Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 3 K 2539/21

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers - 3 K 2538/21 - gegen die Entlassungsverfügung der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg vom 08.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben vom 23.07.2021 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.878,67 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der am geborene Antragsteller wurde am 02.09.2019 als Polizeimeisteranwärter bei der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (im Folgenden: Hochschule) unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in die Polizei des Landes Baden-Württemberg eingestellt. Am Tag seiner Einstellung wurde er über die Verfassungs-treuepflicht belehrt und erklärte unter anderem, dass er sich im Klaren sei, dass er bei einem Verstoß gegen die genannten Dienst- und Treuepflichten mit einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. einer Entlassung durch Widerruf des Beamtenverhältnisses und gegebenenfalls Rücknahme seiner Ernennung rechnen müsse.
Der Antragsteller, der in X aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, wurde nach Bestehen des Basiskurses mit Wirkung vom 07.09.2020 dem Polizeirevier X zu Ausbildungszwecken im Rahmen des Einführungs- und Aufbaupraktikums zugeweisen.
Bei Kontrollmaßnahmen des Polizeireviers X am 06.10.2020 wurde ein Rollerfahrer kontrolliert. Wegen des sich erhärtenden Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaub-nis wurde ihm die Weiterfahrt untersagt. Der Rollerfahrer verständigte daraufhin gegen 22:40 Uhr den Antragsteller über sein Mobiltelefon und bat diesen, ihn abzu-holen. Zwanzig Minuten später erschien der Antragsteller zusammen mit drei weite-ren Personen an der Örtlichkeit und nahm den Rollerfahrer in seinen PKW mit. Er gab sich dabei nicht als Praktikant des Polizeireviers zu erkennen. Am 07.10.2020 gegen 01:00 Uhr wurde der Antragsteller im Rahmen einer allgemeinen Straßen-verkehrskontrolle von einer Polizeistreife angesprochen. Er befand sich allein im PKW und händigte Führerschein und Fahrzeugschein aus, zeigte seine Warnweste, das Warndreieck und den Verbandskasten. Ein freiwilliger Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,00 Promille. Hinweise auf einen Drogenkonsum lagen nicht vor. Im Rahmen der Kontrolle teilte der Antragsteller - nach streiti-gen Angaben des Antragsgegners erst auf Nachfrage - mit, dass er sich beim Poli-zeirevier X im Praktikum befinde.
Aufgrund der Meldung über das nächtliche Antreffen des Antragstellers wurden Verwaltungsermittlungen angestellt. Dabei stieß der ermittelnde Beamte auf den öffentlich einsehbaren Facebook-Account des Antragstellers. Bei der Auswertung des Accounts wurden die zwei folgenden Einträge festgestellt:
Am 18.11.2015 postete der Antragsteller ein Foto der damaligen Bundeskanzlerin, auf welchem ihr Gesicht in der Art eines Verbotsschildes durchgestrichen ist und das mit den Worten versehen ist, „Das ist nicht meine Kanzlerin. Bist du der glei-chen Meinung?? Dann teile diese mit Deinen Freunden!!“.
Am 06.05.2016 teilte der Antragsteller öffentlich einsehbar einen Handyscreenshot eines Instagram-Posts des Accounts „Minusbiild“. Bei dem auf Instagram geposteten ursprünglichen Bild handelt es sich um ein zweiteiliges Bild, worauf im oberen Teil Adolf Hitler in der Momentaufnahme des Hitlergrußes (erhobener linker Arm) und die Jahreszahl 1940 abgebildet sind. Im unteren Teil des Bildes ist, mit der Jah-reszahl 2016 versehen, eine Gruppe Jugendlicher zu sehen, die mit Ausstrecken beider Arme nach Links eine jugendtypische Geste vollziehen, die sogenannte „Dab“-Pose.
Unter dem Aktenzeichen x führte die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen nach § 86a StGB. Da der Antragsteller zur Tatzeit 14 Jahre alt war und noch Heranwachsender ist, beabsichtigte die Staatsanwaltschaft Mannheim nach Aktenlage, das Ermittlungsverfahren im Rahmen der Diversion zu erledigen und an die Jugendgerichtshilfe abzugeben. Von einer Anklageerhebung sollte abgesehen werden, weil aufgrund der getroffenen Feststellungen das Verschulden gering und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht gegeben sei.
Mit Verfügung der Hochschule vom 27.10.2020 wurde gegenüber dem Antragsteller ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen und die sofortige Vollziehung angeordnet. Hiergegen legte der Antragsteller am 19.11.2020 Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden wurde.
Bereits mit Schreiben vom 05.11.2020 wurde der Antragsteller zu der beabsichtig-ten Rücknahme seiner Ernennung und zu der hilfsweise beabsichtigten Entlassung wegen mangelnder charakterlicher Eignung angehört. Gleichzeitig erfolgte der Hin-weis auf die Möglichkeit der Hinzuziehung des Personalrats. Der Antragsteller erklärte, er wolle von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
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Der Personalrat wurde am 08.01.2021 informiert. Die Bitte um Zustimmung zur be-absichtigten Entlassungs- und Rücknahmeverfügung ging dem Personalrat am 14.01.2021 zu. Am 21.01.2021 teilte der Vorsitzende des Personalrats telefonisch mit, dass beiden Maßnahmen nicht zugestimmt worden sei. Mit zwei Schreiben vom 02.02.2021, die dem Dienstherrn am 05.02.2021 per E-Mail zugegangen sind, be-stätigte und begründete der Personalrat die Nichtzustimmung noch einmal schriftlich. Es wurde ausgeführt, im Rahmen seiner Ausbildung am Standort X seien zu keinem Zeitpunkt Verhaltensweisen des Antragstellers festgestellt worden, die den Staat und seine verfassungsrechtliche Ordnung in Frage stellten. Seine freund-schaftlichen Kontakte innerhalb des Klassenverbandes ließen keinen anderen Schluss zu. Mit Mitteilung vom 09.02.2021 wurde der Personalrat darauf hingewie-sen, dass die Zustimmungsfiktion des § 76 Abs. 9 LPVG greife.
