Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (15. Kammer) - 15 K 1628/09
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 21. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 sind rechtswidrig gewesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Einziehung ihres Reisepasses und ihres Personalausweises vor dem Hintergrund des Verlustes ihrer deutschen Staatsangehörigkeit.
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Sie wurde am ... Januar 1952 in Boyabat in der Türkei geboren. Im Alter von 6 Monaten verlor sie ihre Eltern und wuchs fortan zusammen mit ihrer älteren Schwester bei Verwandten auf. Die Mädchen mussten schon früh in der Landwirtschaft arbeiten und erhielten keine angemessene Schulbildung. 1969 heiratete die Klägerin ihren ebenfalls in der Türkei geborenen Ehemann C..., mit dem zusammen sie seit 1971 in Deutschland lebt und drei erwachsene Söhne hat. Beide waren in Deutschland als Arbeitnehmer tätig. Herr C... ist bereits seit Ende der Neunzigerjahre schwer an Schizophrenie erkrankt und deshalb vermutlich geschäftsunfähig. Allerdings wurde erst im April 2013 für ihn ein Betreuer, einer seiner Söhne, bestellt.
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Am 19. Oktober 2001 wurde die Klägerin zugleich mit ihrem Ehemann auf ihren Antrag hin in Deutschland eingebürgert. Am 22. Oktober 2001 erhielt sie sowohl einen deutschen Personalausweis als auch einen deutschen Reisepass.
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Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, das den jüngsten Sohn der Eheleute, C..., betraf, wurde der Behörde für Inneres ein türkischer Einwohnermelderegisterauszug (Nüfus Kayit Örnegi) der Stadt Bursa/Landkreis Osmangazi vom 21. November 2006 vorgelegt. Hierin war angegeben, dass die Klägerin am 20. April 2001 die Erlaubnis erhalten hatte, die türkische Staatsangehörigkeit abzulegen, und dass ihr am 22. November 2001 eine Bescheinigung über den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit ausgehändigt worden sei. Am 9. März 2002 sei sie unter Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit wieder in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen worden.
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Mit Schreiben vom 21. Mai 2007 teilte die Beklagte die Klägerin mit, ihr sei von der Behörde für Inneres mitgeteilt worden, dass sie wieder die türkische Staatsangehörigkeit erworben habe. Damit habe sie nach § 25 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Die Angabe zu ihrer Staatsangehörigkeit sei im Melderegister nach § 5 b Abs. 1 Hamburgisches Meldegesetz (HmbMG) berichtigt worden. Aufgrund des Verlustes der Staatsangehörigkeit seien die auf sie ausgestellten Personaldokumente der Bundesrepublik Deutschland nach § 7 Nr. 3 Hamburgisches Personalausweisgesetz (in der bis 8. Februar 2011 geltenden Fassung - HmbPersAuswG) bzw. § 11 Nr. 2 Passgesetz (in der bis 31. Oktober 2010 geltenden Fassung - PassG) ungültig geworden. Sie fordere die Klägerin nach § 8 Nr. 1 HmbPersAuswG bzw. § 15 Nr. 1 PassG auf, die beiden auf sie ausgestellten deutschen Personaldokumente unverzüglich abzugeben.
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Mit Schreiben vom 25. Mai 2007 bestritt die anwaltlich vertretene Klägerin, einen Antrag auf die Wiedererteilung der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt zu haben. Sie habe keine Kenntnis von dem Vorgang und schon gar kein Ausweispapier der Türkei erhalten. Ihr sei auch nicht mitgeteilt worden, dass ihr die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden sei.
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Unter dem 18. Juni 2007 erwiderte die Beklagte, dass ihr ein türkischer Familienregisterauszug vorliege, der den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit der Klägerin am 9. März 2002 bestätige. Nach § 25 Abs. 1 StAG sei damit die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch untergegangen.
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Unter dem 26. Juli 2007 teilte die Klägerin mit, sich mit der Bitte um Aufklärung wegen des vermeintlichen Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit an das türkische Generalkonsulat gewandt zu haben. Dieses beantwortete ihre Anfrage aber nicht.
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Mit Schreiben vom 8. Mai 2008 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Abgabe ihrer deutschen Personalpapiere und drohte Vollstreckung an.
