Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 9 K 2811/18

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung, dass für ihn Abschiebungsverbote hinsichtlich Südkorea vorliegen und wendet sich gegen die Abschiebungsandrohung.
Der am x.1997 geborene Kläger ist südkoreanischer Staatsangehöriger. Er verließ seinen Herkunftsstaat im September 2016 und reiste mit einem Touristenvisum auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein, wo er am 17.10.2016 einen förmlichen Asylantrag stellte.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) hörte den Kläger am 24.01.2017 persönlich zu seinen Asylgründen an, die der Kläger mit im März 2017 beim Bundesamt eingegangenen Schreiben weiter ausführte. Er gab im Wesentlichen an, er habe in Südkorea die Schule bis zur 10. Klasse besucht, habe diese dann aber im September 2014 ohne Abschluss verlassen, weil er dort nur auswendig habe lernen müssen. Zugleich legte er ein Abschlusszeugnis einer Mittelschule vor, das am 24.08.2016 ausgestellt wurde. Nachdem er die Schule verlassen habe, habe er in einem Fleischrestaurant gekellnert sowie bei Pizza Hut gearbeitet. 2015 habe er auch vier Monate lang eine staatliche Filmschule besucht. Die finanzielle Situation seiner Mutter und von ihm selbst sei nicht gut gewesen. In Südkorea lebten noch sein Vater und seine Schwester, sowie mütterlicherseits Tanten und ein Onkel. Zu den Gründen seiner Ausreise gab der Kläger an, er habe Südkorea wegen der Wehrpflicht verlassen. Er sei dagegen, dass alle gesunden Männer Wehrdienst leisten müssten, obwohl sich Südkorea seit 60 Jahren nicht mehr im Krieg befinde. Männer, die den Wehrdienst verweigerten, würden in der Regel eineinhalb Jahre inhaftiert und hätten anschließend soziale Nachteile. Sie könnten etwa nicht als Beamte angestellt werden oder würden bei privaten Firmen benachteiligt. Die Namen von Wehrdienstverweigerern würden auf einer online einsehbaren Liste veröffentlicht. In diesem Fall würden aber die Menschenrechte und das Recht auf Privatsphäre des Klägers verletzt. Er habe sich dem Wehrdienst wegen seines Glaubens entzogen. Denn einerseits lerne man dort, wie man schießen und töten solle. Andererseits beruhe die Armee auf einer Tradition aus der japanischen Kolonialzeit, die unbedingten Gehorsam verlange. In der Armee fänden zudem seelische und körperliche Misshandlungen statt, die zum Teil auch zu Todesfällen von Soldaten geführt hätten. Er sei gegen Übungen, die dazu dienten, das Töten zu simulieren. Seit seiner Kindheit habe er sich mit der Frage des Tötens auseinandergesetzt, etwa beim Essen von Fleisch. Er habe mit etwa 13 Jahren den Film „Brotherhood“ über den Krieg zwischen Nord- und Südkorea gesehen und verstanden, dass es beim Krieg nur Verlierer gebe und alle danach krank oder getötet worden seien. Deshalb solle so ein Krieg nie wieder passieren. Im Ethikunterricht in der Schule habe er dann erfahren, dass es Menschen gebe, die den Wehrdienst verweigern, und habe sich mit ihren Gründen auseinandergesetzt. Er habe 2014 auch ein Buch von Siddhartha gelesen und sei in seinem Glauben, dass alle Lebewesen gleich seien und in seinem Glauben an den Wert des Lebens im Allgemeinen bestärkt worden. Der Kläger habe sich daher weiter informiert und erfahren, dass in der Armee Soldaten in verschiedene Gruppen von A bis C eingruppiert würden, wobei die Gruppe B Soldaten aus problematischen Verhältnissen umfasse, etwa mit alleinerziehendem Elternteil oder aus ärmlichen Verhältnissen. Sie stünden unter besonderer Beobachtung. Der Kläger würde unter seinen Voraussetzungen in diese Gruppe eingeordnet und würde dann auch unter besonderer Beobachtung stehen. Er habe Angst vor dem Militärdienst gehabt, weil er in der Schule selbst gemobbt worden sei und sich diese Erfahrungen nun wiederholen würden. Er könne zudem niemanden töten und solche Dinge auch nicht lernen; er müsste bei der Ableistung des Wehrdienstes zudem gehorsam sein, sein Selbstbewusstsein und seine Überzeugungen würden nicht akzeptiert. Er habe Angst, im Falle des Militärtrainings selbst zu einem „Monster“ und gewalttätig zu werden. Im Falle der Rückkehr müsse er in Haft, könne seinen Beruf nicht frei wählen und hätte keine Möglichkeit, sein Grundrecht auf Leben zu verwirklichen.
Ein weiterer Grund für die Ausreise sei die Gewalt gegen seine Schwester in der Schule gewesen, die über mehr als zwei Jahre angedauert habe. Sie sei von Mitschülerinnen in der Schule misshandelt worden. Es habe eine Untersuchung gegeben, allerdings sei diese zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger und seine Mutter seien gegen die Mitschülerinnen und das Mädchen selbst gewalttätig gewesen. Infolgedessen seien der Kläger und seine Mutter im Wohnbezirk isoliert, ausgeschlossen und beschimpft worden. Die Mutter habe deshalb psychische Probleme bekommen. Die Schwester sei dann mehrfach von zuhause weggelaufen, habe eine Beziehung mit einem älteren Mann begonnen, sei vom Jugendamt in Obhut genommen und letztendlich dem Vater übergeben worden, obwohl die Mutter für sie das alleinige Sorgerecht nach der Scheidung von ihm gehabt habe. Der Kläger habe seine Schwester im Dezember 2015 das letzte Mal gesehen. Er habe wegen dieser Geschehnisse große Angst vor der Gesellschaft und den Menschen in Südkorea.
Mit Bescheid vom 28.03.2018, der dem Kläger am 05.04.2018 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung und die Gewährung subsidiären Schutzes ab (Ziffer 1-3 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Südkorea oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziffer 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, den südkoreanischen Strafverfolgungsmaßnahmen, wenn sich ein Wehrdienstpflichtiger dem Wehrdienst entziehe, wohne keine (politische) Verfolgungstendenz inne. Südkorea sei eine funktionierende, stabile Demokratie mit einer grundsätzlich unabhängigen Justiz. Dem Kläger drohe kein unfaires Gerichtsverfahren oder eine übermäßig harte Bestrafung. Eine Verfolgung, die an ein unveränderliches Merkmal des Klägers anknüpfe, sei nicht ersichtlich. Die mit der Wehrdienstverweigerung einhergehenden sozialen Folgen stellten keinen hinreichend schweren Eingriff dar. Auch die familiären Probleme mit der Schwester führten nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da insofern bereits nicht erkennbar sei, dass der Kläger hiervon betroffen gewesen sei. Anhaltspunkte für Abschiebungshindernisse lägen nicht vor, da der Kläger ein gesunder, arbeitsfähiger Mann sei, der seinen Lebensunterhalt jedenfalls auf dem Niveau des Existenzminiums bestreiten könne. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids verwiesen.
Gegen den Bescheid hat der Kläger am 09.04.2018 Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe den Militärdienst in Südkorea aus Gewissensgründen verweigert. Hierzu legte er eine persönliche Stellungnahme vom 01.06.2018 sowie Stellungnahmen des Connection e.V. vom 04.06.2019 und des European Bureau for Conscientious Objection vom 03.06.2018 vor. Die Rückkehr nach Südkorea sei ihm unzumutbar, denn das zum 01.01.2020 in Kraft getretene Zivildienstgesetz sei keine wirkliche Alternative zum Militärdienst, sondern stelle eine neue Strafe für Wehrdienstverweigerer dar. Menschen würden zur Arbeit im Gefängnis gezwungen, die fast doppelt so lang sei wie der typische Militärdienst.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise, festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote im Hinblick auf Südkorea gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28.03.2018 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen
11 
Mit Schriftsätzen vom 09.04.2018 und vom 18.04.2018 haben sich der Kläger und die Beklagte mit der Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
12 
Mit Beschluss vom 05.05.2021 ist dem Kläger für das Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
13 
Der Kläger ist unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere des weiteren Vorbringens des Klägers, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Bundesamts verwiesen. Weiter wird auf die ebenfalls beigezogene Gerichtsakte (Az. A 9 K 3444/18) und die Verwaltungsakte zum Verfahren der Mutter des Klägers, x, verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO).
15 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat. Denn die Ladung, die der Beklagten mit Empfangsbekenntnis vom 12.08.2021 übermittelt worden ist, enthielt den Hinweis gemäß § 102 Abs. 2 VwGO.
16 
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
17 
I. Die Klage ist zwar als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft (§ 42 VwGO) und zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist erhoben worden (§ 74 Abs. 1 AsylG).
18 
II. Sie ist aber sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch der Hilfsanträge zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gemäß § 77 Abs. 1 1. Hs. AsylG unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28.03.2018 ist insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
19 
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
20 
a) Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vom Vorliegen der begründeten Furcht vor einer Verfolgung bzw. der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer solchen durch eine Verfolgungshandlung (§ 3a AsylG) eines Verfolgungsakteurs (§ 3c AsylG), die an einen Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) anknüpft, abhängig, sowie dem Fehlen eines geeigneten Schutzakteurs (§ 3d AsylG) und von internem Schutz (§ 3e AsylG).
21 
Die Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG kann gemäß § 3c AsylG (vgl. Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011, nachfolgend: RL 2011/95/EU) ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in § 3c Nr. 1 und Nr. 2 AsylG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Bei der Bewertung der begründeten Furcht vor Verfolgung ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist (§ 3b AsylG), die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen des § 3a AsylG muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
22 
Die „begründete Furcht vor Verfolgung“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG setzt neben dem subjektiven Merkmal der Furcht der Person, die den Flüchtlingsstatus beantragt, auch die Stützung auf objektive Tatsachen voraus (vgl. Dörig, in: Hdb. Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 19, Rn. 108). Maßstab hierfür ist, ob dem Ausländer in seinem Heimatland eine Verfolgung i.S.d. § 3a AsylG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt – in Anlehnung an den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Rahmen des Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. II 1952, S. 685, nachfolgend: EMRK) entwickelten Maßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“; vgl. EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - [Saadi], Rn. 125, Rn. 128 ff.) – voraus, dass bei einer „qualifizierenden“ und zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - juris, Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 - juris).
