Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (2. Kammer) - 2 A 207/11

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um Rundfunkgebühren für den Zeitraum 12/2009 bis 08/2010.

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Die Klägerin wurde bis Ablauf des Monats 11/2009 bei der für die Rundfunkanstalten handelnden Gebühreneinzugszentrale (GEZ) als Rundfunkteilnehmerin unter der TNR geführt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 16.11.2009, Az. 501 IN 190/09, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet.

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Unter dem 11.01.2010 vermerkte die GEZ unter der zur Klägerin geführten neuen Teilnehmernummer einen Anschriftenwechsel der Klägerin zum 01.10.2009 von D. nach B.. Mit Schreiben vom 06.08.2010 bat die GEZ die Klägerin um Zahlung der Rundfunkgebühren für den Zeitraum 12/2009 bis 8/2010. Im weiteren Schriftverkehr teilte die Klägerin der GEZ mit Schreiben vom 15.10.2010 mit, dass sie ab dem 01.12.2009 in einer Ferienwohnung ohne Fernsehgerät und Radio wohne und keine Geräte besitze. Sie beziehe aber ab dem 01.11.2010 wieder eine Wohnung, für die sie sich mit einem Radio und ein Fernsehgerät anmelden möchte.

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Mit Gebührenbescheid vom 03.12.2010 setzte der Beklagte rückständige Rundfunkgebühren und einen Säumniszuschlag für den Zeitraum 12/2009 bis 08/2010 in Gesamthöhe von 166,93 Euro fest. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 21.12.2010 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass sie von September 2009 bis Oktober 2010 weder ein Radio noch ein Fernsehgerät in Eigennutzung gehabt habe. Fernseher und Radio seien ihr von dem Vermieter der Ferienwohnung, in der sie in dem genannten Zeitraum gelebt habe, im Rahmen des Mietverhältnisses zur Verfügung gestellt worden. Es werde gebeten, sich zuständigkeitshalber an den Vermieter zu wenden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigen der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis übersandt. Die Rücksendung eines ausgefüllten Empfangsbekenntnis an den Beklagten unterblieb. Am 04.03.2011 hat die Klägerin Klage erhoben.

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Sie macht geltend, dass sie im Zeitraum 12/2009 bis 08/2010 weder Radio noch Fernsehgerät in Eigennutzung gehabt habe, noch sich für diesen Zeitraum als Rundfunkteilnehmerin angemeldet habe und deshalb für diesen Zeitraum auch nicht gebührenpflichtig sei. Die Klägerin sei aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Privatvermögen am 16.11.2009 vom Beklagten bzw. der GEZ unter ihrer ursprünglichen Teilnehmernummer mit Ablauf des Monats 11/2009 abgemeldet worden. Die von der Klägerin bezogene Ferienwohnung sei von ihr voll möbliert und auch mit Fernsehgerät und Radio ausgestattet gemietet worden. Es sei allgemein üblich, dass in möblierten Ferienwohnungen der Vermieter Rundfunkgebühren trage und diese in die Brutto-Warmmiete einberechne. Schließlich habe die Klägerin den Fernseher mitgemietet. Insoweit habe die Klägerin weder Notwendigkeit noch Rechtsgründe gesehen, sich wiederum als Rundfunkteilnehmerin anzumelden. Es sei hingegen die GEZ gewesen, die die Klägerin – ohne diesbezügliche Beantragung – ab Dezember 2010 wieder angemeldet habe. Bereits zu einem frühren Zeitpunkt habe die Klägerin hingegen die GEZ darauf hingewiesen, dass sie nunmehr in einer Ferienwohnung wohne und die GEZ sich an ihren Vermieter wenden solle.

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Die Klägerin beantragt,

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 den Gebührenbescheid (TNR ) des Beklagten vom 03.12.2010 in   Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.01.2011 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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 die Klage abzuweisen.