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Mit Verfügung der Hochschule vom 08.02.2021 wurde der Antragsteller mit Ablauf des Monats März 2021 aus dem Polizeivollzugsdienst des Landes Baden-Württemberg durch Widerruf des Beamtenverhältnisses entlassen (Ziff. 1). Nach der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis dürfe die Amtsbezeichnung „Poli-zeimeisteranwärter“ nicht mehr weitergeführt werden (Ziff. 2). Die sofortige Vollzie-hung wurde angeordnet (Ziff. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Sachver-halt, dass der Antragsteller erstens von einem Beschuldigten des Straftatbestandes des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 06.10.2020 gegen 22:40 Uhr zur Hilfe gerufen worden sei und zweitens dann mit drei Personen gekommen sei, von denen zwei in POLAS mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz erfasst seien, sei zu ent-nehmen, dass er sehr eng befreundet sei mit Personen, die an sich im Fokus der Polizei stünden. Als angehender Polizist müsse von ihm erwartet werden können, dass er sich ausreichend vom „Klientel“ der polizeilichen Gegenseite fernhalte. Sein Verhalten sei als Verstoß gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht zu werten. Auch wenn er vor seiner Ausbildung diese Personen gekannt habe, und mit ihnen eng befreundet gewesen sei, so übersteige sein Verhalten den noch zu tolerierenden Kontakt bei Weitem. Dass er gleich an einem Abend mit drei Delinquen-ten eng befreundet sei, lasse eine mangelnde Distanz vermuten. Er lasse damit auch Zweifel an seiner Loyalität und zu fordernden Dienstauffassung aufkommen. Wenn auch davon ausgegangen werde, dass das gepostete Bild der Bundeskanz-lerin noch eine zulässige Kritik an der Flüchtlingspolitik darstelle und vom Grund-recht auf Meinungsfreiheit umfasst sei, so stelle es mit dem Aufruf, es bei Gefallen zu teilen, eine Stimmungsmache dar, die sich klar gegen die aktuelle Regierung richte. Gravierend aber und für sich allein eine Entlassung rechtfertigend sei der Vorfall mit dem Post des Bildes von Adolf Hitler. Der Sachverhalt zeige deutlich, dass berechtigte Zweifel an seiner charakterlichen Eignung bestünden. Mit dem Posten des zweigeteilten Bildes seit Mai 2016 habe er nicht nur rechtes nationalso-zialistisches Gedankengut verwendet, sondern er habe es verbreitet, indem es für jeden User von Facebook einsehbar gewesen sei. Das Bild könne nicht als Karika-tur gewürdigt werden. Sein Verhalten sei mit der an ihn zu stellenden Vorbildfunkti-on als angehender Polizeibeamter in keiner Weise vereinbar.
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Mit gesondertem Bescheid vom selben Tag wurde außerdem die Rücknahme der Ernennung zum Polizeimeisteranwärter verfügt.
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Am 04.03.2021 legte der Antragsteller gegen beide Bescheide Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheid der Hochschule vom 23.07.2021 wurde die Rücknahmeverfügung aufgehoben (Ziff. 1) und der Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung zurückgewiesen (Ziff. 2).
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Der Antragsteller hat gegen seine Entlassung am 23.08.2021 Klage beim Verwal-tungsgericht Freiburg erhoben - 3 K 2538/21 - und den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
II.
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1. Der Antrag des Antragstellers ist sachdienlich dahingehend auszulegen (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO), dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage - 3 K 2538/21 - gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zum 31.03.2021 begehrt wird. Zwar hat der anwaltlich vertretene Antragsteller wörtlich beantragt, „im Eilverfahren anzuordnen, dass der Kläger sofort von der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg wiedereingestellt wird“. Dieser Antrag mag auf den ersten Blick für einen hier nicht statt-haften Antrag nach § 123 VwGO sprechen. Allerdings ergibt sich aus dem Gesamt-vortrag des Antragstellers und insbesondere seiner Antragsbegründung vom 25.10.2021, in welchem auch auf § 80 Abs. 5 VwGO Bezug genommen wird, dass es dem Antragsteller maßgeblich darum geht, die Folgen der Entlassungsverfügung zu suspendieren. Dieses Ziel kann er nur mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage erreichen. Der so verstandene Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch sonst zulässig.
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Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners fehlt dem so ausgelegten An-trag nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Dem steht insbesondere nicht die Tatsache entgegen, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage erst eingegangen ist, als der verfügte Entlassungszeitpunkt be-reits verstrichen war. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die sofort vollziehbare Entlas-sung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf kann auch nach dem Zeitpunkt der (gegebenenfalls fristlos verfügten) Entlassung beantragt und gewährt werden (siehe bereits VG Freiburg, Beschluss vom 19.10.2020 - 3 K 2398/20 -, juris Rn. 36 m.w.N.).