23 
Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn der Ausländer sich an einen geeigneten Schutzakteuer i.S.d. § 3d AsylG (vgl. Art. 7 RL 2011/95/EU) wenden kann. Sie wird zudem nicht zuerkannt, wenn gemäß § 3e AsylG in einem Teil des Herkunftslands eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, dort also keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG besteht und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU).
24 
Das Gericht trifft seine Entscheidung nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO). Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens. An diesem kann es etwa fehlen, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 - juris, Rn. 51 ff., insb. Rn. 58). Das Gericht muss sich die volle Überzeugungsgewissheit von der Richtigkeit sowohl der Prognosebasis als auch der anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu treffenden Prognose verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2020 - 1 C 35.19 - juris, Rn. 28). Hierfür ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erforderlich, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.2020 - 1 C 36.19 - juris, Rn. 20).
25 
b) Dem Kläger ist nach diesen Maßstäben und Grundsätzen nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Ihm droht im Falle der Rückkehr nach Südkorea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Dies gilt weder für die Möglichkeit der Heranziehung zum Militärdienst, noch für die im Falle der Verweigerung drohende Haft, noch für die Heranziehung zum Wehrersatzdienst (aa). Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger geltend gemachten sozialen Ächtung wegen der familiären Probleme um seine Schwester (bb).
26 
aa) Dem Kläger droht im Falle der Rückkehr nach Südkorea zur Überzeugung der Berichterstatterin keine flüchtlingsrechtliche Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG.
27 
(1) Die dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea drohende Einberufung zum Wehrdienst sowie die ihm wegen der Wehrdienstverweigerung drohende Haftstrafe stellen keine Verfolgungshandlung dar (vgl. § 3a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AsylG), die nach § 3a Abs. 3 AsylG an eine Gewissenshaltung (§ 3b Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 lit. a), Abs. 2 AsylG) anknüpft und die sich als gravierende Verletzung seiner grundlegenden Menschenrechte – insbesondere seiner Gewissensfreiheit (Art. 10 GRCh und Art. 9 EMRK) – darstellt.
28 
Die Gewissenfreiheit ist verletzt, wenn eine Grundentscheidung für den Kläger derart bedeutsam für seine Identität ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden kann, auf sie zu verzichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.07.2019 - 1 B 55.19 - juris, Rn. 9). Dabei kann die Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen eine politische Meinung (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG) darstellen, insbesondere, wenn es der Wehrdienstverweigerer für unverantwortlich hält, im Krieg Menschen zu töten, sodass er der Regierung zugleich das moralische Recht abspricht, Kriege zu führen (vgl. Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2. Aufl. 2019, S. 54 m.N.). Die Ablehnung des Wehrdienstes, wenn sie mit einem ernsthaften und unauflösbaren Widerspruch zwischen der Pflicht, Wehrdienst zu leisten, und dem Gewissen eines Menschen oder seinen tiefen und echten Glaubensüberzeugungen begründet wird, setzt jedenfalls eine Überzeugung oder einen Glauben von ausreichender Stärke, Ernsthaftigkeit, Festigkeit und Bedeutung voraus (vgl. EGMR, Urteil vom 07.07.2011 - 23459/03 [Batayan/Armenien] - BeckRS 2012, 80059, Rn. 110).
29 
Ein Ausländer wird wegen einer (politischen) Überzeugung verfolgt, wenn dies geschieht, weil er eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, und zwar in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Dabei genügt es, dass dem Ausländer diese Überzeugung von seinem Verfolger zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG) (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 21). Diese (politische) Überzeugung wird in erheblicher Weise unterdrückt, wenn ein Staat mit Mitteln des Strafrechts oder in anderer Weise auf Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des einzelnen schon deshalb zugreift, weil dieser seine mit der Staatsraison nicht übereinstimmende politische Meinung nach außen bekundet und damit notwendigerweise eine geistige Wirkung auf die Umwelt ausübt und meinungsbildend auf andere einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 19.05.1987 - 9 C 184.86 - juris, Rn. 19). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Betroffene eine Behandlung erleidet, die härter ist als sie sonst zur Verfolgung ähnlicher, nichtpolitischer Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat üblich ist (sogenannter „Politmalus“) (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 2; BVerwG, Urteil vom 28.06.1983 - 9 C 778.80 - juris, Rn. 10; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53; OVG Sachsen, Urteil vom 22.09.2021 - 5 A 855/19.A - juris, Rn. 77 m.N.).
30 
Eine unzulässige Sanktionierung einer (politischen) Überzeugung liegt grundsätzlich jedoch nicht schon dann vor, wenn die staatliche Maßnahme der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Wehrpflicht dient. Der Staat hat grundsätzlich ein legitimes Recht auf Unterhaltung einer Streitkraft (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 52). Sanktionen, die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfen, sind daher nicht schon für sich allein (politische) Verfolgung, selbst wenn diese von totalitären Staaten verhängt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.1986 - 9 C 322.85 - juris, Rn. 11 m.N.; BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 2.17 - juris, Rn. 22; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53; vgl. auch Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2. Aufl. 2019, S. 57 m.N.). Dieser Wertung entspricht auch Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 5 AsylG), wonach keine automatische Verknüpfung einer Militärdienstentziehung mit einem Verfolgungsgrund angenommen werden kann, sondern nur, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit beinhalten würden (vgl. Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 3. Update August 2021, b) Militärdienstverweigerung, Rn. 29a ff.).
31 
Staatliche Maßnahmen wegen einer Militärdienstverweigerung als solche können daher nicht als Verfolgung qualifiziert werden. Sie begründen grundsätzlich erst dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Furcht vor Verfolgung, wenn sie den Betroffenen über die Ahndung des allgemeinen Pflichtverstoßes hinaus wegen seiner politischen Überzeugung oder auch eines sonstigen asylerheblichen Merkmals, zu der auch die Gewissensfreiheit zählen kann, treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 2.17 - juris, Rn. 22 m.N.; vgl. Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 3. Update August 2021, b) Militärdienstverweigerung, Rn. 29 ff.). Die Strafverfolgung erwiese sich dann als unverhältnismäßige Bestrafung, wenn dem Wehrdienstverweigerer eine Behandlung drohte, die über das hinausgeht, was erforderlich ist, damit der betreffende Staat sein legitimes Recht auf Unterhaltung einer Streitkraft ausüben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 50). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Maßnahmen öffentlicher Stellen einen diskriminierenden oder unverhältnismäßigen Charakter mit einem bestimmten Schweregrad erreichen, so dass sie als Verletzung von Grundrechten einzustufen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 2.17 - juris, Rn. 22 m.N.; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53; EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 49).
32 
Ob eine Verfolgungshandlung dann zu bejahen ist, wenn der Wehrdienstverweigerer den Dienst aus religiösen oder sonstigen Gewissensgründen verweigert und hierauf keine Rücksicht genommen worden ist (vgl. zustimmend Hathaway/Foster, The Law of Refugee Status, 2. Aufl. 2014, S. 269 ff. m.N. aus der Rspr. nationaler und internationaler Gerichte; Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2. Aufl. 2019, S. 57 unter Bezugnahme auf Empfehlung Nr. R(87)8 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und der Beschlüsse des UN-Menschenrechtsausschusses (General Comment Nr. 22 vom 30.07.1993); ablehnend Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 3. Update August 2021, b) Militärdienstverweigerung, Rn. 29 ff.; OVG Sachsen, Beschluss vom 03.02.2020 - 3 A 60/20.A - juris, Rn. 11 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2000 - 12 A 11883/96 - juris), kann dahinstehen, wenn die – zumutbare – Möglichkeit besteht, einen zivilen Ersatzdienst abzuleisten. Dem Kriegsdienstverweigerer ist insofern zuzumuten, ein ihm im konkreten Fall zur Verfügung stehendes Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer anzustrengen (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 45; VG Dresden, Urteil vom 06.02.2019 - 1 K 261/18.A - juris; VG Bayreuth, Urteil vom 05.02.2019 - B 9 K 17.30312 - juris, Rn. 34 ff.). Beruft sich der Betreffende auf eine Gewissensentscheidung, kann eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen einer Wehrdienstentziehung regelmäßig nur angenommen werden, wenn er durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 EMRK verletzt wird. Dabei kommt es insbesondere auch darauf an, ob der Betreffende eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Wehr- oder Kriegsdienst glaubhaft machen kann (vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 05.02.2018 - 11 ZB 18.30185 - juris, Rn. 6).
33 
(2) Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel müssen kraft Gesetzes nahezu alle männlichen Südkoreaner zwischen 18 und 40 Jahren aktiven Militärdienst leisten, da sich Südkorea jedenfalls faktisch noch im Krieg mit Nordkorea befindet. Vor dem Hintergrund jahrzehntelang niedriger Geburtenraten wird es bald nicht mehr genug junge Männer geben, um die Zahl der Wehrpflichtigen auf dem aktuellen Stand von 620.000 Mann zu halten (The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt's a Job, Stand: 24.10.2020). Der von den Wehrdienstpflichtigen abzuleistende Zeitraum variiert. Er liegt bei 21 Monaten, wenn der Dienst bei der Armee abgeleistet wird, bei 23 Monaten bei der Marine und bei 24 Monate bei der Luftwaffe (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021). Vor dem Antritt zum Wehrdienst werden die Wehrpflichtigen einer medizinischen Untersuchung (einschließlich psychologischer, physischer und allgemeinbildender Tests) unterzogen, der sich eine Einstufung in sechs Kategorien der militärischen Eignung anschließt. Die ersten drei Kategorien werden dem „aktiven Militärdienst“ zugewiesen, die vierte dem „zusätzlichen Militärdienst“, die fünfte ist nur im Kriegsfall zum Militärdienst zugelassen und die sechste Kategorie vom Militärdienst vollständig befreit (Refugee Review Tribunal, Australia, RRT Research Response Nr. KOR30754, Country: South Korea, Stand: 16.10.2006). An die Wehrpflicht schließt sich eine achtjährige Reservistenpflicht an (vgl. auch Refugee Review Tribunal, Australia, RRT Research Response Nr. KOR30754, Country: South Korea, Stand: 16.10.2006).