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Die rückwirkende Abmeldung des früheren Teilnehmerkontos der Klägerin bei der GEZ und Fortführung des Teilnehmerverhältnisses unter einer neuen Teilnehmernummer sei aus organisatorischen Gründen erfolgt. Dem liege zugrunde, dass aufgrund der Privatinsolvenz der Klägerin die rückständige Rundfunkgebühren aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr geltend gemacht wurden. Die Klägerin sei aber fortlaufend angemeldet gewesen und habe das für eine Abmeldung nach § 4 Abs. 2 RGebStV erforderlich gewesene Ende des Bereithaltens von Rundfunkgebühren nicht vor Oktober 2010 angezeigt.

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Im Übrigen sei aus dem von der Klägerin vorgelegten Mietvertrag auch nicht erkennbar, dass der Vermieter für die Zahlung der Rundfunkgebühren zuständig gewesen sein sollte. Satellitenanschlussgebühren würden nicht die Beiträge an die Landesrundfunkanstalten beinhalten. Da die Klägerin das Zimmer länger als drei Monate bewohnt habe, dürfte sie auch als Rundfunkteilnehmerin anzusehen sein. Darauf komme es vorliegend jedoch nicht an.

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Der Bescheid vom 03.12.2010 sei zutreffend auch an die Klägerin und nicht an den Insolvenzverwalter adressiert worden. Bei den mit dem Bescheid festgesetzten Rundfunkgebühren handele es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO, sondern um eine von der Klägerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangene Neuverbindlichkeit ihres insolvenzfreien Vermögens.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere auch fristgerecht erhoben. Eine die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auslösende förmliche Zustellung des Widerspruchsbescheids ist mangels erfolgte Rücksendung des Empfangsbekenntnisses an den Beklagten nicht erfolgt.

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Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Dem steht zum einen nicht entgegen, dass Bescheid und Widerspruchsbescheid an die Klägerin bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten, und nicht an den Insolvenzverwalter adressiert sind. Zwar ist wegen der gemäß § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) eingeschränkten Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners Vollstreckungsschuldner von Masseverbindlichkeiten allein der Insolvenzverwalter und sind Bescheide, mit denen entsprechende öffentliche-rechtliche Forderungen festgesetzt werden, an den Insolvenzverwalter zu richten, auch wenn der Schuldner selbst Abgabenschuldner ist (Rüsken in Klein, AO, 10. Aufl., § 155 Rn. 22; Kruse/Loose in Tipke/Kruse, AO § 251 Rn. 71; jeweils m.w.Nw. z. Rspr.). Denn wegen der gemäß § 80 Abs. 1 InsO eingeschränkten Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners ist Vollstreckungsschuldner der Masseverbindlichkeiten allein der Insolvenzverwalter (vg. Kruse/Loose a.a.O.).