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Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis erfolgt durch Erlass eines rechtsgestal-tenden Verwaltungsakts, gegen den Widerspruch und Anfechtungsklage statthaft sind. Die aufschiebende Wirkung eines solchen Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO ändert nichts an der Wirksamkeit der Entlassung, hindert aber den Dienst-herrn daran, belastende Folgen aus der Entlassung zu ziehen. Der Suspensiveffekt besteht nicht (mehr), wenn über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden oder - wie hier - die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist. Für die Dauer der auf-schiebenden Wirkung muss der Dienstherr den entlassenen Beamten als Beamten behandeln, ihm die Dienstausübung gestatten und die Bezüge fortbezahlen. Wird der Rechtsbehelf rechtskräftig abgewiesen, so tritt die rechtsgestaltende Wirkung der Entlassung zum ursprünglich bestimmten Zeitpunkt rückwirkend ein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.05.1994 - 4 S 1333/92 -, juris Rn. 38 f.; Be-schluss vom 12.07.1996 - 4 S 1860/96 -, juris Rn. 15; v. Roetteken, in v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand Juni 2020, XXIII. Rechtsschutz Rn. 866 m.w.N.). Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage bedeutet insoweit lediglich, dass die Rechtsfolgen der Entlassung einstweilen als nicht eingetreten behandelt werden. Eine entsprechende Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann auch vorliegend noch erfolgen. Der Antrag geht da-her nicht ins Leere. Eine (teilweise) Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen ist möglich, denn der Antragsteller kann mit Wirkung für die Zukunft weiterbeschäftigt und ihm können die Bezüge vorläufig wieder und gegebenenfalls auch rückwirkend ausbezahlt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller den An-schluss zu seinen ehemaligen Mitschülern möglicherweise nicht mehr vollständig wird herstellen können. Dabei geht es nicht um eine erneute Ernennung, sondern um die Beseitigung der Vollziehung der nicht bestandskräftig verfügten Entlassung. Demgemäß ist der Antrag des Antragstellers auf „Wiedereinstellung“ sachdienlich als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auf Vollzugsfolgenbeseitigung inner-halb des mangels Bestandskraft der Entlassungsverfügung und mangels Ablaufs der Ausbildungszeit noch nicht endgültig beendeten Beamtenverhältnisses auszu-legen (VG Freiburg, Beschluss vom 19.10.2020 - 3 K 2398/20 -, juris Rn. 37).
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2. Der Antrag ist auch begründet. Das Interesse des Antragstellers, vom sofortigen Vollzug der Entlassungsverfügung einstweilen verschont zu bleiben überwiegt nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage das öffentliche Vollziehungsinteresse.
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a) Die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Voll-ziehung der Entlassungsverfügung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Der sich aus dieser Vorschrift ergebende Begründungszwang dient dem Zweck, die Behörde zu veranlassen, sich des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst zu werden und die Frage, ob das öffentliche Interesse die sofortige Voll-ziehung erfordert, sorgfältig zu prüfen. Außerdem soll die Begründung dem Be-troffenen die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ermöglichen und dem Gericht die Erwägungen der Verwaltungs-behörde, die zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung geführt haben, nachvoll-ziehbar machen. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu ho-hen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.02.2008 - 4 S 2901/07 -, m.w.N; BVerwG, Beschluss vom 18.09.2001 - 1 DB 26.01 -, jeweils juris). Das ist hier der Fall. In der angegriffenen Verfügung wird nicht bloß formelhaft der Gesetzestext wiedergegeben; auch werden nicht lediglich Allgemeinplätze angeführt, vielmehr wird näher begründet, weshalb bei einer Ab-wägung der persönlichen Belange mit den dienstlichen und öffentlichen Belangen ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. Es wird ausgeführt, es sei dem Dienstherrn nicht zumutbar, einen für den Polizeiberuf charakterlich un-geeigneten Beamten über den in § 31 Abs. 4 LBG genannten Zeitraum hinaus zu beschäftigen. Die sofortige Entlassung des Antragstellers ermögliche eine zeitnahe berufliche Neuorientierung. Aufgrund der Erheblichkeit des Vorwurfs und der Tatsa-che, dass er diese nicht erkennen wolle, müsse, auch wenn aktuell ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen worden sei, von einer gewissen Wie-derholungsgefahr bzw. Uneinsichtigkeit ausgegangen werden. Der Sachverhalt werde vom Antragsteller bagatellisiert, das Bild ohne wirkliche Anhaltspunkte als Karikatur dargestellt. Somit fehle ihm die erforderliche Sensibilität, sein Fehlverhalten zu hinterfragen und die Konsequenzen abzuschätzen. Im Hinblick auf die mög-liche verfassungsfeindliche Beeinflussung der Kolleginnen und Kollegen sei es dem Dienstherrn nicht zuzumuten, dass der Antragsteller weiterhin als Repräsentant der Polizei auftrete. Es bestehe ein vorrangiges öffentliches Interesse daran, die zahlenmäßig begrenzten Ausbildungsplätze baldmöglichst mit einem geeigneten Bewerber wieder zu besetzen. Im Rahmen der aktuellen Einstellungszahlen für das Frühjahr 2020 und den Herbst 2020 aber auch angesichts der Corona-Zeit, bei der die Einzelzimmerbelegung umso notwendiger werde, werde sein Ausbildungsplatz sofort benötigt. Die Polizei Baden-Württemberg befinde sich auch 2021 noch auf dem Höhepunkt der Einstellungsoffensive. Hinter diesem Gesichtspunkt müsse sein Privatinteresse, bis zur Bestandskraft dieser Entscheidung im Polizeivollzugsdienst verbleiben zu können, zurücktreten.
22 
Diese auf den vorliegenden Sachverhalt bezogenen Ausführungen zeigen hinreichend deutlich, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters des Sofortvollzugs bewusst ist. Damit ist den formellen Anforderungen, die § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO stellt, Genüge getan. Ob die Argumente inhaltlich tragfähig sind, ist eine Frage des materiellen Rechts.
23 
b) Die Entlassungsverfügung ist voraussichtlich formell rechtmäßig.
24 
Der Antragsteller ist vor Ergehen der Entlassungsverfügung mit Schreiben der Hochschule vom 05.11.2020 angehört worden (§ 28 Abs. 1 LVwVfG).