34 
Gemäß Artikel 88 des Wehrdienstgesetzes von 2003 kann die Verweigerung des Dienstes mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden (Refugee Review Tribunal, Australia, RRT Research Response Nr. KOR30754, Country: South Korea, Stand: 16.10.2006). Tatsächlich sind Wehrdienstverweigerer oft 18 Monate oder mehr inhaftiert worden (BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020).
35 
In der Vergangenheit haben v.a. Anhänger der Zeugen Jehovas aus moralischen und religiösen Gründen die Einberufung zum Militär verweigert. Seit 1950 wurden etwa 20.000 junge Männer wegen ihrer Weigerung, den Wehrdienst zu leisten, inhaftiert (BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020). Das zum 01.01.2020 in Kraft getretene Zivildienstgesetz sieht jedoch seither für Verweigerer der Wehrpflicht aus Religions- und Gewissensgründen zivile Alternativen zum Wehrdienst vor. Wehrdienstverweigerer können danach die Dienstpflicht auch erfüllen, indem sie 36 Monate lang als Regierungsangestellte in Justizvollzugsanstalten arbeiten. Sie arbeiten, essen und schlafen dann im Gefängnis, allerdings getrennt von den Insassen, und erhalten einige Wochen Jahresurlaub; weiterhin sind Wehrdienstverweigerer vom Wach- und Gefangenenbegleitdienst befreit, da dieser das Tragen von Schusswaffen beinhaltet (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021; siehe auch BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020; The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020). Kriegsdienstverweigerer können ihre achtjährige Reservistenpflicht durch Arbeit in Justizvollzugsanstalten erfüllen, wobei sie sechs Jahre lang an vier Tagen pro Jahr arbeiten müssen (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021).
36 
Ein Ausschuss der Militärverwaltung prüft die Anträge auf Ableistung des Zivildienstes, um sicherzustellen, dass die Person ernsthafte Einwände gegen den Militärdienst hat (The Diplomat, South Korea’s Conscientious Objectors Are Getting an Alternative to Military Service, Stand: 09.07.2020). Anträge konnten ab dem 20.06.2020 eingereicht werden. Der Alternativdienst begann erstmalig im Oktober 2020. Inzwischen haben auch die Gerichte Verfahren von Wehrdienstverweigerern neu aufgerollt und die Staatsanwaltschaft sich auf die Frage konzentriert, ob eine Person den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert (vgl. The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020); in einigen Fällen v.a. betreffend Zeugen Jehovas wurden die Anklagen auch gänzlich fallen gelassen (BBC, South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020).
37 
Insgesamt haben NGOs das neue Zivildienstgesetz als deutliche Verbesserung gegenüber dem vorherigen System bewertet (vgl. The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020). Vertreter der Zeugen Jehovas erklärten jedoch auch, das neue Gesetz weiche in mehrfacher Hinsicht von internationalen Normen ab, u.a. bei der Dauer des Zivildienstes (drei Jahre), die ihnen im Vergleich zu der kürzeren Zeitspanne von zwei Jahren oder weniger für Wehrdienstleistende als strafend erscheine. Sie erklärten auch, die Aufsicht über den Ausschuss solle vollständig von Personen der Zivilgesellschaft besetzt sein und nicht wie jetzt dem Verteidigungsministerium unterstehen (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021). Zum Teil wird daher kritisiert, dass der Ersatzwehrdienst tatsächlich nur eine alternative Bestrafung sei (BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020; The Diplomat, South Korea’s Conscientious Objectors Are Getting an Alternative to Military Service, Stand: 09.07.2020).
38 
Hinsichtlich der Haftbedingungen in südkoreanischen Haftanstalten und Gefängnissen gibt es keine Berichte, wonach Menschenrechte in größerem Ausmaß missachtet würden. Es gibt bis auf wenige Einzelfälle aus Südkorea keine Berichte bezüglich menschenunwürdiger physischer Haftbedingungen oder bezüglich etwaiger Misshandlung von Insassen. Im Anschluss an einen Vorfall, bei dem ein Insasse im Mai 2020 ums Leben gekommen war, ergriff das das Justizministerium Abhilfemaßnahmen, u.a. durch die Anordnung, dass Fesseln während der Schlafenszeit zu entfernen sind, sowie die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes für Ärzte, die nachts und an Feiertagen telefonisch zur Verfügung stehen (US DOS, 2020 Country Report on Human Rights Practices: Republic of Korea, Stand: 30.03.2021). Nach Angaben des Justizministeriums stehen den Häftlingen mehrere Rechtsmittel zur Verfügung, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt sehen. Die Häftlinge können sich etwa direkt an den Minister wenden, eine Beschwerde bei der Hotline für Menschenrechtsverletzungen beim Ministerium einlegen, sich an die Kommission für Korruptionsbekämpfung und Bürgerrechte wenden oder Klage vor den Verwaltungsgerichten erheben (US DOS, 2020 Country Report on Human Rights Practices: Republic of Korea, Stand: 30.03.2021).
39 
(3) Gemessen daran ist die Berichterstatterin davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea keine, im flüchtlingsrechtlich relevanten Sinn diskriminierende Verfolgungshandlung droht.
40 
(aa) Eine solche individuelle Bedrohungslage ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea gegen seine freie Gewissensentscheidung zum Militärdienst gezwungen werden könnte.
41 
Der Kläger hat insoweit sowohl im Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt am 24.01.2017 als auch in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe den Militärdienst aus religiösen, ethischen und moralischen Gründen verweigert. Er habe sich bereits früh Gedanken zu Gewalt gemacht und was dies bedeute; er glaube zwar nicht an Gott, stehe aber dem buddhistischen Gedanken der Wiedergeburt nahe. Es sei beim Militär erforderlich, dass man Kriege führen will, bei denen auch Menschen sterben können. Dieser Fakt sei für ihn untragbar. In der Armee fänden darüber hinaus seelische und körperliche Misshandlungen der Soldaten statt. Zudem verlange der Militärdienst Gehorsam, sodass sein Selbstbewusstsein und seine Überzeugungen nicht akzeptiert würden. Im Falle der Rückkehr müsse er in Haft, könne seinen Beruf nicht frei wählen und hätte keine Möglichkeit, sein Grundrecht auf Leben zu verwirklichen. Den Antritt eines Wehrdienstersatzes würde der Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea nicht anstrengen wollen, weil er sich dann einem System beugen müsse, das er nicht so gut fände. Denn dieser Wehrersatzdienst sei im Gefängnis abzuleisten und stelle ein ungerechtes System dar. Er könne sich nicht vorstellen, einen Dienst im Gefängnis abzuleisten und dort 36 Monate arbeiten zu müssen. Auch müsse er vor der Kommission, die über die Wehrdienstverweigerung entscheidet, zunächst nachweisen können, dass er ethische Gründe gegen die Wehrdienstpflicht habe. Bei diesen sei es aber schwieriger, als Wehrdienstverweigerer anerkannt zu werden. Dies sei erst etwa zwei Mal vorgekommen.
42 
Vorliegend kann dahinstehen, ob die vom Kläger vorgebrachten Gründe in der Sache als ihm unverfügbare Gewissensmerkmale zu qualifizieren sind. Hieran bestehen für die Berichterstatterin in Anbetracht des Vorbringens des Klägers vor dem Bundesamt und im Hinblick auf seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung teilweise Zweifel. Aus der Gesamtschau ergibt sich für die Berichterstatterin eher der Eindruck, dass sich der Kläger – was auch durchaus nachvollziehbar ist – dem Druck und der Pflicht zum Gehorsam beim Militär entzogen hat, was sich insbesondere vor dem Hintergrund seiner Mobbing-Erfahrung in seiner Kindheit, der sozialen Ächtung im Zusammenhang mit den Problemen um seine Schwester und dass der Kläger etwa auch die Schule verlassen hat, damit ihm keine Vorgaben gemacht würden, ergibt. Eine Entscheidung hierüber kann aber in der Sache dahinstehen, weil der Kläger bezüglich des Vorbringens seiner Gewissensgründe jedenfalls auf das nationale Verfahren zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen in Südkorea zu verweisen ist. Der Kläger hat selbst in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er im Falle der Rückkehr nach Südkorea zunächst einen Antrag auf Wehrdienstverweigerung stellen und seine Gründe vorbringen müsste. Er hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es bereits Fälle von Wehrdienstverweigerern gegeben hat, in denen der Ersatzdienst – neben religiösen Gründen – aus sonstigen Gewissengründen zugelassen worden ist. Es erscheint für die Berichterstatterin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass der Kläger im südkoreanischen Verfahren mit seinem Vorbringen Erfolg haben wird; jedenfalls ist es ihm zumutbar, diesen verfahrensrechtlich auch eingehegten Weg zu beschreiten.
43 
Für die Berichterstatterin sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser Ersatzdienst die Rechte des Klägers in diskriminierender Weise verletzte. Dies ergibt sich weder aus der Länge, noch den Grundbedingungen des zivilen Ersatzdienstes. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel prüft ein Ausschuss der Militärverwaltung die Anträge auf Ableistung des Zivildienstes (The Diplomat, South Korea’s Conscientious Objectors Are Getting an Alternative to Military Service, Stand: 09.07.2020). Wehrdienstverweigerer können die Dienstpflicht erfüllen, indem sie 36 Monate lang als Regierungsangestellte in Justizvollzugsanstalten arbeiten, anstelle des Wehrdienstes, der zwischen 21 - 24 Monate lang dauert. Jeweils besteht eine achtjährige Reservistenpflicht, die Wehrdienstverweigerer sechs Jahre lang an vier Tagen pro Jahr ableisten müssen. Während des Ersatzdienstes arbeiten, essen und schlafen die jungen Männer im Gefängnis, allerdings getrennt von den Insassen, und erhalten einige Wochen Jahresurlaub. Wehrdienstverweigerer sind vom Wach- und Gefangenenbegleitdienst befreit, da dieser das Tragen von Schusswaffen beinhaltet (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021; siehe auch BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020; The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020).