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Am 27. Februar 2009 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und legte eine beglaubigte Übersetzung eines Auszugs aus dem türkischen Personenstandsregister mit Datum vom 11. August 2008 vor, wonach hinsichtlich beider Ehegatten unter dem 3. Oktober 2007 das türkische Innenministerium die Genehmigung zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit erteilt habe und am 1. Februar 2008 – mit Aushändigung der Austrittsurkunde – der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit eingetreten sei. Anlässlich dieser Vorsprache wurde der Klägerin ihr deutscher Personalausweis abgenommen und in Verwahrung genommen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009, zugestellt am 29. Mai 2009, wies die Beklagte den Widerspruch unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück: Der Widerspruch vom 21. Mai 2007 sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin sei verpflichtet, ihre deutschen Personalpapiere zum Zwecke der Einziehung abzugeben. Hinsichtlich des Reisepasses folge dies aus §§ 11 Nr. 2, 12 Abs. 1 PassG. Gemäß § 11 Nr. 2 PassG sei ein Pass ungültig, wenn Eintragungen unzutreffend seien. Dies sei hier zu bejahen, weil ein deutscher Pass grundsätzlich nur einem Deutschen erteilt werden dürfe (§ 1 Abs. 4 S. 1 PassG), so dass Personaleintragungen in einem solchen Pass im Sinne von § 11 Nr. 2 PassG unzutreffend würden, wenn der Passinhaber kein deutscher Staatsangehöriger mehr sei. Das sei vorliegend der Fall, weil die Klägerin ihre durch Einbürgerung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren habe. Gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StAG verliere ein Deutscher grundsätzlich seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf Antrag erfolge; die Ausnahmeregelungen des § 25 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 StAG kämen hier nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 1 StAG seien erfüllt, da die Klägerin ausweislich des türkischen Melderegisterauszugs aus dem Jahr 2006 bereits 2002 wieder in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen und ausweislich des Auszugs von 2009 im Jahr 2008 daraus wieder entlassen worden sei. Über den Anlass der Wiederaufnahme in die türkische Staatsangehörigkeit gebe das Dokument zwar keine Auskunft. Es bestehe aber kein Grund zur Annahme, dass die Wiedereinbürgerung ohne Zutun oder gegen den Willen der Klägerin erfolgt sei. Möglicherweise sei der Antrag auf spätere Wiedererteilung der türkischen Staatsangehörigkeit bereits anlässlich des Antrags auf Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt worden. auch könne die erneute Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit zum 1. Februar 2008 den zwischenzeitlich eingetretenen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht mehr revidieren. Gemäß § 12 Abs. 1 PassG könne ein ungültiger Pass eingezogen werden. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sei eine Einziehung auch vorzunehmen, denn es widerspreche öffentlichem Interesse, wenn Personen nicht deutscher Staatsangehörigkeit sich durch Vorlage eines deutschen Passes Dritten gegenüber amtlich als vermeintliche Deutsche auswiesen. Ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Klägerin am Fortbesitz des unrichtig gewordenen Passes sei demgegenüber nicht zu erkennen. Bezüglich des Personalausweises ergebe sich die Verpflichtung zur Herausgabe aus dem Umstand, dass gemäß § 1 PersAuswG ausschließlich für Personen deutscher Staatsangehörigkeit die Inhaberschaft eines Personalausweises vorgesehen sei. Ein Nichtdeutscher dürfe daher keinen auf ihn lautenden Personalausweis besitzen.
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Am 29. Juni 2009 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben: Die Forderung der Beklagten, ihre deutschen Personalpapiere abzugeben, sei rechtswidrig, denn es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, ihr die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Sie versichere an Eides statt, dass sie im Rahmen der Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft 2002 die türkische Botschaft nur aufgesucht habe, um dort die türkische Staatsbürgerschaft abzulegen. Im Rahmen dieses Termins seien ihre türkischen Ausweisdokumente ungültig gemacht worden. Sie habe zu keinem späteren Zeitpunkt die türkische Botschaft aufgesucht und zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt. Dieses könne ein instruierter Vertreter der Republik Türkei bezeugen. Sie habe auf dem Konsulat einfach die Zettel, die sie in Hamburg von der Einbürgerungsstelle erhalten habe, vorgelegt und gesagt, dass sie in Deutschland eingebürgert werden wolle. Der Konsulatsbeamte habe dann Formulare ausgefüllt und ihr die Stelle gezeigt, wo sie unterschreiben solle. Sie könne nicht lesen und schreiben und habe deshalb die Formulare nicht lesen können. Sie habe in ihrem Leben lediglich ein Jahr eine Dorfschule besucht und schon als Kind in der Landwirtschaft arbeiten müssen. Sie habe auch später nur einfache Arbeiten ausgeübt und sei schon mit 17 Jahren die Ehe eingegangen. Die Formulare seien ihr auch nicht vorgelesen worden. Aus Scham habe sie nicht auf ihr Analphabetentum hingewiesen. Auch habe es keine ausführliche Besprechung im Konsulat aus Anlass der Ausbürgerung gegeben. Sollte man sie auf eine Wiedereinbürgerung in die Türkei hingewiesen haben, habe sie das nicht verstanden. Ihr seien auch keine Kopien von Unterlagen mitgegeben worden. Einige Zeit später habe sie Post vom Konsulat bekommen, sei hiermit zum Einbürgerungsamt gegangen und habe alles dort abgegeben. Papiere, die die Einbürgerung in Deutschland hätten hindern können, könnten nicht dabei gewesen sein. Sie sei damals in Begleitung ihres Ehemannes, der aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen vermutlich noch weniger verstanden habe als sie, auf dem Konsulat gewesen. Seit 2001 sei sie nicht wieder im Konsulat gewesen. Sie habe auch keine Einbürgerungsurkunde und keinen neuen Ausweis oder Pass erhalten. Erst als sie im Jahr 2007 aufgefordert worden sei, ihre deutschen Papiere abzugeben, habe sie sich wieder an das Konsulat gewandt, diesmal mithilfe ihres Anwalts. Auch jetzt habe das Konsulat keine Unterlagen oder Passdokumente hinsichtlich der Wiedereinbürgerung im Jahr 2001 herausgegeben. Wiederum habe man ihr Formulare vorgelegt, die sie habe unterschreiben sollen. Vermutlich sei ihr deshalb später ein Nüfus erteilt worden. Spätere anwaltliche Versuche, Information vom Konsulat zu bekommen, hätten bisher nichts erbracht. Anlässlich zweier Vorsprachen mit ihrer Anwältin und ihrem Sohn als Dolmetscher im September 2013 und im März 2014 sei ihr gesagt worden, dass sie keine Akteneinsicht bekommen könne, denn sie sei ja nicht mehr türkische Staatsangehörige und die Akten seien geschlossen. Ihr sei lediglich ein Melderegisterauszug ausgehändigt worden, der die schon bekannten Daten wiedergebe.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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festzustellen, dass der Bescheid vom 21. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 rechtswidrig gewesen sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung machte sie ergänzend geltend, dass der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch Dokumente amtlich bestätigt worden sei. aus welchen Gründen die Wiedereinbürgerung erfolgt sei, entziehe sich ihrer Kenntnis, sei aber auch unerheblich. Der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit führe automatisch zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Einer Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit bedürfe es dabei nicht. Im Übrigen sei die Beklagte nicht davon überzeugt, dass die Klägerin tatsächlich Analphabetin sei. Sie habe im Einbürgerungsverfahren einen handschriftlich verfassten Lebenslauf eingereicht. Aus wessen Hand er stamme, könne ihm allerdings nicht entnommen werden. Selbst wenn sie Analphabetin sei, sei ihr nicht zu glauben, dass sie über einen Wiedereinbürgerungsantrag nicht informiert gewesen sei oder ihn nicht jedenfalls billigend in Kauf genommen habe. Sie sei offenbar selbstständig in der Lage gewesen, für sich und ihren Ehemann ein Einbürgerungsverfahren in Gang zu setzen und erfolgreich zu betreiben. Dies sei kaum vorstellbar, wenn sie tatsächlich des Lesens und Schreibens vollständig unkundig sei. Auch sei davon auszugehen, dass sie sich bei Angehörigen oder Bekannten erkundigt habe und deshalb bei der Vorsprache im Konsulat nicht völlig ahnungslos gewesen sei. Es sei damals dort Praxis gewesen, den türkischen Staatsangehörigen bei Beantragung der Ausbürgerung die sofortige Stellung eines Wiedereinbürgerungsantrages zu raten. Es sei nicht ersichtlich, warum nicht auch die Klägerin einen derartigen Hinweis erhalten habe. Auch sei ihr nicht zu glauben, dass sie die ihr vorgelegten Dokumente unterschrieben habe, ohne sich zuvor über deren Inhalt Gewissheit zu verschaffen. Mittlerweile dürften die zurückgeforderten Papiere ohnehin abgelaufen sein, so dass dem Rechtsstreit kaum noch Bedeutung zukomme.
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Am 27. September 2013 stellte die Klägerin einen erneuten Antrag auf Einbürgerung, über den noch nicht entschieden wurde.
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Mit Beschluss vom 7. März 2014 ist der Rechtsstreit auf die Vorsitzende als Einzelrichterin übertragen worden.
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Am 3. April 2014 ist in der Sache mündlich verhandelt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen. Die Sachakten der Beklagten sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Klage der Klägerin ist mittlerweile als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthaft, da sich die ursprüngliche Anfechtungsklage erledigt hat. Sie ist auch zulässig, da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes hat.
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Die ursprünglich gegen die Einziehung der deutschen Personalpapiere aufgrund Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit gerichtete Anfechtungsklage hat sich aufgrund des Ablaufes jener Ausweispapiere der Klägerin am 22. Oktober 2011 erledigt. Sowohl der Personalausweis als auch der deutsche Pass der Klägerin waren auf 10 Jahre befristet. Nach Ablauf dieser Frist ist sowohl der Personalausweis als auch der Pass ungültig. Nach § 29 Abs. 1 des ab 2010 geltenden Personalausweisgesetzes des Bundes - PAuswG - wie auch nach § 12 PassG können die ungültigen Ausweispapiere eingezogen werden. Allein die Ungültigkeit rechtfertigt somit jetzt die angegriffene Einziehung und hat sich damit vor das hier im Zentrum des Rechtsstreits stehende Problem der Staatsangehörigkeit der Klägerin geschoben, auf dass es deshalb nicht mehr ankäme. Es ist auch nicht zu erkennen, welches rechtliche Interesse die Klägerin jetzt noch am Behalt der abgelaufenen Ausweispapiere haben sollte, so dass der Anfechtungsklage kein Rechtsschutzinteresse mehr zur Seite steht (vgl. entsprechend OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.11.1985, 18 A 823/84, NJW 86, 2590 f.).
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Effektiver Rechtsschutz verlangt allerdings, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet ist, die Position eines Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (BVerwG, Urteile vom 20.6.2013, 8 C 39/12, juris Rn. 19, und vom 16.5.2013, 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 ff., juris Rn. 32).