25 
Auf Antrag des Antragstellers wurde am 14.01.2021 auch der örtliche Personalrat beteiligt (§ 75 Abs. 3 Nr. 10 LPVG). Da sich dieser nicht formgerecht schriftlich oder elektronisch unter Angabe der Gründe der Nichtzustimmung innerhalb der Dreiwochenfrist des § 76 Abs. 6 Satz 1 LPVG geäußert hat, sondern erst am 05.02.2021, also einen Tag verspätet, ist die Fiktionswirkung des § 76 Abs. 9 Satz 1 LPVG ein-getreten und die Maßnahme gilt personalvertretungsrechtlich als gebilligt.
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Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung (vgl. hierzu auch § 31 LBG) wurden im Übrigen weder geltend gemacht noch sind solche für die Kammer zu erkennen.
27 
c) Allerdings ist die Entlassung nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich materiell rechtswidrig.
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Rechtsgrundlage der Entlassungsverfügung ist § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG. Da-nach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Dem Antragsgegner steht insoweit Ermessen zu und zur Rechtfertigung der Entlassung genügt grundsätzlich jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche Grund. Ausreichend hierfür sind be-reits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020 - 4 S 1473/20 -; Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.08.2019 - 3 ZB 18.508 -, jeweils juris und m.w.N.).
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Die Beurteilung der charakterlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Der dem Dienstherrn bei der Ausfüllung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbe-griffs der charakterlichen Eignung eingeräumte Beurteilungsspielraum führt dazu, dass die hierauf beruhende Entscheidung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann und zwar darauf, ob der gesetzliche Begriff der persönlichen Eignung oder die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und ob allge-meine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt wor-den sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 04.08.2020 - 4 S 1473/20 - und vom 30.09.2019 - 4 S 2577/19 -, jeweils juris). In Bezug auf die charakterliche Eignung des Beamten als einem Unterfall der persönlichen Eignung ist insoweit die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Betroffene der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller As-pekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf diese für die charak-terliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.07.2016 - 2 B 17.16 - und vom 25.11.2015 - 2 B 38.15 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.12.2017 - 4 S 2315/17 -; OVG Bremen, Beschluss vom 13.07.2018 - 2 B 174/18 -; Sächsisches OVG, Beschluss vom 22.06.2017 - 2 B 8/17 -, jeweils juris und m.w.N.). Dabei geht es bei der charakterli-chen Nichteignung um innere Tatsachen, deren Feststellung naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden ist. Wie ein Beamter auf Anfechtungen, Belastungen, Herausforderungen und Versuchungen voraussichtlich reagieren wird, lässt sich selten genug mit Gewissheit vorhersagen, sodass es zumeist darauf ankommen wird, ob und mit welcher Überzeugungskraft äußere Tatsachen den Schluss auf negative innere Tatsachen zulassen (vgl. VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 04.08.2020 - 4 S 1473/20 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2019 - OVG 4 S 20.19 -, juris).
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Es ist dabei gerichtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr für den Polizei-vollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität der Beamtinnen und Beamten stellt (VG Freiburg, Urteil vom 23.03.2021 - 3 K 2383/20 -, juris Rn. 51; vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 27.11.2008 - 4 S 2332/08 - und vom 10.03.2017 - 4 S 124/17 -; Sächsisches OVG, Beschluss vom 20.09.2017 - 2 B 180/17 -, jeweils juris und m.w.N.). Ein sachlicher Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf kann insbesondere dann ge-geben sein, wenn der Dienstherr nicht überzeugt ist, dass der Beamte die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 48.78 -, BVerw-GE 62, 267; VG Freiburg, Urteil vom 23.03.2021 - 3 K 2383/20 -, juris Rn. 45).
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Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet die angegriffene Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller aufgrund von Eignungszweifeln zu entlassen, durchgreifenden Bedenken. Der Antragsteller ist voraussichtlich zu Unrecht auf Grund von Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst entlassen worden.
32 
Die angefochtene Entlassungsverfügung vom 08.02.2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2021 wird maßgeblich auf Zweifel an der charak-terlichen Eignung des Antragstellers gestützt, weil dieser im Rahmen einer Ver-kehrskontrolle mit Personen in Verbindung gebracht worden sei, bei denen der An-tragsgegner davon ausgeht, dass sie dem Drogenmilieu zuzuordnen seien, sowie aufgrund der oben genannten beiden Facebook-Posts aus den Jahren 2015 und 2016.
33 
Die Verfahrensweise der Hochschule bleibt dabei oberflächlich und schematisch. Das genügt den Anforderungen voraussichtlich nicht, vielmehr fehlte es zur Über-zeugung der Kammer zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 24.79 -, BVerwGE 62, 280, juris Rn. 32; Bayerischer VGH, Beschluss vom 11.10.2012 - 3 ZB 10.1470 -, juris Rn. 5) im Rahmen der dort anzustellenden Prognose an hinreichenden tatsächlichen An-haltspunkten dafür, dass Zweifel begründet sein könnten, dass der Antragsteller zu einem verantwortungsbewussten und korrekten Verhalten auch in schwierigen Situ-ationen in der Lage ist. Auch bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Zweifel an seiner Verfassungstreue begründet sein könnten.
34 
aa) Zunächst wird dem Antragsteller durch den Antragsgegner vorgehalten, Umgang mit mindestens zwei in POLAS geführten Bekannten, die der Betäubungsmit-telszene zuzuordnen gewesen seien, zu pflegen. Damit sei ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht gegeben. Auch wenn dies lose Schulbekanntschaften gewe-sen sein mögen, solle zu dieser Klientel Distanz gewahrt werden, auch und gerade im privaten Umgang. Dass der Antragsteller immer wieder zu kontrollierende Per-sonen im beruflichen Alltag gekannt habe, sei bereits aufgefallen.