44 
Die Berichterstatterin ist davon überzeugt, dass dieser Wehrersatzdienst – insbesondere nicht vor dem Hintergrund der nach wie vor bestehenden Konfliktlage mit Nordkorea – keine alternative Bestrafung darstellt. Vielmehr werden Wehrdienstverweigerer von der Pflicht, Waffen zu tragen, verschont und erhalten eine Besoldung und Jahresurlaub. Insofern darf von dem Wehrdienstverweigerer sowohl erwartet werden, dass er ein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer betreibt (vgl. erneut EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris), als auch, dass derjenige, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat, den Zivildienst in Kauf nehmen wird. Der Zivildienst bildet für den Kriegsdienstverweigerer eine die Gewissensfreiheit nicht verletzende Alternative zum Wehrdienst, auch wenn der zivile Ersatzdienst diesem an Lästigkeit nicht wesentlich nachsteht (vgl. so zum damals ebenfalls um ein Drittel längeren Zivildienst gegenüber dem Wehrdienst: BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 - juris, Rn. 54). Ein ziviler Ersatzdienst kann nach Dauer und Belastung sogar als gegenüber dem Wehrdienst „lästigere“ Alternative ausgestattet sein, um so die in seiner Inkaufnahme zu Ausdruck kommende Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung sicherzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 13.04.1978 - 2 BvF 1/77 - juris, Rn. 77 ff.).
45 
(bb) Im Übrigen stellte die für die Wehrdienstverweigerung drohende Haftstrafe, sofern der Kläger mit dem Verfahren zur Verdienstverweigerung erfolglos bliebe, führ ihn keine diskriminierende Verfolgungshandlung dar. Dass die südkoreanischen (Straf-)Verfolgungsbehörden den Kläger, der wegen des drohenden Wehrdienstantritts ausgereist ist, bei einer Rückkehr über die Verweigerung des Wehrdienstantritts hinaus zusätzlich für seine Überzeugung mit Gefängnishaft bestrafen würden, ist nicht ersichtlich.
46 
Die Bestrafung von Wehrdienstverweigerern in Südkorea wird jenseits der Durchsetzung der alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Wehrpflicht nicht zielgerichtet eingesetzt, um Deserteure wegen ihrer – auch nur zugeschriebenen – (politischen) Überzeugung zu treffen. Staatsbürgern, die den Militärdienst nicht angetreten oder vollständig abgeleistet haben, wird nicht generell eine Regimegegnerschaft bzw. oppositionelle politische Überzeugung unterstellt; dies gilt insbesondere nicht, weil sich das südkoreanische System mehr und mehr öffnet und inzwischen die Möglichkeit eines Ersatzwehrdienstes vorsieht. Die Betrachtung hat auch vor dem Hintergrund zu erfolgen, dass sich Südkorea noch immer im Konflikt mit Nordkorea befindet und das Land aufgrund der konstant niedrigen Geburtsraten auf die Einziehung junger Männer angewiesen ist (vgl. zu den Bewertungsmaßstäben: BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 23). Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ist nicht zu entnehmen, dass die Haftbedingungen für Deserteure im Strafvollzug anders ausfallen als für sonstige Strafgefangene. Für sie liegt die Haftzeit regelmäßig bei 18 Monaten und damit unter den gesetzlich zulässigen Höchststrafen von bis zu drei Jahren (vgl. zur verhältnismäßigen, ähnlich langen Freiheitsstrafe von 100 Tagen bis zu 15 Monaten bei einem Strafrahmen bis zu 5 Jahre eines US-amerikanischen Deserteurs: EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 51). Im Entscheidungsprozess über die Haftstrafe ist zudem jeweils ein unabhängiges, einem bereits vorliegenden Gesetz unterworfenes allgemeines Gericht zuständig, nicht hingegen eine Sondergerichtsbarkeit oder staatliche Organe wie Polizei und Militär. Die fehlende Bindung der staatlichen Strafgewalt spräche mehr für eine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.05.1983 - 9 C 36.83 - juris, Rn. 35 f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53).
47 
bb) Eine dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr ergibt sich auch nicht aus den von ihm geschilderten familiären Problemen um seine Schwester. Auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids wird insoweit verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger insoweit durch einen Verfolgungsakteuer nach § 3c AsylG eine Verfolgung drohte, die an flüchtlingsrechtlich relevante Merkmale in seiner Person anknüpfte (§ 3b AsylG). Hierzu zählt insbesondere nicht die die von der südkoreanischen Gesellschaft drohende „soziale Ächtung“, sofern man dem Kläger und seiner Mutter zu Unrecht vorgeworfen haben sollte, die Schwester misshandelt zu haben. Sofern diese Vorwürfe seit der Ausreise und den Geschehnissen im Dezember 2015 und mangels Kontakts zu der Schwester überhaupt noch bestehen sollten, was für die Berichterstatterin ausgeschlossen erscheint, wäre der Kläger jedenfalls auf die Inanspruchnahme nationaler Schutzakteure i.S.d. § 3d AsylG wie etwa der Gerichte zu verweisen.
48 
2. Der Kläger ist auch nicht als Asylberechtigter gemäß Art. 16a GG anzuerkennen.
49 
Scheidet nach vorangegangenen Ausführungen ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den Grundsätzen der Genfer Flüchtlingskonvention aus, so hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG. Dies ergibt sich bereits aus dem weitgehenden Gleichklang der jeweiligen Voraussetzungen für diese Ansprüche (vgl. zu Art. 16a GG im Einzelnen Dörig, in: Hdb. Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 19, Rn. 12 ff.; zur Prägung des Asylgrundrechts durch die Genfer Flüchtlingskonvention vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. - juris, Rn. 30).
50 
3. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach dem vorliegend allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen für den Kläger ebenfalls nicht vor.
51 
Zwar setzt die Zuerkennung subsidiären Schutzes eine Anknüpfung an bestimmte Verfolgungsgründe (§ 3b AsylG) gerade nicht voraus und käme deshalb hier auch im Fall des Klägers zumindest im Grundsatz in Betracht, in dem solche Verfolgungsgründe nach dem oben Gesagten fehlen. Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist aber ein Ausländer nur dann subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Zuerkennung subsidiären Schutzes setzt die tatsächliche Gefahr eines solchen ernsthaften Schadens i.S.d. § 4 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 15 RL 2011/95/EU) durch einen Schadensverursacher (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG) sowie das Fehlen eines geeigneten Schutzakteurs (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3d AsylG) und von internem Schutz (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG) voraus. Auch die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens muss dem Asylbewerber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2016 - A 9 S 908/13 - juris, Rn. 37).
52 
Der Kläger hat nicht zur Überzeugung der Berichterstatterin glaubhaft gemacht, dass ihm im Falle der Rückkehr nach Südkorea ein ernsthafter Schaden durch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere die Haftbedingungen für Wehrdienstverweigerer in Südkorea derartige Schärfen und Härten aufweisen, dass sie eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung darstellen oder gar einer Folterbehandlung gleichkämen, liegen nicht vor. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
53 
4. Anhaltspunkte für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK oder § 60 Abs. 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
54 
aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht in sein Heimatland abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Bedingungen im Zielstaat können nach gefestigter Rechtsprechung nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 - juris, Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 - juris, Rn. 97 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/17 - juris, Rn. 28 ff.). Der Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Aufnahmeland umfasst nicht das Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.05.2021 - 19 A 4604/19.A - juris, Rn. 36).
55 
Gemessen an diesem Maßstab begründen die Lebensverhältnisse in Südkorea weder allgemein, noch im Einzelfall des Klägers ein Abschiebungsverbot. Anhaltspunkte für ein fehlendes Sozialstaatssystem, auch wenn diesen nicht den deutschen Maßstäben entspricht, sind nicht ersichtlich. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel hat die Republik Korea einen bemerkenswerten Erfolg bei der Kombination raschen Wirtschaftswachstums mit einer deutlichen Verringerung der Armut vorzuzeigen. Südkorea ist ein wichtiger Entwicklungspartner der Weltbankgruppe und ein Beitragszahler für den Fonds der Weltbank zur Unterstützung der ärmsten Länder der Welt. Dementsprechend bietet das Land selbst Entwicklungshilfe an (The World Bank, The World Bank In Republic of Korea, Stand: 08.10.2020). Der Kläger geht in Deutschland seit 2019 einer Ausbildung zum Koch nach und dürfte dadurch zusätzliche Kenntnisse erworben haben. Vor seiner Ausreise war er als Kellner in einem Fleischrestaurant und bei Pizza Hut tätig. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger Tätigkeiten in der Gastronomie-Branche nicht auch nach seiner Rückkehr nach Südkorea wieder annehmen könnte. Dies gilt auch nicht vor dem Hintergrund, dass er möglicherweise zunächst eine Haftstrafe von 18 Monaten antreten oder einen Wehrersatzdienst von 36 Monaten ableisten müsste. Selbst wenn der Kläger dann erst später und gegebenenfalls unter erschwerten Umständen wegen der Wehrdienstverweigerung in das Berufsleben einsteigen könnte, sind für die Berichterstatterin keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es dem Kläger nicht gelingen wird, jedenfalls das Existenzminium für sich zu sichern. Zudem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor und ergeben sich solche nicht aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittellisten, dass es in Südkorea kein Sozialsystem gäbe, um den Kläger jedenfalls anfänglich beim erneuten Start in Südkorea zu unterstützen.
56 
bb) Da der Kläger jung, gesund und arbeitsfähig ist, liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass seiner Abschiebung nach Südkorea sein Gesundheitszustand entgegenstünde (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
57 
5. Die Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden (Ziffer 5 des Bescheids). Sie ist rechtmäßig und beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Die gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen entspricht der gesetzlichen Vorgabe (§ 38 AsylG, § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
58 
Eine andere Einschätzung folgt auch nicht aus der familiären und persönlichen Bindung des Klägers zu seiner Mutter (vgl. Art. 8 EMRK, Art. 7 GRCh), für die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt und von der Beklagten festzustellen ist (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 15.10.2021 - A 9 K 3444/18 - nicht veröffentlicht). Die Frage, ob inlandsbezogene Abschiebungsverbote wie schutzwürdige Interessen an der Vermeidung einer Trennung von Familienangehörigen unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten bei der Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet (zustimmend: VG Sigmaringen, Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 - juris, Rn. 42 ff.; VG Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 - juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris; aA vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 - 19 A 810/16.A - juris, Rn. 89 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 19.04.2021 - A 4 K 6798/19 - juris, Rn. 38 ff.; VG Potsdam, Beschluss vom 29.09.2021 - 6 L 411/21.A - juris, Rn. 31 ff.).
