Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 7 K 2897/21

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme des ihm zuerkannten subsidiären Schutzes.
Der am X.1987 in X/Syrien geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er stellte am 30.11.2015 einen Asylantrag in der Bundesrepublik. Im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 11.08.2016 gab er an, er habe Syrien am 28.08.2012 wegen der Kriegssituation und aus Angst vor drohendem Wehrdienst verlassen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 27.10.2016 wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt, im Übrigen wurde sein Asylantrag abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Mit Urteil des Amtsgerichts T. vom 25.06.2020 (Az. X) wurde der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag nach den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils folgender Sachverhalt zugrunde:
„Der Angeklagte fuhr am 09.01.2020 von seinem Wohnort T. mit der Bahn nach S., um dort nach vorheriger Absprache mit einer nicht näher bekannten Person namens „Mohamed“ eine größere Menge Haschisch einzukaufen, um es mit Gewinnaufschlag weiterverkaufen zu können. Der vom Angeklagten zu bezahlende Einkaufspreis und der von ihm geplante Gewinnaufschlag nicht ermitteln. Gegen 20:30 Uhr erhielt er das Haschisch von einem Unbekannten in der Stadtmitte von S. ausgehändigt. Der Angeklagte übernachtete bei einem Bekannten in S. und fuhr am Folgetag mit der Bahn zurück nach T..Am 10.01.2020 wurde er im Intercity-Zug der Deutschen Bahn von S. in Richtung X auf Gemarkung S. von Beamten des Hauptzollamtes X gegen 11:10 Uhr zollrechtlich kontrolliert. Er führte 475,30 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 23,30 %, was nach einem Sicherheitsabschlag von 7,3 % einen Gehalt an THC von 102,76 g ergibt, in einem Rucksack mit sich, verteilt auf 5 einzeln verpackte Platten. Das Betäubungsmittel wurde vom Zoll sichergestellt und der Angeklagte wurde vorläufig festgenommen.“
Wegen der Straftat wurde der Kläger am 10.01.2020 vorläufig festgenommen und befand sich bis zu seiner Entlassung am 25.06.2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Aufgrund der Verurteilung leitete des Bundesamt am 08.07.2021 ein Rücknahmeverfahren ein. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 22.07.2021 zur beabsichtigten Rücknahme angehört.
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.09.2021, zugestellt am 18.09.2021, wurde der mit Bescheid vom 27.10.2016 zuerkannte subsidiäre Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zurückgenommen (Ziffer 1). Der subsidiäre Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG wurde nicht zuerkannt (Ziffer 2). Es wurde festgestellt, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Ziffer 3). Zur Begründung wird geltend gemacht, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes sei nach § 73b Abs. 3 AsylG zurückzunehmen, wenn der Ausländer nach § 4 Abs. 2 AsylG von der Gewährung des Status hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen sei. Dies sei hier der Fall, da schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger eine schwere Straftat im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG begangen habe. Die Annahme werde gestützt durch das Urteil des Amtsgerichts T. vom 25.06.2020. Bei dem dort abgeurteilten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handele es sich um eine schwere Straftat. Dies ergebe sich bereits aus dem gesetzlich vorgegebenen Strafrahmen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die konkret verhängte Strafe liege zudem deutlich über der Mindeststrafe. Auch in anderen Rechtsordnungen der EU werde der Handel mit Betäubungsmitteln überwiegend als schwere Straftat angesehen. Auch nach der Art der Tatausführung und der Schwere der drohenden und bereits eingetretenen Schäden liege eine schwere Straftat vor. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG werde die Schwere deutlich. Eine konkrete Wiederholungsgefahr sei für die Feststellung der „schweren Straftat“ nicht erforderlich. Die Rücknahme erfolge zudem mit Wirkung für die Vergangenheit, dies entspreche den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG lägen aus o.g. Gründen ebenfalls nicht vor. Ein Abschiebungsverbot sei hingegen anzunehmen. Angesichts der sehr schlechten wirtschaftlichen Lage bestünden für Rückkehrer nur wenige Möglichkeiten der Schaffung einer ausreichenden Lebensgrundlage bzw. der Sicherung des Existenzminimums. Es drohe daher eine Verletzung von Art. 3 EMRK.
Der Kläger hat am 04.10.2021 Klage erhoben, eine Klagebegründung ist nicht erfolgt.
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Der Kläger beantragt,
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die Verfügungen unter Ziffer 1 und 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.09.2021 aufzuheben,
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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.09.2021 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
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Mit Beschluss vom 04.03.2022 hat das Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
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Mit Verfügung vom 04.05.2022 hat das Regierungspräsidium F. den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Gegen diese Verfügung hat der Kläger beim Verwaltungsgericht F. am 19.05.2022 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Az. X).
18 
In der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren ist der Kläger angehört worden; hinsichtlich seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
19 
Dem Gericht liegen ein Ausdruck der Akten des Bundesamts über das Asyl- und das Widerrufsverfahren des Klägers (zwei Hefte), die Strafakten des Amtsgerichts T. (Az. X), das Bewährungsheft des Amtsgerichts T. (Az. X), die Gefangenenpersonalakten der Justizvollzugsanstalt X sowie die Ausländerakte der Stadt T. vor. Der Inhalt dieser Akten sowie der Gerichtsakten sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

 
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Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.09.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
21 
Die Voraussetzungen für die Rücknahme des subsidiären Schutzes (Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides) liegen vor. Nach § 73b Abs. 3 AsylG ist die Zuerkennung des subsidiären Schutzes unter anderem zurückzunehmen, wenn der Ausländer nach § 4 Abs. 2 AsylG von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen ist. Das gilt auch, wenn der Ausschlussgrund nachträglich eintritt.
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Hier liegen Ausschlussgründe gemäß § 4 Abs. 2 AsylG vor.
23 
1. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Diese Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungs- oder Qualifikationsrichtlinie, im Folgenden: QRL). Eine Definition der „schweren Straftat“ enthält die Qualifikationsrichtlinie indes nicht. Sie verweist zur Bestimmung des Sinnes und der Tragweite dieses Begriffs auch nicht ausdrücklich auf das nationale Recht (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2018 - C-369/17 - , juris Rn. 33). Insofern hat der Begriff der „schweren Straftat“ eine autonome und einheitliche Auslegung zu erhalten, die unter Berücksichtigung ihres Kontextes und des mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 36). Zweck des Art. 17 Abs. 1 lit. b) QRL ist es, Personen auszuschließen, die als des subsidiären Schutzes unwürdig angesehen werden (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 51; vgl. zum inhaltsgleichen Begriff der „schweren Straftat“ i.S.d. Art. 17 Abs. 1 lit. b) QRL in § 25 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AufenthG auch: BVerwG, Urt. v. 25.03.2015 - 1 C 16.14 -, juris Rn. 22 ff.). Dieser Ausschlussgrund bildet eine Ausnahme von der in Art. 18 QRL aufgestellten allgemeinen Regel und ist daher restriktiv auszulegen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 52). Dabei muss die zuständige Behörde in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände vornehmen, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 55). Die Beurteilung hat sich an einer Vielzahl von Kriterien zu orientieren, wie unter anderem der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen wird (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 56; Urteile d. Kammer v. 24.11.2021 - A 7 K 1773/20 -, n.v. und v. 21.10.2020 - 7 K 2047/20 -, juris Rn. 42 ff.; s. hierzu und zum Folgenden auch: VG F., Urt. v. 05.02.2021 - A 5 K 7139/18 -, juris).
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Außerdem kann zur Auslegung des Begriffs der „schweren Straftat“ auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der „schweren nichtpolitischen Straftat“ verwiesen werden (vgl. Urt. v. 16.02.2010 - 10 C 7.09 -, juris, zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG; Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dez. 2021, IV. Ausschlussgründe, Rn. 91). Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (BVerwG, a.a.O.). Die Schwere der Tat ist dabei nicht allein abstrakt zu bestimmen, sondern im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles (Häufigkeit und Intensität der Verfehlungen; siehe Kraft in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Art. 17 Rn. 4, Art. 12 Rn. 51). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellt darauf ab, dass die Straftat zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität fallen und nach Art und Schwere so gewichtig sein müsse, dass die Erteilung eines Aufenthaltsrechts unbillig erscheine (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.12.2013 - 11 S 1770/13 -, juris). Dabei ist bei der im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Gewichtung der Tat zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG einen Fall der Unwürdigkeit regelt, bei dem es weder darauf ankommt, wie lange die Tat zurückliegt, noch ob von dem betreffenden Ausländer aktuell Gefahren ausgehen (BVerwG, Urt. v. 25.03.2015 - 1 C 16.14 -, juris Rn. 29). Ferner ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 S. 1 AsylG weitere Fälle der Unwürdigkeit benennt und zwar Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG) sowie Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Im Hinblick auf diese sehr gravierenden Verhaltensweisen ist daher angesichts des vom Europäischen Gerichtshof betonten Ausnahmecharakters der Ausschlussgründe ein erhebliches Gewicht sowohl der Straftaten als auch der schwerwiegenden Gründe für die Annahme, dass diese begangen worden sind, zu fordern (vgl. VG F., Urt. v. 21.10.2020 - 7 K 2047/20 -, juris, Rn. 45).