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Der Antragsteller hat, wie der Antragsgegner selbst bemerkt, nie verheimlicht, wenn er zu kontrollierende Personen kannte. Auch wurde ihm attestiert, dass er sich dienstlich korrekt verhalten habe und neutral aufgetreten sei. Der Praxisausbilder des Antragstellers, POK W., führt in seiner Stellungnahme vom 17.12.2020 aus, dass es im Rahmen von Kontrollen wiederholt dazu gekommen sei, dass der An-tragsteller die zu kontrollierende(n) Person/Personen mitunter besser, teils jedoch auch nur weitläufig gekannt habe. Bei den Kontrollen habe er jedoch keine Unterschiede gemacht, noch sei es aufgrund der Bekanntheitsgrade zu Konflikten ge-kommen. Er sei auch hier, seinem Charakter entsprechend, sachlich und ruhig auf-getreten und habe die erforderlichen polizeilichen oder strafprozessualen Maßnah-men sachgemäß durchgeführt. Hinweise auf eine charakterliche Problematik seien für den Ausbilder zu keiner Zeit erkennbar gewesen.
36 
Dass und inwieweit die Bekannten des Antragstellers, welche ihn am 06.10.2020 begleiteten, tatsächlich Verbindungen zur Drogenszene gehabt haben, wird auch im gerichtlichen Verfahren durch keinerlei, sich aus den Stellungnahmen oder den dem Gericht vorliegenden Akten ergebende konkrete Erkenntnisse gestützt. Im ge-richtlichen Verfahren wurden im Gegenteil erweiterte Führungszeugnisse von zwei der fraglichen Bekannten des Antragstellers vorgelegt, die keine Eintragungen ent-halten. Der Antragsgegner trägt vor, die Ausführungen zum sozialen Umfeld des Antragstellers beruhten auf Erkenntnissen des ehemaligen Vorgesetzten EPHK K. und der Mitteilung von KD’in G. vom 27.10.2020. Der Dienststelle sei mitgeteilt wor-den, dass es sich um in POLAS eingetragene und polizeibekannte Personen ge-handelt habe, die aus dem Bereich der Betäubungsmittelszene bekannt seien. Wo-rauf sich diese Angaben im Einzelnen stützen und welche konkreten Eintragungen in POLAS vorhanden sind, wurde auch auf die Einwendungen des Antragstellers hin jedoch nicht dargelegt. PHM K. hat in seinem Aktenvermerk vom 04.12.2020 lediglich angegeben, die Personen, welche sich noch beim Antragsteller im PKW befunden hätten, seien ihm durch polizeiliche Kontrollen im Betäubungsmittelmilieu bereits bekannt gewesen. Zu welchem Ergebnis diese Kontrollen gekommen sind, ergibt sich aus dem Vermerk jedoch nicht. Die Entlassungsverfügung wird insoweit durch keine für das Gericht hinreichend plausibilisierten Tatsachen gestützt. Über-dies erscheint die pauschale Annahme des Antragsgegners bereits fraglich, dass die reine Bekanntschaft mit Personen, die in irgendeiner Weise Kontakt zum „Dro-genmilieu“ haben, zu Zweifeln an der charakterlichen Eignung führen. Im Gegenteil kann es im Einzelfall sogar für die charakterliche Eignung sprechen, wenn sich der Betroffene von Drogen distanziert, obwohl er in einem schwierigen Milieu aufge-wachsen ist (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 21.09.2021 - 3 K 1745/21 -, juris).
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bb) Soweit dem Antragsteller vorgehalten wird, aufgrund der beiden im Alter von 13 bzw. 14 Jahren auf Facebook geposteten Bilder bestünden erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung, greift dies voraussichtlich ebenfalls nicht durch.
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Das Posten von Inhalten, die den Nationalsozialismus verherrlichen oder sonst na-tionalsozialistisches, antisemitisches und rassistisches Gedankengut enthalten, stellt zwar grundsätzlich ein starkes Indiz für charakterliche Eignungsmängel dar, es bedarf aber stets einer Würdigung des Einzelfalls (vgl. nur VG Freiburg, Urteil vom 23.03.2021 - 3 K 2383/20 - und Beschluss vom 19.10.2020 - 3 K 2398/20 -, jeweils juris).
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Die in Art. 33 Abs. 5 GG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verankerte, jedem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grund-gesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten muss. Damit einher geht nicht nur das Verbot einer gegen die Verfassung gerichteten Verhaltensweise, sondern eine Pflicht zum aktiven Handeln. Bekenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhal-tung der demokratischen Grundordnung ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - 2 C 25.17 -; Bayerischer VGH, Urteil vom 16.01.2019 - 16a D 15.2672 -, jeweils juris und m.w.N.). Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundord-nung umfasst eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkür-herrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbst-bestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrpartei-enprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition zu rechnen (vgl. BVerfG, Urteile vom 23.10.1952 - 1 BvB 1/51 - und vom 17.01.2017 - 2 BvB 1/13 -; BVerwG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 WB 43.04 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 22.10.2018 - 1 B 1594/18 -, jeweils juris). Die Verpflichtung zur Verfassungs-treue verlangt, dass der Beamte sich zu dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt, aktiv für sie eintritt und sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die gel-tende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. zu diesen für Soldaten, Richter und Beamte geltenden Grundsätzen etwa BVerfG, Beschlüsse vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 - und vom 06.05.2008 - 2 BvR 337/08 -; BVerwG, Urteil vom 23.03.2017 - 2 WD 16.16 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.11.2019 - 1 M 119/19 -; VG Freiburg, Urteil vom 23.03.2021 - 3 K 2383/20 -, je-weils juris und m.w.N.). Dem entspricht auch der Amtseid, den Polizeianwärter bei Amtsantritt leisten, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Lan-desverfassung und das Recht zu achten und zu verteidigen sowie Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben (vgl. § 47 Abs. 1 LBG).