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Ein solches Feststellungsinteresse ist hier gegeben. Es folgt daraus, dass nach Erledigung des mit dieser Klage angefochtenen Verwaltungsaktes eine andere Behörde über die bereits hier entscheidungserhebliche Frage des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin auf deren Antrag hin eine gesetzlich gebotene Entscheidung zu treffen hätte (vgl. dazu m.w.N. BVerwG, Beschluss vom 27.9.1993, 1 B 73/93, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 261, juris Rn. 6). Das Feststellungsinteresse lässt sich in einem solchen Fall regelmäßig daraus herleiten, dass ein obsiegendes Urteil auch gegenüber der nunmehr zuständigen Behörde von Nutzen wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behörde durch das Urteil gebunden wird, wenn jedenfalls zu erwarten ist, dass sie der Entscheidung des Gerichts folgt (BVerwG a.a.O.). Hier stünde der Klägerin zwar die Möglichkeit offen, von der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, die Feststellung zu fordern, dass sie weiterhin die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Dieses Begehren ist gegebenenfalls durch eine Verpflichtungsklage geltend zu machen (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.2.2014, 19 E 51/14, juris Rn. 5 ff.). Dieselbe Rechtsfrage steht jedoch bereits im Zentrum dieses Verfahrens, das schon fast fünf Jahre bei Gericht anhängig ist. Auch steht der Behörde insoweit kein Ermessensspielraum zu, da der Verlust der Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 S. 1 StAG von Gesetzes wegen eintritt. Da Beklagte in jedem Fall die Freie und Hansestadt Hamburg ist und schon deshalb erwartet werden kann, dass die Behörde für Inneres die Feststellungen eines stattgebenden Urteils gegenüber dem Bezirksamt Bergedorf beachten wird, bedarf es keines weiteren, möglicherweise wiederum langwierigen Rechtsstreits, sondern die Rechtsfrage kann im anhängigen Verfahren abschließend geklärt werden.
II.
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Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid vom 21. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 sind rechtswidrig gewesen (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Denn die Klägerin war nicht verpflichtet, ihren deutschen Pass und ihren Personalausweis zum Zwecke der Einziehung an die Beklagte herauszugeben, da sie ihre durch Einbürgerung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit nicht wieder verloren hat.
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Als Verlusttatbestand kommt lediglich § 25 Abs. 1 S. 1 StAG in Betracht. Hiernach verliert ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt ist.
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Unzweifelhaft und unstreitig ist die Klägerin durch Einbürgerung am 19. Oktober 2001 deutsche Staatsangehörige geworden.
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Außerdem steht aufgrund der vorliegenden türkischen Einwohnermelderegisterauszüge (Nüfus Kayit Örnegi) fest, dass sie am 9. März 2002 unter Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit wieder in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen worden ist. Dass die Klägerin glaubhaft vorträgt, ihr sei keinerlei Nachweis der Wiedereinbürgerung (zum Beispiel ein Einbürgerungsbescheid oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde) zugestellt worden, steht dem nicht entgegen, da nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsgesetz die Wirkung der Einbürgerungsentscheidung mit dem Datum der Entscheidung des Ministerrats eintritt und nicht von einer Zustellung eines Einbürgerungsbescheids abhängt (ausführlich dazu: VG München, Urteil vom 5.10.2009, M 25 K 08.2073, juris Rn. 19). Auch macht der spätere nochmalige Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit im Jahr 2008 den vorherigen Wiedererwerb nicht rückwirkend ungeschehen. Selbst dann, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit rückwirkend aufgegeben wird, lebt die deutsche Staatsangehörigkeit nicht automatisch wieder auf, sondern ihr Verlust bleibt vom späteren Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit unberührt (vgl. Marx, GK-StAR § 25 Rn. 43, 46).
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Die Klägerin vermochte das Gericht jedoch davon zu überzeugen, dass die Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit nicht auf einen Antrag im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StAG zurückzuführen war:
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1. Insoweit stehen dem Gericht als Erkenntnismittel allerdings lediglich die Aussagen der Klägerin selbst sowie einige allgemein bekannte Umstände der damaligen Einbürgerungspraxis der Türkei zur Verfügung. Auf Beweismittel aus der Sphäre des türkischen Generalkonsulats hat das Gericht keinen Zugriff. Nach Art. 44 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen sind Mitglieder eines konsularischen Postens nicht verpflichtet, Zeugenaussagen über Angelegenheiten zu machen, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammenhängen oder die darauf bezüglichen amtlichen Korrespondenzen und Schriftstücke vorzulegen. Sie sind auch berechtigt, die Aussage als Sachverständige über das Recht des Staates zu verweigern. Ausländische Behörden sind deshalb nur dann zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet, wenn – was im Hinblick auf die Türkei nicht der Fall ist - völkerrechtliche Vereinbarungen bestehen (BVerwG, Beschluss vom 22.5.2008, 5 B 27/08, juris Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 22.9.2008, 5 ZB 07.1031, juris Rn. 11; Beschluss vom 28.1.2009, 5 ZB 07. 2080, juris Rn. 10). Entsprechend ist kein Fall bekannt, in dem ein türkisches Konsulat in Deutschland die Umstände der Wiedereinbürgerung eines türkischen Staatsangehörigen durch Zeugenaussagen oder Vorlage von Originalen oder Kopien der maßgeblichen Antragsformulare konkretisiert hätte (vgl. BayVGH, Beschluss vom 16.9.2008, 5 ZB 07.243, juris Rn 10, Beschluss vom 22.9.2008, 5 ZB 07.1031, juris Rn. 10, Beschluss vom 28.1.2009, 5 ZB 07. 2080, juris Rn. 10; VG Würzburg, Urteil vom 15.10.2008, W 6 K 07.1028, juris Rn. 20).