59 
In seiner Entscheidung vom 14.01.2021 (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris) hat der Gerichtshof insbesondere unter Berücksichtigung des Art. 5 lit. a) der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16.12.2000 (nachfolgend: RL 2008/115/EG), des Art. 10 Abs. 1 RL 2008/115/EG, ihres 22. Erwägungsgrunds und Art. 24 Abs. 2 GRCh im Hinblick auf das niederländische Recht festgestellt, dass ein Mitgliedstaat, der den Erlass einer Rückkehrentscheidung gegen einen unbegleiteten Minderjährigen in Betracht zieht, in allen Stadien des Verfahrens zwingend das Wohl des Kindes zu berücksichtigen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris, Rn. 44 ff.). Insbesondere unterscheide Art. 10 RL 2011/115/EG zwischen Pflichten der Mitgliedstaaten vor Erlass der Rückkehrentscheidung und vor der Abschiebung (vgl. EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris, Rn. 49). In seiner Entscheidung vom 11.03.2021 (EuGH, Urteil vom 11.03.2021 - C-112/20 [MA] - juris, Rn. 41 ff.) stellte der Gerichtshof auf die Vorlagefrage eines belgischen Gerichts hin fest, dass die Mitgliedstaaten vor Erlass einer mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung das Wohl des Kindes gebührend zu berücksichtigen haben, selbst wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um einen Minderjährigen, sondern um dessen Vater handelt.
60 
Auf die vorliegende Konstellation sind Entscheidungen jedoch nicht unmittelbar übertragbar, da in der diesen zugrundeliegenden Fällen jeweils ein minderjähriges Kind involviert war. Insbesondere die in Frage stehende Rückführung eines unbegleiteten Minderjährigen in seinen Heimatstaat, die der Entscheidung des EuGH vom 14.01.2021 zugrunde lag (vgl. EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris), ist dem vorliegenden Fall des Klägers nicht vergleichbar. Vor allem spielt die zentrale Frage des dem EuGH vorgelegten Verfahrens im vorliegenden Fall keine Rolle, wie und wann ein Mitgliedstaat zu prüfen hat, ob für den fraglichen unbegleiteten Minderjährigen im Rückkehrstaat eine geeignete Aufnahmemöglichkeit zur Verfügung steht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 - 19 A 810/16.A - juris, Rn. 100; VG Potsdam, Beschluss vom 29.09.2021 - 6 L 411/21.A - juris, Rn. 32; aA wohl VG Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 - juris, Rn. 31). Dass die für Art. 5 lit. a) RL 2011/115/EG aufgestellten Grundsätze ohne Weiteres auf die übrigen Belange des Art. 5 RL 2011/115/EG – familiäre Bindung und der Gesundheitszustand des betreffenden Drittstaatsangehörigen – übertragbar seien (so VG Sigmaringen, Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 - juris, Rn. 45) überzeugt nicht. Dem stehen insbesondere der Wortlaut des Art. 10 RL 2011/115/EG und die 22. Erwägungsgrund der Richtlinie entgegen, wonach bei der Durchführung der Richtlinie insbesondere das Wohl des Kindes zu berücksichtigen seien. Dass sonstige familiäre Bindungen wie die Lebens- und Beistandsgemeinschaft des volljährigen Klägers zu seiner Mutter in gleichem Maße zu berücksichtigen sind, ergibt sich hieraus nicht. Die familiäre Beziehung des Klägers zu seiner Mutter ist daher vielmehr im Rahmen ausländerrechtlicher Maßnahmen zu berücksichtigen (vgl. Dörig, in: Hdb. Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 19, Rn. 281).
61 
6. Schließlich ist auch das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6 des Bescheids) rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots hängt von der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ab. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind erfüllt. Die ausgesprochene Befristung des „gesetzlichen“ Einreise- und Aufenthaltsverbots ist unionsrechtskonform als behördliche Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 - 1 VR 3.17 - juris, Rn. 73; BVerwG, Urteil vom 25.07.2017 - 1 C 10.17 - juris, Rn. 23). Die im Ermessenswege gesetzte Frist von 30 Monaten, die im mittleren Bereich der ohne weitere Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zulässigen Dauer von bis zu fünf Jahren liegt, hat der Kläger nicht angegriffen. Sie begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.
62 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Gründe

 
14 
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO).
15 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat. Denn die Ladung, die der Beklagten mit Empfangsbekenntnis vom 12.08.2021 übermittelt worden ist, enthielt den Hinweis gemäß § 102 Abs. 2 VwGO.
16 
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
17 
I. Die Klage ist zwar als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft (§ 42 VwGO) und zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist erhoben worden (§ 74 Abs. 1 AsylG).
18 
II. Sie ist aber sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch der Hilfsanträge zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gemäß § 77 Abs. 1 1. Hs. AsylG unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28.03.2018 ist insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
19 
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
20 
a) Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vom Vorliegen der begründeten Furcht vor einer Verfolgung bzw. der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer solchen durch eine Verfolgungshandlung (§ 3a AsylG) eines Verfolgungsakteurs (§ 3c AsylG), die an einen Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) anknüpft, abhängig, sowie dem Fehlen eines geeigneten Schutzakteurs (§ 3d AsylG) und von internem Schutz (§ 3e AsylG).
21 
Die Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG kann gemäß § 3c AsylG (vgl. Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011, nachfolgend: RL 2011/95/EU) ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in § 3c Nr. 1 und Nr. 2 AsylG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Bei der Bewertung der begründeten Furcht vor Verfolgung ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist (§ 3b AsylG), die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen des § 3a AsylG muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
22 
Die „begründete Furcht vor Verfolgung“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG setzt neben dem subjektiven Merkmal der Furcht der Person, die den Flüchtlingsstatus beantragt, auch die Stützung auf objektive Tatsachen voraus (vgl. Dörig, in: Hdb. Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 19, Rn. 108). Maßstab hierfür ist, ob dem Ausländer in seinem Heimatland eine Verfolgung i.S.d. § 3a AsylG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt – in Anlehnung an den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Rahmen des Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. II 1952, S. 685, nachfolgend: EMRK) entwickelten Maßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“; vgl. EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - [Saadi], Rn. 125, Rn. 128 ff.) – voraus, dass bei einer „qualifizierenden“ und zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - juris, Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 - juris).
23 
Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn der Ausländer sich an einen geeigneten Schutzakteuer i.S.d. § 3d AsylG (vgl. Art. 7 RL 2011/95/EU) wenden kann. Sie wird zudem nicht zuerkannt, wenn gemäß § 3e AsylG in einem Teil des Herkunftslands eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, dort also keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG besteht und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU).
24 
Das Gericht trifft seine Entscheidung nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO). Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens. An diesem kann es etwa fehlen, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 - juris, Rn. 51 ff., insb. Rn. 58). Das Gericht muss sich die volle Überzeugungsgewissheit von der Richtigkeit sowohl der Prognosebasis als auch der anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu treffenden Prognose verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2020 - 1 C 35.19 - juris, Rn. 28). Hierfür ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erforderlich, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.2020 - 1 C 36.19 - juris, Rn. 20).
25 
b) Dem Kläger ist nach diesen Maßstäben und Grundsätzen nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Ihm droht im Falle der Rückkehr nach Südkorea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Dies gilt weder für die Möglichkeit der Heranziehung zum Militärdienst, noch für die im Falle der Verweigerung drohende Haft, noch für die Heranziehung zum Wehrersatzdienst (aa). Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger geltend gemachten sozialen Ächtung wegen der familiären Probleme um seine Schwester (bb).
26 
aa) Dem Kläger droht im Falle der Rückkehr nach Südkorea zur Überzeugung der Berichterstatterin keine flüchtlingsrechtliche Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG.
27 
(1) Die dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea drohende Einberufung zum Wehrdienst sowie die ihm wegen der Wehrdienstverweigerung drohende Haftstrafe stellen keine Verfolgungshandlung dar (vgl. § 3a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AsylG), die nach § 3a Abs. 3 AsylG an eine Gewissenshaltung (§ 3b Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 lit. a), Abs. 2 AsylG) anknüpft und die sich als gravierende Verletzung seiner grundlegenden Menschenrechte – insbesondere seiner Gewissensfreiheit (Art. 10 GRCh und Art. 9 EMRK) – darstellt.
28 
Die Gewissenfreiheit ist verletzt, wenn eine Grundentscheidung für den Kläger derart bedeutsam für seine Identität ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden kann, auf sie zu verzichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.07.2019 - 1 B 55.19 - juris, Rn. 9). Dabei kann die Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen eine politische Meinung (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG) darstellen, insbesondere, wenn es der Wehrdienstverweigerer für unverantwortlich hält, im Krieg Menschen zu töten, sodass er der Regierung zugleich das moralische Recht abspricht, Kriege zu führen (vgl. Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2. Aufl. 2019, S. 54 m.N.). Die Ablehnung des Wehrdienstes, wenn sie mit einem ernsthaften und unauflösbaren Widerspruch zwischen der Pflicht, Wehrdienst zu leisten, und dem Gewissen eines Menschen oder seinen tiefen und echten Glaubensüberzeugungen begründet wird, setzt jedenfalls eine Überzeugung oder einen Glauben von ausreichender Stärke, Ernsthaftigkeit, Festigkeit und Bedeutung voraus (vgl. EGMR, Urteil vom 07.07.2011 - 23459/03 [Batayan/Armenien] - BeckRS 2012, 80059, Rn. 110).
29 
Ein Ausländer wird wegen einer (politischen) Überzeugung verfolgt, wenn dies geschieht, weil er eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, und zwar in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Dabei genügt es, dass dem Ausländer diese Überzeugung von seinem Verfolger zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG) (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 21). Diese (politische) Überzeugung wird in erheblicher Weise unterdrückt, wenn ein Staat mit Mitteln des Strafrechts oder in anderer Weise auf Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des einzelnen schon deshalb zugreift, weil dieser seine mit der Staatsraison nicht übereinstimmende politische Meinung nach außen bekundet und damit notwendigerweise eine geistige Wirkung auf die Umwelt ausübt und meinungsbildend auf andere einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 19.05.1987 - 9 C 184.86 - juris, Rn. 19). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Betroffene eine Behandlung erleidet, die härter ist als sie sonst zur Verfolgung ähnlicher, nichtpolitischer Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat üblich ist (sogenannter „Politmalus“) (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 2; BVerwG, Urteil vom 28.06.1983 - 9 C 778.80 - juris, Rn. 10; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53; OVG Sachsen, Urteil vom 22.09.2021 - 5 A 855/19.A - juris, Rn. 77 m.N.).