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Das Posten des Bildes mit Adolf Hitler dürfte voraussichtlich auch den objektiven Tatbestand des § 86a Abs. 1, 2 StGB erfüllen, denn der Hitlergruß stellt ein Tatob-jekt im Sinne der Strafnorm dar (vgl. nur Ellbogen, in: BeckOK StGB, 51. Ed. 01.11.2021, StGB § 86a Rn. 5; Paeffgen, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, StGB § 86a Rn. 10 jeweils m.w.N.). Allerdings führt die Erfüllung des Straftatbestands im Rahmen des § 86a Abs. 1 StGB nicht in jedem Fall zu einer Strafbarkeit, da Ausnah-men von der Strafbarkeit angenommen werden, sofern das inkriminierte Verhalten trotz äußerer Verwendung der Kennzeichen dem Schutzzweck des Gesetzes er-kennbar nicht zuwiderläuft (siehe nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.03.2006 - 1 BvR 204/03 -, juris Rn. 22). So liegt es, wenn das Kennzeichen offenkundig gerade zum Zwecke einer Kritik der verbotenen Organisation eingesetzt wird oder der Kontext der Verwendung ergibt, dass eine Wirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt des Kennzeichens entsprechenden Richtung ausscheidet. Das mag etwa der Fall sein, wenn das Kennzeichen in erkennbar verzerrter, etwa paro-distischer oder karikaturhafter Weise verwendet wird. Die Tabuisierungsfunktion des Gesetzes soll nach der Normauslegung der Gerichte aber nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Verwendung derartiger Symbolik allein deshalb grundsätzlich zu-lässig ist, weil sie in kritischer Absicht erfolgt (siehe nur BVerfG, Nichtannahmebe-schluss vom 23.03.2006 - 1 BvR 204/03 -, juris Rn. 23).
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Ob ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, kann offenbleiben, da die Strafbarkeit eines Verhaltens lediglich ein Indiz für die charakterliche Ungeeignetheit darstellt. Zwar stellt die Tatsache, dass sich ein Beamter nach § 86a StGB strafbar gemacht hat, ein gewichtiges Indiz für eine charakterliche Nichteignung dar. Allerdings führt die Verwirklichung des Tatbestands nicht dazu, dass ohne weiteres davon auszu-gehen ist, dass der Täter beispielsweise den Nationalsozialismus verherrlicht und daher eine charakterliche Ungeeignetheit gegeben ist, weshalb auch in Fällen der Verwirklichung des Tatbestands des § 86a StGB eine einzelfallbezogene Bewer-tung der Gesamtumstände stattzufinden hat. Wegen der Tabuisierungsfunktion des § 86a StGB ist es nicht erforderlich, dass sich der Täter zu den Zielen einer der in § 86 Abs. 1 StGB bezeichneten Partei oder Vereinigung, deren Kennzeichen er verwendet, bekennt oder sonst mit der Partei oder Vereinigung identifiziert (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1972 - 3 StR 1/71 I -, BGHSt 25, 30-35, juris Rn. 7). Es soll vielmehr jeglicher Anschein vermieden werden, verfassungswidrige Organisationen könnten trotz ihres Verbotes ihre Wiederbelebung betreiben und das Verwenden bzw. Verbreiten ihrer Symbole würden geduldet werden oder hätten sich wiederein-gebürgert (BGH, Urteil vom 18.10.1972 - 3 StR 1/71 I -, BGHSt 25, 30-35, juris; Ell-bogen, in: BeckOK StGB, 51. Ed. 01.11.2021, StGB § 86a Rn. 2; Paeffgen, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, StGB § 86a Rn. 2).
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Umgekehrt kann ein bestimmtes Verhalten, wie etwa das Posten von Bildern bzw. Inhalten mit nationalsozialistischem, rassistischem oder antisemitischem Gedankengut, auch bei fehlender Strafbarkeit berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung begründen. Auch dies setzt eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls voraus. Eine entsprechende, den Umständen des Einzelfalls hinreichend Rechnung tragende Würdigung dürfte der Antragsgegner vorliegend nicht vorgenommen haben. So hat der Antragsgegner weder den mehrdeutigen Aussagegehalt der beiden Facebook-Posts hinreichend gewürdigt, noch die Tatsache, dass der Antragsteller die beiden Posts im Alter von 13 bzw. 14 Jahren geteilt hat und seither mehr als sechs Jahre vergangen sind, ohne dass der Antragsteller in vergleichbarer Weise in Erscheinung getreten wäre.
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Zwar genügen nach der oben genannten Rechtsprechung des Verwaltungsge-richtshofs Baden-Württemberg bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für ein Amt in der angestreb-ten Laufbahn besitzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.05.2020 - 4 S 3078/19 - mit Verweis auf Bayerischen VGH, Beschluss vom 30.08.2019 - 3 ZB 18.508 -, juris Rn. 7 ff. und OVG Bremen, Beschluss vom 13.07.2018 - 2 B 174/18 -, juris Rn. 8 f., jeweils m.w.N. und unter Verweis u.a. auf BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - BVerwG 2 C 48.78 -, juris). Dass die Feststellung innerer Tatsachen regelmäßig mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, bedeutet jedoch nicht, dass Zweifel an der charakterlichen Eignung allein aufgrund der Würdigung des Verhaltens eines Beamten durch Dritte angenommen werden könnten.