25 
2. Nach diesen Grundsätzen erfüllt die durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 25.06.2020 (Az. X) abgeurteilte Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vom 09.01.2020 die genannten Kriterien.
26 
a) Wegen dieser Tat wurde der Kläger rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, so dass zweifellos „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen“, dass er die Straftat begangen hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung – anders als noch in der Strafverhandlung – angegeben hat, er habe das Betäubungsmittel nur für seinen Eigenkonsum erworben. Denn zum einen ändert dies nichts an den durch die rechtskräftige Verurteilung bestehenden „schwerwiegenden Gründen“ für die Annahme einer schweren Straftat, zum anderen erscheint diese Einlassung vollkommen unglaubhaft. Angesichts einer Menge von fast 500g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von gut 20% hätte der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er habe ca. einmal die Woche konsumiert, mit der erworbenen Menge seinen Bedarf für rund 6.666 Wochen (!) decken können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine durchschnittliche Konsumeinheit auf 15 mg THC zu bemessen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.1995 - 3 StR 245/95 -, juris Rn. 12); angesichts des Umstandes, dass die beim Kläger sichergestellte Gesamtmenge rund 500g betrug, in der ein Wirkstoffgehalt von rund 20 %, mithin 100g reines THC enthalten waren, ergibt sich hieraus eine erworbene Menge von rund 6.666 Konsumeinheiten.
27 
b) Die abgeurteilte Tat stellt auch eine „schwere Straftat“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG dar. Hierbei verbietet sich zwar eine schematische Einstufung anhand des vom nationalen Gesetzgeber vorgesehen Strafrahmens, jedoch spielt dieser für die Einordnung gleichwohl – zumindest als Indiz – eine Rolle (vgl. VG Aachen, Urt. v. 14.08.2020 - 1 K 2872/19.A -, juris Rn. 18).
28 
Der nationale Gesetzgeber hat den vom Kläger verwirklichten Tatbestand (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG) als Verbrechen eingestuft. Der Strafrahmen reicht nach § 29a Abs. 1 BtmG, § 38 Abs. 1 StGB von einem Jahr bis zu 15 Jahren; bei – wie hier – Annahme eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, wobei sich hierdurch an der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einstufung des Delikts als Verbrechen nichts ändert (vgl. § 12 Abs. 3 StGB).
29 
Desweiteren hat der Gesetzgeber – was ebenfalls für die Annahme einer „schweren Straftat spricht – den Tatbestand als Katalogtat in den Katalog des § 100a StPO aufgenommen, der die eingriffsintensive verdeckte Ermittlungsmaßnahme der Telefonüberwachung zulässt (vgl. § 100a Abs. 2 Nr. 7b StPO). Auch im Katalog der (noch eingriffsintensiveren) verdeckten Ermittlungsmaßnahmen der Online-Durchsuchung (§ 110b StPO) sowie der akustischen Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO) ist der Tatbestand enthalten – und zwar unabhängig davon, ob ggf. ein minder schwerer Fall vorliegt. Schließlich werden Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, die im konkreten Fall – wie hier – mit einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr geahndet werden, nach nationalem Recht als ein „besonders schweres Ausweisungsinteresse“ im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG eingestuft.
30 
Hinsichtlich der „Art der Straftat“ ist zudem darauf abzustellen, dass mit dem strafbewehrten Verbot des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verhindert werden soll, dass es zu „Opfern der Drogensucht“ kommt. Von dem unerlaubten Handeltreiben mit einer größeren Menge von Cannabisprodukten gehen erheblich größere Gefahren aus als bspw. vom Erwerb kleinerer Mengen (zum Eigenkonsum). Den Händlern soll aus Sicht des Gesetzgebers entschieden entgegengetreten werden, da diese „die Nachfrage wecken und unterhalten“, die „Schwäche und psychische Abhängigkeit anderer ausbeuten“ und – „allein aus eigennützigen Gründen – zu einer unkontrollierten Verbreitung der Droge Cannabis beitragen“ (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.1995 - 3 StR 245/95 -, juris Rn. 21). Dem geschützten Rechtsgut der „Volksgesundheit“ kommt ein hoher Rang zu. Der Schutz der Bevölkerung vor Betäubungsmitteln (allgemein) stellt zudem ein Grundinteresse der Gesellschaft dar (vgl. VG Würzburg, GB vom 07.05.2020 - W 9 K 19.31444 -, juris Rn. 26 m.w.N.; zur generellen „Eignung“ des § 29a BtMG als „schwere Straftat“ i.S.d. QRL s.a. VG Trier, Urt. v. 06.10.2020 - 1 K 942/20.TR -, juris Rn. 24 f.; VG Ansbach, Beschl. v. 17.04.2019- AN 1 S 19.30405 -, juris Rn. 36 ff.).
31 
Zwar ist im konkreten Fall eine Verletzung des Schutzgutes „Volksgesundheit“ nicht erfolgt, da die Betäubungsmittel beim Kläger sichergestellt worden und nicht in Umlauf gelangt sind, mithin keinen Schaden angerichtet haben; jedoch spielt dies nach Auffassung des Gerichts bei der Frage, ob die Tat als „schwer“ einzustufen ist, keine Rolle. Denn bei der Feststellung der „schweren Straftat“ geht es um die „Unwürdigkeit“ des an sich Schutzberechtigten. Der Umstand der Sicherstellung ist demgegenüber ein bloßer Zufall, der zwar die Folgen der Straftat abmildert (und damit strafmildernd zu berücksichtigen ist), aber nicht das Verhalten des Klägers in einem „milderen Licht“ erscheinen lässt, an seiner „Unwürdigkeit“ somit nichts ändert. Der ebenfalls im Strafurteil des Amtsgerichts T. strafmildernd berücksichtigte Umstand, dass der Kläger sich geständig gezeigt hat, ändert aus Sicht des Gerichts ebenfalls nichts an der Einstufung der Tat als „schwer“. Wie im Strafurteil ausgeführt handelte es sich „nur“ um ein Geständnis „in eingeschränkter Form und vor dem Hintergrund einer erdrückenden Beweislage“ (vgl. Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., AS X). Es liegt gerade kein von Reue getragenes Geständnis vor, sondern lediglich eine knappe Verteidigererklärung und dürftige Angaben des Klägers selbst (vgl. Protokoll über die Hauptverhandlung, Strafakte des AG T., AS X f.); das Geständnis beschränkt sich im Übrigen auf lediglich eine von drei angeklagten Taten und hierbei auf diejenige, die ohne weiteres auch so hätte nachgewiesen werden können, da der Kläger im Besitz der Betäubungsmittel angetroffen wurde. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht angegeben, die Betäubungsmittel allein zum Eigenkonsum erworben zu haben, damit ein Handeltreiben (wieder) abgestritten.
32 
Das Gericht teilt auch nicht die Ansicht, dass der Einordnung als „schwere Straftat“ entgegensteht, dass der Strafrichter den Strafrahmen nur in geringem Maße ausgeschöpft hat (so aber OVG Bremen, Urt. v. 10.05.20211 - 1 A 306/10, 1 A 307/10 -, juris Rn. 112), denn – wie aufgezeigt – sind bei der Strafzumessung auch Umstände zu berücksichtigen, die vom Verhalten des Täters unabhängig sind und deswegen auf die Frage seiner „Unwürdigkeit“ keinen Einfluss haben können. Dementsprechend wird in der Strafrechtslehre anerkannt, dass im Rahmen der Strafzumessung auch Umstände eine Rolle spielen können, die sich „außerhalb des eigentlichen Tatbereichs“ bewegen, sofern sie für den Schuldumfang bedeutsam sind (vgl. m.w.N. Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 46 Rn. 9).
33 
Schließlich ist bei der „Art der Straftat“ zu berücksichtigen, dass sich die Tat als geplante, organisierte Tat darstellt, bei welcher sich der Kläger den Feststellungen des Strafurteils zufolge, gezielt auf den Weg nach S. begeben hat, um dort von einem Händler eine größere Menge Drogen zu erwerben. Im Rahmen des abgeurteilten Straftatbestandes ist auch zu sehen, dass der Kläger nicht „nur“ wegen Besitzes einer nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, was ebenfalls den Straftatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen würde, sondern wegen der dort genannten „schwersten“ Handlungsform, dem Handeltreiben.
