Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (9. Kammer) - 9 E 1523/14
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 21. März 2014 (9 K 1522/14) gegen den Bescheid vom 27. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2014 wird angeordnet, soweit sie die Einziehung des Reisepasses betreffen und, soweit die Einziehung des Personalausweises betroffen ist, wiederhergestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 EURO festgesetzt.
4. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt XXX bewilligt.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin wendet sich gegen die Einziehung ihres Personalausweises und ihres Reisepasses.
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Die Antragstellerin wurde am XXX 1999 in Hamburg als Tochter der ghanaischen Staatsangehörigen A, geb. XXX geboren. Als Vater wurde zunächst der deutsche Staatsangehörige und damalige Ehemann von Frau A, Herr B, in die Geburtsurkunde der Antragstellerin eingetragen. Sie erhielt daraufhin am XXX 1999 erstmalig einen deutschen Kinderausweis. Frau A ist seit dem 25. Mai 2009 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, ihre weiteren Kinder (XXX, geboren am XXX; XXX, geboren am XXX; XXX, geboren am XXX) sind deutsche Staatsangehörige.
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Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001, welches am XXX 2001 rechtskräftig geworden ist, stellte das Amtsgericht fest, dass die Antragstellerin kein Kind des Klägers in diesem Verfahren, Herrn B, ist.
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Am XXX 2004 erhielt die Antragstellerin einen Reisepass, am XXX 2009 nochmals einen Personalausweis sowie einen Reisepass, welche beide bis zum XXX 2016 gültig sind.
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Nachdem die Antragsgegnerin von dem Urteil des Antragsgerichts Hamburg Kenntnis erlangt hatte, forderte sie die Mutter der Antragstellerin erstmals mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 zur Abgabe der 2009 ausgestellten Identitätspapiere auf. Zur Begründung führte sie aus, dass die Antragstellerin aufgrund des Urteils vom 27. Februar 2001 nicht im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sei.
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Mit Bescheid vom 27. Januar 2014 ordnete die Antragsgegnerin sodann die Einziehung des Reisepasses (Nr. XXX) sowie des Personalausweises (Nr. XXX) an. Die Antragsgegnerin setzte der Antragstellerin eine Frist zur Abgabe der Identitätspapiere bis zum 10. Februar 2014 und ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung der Einziehung des Reisepasses an.
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Zur Begründung führte sie aus, dass nach dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001 feststehe, dass der deutsche Staatsangehörige B nicht der Vater der Antragstellerin sei. Somit hätte die Antragstellerin nicht die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) durch Geburt erworben, da es keinen deutschen Elternteil gebe. Die Antragstellerin sei vielmehr ausschließlich ghanaische Staatsangehörige. Sowohl der Reisepass als auch der Personalausweis seien einzuziehen, da sie eine fehlerhafte Eintragung, nämlich diejenige bezüglich der Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 des Passgesetzes (PassG) bzw. nach § 5 Abs. 2 Nr. 10 des Personalausweisgesetzes (PAuswG), enthielten. Die Einziehung des Reisepasses richte sich nach §§ 11, 12 PassG, die des Personalausweises nach §§ 28, 29 PAuswG.
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Das nach § 12 PassG sowie nach § 29 PAuswG vorgesehene Ermessen sei aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen dahingehend reduziert, dass die Identitätspapiere einzuziehen seien. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass durch die fortgesetzte Nutzung der Papiere, die eine fehlerhafte Eintragung bezüglich der deutschen Staatsangehörigkeit enthielten, rechtswidrige aufenthalts- und sozialrechtliche Verwaltungsakte verursacht werden könnten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei dadurch begründet, dass der durch die unzutreffende Eintragung der Staatsangehörigkeit im Reisepass begründete Rechtsschein zwingend zu beseitigen sei.
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Hiergegen erhob die Antragstellerin am 4. Februar 2014 Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Anordnung dessen aufschiebender Wirkung. Zur Begründung führte sie aus, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Alters von 15 Jahren und des Umstandes, dass sie von ihrer Geburt an in Deutschland gelebt habe und hier aufgewachsen sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 17.12.2013, 1 BvL 6/10, juris) die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren habe. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, dass die Antragsgegnerin den Pass der Antragstellerin mehrmals verlängert habe. Dieser Umstand bedinge auch, dass die Voraussetzung der besonderen Eilbedürftigkeit und somit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Einziehung des Reisepasses nicht gegeben seien.
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Nach vorheriger Anhörung wies die Antragsgegnerin den Wiederspruch mit Bescheid vom 13. März 2014 zurück und ordnete die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 27. Januar 2014 an. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, dass die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragstellerin auf Grundlage der Feststellung des Amtsgerichts nach § 1599 Abs. 1 BGB entfallen sei. Dies stelle keine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit dar, da die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Entscheidung erst ein Jahr und 11 Monate alt gewesen sei. Die durch die Antragstellerin zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 StAG komme nicht in Betracht, da die Antragstellerin die Behandlung als Deutsche zu vertreten habe. Es sei ihr zuzurechnen, dass ihre Mutter das Urteil des Amtsgerichts vom 27. Februar 2001 der Antragsgegnerin nicht zur Kenntnis gegeben habe, obwohl sie wusste und wissen musste, dass sie dazu verpflichtet war.