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Der Rückschluss von den internetbasierten Bekundungen des Antragstellers auf seine innere Einstellung setzt vielmehr eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls voraus. Die Entlassung des Antragstellers kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Inhalt der Veröffentli-chungen Ausdruck einer der verfassungsmäßigen Grundordnung entgegenstehen-den inneren Einstellung ist oder das konkrete Handeln jedenfalls den zurechenba-ren Rechtsschein einer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerich-teten Haltung hervorruft (vgl. zur disziplinarrechtlichen Relevanz insoweit auch BVerwG, Beschluss vom 17.05.2001 - 1 DB 15.01 -, juris Rn. 36 m.w.N.). Vorlie-gend hat der Antragsgegner jedoch allein die Sicht eines objektiven Beobachters für ausschlaggebend erachtet (siehe Seite 24 des Widerspruchsbescheids) und dabei im Hinblick auf die - hier primär relevante - innere Einstellung des Antragstel-lers beurteilungsrelevante Aspekte fehlerhaft nicht hinreichend berücksichtigt (vgl. zu diesem Erfordernis VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020 - 4 S 1473/20 -, juris Rn. 17).
45 
Der Antragsteller hat dargelegt, dass er in dem Bild eine das nationalsozialistische Gedankengut abwertende Karikatur gesehen habe und deshalb auch kein schlech-tes Gewissen gehabt habe, als es in Facebook gestanden sei. Dieses Vorbringen bedarf näherer Würdigung, die vom Antragsgegner versäumt wurde.
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Der Aussagegehalt des Bildes ist für den Betrachter nicht eindeutig. Bei rein objek-tiver Betrachtung stehen zwei Bilder - ein Bild von Adolf Hitler mit erhobenem Arm, sowie eine Gruppe Jugendlicher in der „Dab“-Pose - mit entsprechenden Jahres-zahlen ohne eine bestimmte Wertung nebeneinander. Diese Anordnung lässt ver-schiedene Interpretationsmöglichkeiten zu.
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Zunächst ist dabei die Bedeutung der „Dab“-Pose in der Jugendkultur zu beachten. So steht die Pose wohl unter anderem als Ausdruck für eine selbstsichere Person und hat ihren Ursprung in der Hip-Hop- oder Rap-Szene (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Dab_(Tanzfigur)), weshalb die Verbindung der beiden Bilder so verstanden werden könnte, dass die Jugendlichen im Jahr 2016 selbstsi-cher sind und somit nicht (mehr) unreflektiert einer Person oder Ideologie folgen.
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Doch auch eine entgegengesetzte Interpretation ist möglich, sofern man den Ver-gleich der beiden Gesten als überspitzte Kritik an bzw. als sich lustig machen über die „Dab“-Pose auffasst in dem Sinne, dass Jugendliche heute der Masse folgend einen Trend mitmachen, so wie damals die Menschen Adolf Hitler gefolgt sind.
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Zwar wurde und wird die „Dab“-Pose wohl teilweise auch von politisch Rechten als Erkennungszeichen verwendet. Bei diesem Phänomen handelt es sich allerdings wohl um den Versuch, eine „unschuldige“ Pose aus der Jugend- bzw. Popkultur zu „kapern“ und gerade für das Herantreten an Jugendliche zu missbrauchen (siehe den erläuternden Blog-Post „Dabbing For Hitler: How The Alt-Right Turned An Inno-cent Meme Into “Sieg Heil” vom 18.02.2017, https://medium.com/@Freequincy/dabbing-for-hitler-how-the-alt-right-way-turned-an-innocent-meme-into-sieg-heil-b2756c015383). Von einem 14-jährigen Jugendli-chen, der sich nicht regelmäßig in einschlägigen Kreisen bewegt - wofür es im Fall des Antragstellers derzeit keinerlei Anhaltspunkte gibt -, kann aber nicht ohne Wei-teres erwartet werden, dass dieser Umstand durchschaut wird. Das Vorgehen der Urheber entsprechender Grafiken zielt vielmehr gerade darauf ab, Reichweite durch unreflektiertes Verbreiten durch Dritte zu erlangen.
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Die Annahme des Antragsgegners, bei dem Bild handele es sich um einen „deutlich verfassungsfeindlichen Post“, dürfte jedenfalls zu weit gehen (siehe auch den Po-dcast des Leibniz-Instituts für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut, „Bredow-cast“, vom 03.03.2021, „Mit Memes Geschichte kommunizieren“, in welchem von einem Medienhistoriker dargestellt wird, dass die Verknüpfung von Adolf Hitler mit der „Dab“-Pose in dem hier streitgegenständlichen „Meme“ nicht als positiv, son-dern übertriebener schwarzer Humor zu verstehen sei, https://podcast.hans-bredow-institut.de/2021/brc063-mit-memes-geschichte-kommunizieren/, Beispiel 2 Der Dab).
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Das Verbreiten des fraglichen Bildes mag somit zwar Ausdruck eines unreflektierten und in gewisser Weise sorglosen Umgangs mit mehrdeutigen Bildern gerade in ei-nem besonders sensiblen Bereich und möglicherweise sogar strafrechtlich relevant gewesen sein, eine hinreichend belastbare Schlussfolgerung auf eine (fortdauern-de) Haltung des inzwischen erwachsenen Antragstellers, die den Werten der Verfassung entgegensteht, dürfte sich zur Überzeugung der Kammer daraus allerdings nicht ziehen lassen. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von demjenigen, der dem vom Antragsgegner zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.05.2001 - 1 DB 15.01 - (juris) zugrunde lag, in welchem das Tragen eines Siegelrings mit SS-Runen durch einen Polizeibeamten als Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes angesehen worden ist.