34 
Der Annahme einer „schweren Straftat“ steht schließlich nicht entgegen – worauf der Klägervertreter hingewiesen hat – dass derzeit die „Legalisierung von Cannabis“ diskutiert wird. Zum einen sind zum maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entsprechende Regelungen noch nicht erlassen, zum anderen dürfte die vom Kläger begangenen Straftat auch künftig eine Straftat bleiben. Im Koalitionsvertrag ist ausgeführt, dass die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ eingeführt werden soll. Dadurch solle „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“ werden (vgl. Koalitionsvertrag 2021-2025 „Mehr Fortschritt wagen“, abrufbar u.a. bei www.spd.de, S. 68). Der Handel mit Cannabis durch „Privatpersonen“ außerhalb lizenzierter Geschäfte dürfte damit sicher weiterhin – u.a. aus Gründen des Jugendschutzes – verboten und strafbar bleiben. Im Übrigen ist unklar, ob die geplanten Regelungen mit internationalem Recht, insbesondere dem EU-Recht (vgl. bspw. Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, ABI. L 335 vom 11.11.2004, S. 8-11) zu vereinbaren sind. Schließlich steht der „schweren Straftat“ nicht entgegen, dass es bei der hier abgeurteilten Tat „nur“ um Cannabis ging. Denn die Art der Droge und deren Gefährlichkeit wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits bei der Festlegung der „nicht geringen Menge“ berücksichtigt. Das bedeutet, dass je „ungefährlicher“ die Droge ist, desto höher wird die Schwelle zum Erreichen der „nicht geringen Menge“ angesetzt. Während die „nicht geringe Menge“ beim „gefährlichsten“ Stoff Heroin bei 150 Konsumeinheiten, also bereits bei 1,5g Heroinhydrochlorid, angenommen wird, liegt der Wert bei Cannabis bei 500 Konsumeinheiten, also 7,5g THC (vgl. Krumm, Die „nicht geringe Menge“ im Betäubungsmittelstrafrecht, NJW 2020, 2165 Rn. 4 m.w.N).
35 
Die „Art der Strafmaßnahme“ (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 56) spricht hier ebenfalls für die Annahme einer schweren Straftat. Eine Freiheitsstrafe ist die schwerste Form der Sanktion, eine solche wurde verhängt. Zwar wurde diese zur Bewährung ausgesetzt, das Strafgericht hat aber ausweislich der Urteilsgründe hierbei maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger bereits mehrere Monate in Untersuchungshaft verbracht hat und damit seiner Freiheit beraubt war (vgl. Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., AS X). Auch sprechen aus dem Urteil des Strafgerichts deutliche Zweifel an der günstigen Sozialprognose – so werden die Aussichten als „offen“ angesehen.
36 
Soweit der EuGH für die Einordnung als „schwere Straftat“ auf das „zur Verfolgung herangezogene Verfahren“ abstellt, dürfte damit wohl gemeint sein, auf welche Art und Weise die Strafverfolgung und ggf. die Verurteilung erfolgt. Vorliegend ist – nach nationalem Recht – dasjenige Verfahren mit der höchsten Eingriffsintensität angewandt worden. Die Straftat wurde nach Anklageerhebung abgeurteilt, nicht etwa in einem (schriftlichen) Strafbefehlsverfahren, das im Übrigen hier auch aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich gewesen wäre. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens befand sich der Kläger zudem über mehrere Monate (eingriffsintensiv) in Untersuchungshaft.
37 
Schließlich wird die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen (jedenfalls der EU) ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen. Dies ergibt sich bereits aus dem o.g. Rahmenbeschluss vom 25.10.2004, der für die vom Kläger begangene Art der Straftat vorsieht, dass die Mitgliedstaaten nach nationalem Recht Freiheitsstrafen in einer Mindesthöchststrafe von 5-10 Jahren vorsehen müssen (vgl. Art. 2 Abs. 2a RB 2004/757/JI). Zudem wird nach der Wertung des Art. 83 Abs. 1 AEUV der illegale Drogenhandel zu den Bereichen der besonders schweren Kriminalität gerechnet (darauf abstellend auch VG Aachen, Urt. v. 14.08.2020 - 1 K 2872/19.A -, juris Rn. 22; VG Würzburg, GB vom 07.05.2020 - W 9 K 19.31444 -, juris Rn. 26; VG Ansbach, Beschl. v. 17.04.2019- AN 1 S 19.30405 -, juris Rn. 39 unter Hinweis auf den „Aktionsplan zur Drogenbekämpfung“ der Europäischen Kommission).
38 
b) Wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 73b Abs. 3 AsylG i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 AsylG kommt es vorliegend nicht mehr darauf an, ob der subsidiäre Schutzstatus des Klägers auch deswegen zurückzunehmen wäre, weil schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 4 AsylG).
39 
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zur Auslegung dieser Regelung im Beschluss vom 21.01.2022 (- A 4 S 108/22 -, juris) Folgendes ausgeführt:
40 
„Diese Norm ist eine Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 lit. d) QLR die ihrerseits ihre Wurzeln in der Genfer Flüchtlingskonvention hat. Rechtspolitischer Hintergrund dieser Regelungen ist es, aus Akzeptanzgründen den Status eines „bona fide refugee“ nicht in Misskredit zu bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 -, juris Rn. 41) bzw. „zur Erhaltung der Glaubwürdigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ Personen auszuschließen, die sich als des internationalen Schutzes „unwürdig“ erwiesen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 13.09.2018, Rs. C-369/17 Rn. 51, m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs orientieren sich die Gründe für den Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus an den auf Flüchtlinge anzuwendenden Regelungen (vgl. Art. 12 AnerkRL und § 3 Abs. 2 AsylG sowie Art. 1 lit. F GFK), sind ihrem Wesen nach vergleichbar und deshalb grundsätzlich auch vergleichbar auszulegen (EuGH, a.a.O. Rn. 43 ff.). Daraus folgt zum einen, dass die „Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik“ gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG sich im polizeirechtlichen Sinne hinreichend wahrscheinlich realisieren und bei systematischer Auslegung wie die anderen Ausschlussgründe in Nr. 1 (Kriegsverbrechen), Nr. 2 (schwere Straftaten) und Nr. 3 (völkerrechtswidrige Handlungen) wohl auch auf zu erwartende Straftaten von „gewissem Gewicht“ beziehen muss (vgl. Österreichischer VerfGH, Urteil vom 13.12.2011 - U1907/10 -, www.ris.bka.gv.at/Judikatur); typischerweise ist bei § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG an Kapitalverbrechen zu denken oder sonstige Straftaten, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert und entsprechend strafrechtlich verfolgt werden (vgl. zu Art. 12 Abs. 2 lit. b AnerkRL: BVerwG, Beschluss vom 14.10.2008 - 10 C 48.07 -, Juris Rn. 19). Dementsprechend bejaht die höchstrichterliche Rechtsprechung europaweit auch den Ausschlussgrund der „Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit des Mitgliedstaats“ gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. d AnerkRL regelmäßig nur bei zu erwartenden Delikten im Zusammenhang mit Terrorismus, Tötungsdelikten, Drogen- oder Waffenhandel (Nachweise bei EASO, Ausschluss: Art. 12 und 17 AnerkRL, 2016, S. 52 f. und EASO, Exclusion, 2020, S. 123 f.; vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2022 – A 4 S 108/22 -, juris). Zum anderen folgt daraus, dass für die Annahme eines solchen Ausschlussgrundes immer „eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalles“ vorzunehmen ist (so zu Art. 17 Abs. 1 lit. b ausdrücklich: EuGH, a.a.O. Rn. 58; bereits betont in den Urteilen vom 09.11.2010, Rs. C 57/09 und 31.01.2017, Rs. C-573/14 ; bestätigt durch EuGH, Urteil vom 02.04.2020, Rs. C-715/17 u.a. , Rn. 154).
Ist nach diesen - bezüglich Art. 17 Abs. 1 lit. b AnerkRL und somit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG maßgeblichen - Auslegungsvorgaben des EuGH für einen Ausschluss des subsidiären Schutzes immer eine aktuell bestehende, besonders schwerwiegende Gefahr im konkreten Einzelfall erforderlich, können die Anforderungen bei Art. 17 Abs. 1 lit. d AnerkRL und somit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG nicht dahinter zurückbleiben und heißt dies zugleich, dass auch für eine Rücknahme der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 73b Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG immer eine solche gegenwärtige konkrete Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gegeben sein muss. Hierzu ist immer eine individuelle Betrachtung und Bewertung der von dem Ausländer ausgehenden Gefahren anzustellen. Primär ist - anders als bei § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG - nicht das Fehlverhalten in der Vergangenheit maßgeblich, sondern die zukünftige Gefährdung. Es ist eine ähnliche Gefahrenprognose anzustellen wie etwa im Rahmen einer Ausweisung. Diese erübrigt sich deshalb auch nicht automatisch nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe oder dem Ende des Strafvollzugs (vgl. Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 4 AsylG Rn. 17 f.).