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Da somit die Aufklärung der maßgeblichen Vorgänge, die zudem lange zurückliegen, weitgehend auf der Grundlage bloßen Klägervortrags erfolgen muss, gewinnt die Darlegungs- und Beweislast an Bedeutung. Zwar gilt allgemein der Grundsatz, dass für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit der Bürger beweispflichtig ist, für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in der Regel aber die Behörde die objektive Beweislast trägt (m.w.N. BVerwG, Urteil vom 29.9.2010, 5 C 20/09, NVwZ-RR 2011, 212 ff., juris Rn. 24; Beschluss vom 16.1.1992, 9 B 192/91, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 46, juris Rn. 14). Deshalb wird auch vertreten, dass die materielle Beweislast für die Erweislichkeit der Freiwilligkeit der Antragstellung i.S. von § 25 Abs. 1 S. 1 StAG bei der Behörde liegen soll (Marx, GK-StAR § 25 Rn. 57 m.w.N.). Insoweit ist die Beweislast aber umzukehren und vorrangig der Bürger hat die für die Unfreiwilligkeit der Wiedereinbürgerung sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen:
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Die Möglichkeiten, eine innere Tatsache, wie es die Freiwilligkeit meist ist, zu beweisen, sind für die Gegenseite ohnehin beschränkt. Zudem ist davon auszugehen, dass die allermeisten in Deutschland eingebürgerten Türken ihren Antrag auf Wiedereinbürgerung in die Türkei bewusst und freiwillig - wenn vielleicht häufig auch in Verkennung der Folgen für den Erhalt der gerade erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit - gestellt haben, weil sie über beide Staatsangehörigkeiten verfügen wollten. Eine unfreiwillige Antragstellung ist deshalb ein seltener Ausnahmefall, so dass hier die Regeln des Anscheinsbeweises heranzuziehen sind. Dieser greift bei formelhaften, typischen Geschehensabläufen, in denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Ablauf hinweist. Der Beweispflichtige braucht in diesen Fällen nur diesen Tatbestand darzutun. Es ist dann Sache desjenigen, der einen vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Gang des Geschehens behauptet, die ernstliche Möglichkeit eines solchen darzulegen, wobei eine bloße vage, nicht ernstliche Möglichkeit eines derart abweichenden Verlaufs den Anscheinsbeweis nicht zu entkräften vermag (vgl. BayVGH, Urteil vom 22.3.1999, 11 B 96.2183, DVBl. 199, 1218 f., juris Rn. 42). Hat ein türkischer Staatsangehöriger jedoch greifbare Anhaltspunkte für einen irrtümlichen oder rechtswidrig aufgedrängten Staatsangehörigkeitserwerb geliefert, ist dies geeignet, den mit der Vorlage des türkischen Personenstandsregisterauszugs bewirkten Beweis des ersten Anscheins durch die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Geschehensablaufs im konkreten Fall zu entkräften. Damit muss das Verwaltungsgericht mangels weiterer Aufklärung des Sachverhalts nach der materiellen Beweislast entscheiden. Hat der betroffene Kläger alles ihm zumutbare zur Aufklärung der Umstände beigetragen, liegt diese bei der Behörde (so auch BayVGH, Beschluss vom 28.1.2009, 5 ZB 07.2080, juris Rn. 11 f.)
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2. In Anwendung dieser Grundsätze kommt das Gericht in tatsächlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im türkischen Generalkonsulat einen förmlichen Wiedereinbürgerungsantrag unterzeichnet hat, ohne dies zu wissen und zu wollen. Zweifelsfrei nachweisen lässt sich dieses naturgemäß nicht, da objektive Beweismittel nicht zugänglich sind. Die besonderen Umstände dieses Falles genügen jedoch, um einen besonders gelagerten Einzelfall annehmen zu können, in dem die Vermutung einer freiwilligen Antragstellung nicht greift. Etwaige verbleibende Zweifel gehen damit zulasten der Beklagten.
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Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin nur einmal - am 20. April 2001 - zusammen mit ihrem kranken Mann beim Generalkonsulat der Republik Türkei in Hamburg vorgesprochen hat. Grund für den Besuch war, dass sie im Hinblick auf die damals begehrte Einbürgerung eine Bescheinigung über den Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorzulegen hatte. Das Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit musste sie förmlich beantragen. Da der Ehemann der Klägerin bereits schwer geistig erkrankt war und sie selbst nicht lesen und schreiben kann, trug sie ihr Begehren mündlich vor. Mehrere Formulare wurden von den Mitarbeitern des Generalkonsulats für die Eheleute ausgefüllt und mussten nur noch unterschrieben werden. Aufgrund der vorbezeichneten Einschränkungen konnten beide Eheleute die Formulare nicht lesen und verstehen, sondern haben sich darauf verlassen, dort die zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit notwendigen Unterschriften geleistet zu haben.
