.2020: Die Schwärzungen befremdeten. Das Gericht werde angefragt, ob ihm als Adressat solche die persönlichen und dienstlichen Verantwortlichkeiten verdeckenden Behördenerklärungen ausreichten. Wenn das Gericht allerdings erkläre, „das sei alles so in Ordnung“, erkläre auch er „vorab“ die Erledigung des Verfahrens und beantrage, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil diese dem Begehren der Antragsteller nun entsprochen habe und sich damit in die Rolle des Unterlegenen begeben habe. Im Übrigen hätte der Antrag sonst Erfolg gehabt.
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In der Folge hat die Kammer darauf hingewiesen, dass übereinstimmende Erklärungen zur Erledigung der Hauptsache, seitens der Antragsteller mit einer zulässigen und eingetretenen innerprozessualen Bedingung, bereits vorliegen könnten, und mitgeteilt: Bedenken hinsichtlich der Verbindlichkeit der Angaben des Antragsgegners zur Erledigung habe sie nicht. Die Schwärzungen in den zusätzlich vorgelegten Schreiben der befassten Behörden böten keinen Grund, an ihrer Authentizität zu zweifeln.
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Die Antragsteller haben hierzu vorgetragen, sie hätten eine Erledigungserklärung nicht abgegeben, sondern eine solche nur angekündigt; auch hätten sie sich nicht vorstellen können, dass sich ein Gericht mit den genannten Schwärzungen zufriedengeben werde.
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Die Antragsteller beantragen nunmehr (sinngemäß),
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festzustellen, dass die Anordnung der eigenen Auswertung durch Landesbehörden und die Weitergabe des am 25.08.2017 durch den Antragsgegner sichergestellten Datenträgers (Nr. 11 des Beschlagnahmeprotokolls - Backup der Antragstellerin zu 1) oder/und dessen gespiegelter Daten an Behörden des Landes, namentlich des Landeskriminalamts bzw. an andere Dritte, und an Sicherheitsbehörden des Bundes, namentlich an das Bundeskriminalamt, das Bundespolizeipräsidium und an das Bundesamt für Verfassungsschutz, zum Zweck der Entschlüsselung und Auswertung insgesamt oder - hilfsweise, soweit es sich um vor dem 15.07.2017 entstandene und gespeicherte Daten handelte - rechtswidrig gewesen ist.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Er trägt vor: Das Verfahren sei durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden. Im Übrigen wären die Anträge unzulässig gewesen. Statthaft gewesen wären allein Anträge gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend. Die Anträge wären auch unbegründet gewesen. Das sei bereits in den in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüssen dargelegt worden.
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In der Folge hat die Kammer darauf hingewiesen, dass auch eine Entscheidung im Antragsverfahren in Betracht kommt. Sie hat ferner unter Hinweis auf den Datenschutzanspruch auf Negativauskunft angeregt, dass der Antragsgegner die Erklärungen der mit der Auswertung der Daten befassten Behörden ungeschwärzt vorlegt. Dieser Anregung ist der Antragsgegner gefolgt. Die Antragsteller haben daraufhin mitgeteilt, dass sie an ihrem zuletzt gestellten Feststellungsantrag festhielten.
II.
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1. Entgegen der Bezeichnung des Rechtsschutzbegehrens als „Klage“ der Antragsteller handelt es sich - wie noch auszuführen ist - um ein Antragsverfahren gemäß § 4 Abs. 2 VereinsG; denn das Rechtsschutzbegehren zielt darauf, die - dem Stadium der Durchsuchung zuzurechnende (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.04.2019 - 1 S 982/18 -, juris, Rn. 19) - Durchsicht des sichergestellten Datenträgers hinsichtlich einer vom Antragsgegner veranlassten Amtshilfe zu beschränken. Über ein solches Begehren hat gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG der Vorsitzende der insoweit zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts allein zu entscheiden
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2. Nachdem die Beteiligten darüber streiten, ob das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen wirksam beendet worden ist, ist darüber - wie in den Fällen, in denen ein entsprechender Einstellungsbeschluss ergangen ist, die Voraussetzungen dafür aber nachträglich in Zweifel gezogen werden - vorweg zu entscheiden (vgl., zum Rücknahmestreit, Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 92, Rn. 77, 78 m.w.N.).
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3. Das Verfahren ist durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO).
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Der Antragsgegner hatte die Erledigung bereits in seinem Schriftsatz vom 29.05.2020 ausgesprochen.