41 
Im vorliegenden Fall ist von einer Gefahr der Wiederholung von schweren Straftaten wie der bereits abgeurteilten zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auszugehen.
42 
Zwar hat das Strafgericht die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, was ein gewichtiges Indiz gegen eine Wiederholungsgefahr darstellt. Hinzu kommt, dass der Kläger seit der Haftentlassung vor gut zwei Jahren keine weiteren Straftaten begangen hat und der Bewährungsverlauf sich grundsätzlich als positiv darstellt – so hat der Kläger die ihm auferlegten Arbeitsstunden vollständig abgeleistet (s. X) und regelmäßigen Kontakt zum Bewährungshelfer gehalten (s. X).
43 
Jedoch bezeichnet das Strafgericht selbst die Legalprognose als „offen“ und sieht als „bedenklich“ stimmenden Umstand den erheblichen Umfang des Umgangs des Klägers mit Betäubungsmitteln in der Vergangenheit (vgl. Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., As X). Auch Sicht des erkennenden Gerichts spricht für eine erhebliche Wiederholungsgefahr, dass der Kläger sich – trotz mehrere Beratungsgespräche bei der Drogenberatung (X) – mit seinem Konsum noch nicht ausreichend auseinandergesetzt hat; nach den Berichten der Drogenhilfe vom 21.10.2020 können aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse des Klägers therapeutische Maßnahmen nicht empfohlen werden (GAS 161). Es ist daher bereits fraglich, ob der eigene Konsum ausreichend gesichert in Zukunft unterbleibt. Im Rahmen der Bewährungsüberwachung wurden dem Kläger Urinkontrollen aufgegeben. Bislang wurde er in den vergangenen beiden Jahren lediglich zu vier Kontrollen einbestellt, von denen eine positiv auf THC getestet wurde (Probe vom 21.01.2021, X), er einen Termin nicht wahrgenommen hat (Probe vom 03.07.2021) und eine Probe (am 05.08.2021) negativ war (vgl. Bericht der Bewährungshilfe vom X, X). Eine weitere Probe vom 10.05.2022 (GAS X) war ebenfalls negativ auf THC. Nach dem Abschlussbericht der Drogenhilfe vom 07.02.2022 (GAS X) wurden die Gespräche bei der Drogenhilfe beendet, weil der Kläger dort angegeben habe, er habe keinen Konsum mehr. Er habe den Cannabiskonsum „im Laufe des Jahres 2021“ beenden können – auch mithilfe von Medikamenten, die er verordnet bekommen habe. Demgegenüber hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, ihm sei nur „die erste Zeit, drei Monate“ ohne Konsum schwergefallen. Er habe mit der Drogenberatung gesprochen, es sei jetzt „kein Problem“ mehr, konsumfrei zu leben. Von Medikamenten hat der Kläger hier nichts berichtet. Desweiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe jeglichen Kontakt zu seinen „Konsumfreunden“ abgebrochen – gegenüber dem Bewährungshelfer hat er hingegen seine positive Urinkontrolle vom Januar 2021 damit erklärt, dass er „gemeinsam mit einem Bekannten“ eine „THC-haltige Zigarette“ geraucht habe (X). Gegen einen solchen einmaligen „Ausrutscher“ spricht der im ärztlichen Befundbericht (GAS X) angegebenen THC-COOH-Wert von 96 ng/ml (umgerechnet); jedenfalls ist nach neuerer naturwissenschaftlicher Erkenntnis dem Überschreiten einer THC-COOH -Konzentration von 100 ng/ml – damit nur geringfügig über dem beim Kläger gemessenen Wert - eine indizielle Bedeutung für einen häufigeren bis regelmäßigen Konsum von Cannabis zuzumessen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.09.2021 - 13 S 2350/21 -, juris). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hinsichtlich des positiven Befundes vom Januar 2021 außerdem behauptet, er habe zu diesem Zeitpunkt „nicht gewusst“, dass er nicht konsumieren dürfe. Dies überzeugt nicht. Denn zum einen wurde ihm diese Weisung im Bewährungsbeschluss vom 25.06.2020 (X) aufgegeben und der Beschluss in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Klägers verkündet; zum anderen hatte der Kläger im Zeitraum vor der positiven Probe bereits mehrere Gespräche bei der Drogenberatung (X) und dort angegeben, er konsumiere „seit Wochen“ kein THC mehr. Auch gegenüber seinem Bewährungshelfer hat er dies so angegeben (X). Schließlich ist hinsichtlich des eigenen Drogenkonsums des Klägers noch zu bedenken, dass dieser bei Aufnahme in der JVA am 24.01.2020 nicht nur positiv auf Cannabis, sondern auch auf Buprenorphin und Metamphetamin getestet wurde (X) und bei der Durchsuchung seiner Wohnung in seiner Jackentasche eine Ecstacy-Tablette gefunden wurde (deren Besitz er in der mündlichen Verhandlung bestritten hat). Ein Konsum anderer Betäubungsmittel außer Cannabis ist jedoch nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden (und vermutlich weder dem Bewährungshelfer noch der Drogenberatungsstelle bekannt gewesen). Von der im Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts für eine positive Legalprognose für erforderlich gehaltenen „intensiven Behandlung“ der Suchterkrankung (Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., As X) kann daher allenfalls in Ansätzen die Rede sein.
44 
Für eine Wiederholungsgefahr spricht auch, dass die Motive der Straftat bislang unbeleuchtet geblieben sind. Der Kläger ist nicht wegen eines (straflosen) Konsumdelikts verurteilt worden, sondern wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht diese Tat bestritten und angegeben hat, der Erwerb von rund 500g Haschisch habe allein seinem Eigenkonsum gedient – was aus den o.g. Gründen völlig abwegig ist – konnten die Motive der Tat nicht aufgeklärt werden. In der Strafverhandlung wurde dem nicht weiter nachgegangen und auch im Rahmen der Bewährungshilfe – hier lag der Fokus auf dem Konsum – wurde dies ausweislich der Berichte nicht thematisiert. Jedoch dient das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln der Verschaffung von Einnahmen (vgl. hierzu auch das mit dem Mobiltelefon des Klägers in der Tatnacht erstellte Bild einer größeren Bargeldmenge, Sonderband „Nebenakte Auswertung Mobiltelefon“ zur Strafakte des AG T., AS X). Angesichts dessen, dass der Kläger in prekären Verhältnissen lebt, Schulden hat und derzeit nicht arbeiten kann, dürfte eine hohe Gefahr bestehen, erneut mit dem Verkauf von Betäubungsmitteln finanzielle Engpässe zu beheben. Der Kläger verfügt offensichtlich über gute Kontakte und hätte jederzeit die Möglichkeit, wieder an größere Mengen von Betäubungsmitteln zum Weiterverkauf zu gelangen. Denn er hatte in der Vergangenheit – vor der abgeurteilten Tat – zur Überzeugung des Gerichts Umgang mit erheblichen Mengen an Betäubungsmitteln. Davon ist auch die Staatsanwaltschaft ausgegangen und hat insoweit – bezogen auf den 03.12.2019 und den 05.01.2020 – einen hinreichenden Tatverdacht bejaht (X.; Einstellung dieser Anklagepunkte in der Hauptverhandlung nach § 154 StPO, vgl. AS X). Das Gericht stützt seine Überzeugung auf die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren, insbesondere die auf dem Mobiltelefon des Klägers aufgefundenen Bilder von großen Betäubungsmittelmengen. Auch das Strafgericht ist nach erfolgter Beweisaufnahme zu dieser Überzeugung gelangt (Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., AS X). Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht angegeben, er habe die Fotos, die größere Mengen Marihuana und Haschisch zeigen, nicht aufgenommen, sondern „jemand“ habe ihm die Bilder geschickt, das Gericht hält dies indes für eine Schutzbehauptung. Denn teilweise ergibt sich aus den Metadaten der Bilder (vgl. Aufnahme von ca. 150g Haschisch am 27.09.2018, Sonderband „Nebenakte Auswertung Mobiltelefon“ zur Strafakte des AG T., AS X), dass diese mit dem Mobiltelefon des Klägers in seiner Wohnung aufgenommen worden sind. Teilweise ergibt es sich (zumindest) aus den Bildern selbst, die augenscheinlich in der Wohnung des Klägers aufgenommen worden sind (vgl. Bilddatei vom 05.01.2020 mit ca. 450 g Haschisch, a.a.O., S. 53), da auf dem Foto der Glastisch und darunter der Teppich des Klägers zu erkennen.
45 
Aufgrund der nicht aufgearbeiteten Drogenproblematik und der fehlenden Auseinandersetzung des Klägers mit seiner Tat, die er im Wesentlichen (in Bezug auf das Handeltreiben) in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht bestritten hat, geht das Gericht – trotz straffreier Führung nach Haftentlassung – weiterhin von der bestehenden Gefahr aus, dass der Kläger erneut erhebliche Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begeht. Hinzu kommt, dass das soziale Umfeld des Klägers derzeit im Wesentlichen aus dem Bewährungshelfer und der Drogenberatung besteht, letztere aber beendet worden ist und die Unterstellung unter die Bewährungshilfe auch zum 24.06.2022 enden soll. Über eine Arbeitserlaubnis verfügt er derzeit ebensowenig wie über familiäre Verbindungen.