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Der Antragsgegner trägt selbst vor, dass mangels konkreter Anhaltspunkte nicht davon auszugehen sei, „dass der Antragsteller darüber hinaus durch rassistisches oder rechtsextremes Handeln nach außen in Erscheinung getreten [sei]“. Auch die Kammer geht mangels konkreter Anhaltspunkte nicht davon aus, dass der Antrag-steller darüber hinaus durch nationalsozialistisches, rassistisches oder antisemitisches Handeln nach außen in Erscheinung getreten ist. Insoweit kann nicht nur auf die zahlreichen, vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahmen aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis, sondern gerade auch auf die Stellungnahmen der Ausbilder des Antragstellers verwiesen werden (Stellungnahme von POK W. vom 17.12.2020 und des Klassenlehrers PK K. vom 18.12.2020). Auch die Tatsache, dass sich in den vom Antragsgegner ausgewerteten mehr als 1.000 Facebookseiten lediglich ein Bild gefunden hat, das im Hinblick auf die Verfassungstreue des Antragstellers Klärungsbedarf weckt, das aber wie gesehen keinen eindeutigen Er-klärungsgehalt hat, spricht gegen die Annahme des Antragsgegners, dass aufgrund dieses sechs Jahre zurückliegenden Verhaltens berechtigte Zweifel an der charak-terlichen Eignung des Antragstellers bestehen.
53 
Soweit der Antragsteller darüber hinaus im Jahr 2015 das Bild der damaligen Bundeskanzlerin gepostet hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass hieraus Zweifel an seiner charakterlichen Eignung erwachsen. Zwar stellt das Bild, wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, eine öffentliche Äußerung dar, die politisch zu verstehen ist. Allerdings handelt es sich hierbei um eine private Meinung, die in keinem Bezug zum Dienst stand.
54 
Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt (§ 33 Abs. 2 BeamtStG). Ein Beamter darf sich jedoch grundsätzlich außerhalb des Dienstes uneingeschränkt politisch betätigen, solange er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt und bei seinem politischen Engagement keinen Bezug zum Dienst herstellt (vgl. Eckstein, in: von Alberti/Burr/Düsselberg/Eckstein/Stehle/Wahlen, Disziplinarrecht Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2021, MD 46 m.w.N.). Der Antragsgegner gibt selbst an, dass es sich bei dem Bild der damaligen Bundeskanzlerin um eine private politische Meinungsäußerung gehandelt habe, die in keinem Verhältnis zum Dienst gestanden habe. Insoweit hätte es daher aber auch einer nachvollziehbaren Würdigung bedurft, warum die Meinungsäußerung Anlass zu Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Antragstellers gibt. Die vom Antragsgegner vorgenommene Beurteilung erweist sich nach Auffassung der Kammer als nicht tragfähig.
55 
Der Post wurde vier Jahre vor der Einstellung des Antragstellers in das Beamten-verhältnis auf Widerruf, also geraume Zeit bevor er als Beamter öffentlich in Er-scheinung getreten ist, abgesetzt. Ein Verstoß gegen die Grundpflichten des § 33 Abs. 2 BeamtStG lag damit nicht vor. Überdies muss berücksichtigt werden, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Einstellens dieses Posts erst 13 Jahre alt, also noch nicht einmal strafmündig (§ 19 StGB), gewesen ist.
56 
Auch ein vom Antragsgegner angenommener Zusammenhang mit dem mehr als fünf Monate später geposteten Bild von Adolf Hitler kann ohne weitere Umstände nicht angenommen werden.
57 
Bei lebensnaher Betrachtungsweise ist es aufgrund der Fülle an Aktivitäten von Ju-gendlichen in sozialen Netzwerken auch nicht fernliegend, dass ein aus subjektiver Sicht belangloser Post dem Absendenden mehr als drei Jahre später, bei der Ein-stellung in das Beamtenverhältnis, nicht mehr präsent im Bewusstsein ist. Das ent-sprechende Vorbringen des Antragstellers erscheint der Kammer durchaus nach-vollziehbar. Dabei ist zu bemerken, dass der Antragsgegner 1137 Seiten Posts des Antragstellers ausgewertet hat, es sich bei den hier streitgegenständlichen Bildern somit um zwei Bilder unter sehr vielen Bildern gehandelt hat. Überdies hatte der Antragsteller diesen Facebook-Account zuletzt am 20.03.2019 genutzt. Hinzu kommt, dass sich Jugendliche im Alter von 13 und14 Jahren charakterlich noch stark entwickeln. Insoweit kann aus einem Unterlassen der Durchsicht alter Ac-counts in sozialen Medien vor einer Einstellung in den Polizeidienst - auch wenn dies auch aus Sicht der Kammer wünschenswert gewesen wäre - nicht darauf geschlossen werden, dass ein früher einmal von einem Jugendlichen unreflektiert als „lustig“ empfundener Post Jahre später von diesem noch immer auf dieselbe Weise abgesetzt werden würde.
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III. Aufgrund des Erfolgs des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers ist der Antragsteller mit Wirkung für die Zu-kunft weiterzubeschäftigen und ihm sind die Bezüge vorläufig wieder auszuzahlen. Eine weitergehende Entscheidung im Hinblick auf die Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO) war insoweit nicht beantragt.
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Über das ebenfalls gegen den Antragsteller ausgesprochene - hier nicht streitgegenständliche - Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (§ 39 BeamtStG) wurde, soweit ersichtlich, noch nicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entschieden. Angesichts des hier Ausgeführten dürfte aber auch an dieser Verfügung nicht fest-zuhalten sein.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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V. Der Streitwert wird gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 3.878,67 EUR festgesetzt (3-facher Betrag der monatlichen Anwärterbezüge von 1.292,89 EUR).

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