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Der Umstand, dass die Klägerin nach der beantragten Ausbürgerung die türkische Staatsangehörigkeit wieder erlangt hat, ist dadurch zu erklären, dass sie neben dem Ausbürgerungsformular auch ein Wiedereinbürgerungsformular unterzeichnet hat. Zwar ist nicht gänzlich auszuschließen, dass die Klägerin sogar ohne Antrag wieder eingebürgert wurde (siehe so z.B. Senol in Jurblog.de, 26.5.2005). Dies ist aber sehr unwahrscheinlich. Zuverlässige Quellen bestätigen ein solches Handeln der türkischen Konsulate nicht. Praktisch auszuscheiden hat auch, dass allein eine einzige Unterschrift sowohl die Ausbürgerung als auch die Einbürgerung deckte, so dass die Stellung des Wiedereinbürgerungsantrags praktisch unvermeidlich war. Denn dann müssten praktisch alle Türken, die in jener Zeit ausgebürgert worden sind, hiernach auch wieder eingebürgert worden sein, was wiederum zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt hätte. Dies ist aber nicht der Fall gewesen. In fünf Jahren (2000 – 2004) sollen 40.000 – 50.000 Türken einen Wiedereinbürgerungsantrag gestellt haben (Deutscher Bundestag, Drs. 15, 4496 S. 1 f., und Drs. 15/5006, S. 3). Bei damals knapp 800.000 Einbürgerungen und einem Anteil der Türken von etwa ¼ sind in jenem Zeitraum jedoch rund 200.000 türkische Staatsangehörige deutsche Staatsangehörige worden (vgl. zu den Zahlen Worbs, Die Einbürgerung von Ausländern in Deutschland, Working Paper 17 des Forschungsgruppe des Bundesamtes, 2. Aufl. 2008, Internet), also die vierfache Menge an Personen. Deshalb ist auch hier anzunehmen, dass die Klägerin einen separaten förmlichen Antrag auf Wiedereinbürgerung unterzeichnet hat.
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Der Klägerin ist jedoch zu glauben, dass sie nicht gemerkt hat, einen solchen Antrag unterschrieben zu haben, und ein solches auch nicht gewollt hat.
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Dass ihr ein solcher Antrag unaufgefordert vorgelegt wurde, erscheint nicht als zweifelhaft. Seit jeher ist ein großes Interesse vieler türkischer Staatsangehöriger zu erkennen, neben der deutschen ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit zu behalten. Allein dies rechtfertigte es damals aus türkischer Sicht, das Wiedereinbürgerungsformular auch ohne besonderen Antrag anzubieten. Hinzu kam das große Interesse des türkischen Staates, seine Staatsangehörigen nicht gänzlich zu verlieren. So ist bekannt geworden, dass ausgebürgerten türkischen Staatsangehörigen sogar von offizieller Seite geholfen wurde, den Wiedererwerb ihrer Staatsangehörigkeit den deutschen Behörden gegenüber zu verschleiern. Zu diesem Zweck sollen türkische Meldebestätigungen herausgegeben worden sein, die die doppelte Staatsangehörigkeit nicht auswiesen, um den Betroffenen in Deutschland keine Probleme zu bereiten (Deutscher Bundestag, Drs. 15/4496 S. 1 f., spricht davon, dass laut Focus die türkischen Gouverneursämter im September 2001 angewiesen worden seien, die in Deutschland verlangten Registerauszüge zu manipulieren und den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu verschleiern). Bereits Anfang der Neunzigerjahre hatte sich in den Auslandsvertretungen die Praxis herausgebildet, den Ausbürgerungsantragstellern sofort die Wiedereinbürgerung anzubieten. In „Der Spiegel“ 24/1993, Seite 26 heißt es zur damaligen Praxis der türkischen Konsulate: „Im türkischen Generalkonsulat in Hamburg gibt es zwei Büroräume, in denen Türken nacheinander vorsprechen, wenn sie Deutsche werden wollen. Im ersten Zimmer beantragen sie ihre Ausbürgerung aus der Türkei. Im zweiten beantragen sie kurz danach ihre Wiedereinbürgerung. …. In dem anderen Zimmer, zweiter Schritt, wird wenig später dieser Grundsatz praktisch außer Kraft gesetzt. Der Bewerber, inzwischen Deutscher geworden, beantwortet 12 Fragen zur Person und zahlt eine Bearbeitungsgebühr von etwa 40 DM. Dann erhält der deutsche Ex-Türke seinen Pass mit dem Halbmond zurück.“ Später dürfte sich dann die Praxis durchgesetzt haben, das Wiedereinbürgerungsformular zugleich mit dem Austrittsformular zu überreichen. So heißt es im Internet in Bezug auf einen Fall aus dem September 1999 (frag-einen-Anwalt.de, Frage vom 20.8.2010): „Leider wurde mir beim türkischen Konsulat in Hamburg, während ich die Bescheinigung vom Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit in Empfang nahm, ohne mein Wissen während ich die Papiere unterschrieb, die ich zum Erhalt der Entlassungsurkunde Schreibens bekam ein Antrag auf Wiedereinbürgerung in die türkische untergejubelt, ohne mich zu informieren bzw. zu sagen dass ich die deutsche automatisch verliere habe ich unwissend diesen Antrag unterschrieben.“ Ähnliches schilderte auch die hier zur mündlichen Verhandlung geladene Dolmetscherin in Bezug auf ihre Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, die etwa zur gleichen Zeit erfolgte. Auch in der Literatur (Marx, GK-StAR § 25 Rn. 62) ist diese Praxis bekannt. Danach soll es bis in das Jahr 2004 Praxis der türkischen Konsulate gewesen sein, dem Betroffenen bei der Antragstellung auf Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit mit dem Entlassungsantragsformular zugleich ein Antragsformular auf Wiedererwerb ohne ausdrückliche Belehrung über die doppelte Antragstellung zur Unterschrift vorzulegen. Aus der Rechtsprechung ist aus einer Reihe von Fällen betreffend das türkische Generalkonsulat in Nürnberg bekannt, dass die Betroffenen bei Abholung ihrer Entlassungspapiere überredet wurden, einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu stellen (VG Würzburg, Urteil vom 15.10.2008, W 6 K 07.1028, juris Rn. 20; BayVGH, Urteil vom 14.11.2007, 5 B 05.2958, juris Rn. 2, Urteil vom 14.11.2007, 5 B 05.3039, juris Rn. 3, und Urteil vom 14.11.2007, 5 B 06.2769, juris Rn. 2 f.; VG Darmstadt, Urteil vom 3.11.2006, 5 E 1807/05 (3), 5 E 1807/05, juris Rn. 1 f.; VG Ansbach, Urteil vom 14.12.2005, AN 15 K 05.02076, juris Rn. 2 ff.).