46 
II. Soweit mit dem Hauptantrag die Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides (Feststellung, dass subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG nicht gewährt wird) und mit dem Hilfsantrag die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG zuzuerkennen, begehrt wird, bleiben diese Anträge ebenfalls ohne Erfolg.
47 
Zwar dürfte für die unter Ziffer 2 getroffene isolierte Feststellung kein Anlass und auch keine Ermächtigungsgrundlage bestanden haben. Schließlich ist mit der Entscheidung des Bundesamts über die Rücknahme des „subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG“ in Ziffer 1 des Bescheids vom 09.09.2021 der Sache nach „der Schutzstatus“ weggefallen. Gegebenenfalls wäre im Rahmen dieser Entscheidung inzident zu prüfen gewesen, ob aus anderen Gründen doch ein Anspruch auf den begehrten Status besteht. Denn dann hätte keine Rücknahme erfolgen dürfen. Dies scheidet hier aber schon von Vornherein aus, weil die Ausschlussgründe des § 4 Abs. 2 AsylG nicht nach der „Art“ des subsidiären Schutzes unterscheiden, sondern „die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1“ betreffen. Daher besteht auch kein Grund für eine förmliche Feststellung über das Nichtvorliegen des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG, wie es hier unter Ziffer 2 des Bescheids erfolgt ist. Gleichwohl besteht für eine Aufhebung dieser isolierten Feststellung vorliegend kein Rechtsschutzinteresse. Denn der Kläger könnte hierdurch seine Rechtsposition nicht verbessern. Es bleibt dabei, dass der ihm zunächst zuerkannte subsidiäre Schutzstatus zurückgenommen ist. Damit steht bereits fest, dass er keinen Anspruch auf eine entsprechende Zuerkennung hat.
48 
Vor diesem Hintergrund ist der hilfsweise gestellte Antrag, die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.09.2021 aufzuheben, ebenfalls unzulässig und jedenfalls unbegründet. Die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung des subsidiären Schutzstatus hat, ist allein inzident bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Rücknahme zu prüfen; der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu einer gesonderten Feststellung. Abgesehen davon ist die Zuerkennung des subsidiären Schutzes aus den angeführten Gründen nach § 4 Abs. 2 AsylG ausgeschlossen.
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Gründe

 
20 
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.09.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
21 
Die Voraussetzungen für die Rücknahme des subsidiären Schutzes (Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides) liegen vor. Nach § 73b Abs. 3 AsylG ist die Zuerkennung des subsidiären Schutzes unter anderem zurückzunehmen, wenn der Ausländer nach § 4 Abs. 2 AsylG von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen ist. Das gilt auch, wenn der Ausschlussgrund nachträglich eintritt.
22 
Hier liegen Ausschlussgründe gemäß § 4 Abs. 2 AsylG vor.
23 
1. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Diese Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungs- oder Qualifikationsrichtlinie, im Folgenden: QRL). Eine Definition der „schweren Straftat“ enthält die Qualifikationsrichtlinie indes nicht. Sie verweist zur Bestimmung des Sinnes und der Tragweite dieses Begriffs auch nicht ausdrücklich auf das nationale Recht (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2018 - C-369/17 - , juris Rn. 33). Insofern hat der Begriff der „schweren Straftat“ eine autonome und einheitliche Auslegung zu erhalten, die unter Berücksichtigung ihres Kontextes und des mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 36). Zweck des Art. 17 Abs. 1 lit. b) QRL ist es, Personen auszuschließen, die als des subsidiären Schutzes unwürdig angesehen werden (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 51; vgl. zum inhaltsgleichen Begriff der „schweren Straftat“ i.S.d. Art. 17 Abs. 1 lit. b) QRL in § 25 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AufenthG auch: BVerwG, Urt. v. 25.03.2015 - 1 C 16.14 -, juris Rn. 22 ff.). Dieser Ausschlussgrund bildet eine Ausnahme von der in Art. 18 QRL aufgestellten allgemeinen Regel und ist daher restriktiv auszulegen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 52). Dabei muss die zuständige Behörde in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände vornehmen, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 55). Die Beurteilung hat sich an einer Vielzahl von Kriterien zu orientieren, wie unter anderem der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen wird (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 56; Urteile d. Kammer v. 24.11.2021 - A 7 K 1773/20 -, n.v. und v. 21.10.2020 - 7 K 2047/20 -, juris Rn. 42 ff.; s. hierzu und zum Folgenden auch: VG F., Urt. v. 05.02.2021 - A 5 K 7139/18 -, juris).
24 
Außerdem kann zur Auslegung des Begriffs der „schweren Straftat“ auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der „schweren nichtpolitischen Straftat“ verwiesen werden (vgl. Urt. v. 16.02.2010 - 10 C 7.09 -, juris, zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG; Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dez. 2021, IV. Ausschlussgründe, Rn. 91). Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (BVerwG, a.a.O.). Die Schwere der Tat ist dabei nicht allein abstrakt zu bestimmen, sondern im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles (Häufigkeit und Intensität der Verfehlungen; siehe Kraft in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Art. 17 Rn. 4, Art. 12 Rn. 51). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellt darauf ab, dass die Straftat zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität fallen und nach Art und Schwere so gewichtig sein müsse, dass die Erteilung eines Aufenthaltsrechts unbillig erscheine (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.12.2013 - 11 S 1770/13 -, juris). Dabei ist bei der im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Gewichtung der Tat zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG einen Fall der Unwürdigkeit regelt, bei dem es weder darauf ankommt, wie lange die Tat zurückliegt, noch ob von dem betreffenden Ausländer aktuell Gefahren ausgehen (BVerwG, Urt. v. 25.03.2015 - 1 C 16.14 -, juris Rn. 29). Ferner ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 S. 1 AsylG weitere Fälle der Unwürdigkeit benennt und zwar Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG) sowie Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Im Hinblick auf diese sehr gravierenden Verhaltensweisen ist daher angesichts des vom Europäischen Gerichtshof betonten Ausnahmecharakters der Ausschlussgründe ein erhebliches Gewicht sowohl der Straftaten als auch der schwerwiegenden Gründe für die Annahme, dass diese begangen worden sind, zu fordern (vgl. VG F., Urt. v. 21.10.2020 - 7 K 2047/20 -, juris, Rn. 45).
25 
2. Nach diesen Grundsätzen erfüllt die durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 25.06.2020 (Az. X) abgeurteilte Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vom 09.01.2020 die genannten Kriterien.
26 
a) Wegen dieser Tat wurde der Kläger rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, so dass zweifellos „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen“, dass er die Straftat begangen hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung – anders als noch in der Strafverhandlung – angegeben hat, er habe das Betäubungsmittel nur für seinen Eigenkonsum erworben. Denn zum einen ändert dies nichts an den durch die rechtskräftige Verurteilung bestehenden „schwerwiegenden Gründen“ für die Annahme einer schweren Straftat, zum anderen erscheint diese Einlassung vollkommen unglaubhaft. Angesichts einer Menge von fast 500g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von gut 20% hätte der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er habe ca. einmal die Woche konsumiert, mit der erworbenen Menge seinen Bedarf für rund 6.666 Wochen (!) decken können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine durchschnittliche Konsumeinheit auf 15 mg THC zu bemessen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.1995 - 3 StR 245/95 -, juris Rn. 12); angesichts des Umstandes, dass die beim Kläger sichergestellte Gesamtmenge rund 500g betrug, in der ein Wirkstoffgehalt von rund 20 %, mithin 100g reines THC enthalten waren, ergibt sich hieraus eine erworbene Menge von rund 6.666 Konsumeinheiten.
27 
b) Die abgeurteilte Tat stellt auch eine „schwere Straftat“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG dar. Hierbei verbietet sich zwar eine schematische Einstufung anhand des vom nationalen Gesetzgeber vorgesehen Strafrahmens, jedoch spielt dieser für die Einordnung gleichwohl – zumindest als Indiz – eine Rolle (vgl. VG Aachen, Urt. v. 14.08.2020 - 1 K 2872/19.A -, juris Rn. 18).
28 
Der nationale Gesetzgeber hat den vom Kläger verwirklichten Tatbestand (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG) als Verbrechen eingestuft. Der Strafrahmen reicht nach § 29a Abs. 1 BtmG, § 38 Abs. 1 StGB von einem Jahr bis zu 15 Jahren; bei – wie hier – Annahme eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, wobei sich hierdurch an der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einstufung des Delikts als Verbrechen nichts ändert (vgl. § 12 Abs. 3 StGB).