30 
Eine unzulässige Sanktionierung einer (politischen) Überzeugung liegt grundsätzlich jedoch nicht schon dann vor, wenn die staatliche Maßnahme der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Wehrpflicht dient. Der Staat hat grundsätzlich ein legitimes Recht auf Unterhaltung einer Streitkraft (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 52). Sanktionen, die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfen, sind daher nicht schon für sich allein (politische) Verfolgung, selbst wenn diese von totalitären Staaten verhängt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.1986 - 9 C 322.85 - juris, Rn. 11 m.N.; BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 2.17 - juris, Rn. 22; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53; vgl. auch Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2. Aufl. 2019, S. 57 m.N.). Dieser Wertung entspricht auch Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 5 AsylG), wonach keine automatische Verknüpfung einer Militärdienstentziehung mit einem Verfolgungsgrund angenommen werden kann, sondern nur, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit beinhalten würden (vgl. Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 3. Update August 2021, b) Militärdienstverweigerung, Rn. 29a ff.).
31 
Staatliche Maßnahmen wegen einer Militärdienstverweigerung als solche können daher nicht als Verfolgung qualifiziert werden. Sie begründen grundsätzlich erst dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Furcht vor Verfolgung, wenn sie den Betroffenen über die Ahndung des allgemeinen Pflichtverstoßes hinaus wegen seiner politischen Überzeugung oder auch eines sonstigen asylerheblichen Merkmals, zu der auch die Gewissensfreiheit zählen kann, treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 2.17 - juris, Rn. 22 m.N.; vgl. Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 3. Update August 2021, b) Militärdienstverweigerung, Rn. 29 ff.). Die Strafverfolgung erwiese sich dann als unverhältnismäßige Bestrafung, wenn dem Wehrdienstverweigerer eine Behandlung drohte, die über das hinausgeht, was erforderlich ist, damit der betreffende Staat sein legitimes Recht auf Unterhaltung einer Streitkraft ausüben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 50). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Maßnahmen öffentlicher Stellen einen diskriminierenden oder unverhältnismäßigen Charakter mit einem bestimmten Schweregrad erreichen, so dass sie als Verletzung von Grundrechten einzustufen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 2.17 - juris, Rn. 22 m.N.; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53; EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 49).
32 
Ob eine Verfolgungshandlung dann zu bejahen ist, wenn der Wehrdienstverweigerer den Dienst aus religiösen oder sonstigen Gewissensgründen verweigert und hierauf keine Rücksicht genommen worden ist (vgl. zustimmend Hathaway/Foster, The Law of Refugee Status, 2. Aufl. 2014, S. 269 ff. m.N. aus der Rspr. nationaler und internationaler Gerichte; Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2. Aufl. 2019, S. 57 unter Bezugnahme auf Empfehlung Nr. R(87)8 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und der Beschlüsse des UN-Menschenrechtsausschusses (General Comment Nr. 22 vom 30.07.1993); ablehnend Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 3. Update August 2021, b) Militärdienstverweigerung, Rn. 29 ff.; OVG Sachsen, Beschluss vom 03.02.2020 - 3 A 60/20.A - juris, Rn. 11 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2000 - 12 A 11883/96 - juris), kann dahinstehen, wenn die – zumutbare – Möglichkeit besteht, einen zivilen Ersatzdienst abzuleisten. Dem Kriegsdienstverweigerer ist insofern zuzumuten, ein ihm im konkreten Fall zur Verfügung stehendes Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer anzustrengen (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 45; VG Dresden, Urteil vom 06.02.2019 - 1 K 261/18.A - juris; VG Bayreuth, Urteil vom 05.02.2019 - B 9 K 17.30312 - juris, Rn. 34 ff.). Beruft sich der Betreffende auf eine Gewissensentscheidung, kann eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen einer Wehrdienstentziehung regelmäßig nur angenommen werden, wenn er durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 EMRK verletzt wird. Dabei kommt es insbesondere auch darauf an, ob der Betreffende eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Wehr- oder Kriegsdienst glaubhaft machen kann (vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 05.02.2018 - 11 ZB 18.30185 - juris, Rn. 6).
33 
(2) Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel müssen kraft Gesetzes nahezu alle männlichen Südkoreaner zwischen 18 und 40 Jahren aktiven Militärdienst leisten, da sich Südkorea jedenfalls faktisch noch im Krieg mit Nordkorea befindet. Vor dem Hintergrund jahrzehntelang niedriger Geburtenraten wird es bald nicht mehr genug junge Männer geben, um die Zahl der Wehrpflichtigen auf dem aktuellen Stand von 620.000 Mann zu halten (The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt's a Job, Stand: 24.10.2020). Der von den Wehrdienstpflichtigen abzuleistende Zeitraum variiert. Er liegt bei 21 Monaten, wenn der Dienst bei der Armee abgeleistet wird, bei 23 Monaten bei der Marine und bei 24 Monate bei der Luftwaffe (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021). Vor dem Antritt zum Wehrdienst werden die Wehrpflichtigen einer medizinischen Untersuchung (einschließlich psychologischer, physischer und allgemeinbildender Tests) unterzogen, der sich eine Einstufung in sechs Kategorien der militärischen Eignung anschließt. Die ersten drei Kategorien werden dem „aktiven Militärdienst“ zugewiesen, die vierte dem „zusätzlichen Militärdienst“, die fünfte ist nur im Kriegsfall zum Militärdienst zugelassen und die sechste Kategorie vom Militärdienst vollständig befreit (Refugee Review Tribunal, Australia, RRT Research Response Nr. KOR30754, Country: South Korea, Stand: 16.10.2006). An die Wehrpflicht schließt sich eine achtjährige Reservistenpflicht an (vgl. auch Refugee Review Tribunal, Australia, RRT Research Response Nr. KOR30754, Country: South Korea, Stand: 16.10.2006).
34 
Gemäß Artikel 88 des Wehrdienstgesetzes von 2003 kann die Verweigerung des Dienstes mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden (Refugee Review Tribunal, Australia, RRT Research Response Nr. KOR30754, Country: South Korea, Stand: 16.10.2006). Tatsächlich sind Wehrdienstverweigerer oft 18 Monate oder mehr inhaftiert worden (BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020).
35 
In der Vergangenheit haben v.a. Anhänger der Zeugen Jehovas aus moralischen und religiösen Gründen die Einberufung zum Militär verweigert. Seit 1950 wurden etwa 20.000 junge Männer wegen ihrer Weigerung, den Wehrdienst zu leisten, inhaftiert (BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020). Das zum 01.01.2020 in Kraft getretene Zivildienstgesetz sieht jedoch seither für Verweigerer der Wehrpflicht aus Religions- und Gewissensgründen zivile Alternativen zum Wehrdienst vor. Wehrdienstverweigerer können danach die Dienstpflicht auch erfüllen, indem sie 36 Monate lang als Regierungsangestellte in Justizvollzugsanstalten arbeiten. Sie arbeiten, essen und schlafen dann im Gefängnis, allerdings getrennt von den Insassen, und erhalten einige Wochen Jahresurlaub; weiterhin sind Wehrdienstverweigerer vom Wach- und Gefangenenbegleitdienst befreit, da dieser das Tragen von Schusswaffen beinhaltet (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021; siehe auch BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020; The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020). Kriegsdienstverweigerer können ihre achtjährige Reservistenpflicht durch Arbeit in Justizvollzugsanstalten erfüllen, wobei sie sechs Jahre lang an vier Tagen pro Jahr arbeiten müssen (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021).
36 
Ein Ausschuss der Militärverwaltung prüft die Anträge auf Ableistung des Zivildienstes, um sicherzustellen, dass die Person ernsthafte Einwände gegen den Militärdienst hat (The Diplomat, South Korea’s Conscientious Objectors Are Getting an Alternative to Military Service, Stand: 09.07.2020). Anträge konnten ab dem 20.06.2020 eingereicht werden. Der Alternativdienst begann erstmalig im Oktober 2020. Inzwischen haben auch die Gerichte Verfahren von Wehrdienstverweigerern neu aufgerollt und die Staatsanwaltschaft sich auf die Frage konzentriert, ob eine Person den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert (vgl. The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020); in einigen Fällen v.a. betreffend Zeugen Jehovas wurden die Anklagen auch gänzlich fallen gelassen (BBC, South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020).
37 
Insgesamt haben NGOs das neue Zivildienstgesetz als deutliche Verbesserung gegenüber dem vorherigen System bewertet (vgl. The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020). Vertreter der Zeugen Jehovas erklärten jedoch auch, das neue Gesetz weiche in mehrfacher Hinsicht von internationalen Normen ab, u.a. bei der Dauer des Zivildienstes (drei Jahre), die ihnen im Vergleich zu der kürzeren Zeitspanne von zwei Jahren oder weniger für Wehrdienstleistende als strafend erscheine. Sie erklärten auch, die Aufsicht über den Ausschuss solle vollständig von Personen der Zivilgesellschaft besetzt sein und nicht wie jetzt dem Verteidigungsministerium unterstehen (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021). Zum Teil wird daher kritisiert, dass der Ersatzwehrdienst tatsächlich nur eine alternative Bestrafung sei (BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020; The Diplomat, South Korea’s Conscientious Objectors Are Getting an Alternative to Military Service, Stand: 09.07.2020).
38 
Hinsichtlich der Haftbedingungen in südkoreanischen Haftanstalten und Gefängnissen gibt es keine Berichte, wonach Menschenrechte in größerem Ausmaß missachtet würden. Es gibt bis auf wenige Einzelfälle aus Südkorea keine Berichte bezüglich menschenunwürdiger physischer Haftbedingungen oder bezüglich etwaiger Misshandlung von Insassen. Im Anschluss an einen Vorfall, bei dem ein Insasse im Mai 2020 ums Leben gekommen war, ergriff das das Justizministerium Abhilfemaßnahmen, u.a. durch die Anordnung, dass Fesseln während der Schlafenszeit zu entfernen sind, sowie die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes für Ärzte, die nachts und an Feiertagen telefonisch zur Verfügung stehen (US DOS, 2020 Country Report on Human Rights Practices: Republic of Korea, Stand: 30.03.2021). Nach Angaben des Justizministeriums stehen den Häftlingen mehrere Rechtsmittel zur Verfügung, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt sehen. Die Häftlinge können sich etwa direkt an den Minister wenden, eine Beschwerde bei der Hotline für Menschenrechtsverletzungen beim Ministerium einlegen, sich an die Kommission für Korruptionsbekämpfung und Bürgerrechte wenden oder Klage vor den Verwaltungsgerichten erheben (US DOS, 2020 Country Report on Human Rights Practices: Republic of Korea, Stand: 30.03.2021).