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Entgegen seiner Auffassung hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 01.09.2020 eine Erledigungserklärung nicht nur angekündigt, sondern unter einer - zulässigen innerprozessualen - Bedingung ausgesprochen. Dafür spricht eindeutig der Wortlaut der Erklärung; denn die Verwendung des Wortes „vorab“ machte sonst keinen Sinn. Dazu passt auch, dass der Kläger sich keine Äußerungsmöglichkeit zu einer von ihm als Bedingung formulierten Erklärung des Gerichts dazu, ob „das … alles“ (gemeint war die teilweise Schwärzung der Behördenauskünfte) „so in Ordnung sei“, erbeten hatte. Insgesamt bringt der Schriftsatz zum Ausdruck, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die Schwärzungen zwar für befremdlich gehalten hat, die Entscheidung darüber, ob diese hinreichend seien, aber in die Hand des Gerichts hat legen wollen.
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Die von den Antragstellern formulierte Bedingung ist auch eingetreten; denn der Vorsitzende der Kammer hat mit seinen Hinweisen vom 20.10.2020 zum Ausdruck gebracht, dass die teilweise Schwärzung der Behördenschreiben aus seiner Sicht keinen Grund gebe, an der Authentizität der Schreiben zu zweifeln; damit hat er erklärt, dass „alles so in Ordnung sei“. Daran ändert nichts, dass das Gericht im weiteren Verlauf des Verfahrens seine bereits geäußerte Rechtsauffassung überprüft und darauf hingewirkt hat, dass der Antragsgegner noch ungeschwärzte Behördenschreiben vorlegt.
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4. Für den Fall, dass das Verfahren doch nicht beendet wäre, bleibt auszuführen:
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a) Statthaft waren die Anträge gemäß § 4 Abs. 2 VereinsG.
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An ihrer früher vertretenen Auffassung, dass in Verfahren der vorliegenden Art vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 06.04.2018 - 4 K 9673/17 -, juris, Rn. 34; so im Anschluss auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.04.2019 - 1 S 982/18 -, juris, Rn. 19) und (wohl) demzufolge Rechtsschutz in der Hauptsache im Wege einer allgemeinen Leistungs- bzw. Unterlassungsklage zu gewähren wäre, hält die Kammer nicht fest.
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Insoweit bedarf es allerdings keiner Analogie zu § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, welche der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg für Fälle der vorliegenden Art verworfen hat mit der Erwägung, eine Regelungslücke im Vereinsgesetz liege insoweit nicht vor (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.04.2019 - 1 S 982/18 -, juris, Rn. 17).
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Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 2 VereinsG ein eigenes statthaftes, durch Regelungen der VwGO nur zu ergänzendes, Antragsverfahren eingeführt, welches nicht auf die Anordnung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen auf Antrag der für Vereinsverbote zuständigen Behörde beschränkt ist, sondern auch die Überprüfung solcher Maßnahmen auf Antrag des Betroffenen umfasst. In diesem - weiten, Art. 19 Abs. 4 GG entsprechenden - Sinn werden auch die entsprechenden einschlägigen Vorschriften der Strafprozessordnung verstanden (vgl. Bruns, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 105 StPO, Rn. 15 ff.: eines Rückgriffs auf § 23 EGGVG bedarf es nicht).
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Gegen eine solche Auslegung spricht nicht, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 Satz 2 VereinsG das Antragsverfahren des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO für Anordnungen der Verbotsbehörde oder einer ersuchten Stelle bei Gefahr im Verzug, in denen eine richterliche Anordnung nicht geboten ist, ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt. Denn damit folgt er dem vergleichbaren Regelungskonzept der Strafprozessordnung, bei dem, wie ausgeführt, eben gerade nicht der Umkehrschluss gezogen wird, dass in anderen Fallgestaltungen ein Antrag auf richterliche Entscheidung nach der Strafprozessordnung nicht gegeben sei.
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Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch, dass damit eine vom Gesetzgeber gewiss nicht gewollte Verdoppelung des Rechtsschutzes bzw. eine „Rechtsmittelspaltung“ vermieden wird (vgl. insoweit BVerwG, Beschl. v. 10.06.2020 - 6 AV 7.19 -, juris, Rn. 16; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.10.2020 - 1 S 2679/19 -, juris, Rn. 50), die etwa einträte, wenn im Anschluss an eine Durchsicht die zuständige Behörde eine Beschlagnahme beantragte, für welche zweifelsfrei das Verfahren nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 VereinsG gälte.
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Dass die Antragsteller ihr Rechtsschutzbegehren als „Klage“ bezeichnet haben, steht einer Umdeutung in einen allein statthaften Antrag gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG nicht entgegen.
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b) Die Antragsteller durften ihr Begehren mit Rücksicht auf die von ihnen angenommene Erledigung auch auf eine entsprechende Feststellung umstellen.