29 
Desweiteren hat der Gesetzgeber – was ebenfalls für die Annahme einer „schweren Straftat spricht – den Tatbestand als Katalogtat in den Katalog des § 100a StPO aufgenommen, der die eingriffsintensive verdeckte Ermittlungsmaßnahme der Telefonüberwachung zulässt (vgl. § 100a Abs. 2 Nr. 7b StPO). Auch im Katalog der (noch eingriffsintensiveren) verdeckten Ermittlungsmaßnahmen der Online-Durchsuchung (§ 110b StPO) sowie der akustischen Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO) ist der Tatbestand enthalten – und zwar unabhängig davon, ob ggf. ein minder schwerer Fall vorliegt. Schließlich werden Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, die im konkreten Fall – wie hier – mit einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr geahndet werden, nach nationalem Recht als ein „besonders schweres Ausweisungsinteresse“ im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG eingestuft.
30 
Hinsichtlich der „Art der Straftat“ ist zudem darauf abzustellen, dass mit dem strafbewehrten Verbot des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verhindert werden soll, dass es zu „Opfern der Drogensucht“ kommt. Von dem unerlaubten Handeltreiben mit einer größeren Menge von Cannabisprodukten gehen erheblich größere Gefahren aus als bspw. vom Erwerb kleinerer Mengen (zum Eigenkonsum). Den Händlern soll aus Sicht des Gesetzgebers entschieden entgegengetreten werden, da diese „die Nachfrage wecken und unterhalten“, die „Schwäche und psychische Abhängigkeit anderer ausbeuten“ und – „allein aus eigennützigen Gründen – zu einer unkontrollierten Verbreitung der Droge Cannabis beitragen“ (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.1995 - 3 StR 245/95 -, juris Rn. 21). Dem geschützten Rechtsgut der „Volksgesundheit“ kommt ein hoher Rang zu. Der Schutz der Bevölkerung vor Betäubungsmitteln (allgemein) stellt zudem ein Grundinteresse der Gesellschaft dar (vgl. VG Würzburg, GB vom 07.05.2020 - W 9 K 19.31444 -, juris Rn. 26 m.w.N.; zur generellen „Eignung“ des § 29a BtMG als „schwere Straftat“ i.S.d. QRL s.a. VG Trier, Urt. v. 06.10.2020 - 1 K 942/20.TR -, juris Rn. 24 f.; VG Ansbach, Beschl. v. 17.04.2019- AN 1 S 19.30405 -, juris Rn. 36 ff.).
31 
Zwar ist im konkreten Fall eine Verletzung des Schutzgutes „Volksgesundheit“ nicht erfolgt, da die Betäubungsmittel beim Kläger sichergestellt worden und nicht in Umlauf gelangt sind, mithin keinen Schaden angerichtet haben; jedoch spielt dies nach Auffassung des Gerichts bei der Frage, ob die Tat als „schwer“ einzustufen ist, keine Rolle. Denn bei der Feststellung der „schweren Straftat“ geht es um die „Unwürdigkeit“ des an sich Schutzberechtigten. Der Umstand der Sicherstellung ist demgegenüber ein bloßer Zufall, der zwar die Folgen der Straftat abmildert (und damit strafmildernd zu berücksichtigen ist), aber nicht das Verhalten des Klägers in einem „milderen Licht“ erscheinen lässt, an seiner „Unwürdigkeit“ somit nichts ändert. Der ebenfalls im Strafurteil des Amtsgerichts T. strafmildernd berücksichtigte Umstand, dass der Kläger sich geständig gezeigt hat, ändert aus Sicht des Gerichts ebenfalls nichts an der Einstufung der Tat als „schwer“. Wie im Strafurteil ausgeführt handelte es sich „nur“ um ein Geständnis „in eingeschränkter Form und vor dem Hintergrund einer erdrückenden Beweislage“ (vgl. Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., AS X). Es liegt gerade kein von Reue getragenes Geständnis vor, sondern lediglich eine knappe Verteidigererklärung und dürftige Angaben des Klägers selbst (vgl. Protokoll über die Hauptverhandlung, Strafakte des AG T., AS X f.); das Geständnis beschränkt sich im Übrigen auf lediglich eine von drei angeklagten Taten und hierbei auf diejenige, die ohne weiteres auch so hätte nachgewiesen werden können, da der Kläger im Besitz der Betäubungsmittel angetroffen wurde. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht angegeben, die Betäubungsmittel allein zum Eigenkonsum erworben zu haben, damit ein Handeltreiben (wieder) abgestritten.
32 
Das Gericht teilt auch nicht die Ansicht, dass der Einordnung als „schwere Straftat“ entgegensteht, dass der Strafrichter den Strafrahmen nur in geringem Maße ausgeschöpft hat (so aber OVG Bremen, Urt. v. 10.05.20211 - 1 A 306/10, 1 A 307/10 -, juris Rn. 112), denn – wie aufgezeigt – sind bei der Strafzumessung auch Umstände zu berücksichtigen, die vom Verhalten des Täters unabhängig sind und deswegen auf die Frage seiner „Unwürdigkeit“ keinen Einfluss haben können. Dementsprechend wird in der Strafrechtslehre anerkannt, dass im Rahmen der Strafzumessung auch Umstände eine Rolle spielen können, die sich „außerhalb des eigentlichen Tatbereichs“ bewegen, sofern sie für den Schuldumfang bedeutsam sind (vgl. m.w.N. Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 46 Rn. 9).
33 
Schließlich ist bei der „Art der Straftat“ zu berücksichtigen, dass sich die Tat als geplante, organisierte Tat darstellt, bei welcher sich der Kläger den Feststellungen des Strafurteils zufolge, gezielt auf den Weg nach S. begeben hat, um dort von einem Händler eine größere Menge Drogen zu erwerben. Im Rahmen des abgeurteilten Straftatbestandes ist auch zu sehen, dass der Kläger nicht „nur“ wegen Besitzes einer nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, was ebenfalls den Straftatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen würde, sondern wegen der dort genannten „schwersten“ Handlungsform, dem Handeltreiben.
34 
Der Annahme einer „schweren Straftat“ steht schließlich nicht entgegen – worauf der Klägervertreter hingewiesen hat – dass derzeit die „Legalisierung von Cannabis“ diskutiert wird. Zum einen sind zum maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entsprechende Regelungen noch nicht erlassen, zum anderen dürfte die vom Kläger begangenen Straftat auch künftig eine Straftat bleiben. Im Koalitionsvertrag ist ausgeführt, dass die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ eingeführt werden soll. Dadurch solle „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“ werden (vgl. Koalitionsvertrag 2021-2025 „Mehr Fortschritt wagen“, abrufbar u.a. bei www.spd.de, S. 68). Der Handel mit Cannabis durch „Privatpersonen“ außerhalb lizenzierter Geschäfte dürfte damit sicher weiterhin – u.a. aus Gründen des Jugendschutzes – verboten und strafbar bleiben. Im Übrigen ist unklar, ob die geplanten Regelungen mit internationalem Recht, insbesondere dem EU-Recht (vgl. bspw. Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, ABI. L 335 vom 11.11.2004, S. 8-11) zu vereinbaren sind. Schließlich steht der „schweren Straftat“ nicht entgegen, dass es bei der hier abgeurteilten Tat „nur“ um Cannabis ging. Denn die Art der Droge und deren Gefährlichkeit wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits bei der Festlegung der „nicht geringen Menge“ berücksichtigt. Das bedeutet, dass je „ungefährlicher“ die Droge ist, desto höher wird die Schwelle zum Erreichen der „nicht geringen Menge“ angesetzt. Während die „nicht geringe Menge“ beim „gefährlichsten“ Stoff Heroin bei 150 Konsumeinheiten, also bereits bei 1,5g Heroinhydrochlorid, angenommen wird, liegt der Wert bei Cannabis bei 500 Konsumeinheiten, also 7,5g THC (vgl. Krumm, Die „nicht geringe Menge“ im Betäubungsmittelstrafrecht, NJW 2020, 2165 Rn. 4 m.w.N).
35 
Die „Art der Strafmaßnahme“ (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 56) spricht hier ebenfalls für die Annahme einer schweren Straftat. Eine Freiheitsstrafe ist die schwerste Form der Sanktion, eine solche wurde verhängt. Zwar wurde diese zur Bewährung ausgesetzt, das Strafgericht hat aber ausweislich der Urteilsgründe hierbei maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger bereits mehrere Monate in Untersuchungshaft verbracht hat und damit seiner Freiheit beraubt war (vgl. Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., AS X). Auch sprechen aus dem Urteil des Strafgerichts deutliche Zweifel an der günstigen Sozialprognose – so werden die Aussichten als „offen“ angesehen.