39 
(3) Gemessen daran ist die Berichterstatterin davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea keine, im flüchtlingsrechtlich relevanten Sinn diskriminierende Verfolgungshandlung droht.
40 
(aa) Eine solche individuelle Bedrohungslage ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea gegen seine freie Gewissensentscheidung zum Militärdienst gezwungen werden könnte.
41 
Der Kläger hat insoweit sowohl im Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt am 24.01.2017 als auch in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe den Militärdienst aus religiösen, ethischen und moralischen Gründen verweigert. Er habe sich bereits früh Gedanken zu Gewalt gemacht und was dies bedeute; er glaube zwar nicht an Gott, stehe aber dem buddhistischen Gedanken der Wiedergeburt nahe. Es sei beim Militär erforderlich, dass man Kriege führen will, bei denen auch Menschen sterben können. Dieser Fakt sei für ihn untragbar. In der Armee fänden darüber hinaus seelische und körperliche Misshandlungen der Soldaten statt. Zudem verlange der Militärdienst Gehorsam, sodass sein Selbstbewusstsein und seine Überzeugungen nicht akzeptiert würden. Im Falle der Rückkehr müsse er in Haft, könne seinen Beruf nicht frei wählen und hätte keine Möglichkeit, sein Grundrecht auf Leben zu verwirklichen. Den Antritt eines Wehrdienstersatzes würde der Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea nicht anstrengen wollen, weil er sich dann einem System beugen müsse, das er nicht so gut fände. Denn dieser Wehrersatzdienst sei im Gefängnis abzuleisten und stelle ein ungerechtes System dar. Er könne sich nicht vorstellen, einen Dienst im Gefängnis abzuleisten und dort 36 Monate arbeiten zu müssen. Auch müsse er vor der Kommission, die über die Wehrdienstverweigerung entscheidet, zunächst nachweisen können, dass er ethische Gründe gegen die Wehrdienstpflicht habe. Bei diesen sei es aber schwieriger, als Wehrdienstverweigerer anerkannt zu werden. Dies sei erst etwa zwei Mal vorgekommen.
42 
Vorliegend kann dahinstehen, ob die vom Kläger vorgebrachten Gründe in der Sache als ihm unverfügbare Gewissensmerkmale zu qualifizieren sind. Hieran bestehen für die Berichterstatterin in Anbetracht des Vorbringens des Klägers vor dem Bundesamt und im Hinblick auf seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung teilweise Zweifel. Aus der Gesamtschau ergibt sich für die Berichterstatterin eher der Eindruck, dass sich der Kläger – was auch durchaus nachvollziehbar ist – dem Druck und der Pflicht zum Gehorsam beim Militär entzogen hat, was sich insbesondere vor dem Hintergrund seiner Mobbing-Erfahrung in seiner Kindheit, der sozialen Ächtung im Zusammenhang mit den Problemen um seine Schwester und dass der Kläger etwa auch die Schule verlassen hat, damit ihm keine Vorgaben gemacht würden, ergibt. Eine Entscheidung hierüber kann aber in der Sache dahinstehen, weil der Kläger bezüglich des Vorbringens seiner Gewissensgründe jedenfalls auf das nationale Verfahren zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen in Südkorea zu verweisen ist. Der Kläger hat selbst in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er im Falle der Rückkehr nach Südkorea zunächst einen Antrag auf Wehrdienstverweigerung stellen und seine Gründe vorbringen müsste. Er hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es bereits Fälle von Wehrdienstverweigerern gegeben hat, in denen der Ersatzdienst – neben religiösen Gründen – aus sonstigen Gewissengründen zugelassen worden ist. Es erscheint für die Berichterstatterin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass der Kläger im südkoreanischen Verfahren mit seinem Vorbringen Erfolg haben wird; jedenfalls ist es ihm zumutbar, diesen verfahrensrechtlich auch eingehegten Weg zu beschreiten.
43 
Für die Berichterstatterin sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser Ersatzdienst die Rechte des Klägers in diskriminierender Weise verletzte. Dies ergibt sich weder aus der Länge, noch den Grundbedingungen des zivilen Ersatzdienstes. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel prüft ein Ausschuss der Militärverwaltung die Anträge auf Ableistung des Zivildienstes (The Diplomat, South Korea’s Conscientious Objectors Are Getting an Alternative to Military Service, Stand: 09.07.2020). Wehrdienstverweigerer können die Dienstpflicht erfüllen, indem sie 36 Monate lang als Regierungsangestellte in Justizvollzugsanstalten arbeiten, anstelle des Wehrdienstes, der zwischen 21 - 24 Monate lang dauert. Jeweils besteht eine achtjährige Reservistenpflicht, die Wehrdienstverweigerer sechs Jahre lang an vier Tagen pro Jahr ableisten müssen. Während des Ersatzdienstes arbeiten, essen und schlafen die jungen Männer im Gefängnis, allerdings getrennt von den Insassen, und erhalten einige Wochen Jahresurlaub. Wehrdienstverweigerer sind vom Wach- und Gefangenenbegleitdienst befreit, da dieser das Tragen von Schusswaffen beinhaltet (US DOS, 2020 Report on International Religious Freedom: South Korea, Stand: 12.05.2021; siehe auch BBC South Korean Jehovah's Witnesses start prison work terms, Stand: 26.10.2020; The New York Times, In South Korea, Draft Resisters Still Go to Prison. But Now lt’s a Job, Stand: 24.10.2020).
44 
Die Berichterstatterin ist davon überzeugt, dass dieser Wehrersatzdienst – insbesondere nicht vor dem Hintergrund der nach wie vor bestehenden Konfliktlage mit Nordkorea – keine alternative Bestrafung darstellt. Vielmehr werden Wehrdienstverweigerer von der Pflicht, Waffen zu tragen, verschont und erhalten eine Besoldung und Jahresurlaub. Insofern darf von dem Wehrdienstverweigerer sowohl erwartet werden, dass er ein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer betreibt (vgl. erneut EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris), als auch, dass derjenige, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat, den Zivildienst in Kauf nehmen wird. Der Zivildienst bildet für den Kriegsdienstverweigerer eine die Gewissensfreiheit nicht verletzende Alternative zum Wehrdienst, auch wenn der zivile Ersatzdienst diesem an Lästigkeit nicht wesentlich nachsteht (vgl. so zum damals ebenfalls um ein Drittel längeren Zivildienst gegenüber dem Wehrdienst: BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 - juris, Rn. 54). Ein ziviler Ersatzdienst kann nach Dauer und Belastung sogar als gegenüber dem Wehrdienst „lästigere“ Alternative ausgestattet sein, um so die in seiner Inkaufnahme zu Ausdruck kommende Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung sicherzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 13.04.1978 - 2 BvF 1/77 - juris, Rn. 77 ff.).
45 
(bb) Im Übrigen stellte die für die Wehrdienstverweigerung drohende Haftstrafe, sofern der Kläger mit dem Verfahren zur Verdienstverweigerung erfolglos bliebe, führ ihn keine diskriminierende Verfolgungshandlung dar. Dass die südkoreanischen (Straf-)Verfolgungsbehörden den Kläger, der wegen des drohenden Wehrdienstantritts ausgereist ist, bei einer Rückkehr über die Verweigerung des Wehrdienstantritts hinaus zusätzlich für seine Überzeugung mit Gefängnishaft bestrafen würden, ist nicht ersichtlich.
46 
Die Bestrafung von Wehrdienstverweigerern in Südkorea wird jenseits der Durchsetzung der alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Wehrpflicht nicht zielgerichtet eingesetzt, um Deserteure wegen ihrer – auch nur zugeschriebenen – (politischen) Überzeugung zu treffen. Staatsbürgern, die den Militärdienst nicht angetreten oder vollständig abgeleistet haben, wird nicht generell eine Regimegegnerschaft bzw. oppositionelle politische Überzeugung unterstellt; dies gilt insbesondere nicht, weil sich das südkoreanische System mehr und mehr öffnet und inzwischen die Möglichkeit eines Ersatzwehrdienstes vorsieht. Die Betrachtung hat auch vor dem Hintergrund zu erfolgen, dass sich Südkorea noch immer im Konflikt mit Nordkorea befindet und das Land aufgrund der konstant niedrigen Geburtsraten auf die Einziehung junger Männer angewiesen ist (vgl. zu den Bewertungsmaßstäben: BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - juris, Rn. 23). Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ist nicht zu entnehmen, dass die Haftbedingungen für Deserteure im Strafvollzug anders ausfallen als für sonstige Strafgefangene. Für sie liegt die Haftzeit regelmäßig bei 18 Monaten und damit unter den gesetzlich zulässigen Höchststrafen von bis zu drei Jahren (vgl. zur verhältnismäßigen, ähnlich langen Freiheitsstrafe von 100 Tagen bis zu 15 Monaten bei einem Strafrahmen bis zu 5 Jahre eines US-amerikanischen Deserteurs: EuGH, Urteil vom 26.02.2015 - C-472/13 - [Sheperd] - juris, Rn. 51). Im Entscheidungsprozess über die Haftstrafe ist zudem jeweils ein unabhängiges, einem bereits vorliegenden Gesetz unterworfenes allgemeines Gericht zuständig, nicht hingegen eine Sondergerichtsbarkeit oder staatliche Organe wie Polizei und Militär. Die fehlende Bindung der staatlichen Strafgewalt spräche mehr für eine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.05.1983 - 9 C 36.83 - juris, Rn. 35 f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2021 - 4 Bf 546/19.A - juris, Rn. 53).
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bb) Eine dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Südkorea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr ergibt sich auch nicht aus den von ihm geschilderten familiären Problemen um seine Schwester. Auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids wird insoweit verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger insoweit durch einen Verfolgungsakteuer nach § 3c AsylG eine Verfolgung drohte, die an flüchtlingsrechtlich relevante Merkmale in seiner Person anknüpfte (§ 3b AsylG). Hierzu zählt insbesondere nicht die die von der südkoreanischen Gesellschaft drohende „soziale Ächtung“, sofern man dem Kläger und seiner Mutter zu Unrecht vorgeworfen haben sollte, die Schwester misshandelt zu haben. Sofern diese Vorwürfe seit der Ausreise und den Geschehnissen im Dezember 2015 und mangels Kontakts zu der Schwester überhaupt noch bestehen sollten, was für die Berichterstatterin ausgeschlossen erscheint, wäre der Kläger jedenfalls auf die Inanspruchnahme nationaler Schutzakteure i.S.d. § 3d AsylG wie etwa der Gerichte zu verweisen.