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c) Die Antragsteller waren antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO entsprechend); denn sie machen geltend, durch die im Wege der Amtshilfe erbetenen Maßnahmen zur Dekryptierung der auf dem bezeichneten Datenträger bezeichneten Dateien in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen gewesen zu sein; eine solche Möglichkeit bestand bis zur Beendigung dieser Maßnahmen.
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d) Zweifelhaft wäre aber, ob die Antragsteller ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend) hatten.
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Eine konkrete Wiederholungsgefahr war nicht ersichtlich. Der von ihnen angeführte Gesichtspunkt einer Rehabilitierung hätte wohl nicht getragen; denn in der Öffentlichkeit war nicht durch ein Verhalten des Antragsgegners der Eindruck entstanden, dass die Antragsteller in irgendeiner Verbindung mit dem verbotenen Verein „indymedia.linksunten“ stehen könnten. Vielmehr hatte der Antragsgegner nie bezweifelt, dass Herr L. sich nur deshalb im Besitz des Datenträgers mit dem gesamten Datenbestand der Antragstellerin zu 1 befand, weil diese ihn, in Unkenntnis von dessen Tätigkeit für den später verbotenen Verein, mit der Datenverarbeitung beauftragt hatte. Auch in der Öffentlichkeit war nichts Anderes bekannt geworden.
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Mithin hätten sich die Antragsteller für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allenfalls auf die Fallgruppe eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs berufen können, die dann eingreift, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen den Eingriff zu erlangen wäre. Davon ist aber nur bei Eingriffen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden können. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungs- (oder auch Leistungs-)klage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts (bzw. der behördlichen Maßnahme) selbst ergibt (vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 12.11.2020 - 2 C 5.19 -, juris, Rn. 15 m.w.N.). Ob dies in Fällen angenommen werden kann, in denen die Daten wie hier in einer Weise verschlüsselt sind, die behördlichen Versuchen der Dekryptierung standhalten, erscheint als zweifelhaft.
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5. Die Anträge wären aber nicht begründet gewesen; denn bis zum Eintritt der Rechtskraft der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts in den Verfahren wegen des Verbots des Vereins „linksunten.indymedia“ durfte der Antragsgegner die Behörden, die er mit der Entschlüsselung und im Erfolgsfall auch Durchsicht der auf dem sichergestellten Datenträger gespeicherten Dateien beauftragt hatte, hierfür hinzuziehen.
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Dies hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes näher ausgeführt (VG Freiburg, Beschl. v. 06.04.2018 - 4 K 9673/17 -, juris); darauf sowie auf die Gründe des auf die Beschwerde der Antragsteller hin ergangenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.04.2019 - 1 S 982/18 -, juris) kann verwiesen werden. In gleichem Sinn haben die mit der Sicherstellung der Dateien ebenfalls befassten Berliner Verwaltungsgerichte entschieden (VG Berlin, Beschl. v. 20.02.2018 - 29 L 35.18 -, OVG Berlin-Brbg, Beschl. v. 10.12.2018 - 1 S 13.18 -, juris); die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Antragsteller hatte keinen Erfolg (BVerfG, Beschl. v. 12.03.2019 - 1 BvR 95/19 -, juris).
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Die von den Antragstellern insoweit weiter geltend gemachten Einwände greifen nicht durch:
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Weder der Umstand, dass die Antragstellerin zu 1 frühzeitig auf ihr Eigentum an der Festplatte und den Inhalt der dort gespeicherten Dateien hingewiesen hatten, noch der Aufbewahrungsort der Festplatte bei Herrn X oder der Umstand, dass diese nicht beschriftet war, reichten als Indiz dafür aus, dass auf ihr Daten gespeichert waren, die mit dem Verbotsverfahren offensichtlich nichts zu tun hatten; im Gegenteil wiesen sie - wie ihre (wohl aufwändige) Verschlüsselung - zunächst einmal darauf hin, dass es sich um Daten handeln könnte, welche anderen verborgen bleiben sollten. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die von der Antragstellerin zu 1 gespeicherten Daten für das Verbotsverfahren eine Bedeutung hätten haben können, was gewiss nur eine theoretische Möglichkeit gewesen und vom Antragsgegner auch nicht ernsthaft angenommen worden sein dürfte. Vielmehr war es nicht von vornherein fernliegend, dass Herr X auf der Festplatte zusätzlich Dateien gespeichert hatte, die für das Verbotsverfahren Bedeutung hätten haben können. Der Einwand der Antragsteller, dies sei nicht plausibel, weil dies bei einer kurzfristigen Anforderung des Backups-Datenträgers mit der Gefahr einer Entdeckung des Wirkens von Herrn X für den Verein „indymedia-linksunten“ verbunden gewesen sei, überzeugt dagegen nicht; denn es ist nicht ersichtlich, weshalb Herr X auch in einem solchen Fall nicht genügend Zeit gehabt haben sollte, etwa dort gespeicherte Dateien noch systematisch zu löschen.