36 
Soweit der EuGH für die Einordnung als „schwere Straftat“ auf das „zur Verfolgung herangezogene Verfahren“ abstellt, dürfte damit wohl gemeint sein, auf welche Art und Weise die Strafverfolgung und ggf. die Verurteilung erfolgt. Vorliegend ist – nach nationalem Recht – dasjenige Verfahren mit der höchsten Eingriffsintensität angewandt worden. Die Straftat wurde nach Anklageerhebung abgeurteilt, nicht etwa in einem (schriftlichen) Strafbefehlsverfahren, das im Übrigen hier auch aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich gewesen wäre. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens befand sich der Kläger zudem über mehrere Monate (eingriffsintensiv) in Untersuchungshaft.
37 
Schließlich wird die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen (jedenfalls der EU) ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen. Dies ergibt sich bereits aus dem o.g. Rahmenbeschluss vom 25.10.2004, der für die vom Kläger begangene Art der Straftat vorsieht, dass die Mitgliedstaaten nach nationalem Recht Freiheitsstrafen in einer Mindesthöchststrafe von 5-10 Jahren vorsehen müssen (vgl. Art. 2 Abs. 2a RB 2004/757/JI). Zudem wird nach der Wertung des Art. 83 Abs. 1 AEUV der illegale Drogenhandel zu den Bereichen der besonders schweren Kriminalität gerechnet (darauf abstellend auch VG Aachen, Urt. v. 14.08.2020 - 1 K 2872/19.A -, juris Rn. 22; VG Würzburg, GB vom 07.05.2020 - W 9 K 19.31444 -, juris Rn. 26; VG Ansbach, Beschl. v. 17.04.2019- AN 1 S 19.30405 -, juris Rn. 39 unter Hinweis auf den „Aktionsplan zur Drogenbekämpfung“ der Europäischen Kommission).
38 
b) Wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 73b Abs. 3 AsylG i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 AsylG kommt es vorliegend nicht mehr darauf an, ob der subsidiäre Schutzstatus des Klägers auch deswegen zurückzunehmen wäre, weil schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 4 AsylG).
39 
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zur Auslegung dieser Regelung im Beschluss vom 21.01.2022 (- A 4 S 108/22 -, juris) Folgendes ausgeführt:
40 
„Diese Norm ist eine Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 lit. d) QLR die ihrerseits ihre Wurzeln in der Genfer Flüchtlingskonvention hat. Rechtspolitischer Hintergrund dieser Regelungen ist es, aus Akzeptanzgründen den Status eines „bona fide refugee“ nicht in Misskredit zu bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 -, juris Rn. 41) bzw. „zur Erhaltung der Glaubwürdigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ Personen auszuschließen, die sich als des internationalen Schutzes „unwürdig“ erwiesen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 13.09.2018, Rs. C-369/17 Rn. 51, m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs orientieren sich die Gründe für den Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus an den auf Flüchtlinge anzuwendenden Regelungen (vgl. Art. 12 AnerkRL und § 3 Abs. 2 AsylG sowie Art. 1 lit. F GFK), sind ihrem Wesen nach vergleichbar und deshalb grundsätzlich auch vergleichbar auszulegen (EuGH, a.a.O. Rn. 43 ff.). Daraus folgt zum einen, dass die „Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik“ gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG sich im polizeirechtlichen Sinne hinreichend wahrscheinlich realisieren und bei systematischer Auslegung wie die anderen Ausschlussgründe in Nr. 1 (Kriegsverbrechen), Nr. 2 (schwere Straftaten) und Nr. 3 (völkerrechtswidrige Handlungen) wohl auch auf zu erwartende Straftaten von „gewissem Gewicht“ beziehen muss (vgl. Österreichischer VerfGH, Urteil vom 13.12.2011 - U1907/10 -, www.ris.bka.gv.at/Judikatur); typischerweise ist bei § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG an Kapitalverbrechen zu denken oder sonstige Straftaten, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert und entsprechend strafrechtlich verfolgt werden (vgl. zu Art. 12 Abs. 2 lit. b AnerkRL: BVerwG, Beschluss vom 14.10.2008 - 10 C 48.07 -, Juris Rn. 19). Dementsprechend bejaht die höchstrichterliche Rechtsprechung europaweit auch den Ausschlussgrund der „Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit des Mitgliedstaats“ gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. d AnerkRL regelmäßig nur bei zu erwartenden Delikten im Zusammenhang mit Terrorismus, Tötungsdelikten, Drogen- oder Waffenhandel (Nachweise bei EASO, Ausschluss: Art. 12 und 17 AnerkRL, 2016, S. 52 f. und EASO, Exclusion, 2020, S. 123 f.; vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2022 – A 4 S 108/22 -, juris). Zum anderen folgt daraus, dass für die Annahme eines solchen Ausschlussgrundes immer „eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalles“ vorzunehmen ist (so zu Art. 17 Abs. 1 lit. b ausdrücklich: EuGH, a.a.O. Rn. 58; bereits betont in den Urteilen vom 09.11.2010, Rs. C 57/09 und 31.01.2017, Rs. C-573/14 ; bestätigt durch EuGH, Urteil vom 02.04.2020, Rs. C-715/17 u.a. , Rn. 154).
Ist nach diesen - bezüglich Art. 17 Abs. 1 lit. b AnerkRL und somit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG maßgeblichen - Auslegungsvorgaben des EuGH für einen Ausschluss des subsidiären Schutzes immer eine aktuell bestehende, besonders schwerwiegende Gefahr im konkreten Einzelfall erforderlich, können die Anforderungen bei Art. 17 Abs. 1 lit. d AnerkRL und somit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG nicht dahinter zurückbleiben und heißt dies zugleich, dass auch für eine Rücknahme der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 73b Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG immer eine solche gegenwärtige konkrete Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gegeben sein muss. Hierzu ist immer eine individuelle Betrachtung und Bewertung der von dem Ausländer ausgehenden Gefahren anzustellen. Primär ist - anders als bei § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG - nicht das Fehlverhalten in der Vergangenheit maßgeblich, sondern die zukünftige Gefährdung. Es ist eine ähnliche Gefahrenprognose anzustellen wie etwa im Rahmen einer Ausweisung. Diese erübrigt sich deshalb auch nicht automatisch nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe oder dem Ende des Strafvollzugs (vgl. Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 4 AsylG Rn. 17 f.).
41 
Im vorliegenden Fall ist von einer Gefahr der Wiederholung von schweren Straftaten wie der bereits abgeurteilten zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auszugehen.
42 
Zwar hat das Strafgericht die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, was ein gewichtiges Indiz gegen eine Wiederholungsgefahr darstellt. Hinzu kommt, dass der Kläger seit der Haftentlassung vor gut zwei Jahren keine weiteren Straftaten begangen hat und der Bewährungsverlauf sich grundsätzlich als positiv darstellt – so hat der Kläger die ihm auferlegten Arbeitsstunden vollständig abgeleistet (s. X) und regelmäßigen Kontakt zum Bewährungshelfer gehalten (s. X).