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Es spricht deshalb alles dafür, dass auch die Klägerin im Jahr 2001 zugleich mit ihrem Austrittsformular ein Wiedereinbürgerungsformular erhalten und auch unterschrieben hat, auch wenn sie sich hieran selbst nicht erinnern und dieses nicht bestätigen kann.
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Glaubhaft ist, dass die Klägerin nicht bemerkt hat, dass ihr ein Wiedereinbürgerungsantrag untergeschoben wurde. Weder sie noch ihr Ehemann konnten damals die vorgelegten Formulare lesen und verstehen. Das Gericht glaubt der Klägerin auch, dass ihr nicht in verständlicher Weise mündlich erläutert wurde, dass ihr mit einem weiteren Formular die Möglichkeiten eröffnet werden sollte, die türkische Staatsangehörigkeit nach Erwerb der deutschen wiederzuerlangen. Sie selbst macht hierzu geltend, mit ihr sei gar nicht weiter gesprochen worden sei, sondern sie sei gebeten worden, sich zu beeilen, da viele Menschen warteten. Dass türkische Auslandsvertretungen meist überarbeitet und wenig kooperativ sind, ist aus vielen Verfahren gerichtsbekannt. Für die Mitarbeiter des Generalkonsulats gab es vermutlich auch keinen Grund, sich mit der Klägerin und ihrem Ehemann näher zu beschäftigen. Dass die Klägerin damals auf den Umstand, dass sie nicht lesen kann und ihr Mann krankheitsbedingt die Formulare auch nicht versteht, ausdrücklich hingewiesen hat, ist eher unwahrscheinlich. Zwar hat sie auf Befragen berichtet, dass sie andere Menschen schon darauf hinweist, nicht lesen und schreiben zu können. Gerade Analphabeten sind im Umgang mit Behörden aber noch verunsicherter als andere Bürger, geraten häufig in Stress und wollen den Behördenbesuch meist möglichst schnell und unauffällig hinter sich bringen. Deshalb spricht viel dafür, dass die Mitarbeiter des Generalkonsulats keinen Anlass sahen, der Klägerin und ihrem Mann den Vorgang näher zu erläutern, da - wenn man lesen kann - aus den Antragsformularen selbst ersichtlich ist, welchem Zweck sie dienen. Irgendwelche Überzeugungsarbeit war auch nicht zu leisten, da die Eheleute den Wiedereinbürgerungsantrag sofort kritiklos unterschrieben haben werden. Die Klägerin wiederum vertraute darauf, dass das Generalkonsulat ihr genau jene Formulare zur Unterschrift vorgelegt hatte, die sie für ihr Begehren, deutsche Staatsangehörige zu werden, benötigte, und sah deshalb keinen Grund, sich nach dem genauen Inhalt der für sie völlig unverständlichen Formulare zu erkundigen. Es erscheint als glaubhaft, dass sie hinsichtlich des Einbürgerungsverfahrens keine konkreten Rechtskenntnisse besaß und sich auch nicht mit interessierten oder fachkundigen Landsleuten darüber ausgetauscht hatte, da sie sich fast nur ihrem Haushalt, ihrer Familie und insbesondere ihrem kranken Mann widmete.
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Brauchbare Hinweise darauf, dass die Klägerin damals entgegen ihrer heutigen Beteuerung doch wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangen wollte und deshalb den Wiedereinbürgerungsantrag bewusst und gewollt unterzeichnet hat, gibt es nicht. Zwar hatte sich die Klägerin nicht in einer Weise vom türkischen Staat abgewandt, wie dies zum Beispiel bei politisch Verfolgten oder Systemkritikern der Fall ist. Gleichwohl ist ihr zu glauben, dass sie kein Interesse daran hatte, die türkische Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben, da sie wie auch ihr Mann und ihre drei Söhne ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet gefunden hatte und für den Rest ihres Lebens in Deutschland bleiben wollte, in der Türkei keine eigenen Verwandten mehr hatte und es ihr genügte, die Türkei als deutsche Touristin zu besuchen. Dafür, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit weder wieder erlangen wollte noch darum wusste, dass dieses gleichwohl geschehen war, spricht auch, dass sie sich nach der Wiedereinbürgerung keine türkischen Personalpapiere ausstellen ließ, sondern mit deutschen Ausweispapieren in die Türkei reiste (so z.B. aber der Antragsteller im Beschluss des VG Saarlouis vom 29.4.203, 3 L 559/13, juris Rn. 6).
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3. Ein solcher lediglich untergeschobener Antrag ist nicht geeignet, den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zu bewirken.