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Allerdings handelt es sich bei der mit dem Bescheid vom 03.12.2010 festgesetzten Forderung des Beklagten nicht um eine Masseverbindlichkeit des Insolvenzverfahrens. Insofern hält das Gericht an seiner an seiner im Prozesskostenhilfebeschluss vom 21.04.2011 geäußerten gegenteiligen Rechtsauffassung nach der dem Hauptsacheverfahren vorbehalten gewesenen näheren Prüfung der Sache nicht fest. Masseverbindlichkeiten sind nach den §§ 54 f. InsO neben den Kosten des Insolvenzverfahrens (vgl. § 54 InsO) die in § 55 aufgezählten Verbindlichkeiten. Die davon hier allein in Betracht kommenden Verbindlichkeiten, die durch Verwaltung der Insolvenzmasse begründet werden (vgl. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO), sind zwar grundsätzlich auch solche öffentlichen Abgaben, die für zur Masse gehörenden Vermögensgegenstände erhoben werden (vgl. Smid in Smid, Insolvenzordnung, 2. Aufl. § 55 Rn. 20 m.w.Nw.). Inwieweit dies auf Rundfunkgebühren nach dem bis zum 31.12.2012 gegoltenen Rundfunkgebührenstaatsvertrag für durch den Rundfunkteilnehmer zum Empfang bereit gehaltene eigene Rundfunkempfangsgeräte gilt, wäre im Einzelnen noch näher zu prüfen, zumal im persönlichen Gebrauch des Schuldners befindliche Sachen im Sinne des §§ 811 Abs. 1 Ziff. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur unter den Voraussetzungen der Austauschpfändung nach § 811 a Abs. 1 ZPO zur Insolvenzmasse gehören können, vgl. §§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO, 803 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ungeachtet dessen sind aber im vorliegenden Fall die geltend gemachten Rundfunkgebühren jedenfalls aus anderem Grunde keine Kosten der Verwaltung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstands. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie im streitgegenständlichen Gebührenzeitraum Dezember 2009 bis August 2010 keine eigenen Rundfunkgeräte besessen, sondern die Rundfunkgeräte ihres Vermieters genutzt habe. Dem ist weder der Beklagte entgegen getreten, noch hat das Gericht Anhaltspunkte, die von einem anderen Sachverhalt ausgehen lassen könnten. Dies zugrunde gelegt, sind jedenfalls die für den streitgegenständlichen Zeitraum geltend gemachten Rundfunkgebühren keine Verwaltungskosten für zur Insolvenzmasse gehörendes Eigentum der Klägerin und damit auch keine Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO. Die Geltendmachung der Gebührenforderung gegenüber der Klägerin – anstelle gegenüber ihrem Insolvenzverwalter - ist deshalb nicht zu beanstanden.

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Die Festsetzung der Gebühren für den Zeitraum 12/2009 bis 08/2010 (1.) und eines Säumniszuschlags (2.) ist ebenfalls rechtskonform.

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1. Die Klägerin war für den Zeitraum 12/2009 bis 08/2010 gebührenpflichtig. Nach dem hier anzuwendenden und bis zum 31.12.2012 gegoltenen Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) war derjenige gebührenpflichtig, der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit hielt, §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 1 Abs. 2 RGebStV. Darüber hinaus konnte ein früher entstandenes Gebührenschuldverhältnis nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 RGebStV mangels (rechtzeitiger) Abmeldung des Gebührenschuldners fortbestehen. Nach § 4 Abs. 2 RGebStV endete die Rundfunkgebührenpflicht mit Ablauf des Monats, in dem das Bereithalten des Rundfunkempfangsgerät endet, jedoch nicht vor Ablauf des Monats, in dem dies der Landesrundfunkanstalt angezeigt wird.

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Die Klägerin hat jedenfalls vor ihrem Umzug von Düsseldorf Rundfunkgeräte zum Empfang bereit gehalten und hat dem Beklagten bzw. der für ihn handelnden GEZ erst mit Schreiben vom 15.10.2010 mitgeteilt, dass sich daran etwas geändert habe. Nach § 4 Abs. 2 RGebStV bestand mithin die Gebührenpflicht der Klägerin im hier streitgegenständlichen Zeitraum, 12/2009 bis 08/2010, fort. Auf weitere Erwägungen und Prüfungen kommt es insoweit nicht an.

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2. Die mit dem angegriffenen Bescheid erfolgte Festsetzung eines Säumniszuschlags in Höhe von 5,11 € ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 6 der aufgrund § 4 Abs. 7 Satz 1 RGebStV ergangenen Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren. Danach wird der Säumniszuschlag in der bezeichneten Höhe fällig und zusammen mit der Rundfunkgebührenschuld festgesetzt, wenn die geschuldeten Rundfunkgebühren nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet worden sind. Diese Voraussetzungen lagen hiervor. Gemäß § 4 Abs. 3 RGebStV sind Rundfunkgebühren in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe, gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, liegen für das Verwaltungsgericht nicht vor.

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