43 
Jedoch bezeichnet das Strafgericht selbst die Legalprognose als „offen“ und sieht als „bedenklich“ stimmenden Umstand den erheblichen Umfang des Umgangs des Klägers mit Betäubungsmitteln in der Vergangenheit (vgl. Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., As X). Auch Sicht des erkennenden Gerichts spricht für eine erhebliche Wiederholungsgefahr, dass der Kläger sich – trotz mehrere Beratungsgespräche bei der Drogenberatung (X) – mit seinem Konsum noch nicht ausreichend auseinandergesetzt hat; nach den Berichten der Drogenhilfe vom 21.10.2020 können aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse des Klägers therapeutische Maßnahmen nicht empfohlen werden (GAS 161). Es ist daher bereits fraglich, ob der eigene Konsum ausreichend gesichert in Zukunft unterbleibt. Im Rahmen der Bewährungsüberwachung wurden dem Kläger Urinkontrollen aufgegeben. Bislang wurde er in den vergangenen beiden Jahren lediglich zu vier Kontrollen einbestellt, von denen eine positiv auf THC getestet wurde (Probe vom 21.01.2021, X), er einen Termin nicht wahrgenommen hat (Probe vom 03.07.2021) und eine Probe (am 05.08.2021) negativ war (vgl. Bericht der Bewährungshilfe vom X, X). Eine weitere Probe vom 10.05.2022 (GAS X) war ebenfalls negativ auf THC. Nach dem Abschlussbericht der Drogenhilfe vom 07.02.2022 (GAS X) wurden die Gespräche bei der Drogenhilfe beendet, weil der Kläger dort angegeben habe, er habe keinen Konsum mehr. Er habe den Cannabiskonsum „im Laufe des Jahres 2021“ beenden können – auch mithilfe von Medikamenten, die er verordnet bekommen habe. Demgegenüber hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, ihm sei nur „die erste Zeit, drei Monate“ ohne Konsum schwergefallen. Er habe mit der Drogenberatung gesprochen, es sei jetzt „kein Problem“ mehr, konsumfrei zu leben. Von Medikamenten hat der Kläger hier nichts berichtet. Desweiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe jeglichen Kontakt zu seinen „Konsumfreunden“ abgebrochen – gegenüber dem Bewährungshelfer hat er hingegen seine positive Urinkontrolle vom Januar 2021 damit erklärt, dass er „gemeinsam mit einem Bekannten“ eine „THC-haltige Zigarette“ geraucht habe (X). Gegen einen solchen einmaligen „Ausrutscher“ spricht der im ärztlichen Befundbericht (GAS X) angegebenen THC-COOH-Wert von 96 ng/ml (umgerechnet); jedenfalls ist nach neuerer naturwissenschaftlicher Erkenntnis dem Überschreiten einer THC-COOH -Konzentration von 100 ng/ml – damit nur geringfügig über dem beim Kläger gemessenen Wert - eine indizielle Bedeutung für einen häufigeren bis regelmäßigen Konsum von Cannabis zuzumessen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.09.2021 - 13 S 2350/21 -, juris). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hinsichtlich des positiven Befundes vom Januar 2021 außerdem behauptet, er habe zu diesem Zeitpunkt „nicht gewusst“, dass er nicht konsumieren dürfe. Dies überzeugt nicht. Denn zum einen wurde ihm diese Weisung im Bewährungsbeschluss vom 25.06.2020 (X) aufgegeben und der Beschluss in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Klägers verkündet; zum anderen hatte der Kläger im Zeitraum vor der positiven Probe bereits mehrere Gespräche bei der Drogenberatung (X) und dort angegeben, er konsumiere „seit Wochen“ kein THC mehr. Auch gegenüber seinem Bewährungshelfer hat er dies so angegeben (X). Schließlich ist hinsichtlich des eigenen Drogenkonsums des Klägers noch zu bedenken, dass dieser bei Aufnahme in der JVA am 24.01.2020 nicht nur positiv auf Cannabis, sondern auch auf Buprenorphin und Metamphetamin getestet wurde (X) und bei der Durchsuchung seiner Wohnung in seiner Jackentasche eine Ecstacy-Tablette gefunden wurde (deren Besitz er in der mündlichen Verhandlung bestritten hat). Ein Konsum anderer Betäubungsmittel außer Cannabis ist jedoch nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden (und vermutlich weder dem Bewährungshelfer noch der Drogenberatungsstelle bekannt gewesen). Von der im Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts für eine positive Legalprognose für erforderlich gehaltenen „intensiven Behandlung“ der Suchterkrankung (Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., As X) kann daher allenfalls in Ansätzen die Rede sein.
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Für eine Wiederholungsgefahr spricht auch, dass die Motive der Straftat bislang unbeleuchtet geblieben sind. Der Kläger ist nicht wegen eines (straflosen) Konsumdelikts verurteilt worden, sondern wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht diese Tat bestritten und angegeben hat, der Erwerb von rund 500g Haschisch habe allein seinem Eigenkonsum gedient – was aus den o.g. Gründen völlig abwegig ist – konnten die Motive der Tat nicht aufgeklärt werden. In der Strafverhandlung wurde dem nicht weiter nachgegangen und auch im Rahmen der Bewährungshilfe – hier lag der Fokus auf dem Konsum – wurde dies ausweislich der Berichte nicht thematisiert. Jedoch dient das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln der Verschaffung von Einnahmen (vgl. hierzu auch das mit dem Mobiltelefon des Klägers in der Tatnacht erstellte Bild einer größeren Bargeldmenge, Sonderband „Nebenakte Auswertung Mobiltelefon“ zur Strafakte des AG T., AS X). Angesichts dessen, dass der Kläger in prekären Verhältnissen lebt, Schulden hat und derzeit nicht arbeiten kann, dürfte eine hohe Gefahr bestehen, erneut mit dem Verkauf von Betäubungsmitteln finanzielle Engpässe zu beheben. Der Kläger verfügt offensichtlich über gute Kontakte und hätte jederzeit die Möglichkeit, wieder an größere Mengen von Betäubungsmitteln zum Weiterverkauf zu gelangen. Denn er hatte in der Vergangenheit – vor der abgeurteilten Tat – zur Überzeugung des Gerichts Umgang mit erheblichen Mengen an Betäubungsmitteln. Davon ist auch die Staatsanwaltschaft ausgegangen und hat insoweit – bezogen auf den 03.12.2019 und den 05.01.2020 – einen hinreichenden Tatverdacht bejaht (X.; Einstellung dieser Anklagepunkte in der Hauptverhandlung nach § 154 StPO, vgl. AS X). Das Gericht stützt seine Überzeugung auf die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren, insbesondere die auf dem Mobiltelefon des Klägers aufgefundenen Bilder von großen Betäubungsmittelmengen. Auch das Strafgericht ist nach erfolgter Beweisaufnahme zu dieser Überzeugung gelangt (Urteilsgründe des Strafurteils, Strafakte des AG T., AS X). Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht angegeben, er habe die Fotos, die größere Mengen Marihuana und Haschisch zeigen, nicht aufgenommen, sondern „jemand“ habe ihm die Bilder geschickt, das Gericht hält dies indes für eine Schutzbehauptung. Denn teilweise ergibt sich aus den Metadaten der Bilder (vgl. Aufnahme von ca. 150g Haschisch am 27.09.2018, Sonderband „Nebenakte Auswertung Mobiltelefon“ zur Strafakte des AG T., AS X), dass diese mit dem Mobiltelefon des Klägers in seiner Wohnung aufgenommen worden sind. Teilweise ergibt es sich (zumindest) aus den Bildern selbst, die augenscheinlich in der Wohnung des Klägers aufgenommen worden sind (vgl. Bilddatei vom 05.01.2020 mit ca. 450 g Haschisch, a.a.O., S. 53), da auf dem Foto der Glastisch und darunter der Teppich des Klägers zu erkennen.
45 
Aufgrund der nicht aufgearbeiteten Drogenproblematik und der fehlenden Auseinandersetzung des Klägers mit seiner Tat, die er im Wesentlichen (in Bezug auf das Handeltreiben) in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht bestritten hat, geht das Gericht – trotz straffreier Führung nach Haftentlassung – weiterhin von der bestehenden Gefahr aus, dass der Kläger erneut erhebliche Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begeht. Hinzu kommt, dass das soziale Umfeld des Klägers derzeit im Wesentlichen aus dem Bewährungshelfer und der Drogenberatung besteht, letztere aber beendet worden ist und die Unterstellung unter die Bewährungshilfe auch zum 24.06.2022 enden soll. Über eine Arbeitserlaubnis verfügt er derzeit ebensowenig wie über familiäre Verbindungen.
46 
II. Soweit mit dem Hauptantrag die Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides (Feststellung, dass subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG nicht gewährt wird) und mit dem Hilfsantrag die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG zuzuerkennen, begehrt wird, bleiben diese Anträge ebenfalls ohne Erfolg.
47 
Zwar dürfte für die unter Ziffer 2 getroffene isolierte Feststellung kein Anlass und auch keine Ermächtigungsgrundlage bestanden haben. Schließlich ist mit der Entscheidung des Bundesamts über die Rücknahme des „subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG“ in Ziffer 1 des Bescheids vom 09.09.2021 der Sache nach „der Schutzstatus“ weggefallen. Gegebenenfalls wäre im Rahmen dieser Entscheidung inzident zu prüfen gewesen, ob aus anderen Gründen doch ein Anspruch auf den begehrten Status besteht. Denn dann hätte keine Rücknahme erfolgen dürfen. Dies scheidet hier aber schon von Vornherein aus, weil die Ausschlussgründe des § 4 Abs. 2 AsylG nicht nach der „Art“ des subsidiären Schutzes unterscheiden, sondern „die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1“ betreffen. Daher besteht auch kein Grund für eine förmliche Feststellung über das Nichtvorliegen des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG, wie es hier unter Ziffer 2 des Bescheids erfolgt ist. Gleichwohl besteht für eine Aufhebung dieser isolierten Feststellung vorliegend kein Rechtsschutzinteresse. Denn der Kläger könnte hierdurch seine Rechtsposition nicht verbessern. Es bleibt dabei, dass der ihm zunächst zuerkannte subsidiäre Schutzstatus zurückgenommen ist. Damit steht bereits fest, dass er keinen Anspruch auf eine entsprechende Zuerkennung hat.
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Vor diesem Hintergrund ist der hilfsweise gestellte Antrag, die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.09.2021 aufzuheben, ebenfalls unzulässig und jedenfalls unbegründet. Die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung des subsidiären Schutzstatus hat, ist allein inzident bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Rücknahme zu prüfen; der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu einer gesonderten Feststellung. Abgesehen davon ist die Zuerkennung des subsidiären Schutzes aus den angeführten Gründen nach § 4 Abs. 2 AsylG ausgeschlossen.
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

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