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Soweit die Antragsteller vortragen, der ergangene richterliche Durchsuchungsbeschluss und die erfolgte Sicherstellung des Datenträgers habe eine Durchsicht gemäß § 4 Abs. 4 Satz 4 VereinsG i.V.m. § 110 StPO noch nicht gerechtfertigt, vielmehr hätte es ergänzender richterlicher Prüfung und im Anschluss daran des Erlasses von Beschränkungen der Durchsicht bedurft (etwa hinsichtlich der bei einer Durchsicht verwendeten Deskriptoren), um sicherzustellen, dass sich die Durchsicht nicht auch auf die als Sicherungskopien der Antragstellerinnen abgespeicherten Dateien erstreckte, folgt dem die Kammer nicht. Richtig ist zwar, dass neben den verfahrensrechtlichen Sicherungen des § 110 StPO solche richterlichen Anordnungen schon in der Durchsuchungsanordnung oder auch im weiteren Verfahren hätte getroffen werden können. Von Amts wegen hat sich das Gericht dazu aber nicht veranlasst gesehen; denn für die Befürchtung der Antragsteller, die vom Antragsgegner herangezogenen Behörden würden die Grenzen der Durchsicht missachten oder gar die Dateien, wenn sie sie denn entschlüsselt hätten, für eigene Zwecke nutzen, gab es keine objektiven Anhaltspunkte. Im Übrigen wäre ein unnötiger Zugriff auf verbotsirrelevante Daten Dritter, wie sich im weiteren Verfahren ergeben hat, minimiert worden dadurch, dass die Dateien nur nach für das Verbotsverfahren einschlägigen Suchbegriffen (Deskriptoren) durchgesehen worden wären. Dementsprechend hat es auch das Bundesverfassungsgericht in dem oben erwähnten Beschluss dabei belassen, darauf hinzuweisen, dass die Durchsicht strikt auf den im Durchsuchungsbeschluss festgelegten Zweck zu begrenzen sei (BVerfG, Beschl. v. 12.03.2019 - 1 BvR 95/19 -, juris, Rn. 7).
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Soweit die Antragsteller die gesetzlichen Schranken für eine Durchsuchung bei dritten Personen (§ 4 Abs. 4 Satz 3 VereinsG) auf den vorliegenden Fall anwenden wollen, übersehen sie, dass sich der Datenträger im Gewahrsam von Herrn X befand.
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Auch die erneuten Einwände der Antragsteller zur Verhältnismäßigkeit der - mangels Entschlüsselung schließlich nicht erfolgten, aber beabsichtigten - Durchsicht greifen nicht durch. Die Antragsteller berücksichtigen dabei nicht, dass die beabsichtigte Durchsicht allein zu dem Zweck erfolgen sollte, zu erkennen, ob und ggf. welche der gespeicherten Dateien einen Bezug zu dem Vereinsverbotsverfahren hätten. Von daher geht auch ihr Vergleich zu einer Rasterfahndung bzw. einem elektronischen Datenabgleich fehl.
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Die Kammer hat weiter keine Zweifel an der Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern dafür, das Bundesamt für Verfassungsschutz und weitere Bundesbehörden mit der Durchsicht des Datenträgers zu beauftragen; denn dies geschah nicht in Vollzug des Vereinsverbots, für das die Länder zuständig sind (vgl. § 5 VereinsG), sondern im Rahmen seiner Ermittlungskompetenz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), der das ausgesprochene Vereinsverbot kein Ende gesetzt hatte.
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Schließlich greifen auch die Zweifel der Antragsteller daran, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eine für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständige Behörde im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG sei, und die Zweifel daran, dass kein Verstoß gegen das sogenannte Trennungsprinzip (in organisatorischer und informationeller Hinsicht) vorliege, nicht durch (vgl. OVG Berlin-Brbg, Beschl. v. 10.12.2018 - 1 S 13/18 -, juris, Rn. 17, 20 m.w.N.). Auch der Hilfsantrag wäre unbegründet; denn von einer Entschlüsselung der Daten musste eine nähere Eingrenzung der Durchsicht noch nicht erfolgen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO (vgl. auch § 100 Abs. 1 ZPO). Die Antragsteller sind schon deshalb unterlegen, weil sie die eingetretene Erledigung bestritten haben. Sollte diese doch nicht eingetreten sein, wären ihnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil ihre Anträge jedenfalls unbegründet gewesen wären.
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Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht; denn das Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz weist Verfahren der vorliegenden Art keine Gebühr zu.

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