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Ein Antrag im Sinne des § 25 Abs. 1 StAG ist jede freie Willensbetätigung, die unmittelbar auf den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet ist (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2006, 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441 ff., juris Rn. 13; so auch BVerfG, Beschluss vom 22..6.1990, NJW 1990, 2193 f., juris Rn. 32; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 13.10.2000, 1 B 53/00, Buchholz 130 § 25 StAG Nr. 11, juris Rn. 12; entsprechend Abschnitt 25.1.3 Abs. 1 S. 1 der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000 (StAR-VwV) ebenso wie Abschnitt 25.1.1. Abs. 2 S. 5 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 17. April 2009). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Denn der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt aufgrund von Handlungen des Betroffenen ein, die auf einem selbstverantwortlichen und freien Willensentschluss gegründet sind (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2006, 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441 ff., juris Rn. 13; so auch BVerfG, Beschluss vom 22..6.1990, NJW 1990, 2193 f., juris Rn. 32). Er stellt damit keine grundgesetzliche verbotene Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit dar (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, 2 BvR 669/04, BVerfGE 116, 24 ff., juris Rn. 50).
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An der somit verfassungsrechtlich zu fordernden Freiwilligkeit der Antragstellung fehlt es jedenfalls dann, wenn ein Betroffener die förmlich abgegebene Erklärung gar nicht hat abgeben wollen (§ 119 S. 1 BGB, offen in Bezug auf Willensmängel, da solche dort erkennbar nicht vorlagen, BVerwG, Urteil vom 21.5.1985, 1 C 12/84, Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr.5, juris Rn. 35; BVerwG, Beschluss vom 13.10.2000, 1 B 53/00, Buchholz 130 § 25 StAG Nr. 11, juris Rn. 11). Ein solches ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Antragsformular für eine Wiedereinbürgerung ohne Hinweis und ohne Erkennbarkeit für den Betroffenen zusammen mit einem Antrag auf Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit überreicht und in Verkennung seines Inhalts unterschrieben wurde (Marx, GK-StAR § 25 Rn. 62).
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Allerdings obliegen dem Betroffenen in staatsbürgerlichen Angelegenheiten gewisse Sorgfaltspflichten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.12.2006, 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441 ff., juris Rn. 38). Grundsätzlich ist deshalb zu verlangen, dass ein vorgelegtes Formular vor der Unterschrift durchgelesen und auf seinen Inhalt überprüft wird. Auch genügt es nicht, wenn ein Betroffener geltend macht, einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit auf Anregung der türkischen Behörden gestellt zu haben (BVerfG a.a.O.). Denn es kann von Einbürgerungsbewerbern in gesteigertem Maße erwartet werden, dass sie sich über die staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einer sofort nach der Ausbürgerung beantragten Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsangehörigkeit informieren (VG München, Urteil vom 5.10.2009, M 25 K 08.2073, juris Rn. 20). Hier indes ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ihre Sorgfaltspflicht verletzt hätte. Als Analphabetin wusste sie gar nicht darum, dass sie auch einen Wiedereinbürgerungsantrag unterschreibt. Sie musste auch nicht befürchten, dass ihr von einer staatlichen Stelle ein solcher unverlangt untergeschoben wird, wenn sie lediglich darum nachsucht, jene Formalien erfüllen zu dürfen, die für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erforderlich sind. Glaubhaft ist ihr Vortrag, dass sie nicht durch Gespräche mit Landsleuten darüber unterrichtet war, dass den Ausbürgerungsanträgen riskante Wiedereinbürgerungsanträge beigefügt werden können. Da sie somit gar nicht bemerkt hatte, dass ihr zugleich ein bereits für sie ausgefüllter Wiedereinbürgerungsantrag vorgelegt worden war, oblag der Kläger auch nicht die Pflicht, sich mit der Frage zu befassen, ob die Stellung eines solchen im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit rechtlich zulässig ist (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.3.2011, OVG 5 S 31.10, juris Rn. 6).
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i. V. m. § 709 S. 1 und 2 ZPO.
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Referenzen
- 2 BvR 1339/06 3x (nicht zugeordnet)
- § 25 StAG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums 1x
- 3 L 559/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 12 PassG 1x (nicht zugeordnet)
- 5 C 20/09 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- VwGO § 42 1x
- § 8 Nr. 1 HmbPersAuswG 1x (nicht zugeordnet)
- BVFG § 1 Vertriebener 1x
- VwGO § 154 1x
- 5 B 27/08 1x (nicht zugeordnet)
- 1 C 12/84 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 4x
- VwGO § 167 1x
- § 15 Nr. 1 PassG 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 E 51/14 1x
- §§ 11 Nr. 2, 12 Abs. 1 PassG 2x (nicht zugeordnet)
- § 12 Abs. 1 PassG 1x (nicht zugeordnet)
- 5 E 1807/05 2x (nicht zugeordnet)
- 1 B 53/00 2x (nicht zugeordnet)
- 18 A 823/84 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 PersAuswG 1x (nicht zugeordnet)
- § 25 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 StAG 1x (nicht zugeordnet)
- 8 C 39/12 1x (nicht zugeordnet)
- 8 C 14/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 4 S. 1 PassG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 73/93 1x (nicht zugeordnet)
- 9 B 192/91 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 Nr. 2 PassG 2x (nicht zugeordnet)
- RuStAG § 25 1x
- § 25 Abs. 1 S. 1 StAG 6x (nicht zugeordnet)
- § 25 Abs. 1 StAG 2x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 669/04 1x (nicht zugeordnet)