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2. Der Kläger ist auch nicht als Asylberechtigter gemäß Art. 16a GG anzuerkennen.
49 
Scheidet nach vorangegangenen Ausführungen ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den Grundsätzen der Genfer Flüchtlingskonvention aus, so hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG. Dies ergibt sich bereits aus dem weitgehenden Gleichklang der jeweiligen Voraussetzungen für diese Ansprüche (vgl. zu Art. 16a GG im Einzelnen Dörig, in: Hdb. Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 19, Rn. 12 ff.; zur Prägung des Asylgrundrechts durch die Genfer Flüchtlingskonvention vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. - juris, Rn. 30).
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3. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach dem vorliegend allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen für den Kläger ebenfalls nicht vor.
51 
Zwar setzt die Zuerkennung subsidiären Schutzes eine Anknüpfung an bestimmte Verfolgungsgründe (§ 3b AsylG) gerade nicht voraus und käme deshalb hier auch im Fall des Klägers zumindest im Grundsatz in Betracht, in dem solche Verfolgungsgründe nach dem oben Gesagten fehlen. Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist aber ein Ausländer nur dann subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Zuerkennung subsidiären Schutzes setzt die tatsächliche Gefahr eines solchen ernsthaften Schadens i.S.d. § 4 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 15 RL 2011/95/EU) durch einen Schadensverursacher (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG) sowie das Fehlen eines geeigneten Schutzakteurs (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3d AsylG) und von internem Schutz (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG) voraus. Auch die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens muss dem Asylbewerber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2016 - A 9 S 908/13 - juris, Rn. 37).
52 
Der Kläger hat nicht zur Überzeugung der Berichterstatterin glaubhaft gemacht, dass ihm im Falle der Rückkehr nach Südkorea ein ernsthafter Schaden durch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere die Haftbedingungen für Wehrdienstverweigerer in Südkorea derartige Schärfen und Härten aufweisen, dass sie eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung darstellen oder gar einer Folterbehandlung gleichkämen, liegen nicht vor. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
53 
4. Anhaltspunkte für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK oder § 60 Abs. 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
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aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht in sein Heimatland abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Bedingungen im Zielstaat können nach gefestigter Rechtsprechung nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 - juris, Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 - juris, Rn. 97 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/17 - juris, Rn. 28 ff.). Der Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Aufnahmeland umfasst nicht das Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.05.2021 - 19 A 4604/19.A - juris, Rn. 36).
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Gemessen an diesem Maßstab begründen die Lebensverhältnisse in Südkorea weder allgemein, noch im Einzelfall des Klägers ein Abschiebungsverbot. Anhaltspunkte für ein fehlendes Sozialstaatssystem, auch wenn diesen nicht den deutschen Maßstäben entspricht, sind nicht ersichtlich. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel hat die Republik Korea einen bemerkenswerten Erfolg bei der Kombination raschen Wirtschaftswachstums mit einer deutlichen Verringerung der Armut vorzuzeigen. Südkorea ist ein wichtiger Entwicklungspartner der Weltbankgruppe und ein Beitragszahler für den Fonds der Weltbank zur Unterstützung der ärmsten Länder der Welt. Dementsprechend bietet das Land selbst Entwicklungshilfe an (The World Bank, The World Bank In Republic of Korea, Stand: 08.10.2020). Der Kläger geht in Deutschland seit 2019 einer Ausbildung zum Koch nach und dürfte dadurch zusätzliche Kenntnisse erworben haben. Vor seiner Ausreise war er als Kellner in einem Fleischrestaurant und bei Pizza Hut tätig. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger Tätigkeiten in der Gastronomie-Branche nicht auch nach seiner Rückkehr nach Südkorea wieder annehmen könnte. Dies gilt auch nicht vor dem Hintergrund, dass er möglicherweise zunächst eine Haftstrafe von 18 Monaten antreten oder einen Wehrersatzdienst von 36 Monaten ableisten müsste. Selbst wenn der Kläger dann erst später und gegebenenfalls unter erschwerten Umständen wegen der Wehrdienstverweigerung in das Berufsleben einsteigen könnte, sind für die Berichterstatterin keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es dem Kläger nicht gelingen wird, jedenfalls das Existenzminium für sich zu sichern. Zudem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor und ergeben sich solche nicht aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittellisten, dass es in Südkorea kein Sozialsystem gäbe, um den Kläger jedenfalls anfänglich beim erneuten Start in Südkorea zu unterstützen.
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bb) Da der Kläger jung, gesund und arbeitsfähig ist, liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass seiner Abschiebung nach Südkorea sein Gesundheitszustand entgegenstünde (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
57 
5. Die Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden (Ziffer 5 des Bescheids). Sie ist rechtmäßig und beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Die gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen entspricht der gesetzlichen Vorgabe (§ 38 AsylG, § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
58 
Eine andere Einschätzung folgt auch nicht aus der familiären und persönlichen Bindung des Klägers zu seiner Mutter (vgl. Art. 8 EMRK, Art. 7 GRCh), für die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt und von der Beklagten festzustellen ist (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 15.10.2021 - A 9 K 3444/18 - nicht veröffentlicht). Die Frage, ob inlandsbezogene Abschiebungsverbote wie schutzwürdige Interessen an der Vermeidung einer Trennung von Familienangehörigen unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten bei der Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet (zustimmend: VG Sigmaringen, Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 - juris, Rn. 42 ff.; VG Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 - juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris; aA vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 - 19 A 810/16.A - juris, Rn. 89 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 19.04.2021 - A 4 K 6798/19 - juris, Rn. 38 ff.; VG Potsdam, Beschluss vom 29.09.2021 - 6 L 411/21.A - juris, Rn. 31 ff.).
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In seiner Entscheidung vom 14.01.2021 (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris) hat der Gerichtshof insbesondere unter Berücksichtigung des Art. 5 lit. a) der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16.12.2000 (nachfolgend: RL 2008/115/EG), des Art. 10 Abs. 1 RL 2008/115/EG, ihres 22. Erwägungsgrunds und Art. 24 Abs. 2 GRCh im Hinblick auf das niederländische Recht festgestellt, dass ein Mitgliedstaat, der den Erlass einer Rückkehrentscheidung gegen einen unbegleiteten Minderjährigen in Betracht zieht, in allen Stadien des Verfahrens zwingend das Wohl des Kindes zu berücksichtigen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris, Rn. 44 ff.). Insbesondere unterscheide Art. 10 RL 2011/115/EG zwischen Pflichten der Mitgliedstaaten vor Erlass der Rückkehrentscheidung und vor der Abschiebung (vgl. EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris, Rn. 49). In seiner Entscheidung vom 11.03.2021 (EuGH, Urteil vom 11.03.2021 - C-112/20 [MA] - juris, Rn. 41 ff.) stellte der Gerichtshof auf die Vorlagefrage eines belgischen Gerichts hin fest, dass die Mitgliedstaaten vor Erlass einer mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung das Wohl des Kindes gebührend zu berücksichtigen haben, selbst wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um einen Minderjährigen, sondern um dessen Vater handelt.
60 
Auf die vorliegende Konstellation sind Entscheidungen jedoch nicht unmittelbar übertragbar, da in der diesen zugrundeliegenden Fällen jeweils ein minderjähriges Kind involviert war. Insbesondere die in Frage stehende Rückführung eines unbegleiteten Minderjährigen in seinen Heimatstaat, die der Entscheidung des EuGH vom 14.01.2021 zugrunde lag (vgl. EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 [TQ] - juris), ist dem vorliegenden Fall des Klägers nicht vergleichbar. Vor allem spielt die zentrale Frage des dem EuGH vorgelegten Verfahrens im vorliegenden Fall keine Rolle, wie und wann ein Mitgliedstaat zu prüfen hat, ob für den fraglichen unbegleiteten Minderjährigen im Rückkehrstaat eine geeignete Aufnahmemöglichkeit zur Verfügung steht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 - 19 A 810/16.A - juris, Rn. 100; VG Potsdam, Beschluss vom 29.09.2021 - 6 L 411/21.A - juris, Rn. 32; aA wohl VG Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 - juris, Rn. 31). Dass die für Art. 5 lit. a) RL 2011/115/EG aufgestellten Grundsätze ohne Weiteres auf die übrigen Belange des Art. 5 RL 2011/115/EG – familiäre Bindung und der Gesundheitszustand des betreffenden Drittstaatsangehörigen – übertragbar seien (so VG Sigmaringen, Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 - juris, Rn. 45) überzeugt nicht. Dem stehen insbesondere der Wortlaut des Art. 10 RL 2011/115/EG und die 22. Erwägungsgrund der Richtlinie entgegen, wonach bei der Durchführung der Richtlinie insbesondere das Wohl des Kindes zu berücksichtigen seien. Dass sonstige familiäre Bindungen wie die Lebens- und Beistandsgemeinschaft des volljährigen Klägers zu seiner Mutter in gleichem Maße zu berücksichtigen sind, ergibt sich hieraus nicht. Die familiäre Beziehung des Klägers zu seiner Mutter ist daher vielmehr im Rahmen ausländerrechtlicher Maßnahmen zu berücksichtigen (vgl. Dörig, in: Hdb. Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 19, Rn. 281).
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6. Schließlich ist auch das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6 des Bescheids) rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots hängt von der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ab. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind erfüllt. Die ausgesprochene Befristung des „gesetzlichen“ Einreise- und Aufenthaltsverbots ist unionsrechtskonform als behördliche Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 - 1 VR 3.17 - juris, Rn. 73; BVerwG, Urteil vom 25.07.2017 - 1 C 10.17 - juris, Rn. 23). Die im Ermessenswege gesetzte Frist von 30 Monaten, die im mittleren Bereich der ohne weitere Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zulässigen Dauer von bis zu fünf Jahren liegt, hat der Kläger nicht angegriffen. Sie begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

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