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Am 21. März 2014 hat die Antragstellerin hiergegen Klage erhoben (9K 1522/14) und den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
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Zur Begründung gibt sie ergänzend an, dass nach der zuvor zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine unzulässige Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit vorliege. Für die Frage des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit Minderjähriger sei auf den Blickwinkel des betroffenen Kindes abzustellen. Die Belastungswirkungen des Verlustes der Staatsangehörigkeit nähmen mit zunehmendem Alter des Kindes zu. Für die Frage, ob ein unzulässiger Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vorliege sei auch zu berücksichtigen, ob das Kind selbst auf den Verlust Einfluss nehmen könne oder nicht. Angesichts des Alters der Antragstellerin, deren Integration in die deutsche Gesellschaft sowie das deutsche Bildungssystems und des Umstandes, dass sie bereits seit 15 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft innehabe, liege ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff vor.
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Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen des Staatsangehörigkeitserwerbs nach § 3 Abs. 2 StAG gegeben. Die Antragstellerin sei über 12 Jahre hinweg als Deutsche behandelt worden und habe dies auch nicht zu vertreten. Das Vertretenmüssen nach § 3 Abs. 2 StAG umfasse ausschließlich das Verhalten des Betroffenen selbst, eine Zurechnung des Verhaltens des gesetzlichen Vertreters widerspreche dem Wortlaut der Norm.
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II. Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Der gemäß § 88 VwGO sinngemäß als Antrag auf teilweise Anordnung und teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage verstandene Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Insbesondere ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 VwGO statthaft, da die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Einziehung des Personalausweises gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 30 PAuswG entfällt und die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Einziehung des Reisepasses gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.
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2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
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a) Die Antragsgegnerin hat zwar voraussichtlich in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch genügenden Weise das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung begründet. Es hängt von der Art des jeweiligen Verwaltungsaktes, d.h. von der Auslegung seiner Ermächtigungsgrundlage nach ihrem Sinn und Zweck und ihrer Bedeutung im jeweiligen Regelungsbereich ab, wie ausführlich und auf die konkreten Merkmale des jeweiligen Einzelfalls bezogen die Sofortvollzugsanordnung begründet werden muss, um den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu genügen (OVG Hamburg, Beschl. v. 10.06.2008, 4 Bs 49/08, nicht veröffentlicht, m.w.N.).
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Der Wertung des § 30 PassG ist zu entnehmen, dass die sofortige Einziehung von Identitätspapieren grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt. Da nicht erkennbar ist, warum die gesetzliche Wertung im Falle der Einziehung eines Passes eine andere sein sollte, ist auch im Anwendungsbereich des § 12 PassG regelmäßig davon auszugehen, dass der Zweck der Einziehung eine sofortige Vollziehung notwendig macht. Der pauschalisierende Hinweis in den angegriffenen Bescheiden auf den zu beseitigenden unrichtigen Rechtsschein der deutschen Staatsangehörigkeit erfüllt daher zumindest die formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Angesichts der an sich systemwidrigen sofortigen Vollziehbarkeit der Einziehung eines Personalausweises nach § 30 PAuswG (vgl. hierzu Hornung/Möller, PassG, Personalausweisgesetz, 1. Auflage 2011, § 30 PAuswG, Rn. 1), konnte die Antragsgegnerin auch trotz der regelmäßig für vorübergehende Maßnahmen gesetzlich vorgesehen Sicherstellung nach § 13 PassG, § 29 Abs. 2 PAuswG, die Einziehung der Papiere unter Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Vollziehbarkeit anordnen.
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b) Bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Einziehung der Identitätspapiere mit dem Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Klagverfahrens im Besitz dieser Ausweise zu bleiben, überwiegt aber letzteres. Die in einem Eilverfahren nur mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt nämlich, dass die Klage voraussichtlich Erfolg haben wird da die angegriffenen Verwaltungsakte voraussichtlich rechtswidrig sind und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist daher gleichfalls nicht gegeben.
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Die voraussichtliche Rechtswidrigkeit der Einziehungsverfügung nach § 28 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 10 PAuswG und des Reisepasses nach § 12 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 10 PassG ergibt sich daraus, dass die Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit sich als richtig erweisen dürfte. Die Antragstellerin dürfte zwar zunächst durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, diese aber nach § 3 Abs. 2 StAG wiedererworben haben.
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aa) Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 PAuswG, § 12 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 PassG kann ein Ausweis bei Unrichtigkeit einer Eintragung eingezogen werden, eine solche Eintragung ist die Staatsangehörigkeit (§ 5 Abs. 2 Nr.10 PAuswG, § 4 Abs. 1 Nr. 10 PassG). Die Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin dürfte sich aber als richtig erweisen.
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Die Antragstellerin hat als Tochter der ghanaischen Staatsangehörigen Frau A und des deutschen Staatsangehörigen Herrn B durch die Geburt am XXX 1999 in Hamburg zunächst gemäß § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStG) in der Fassung vom 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2942) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001 hat sie diese zunächst rückwirkend zum Zeitpunkt ihrer Geburt wieder verloren. Das Urteil über die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des deutschen Staatsangehörigen, von dem allein die Antragstellerin die deutsche Staatsangehörigkeit ableitete, führt zum rückwirkenden Verlust der Staatsangehörigkeit, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes oder einer gesonderten Feststellung bedarf ( vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006, 2 BvR 696/04, juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2004, 3 Bf 238/03, juris). Da die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Feststellung erst 1 Jahr und 11 Monate alt war, begründet die gerichtliche Entscheidung auch keine nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG unzulässige Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit. Soweit Kindern durch gerichtliche Vaterschaftsanfechtung der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit droht, stellt dies nämlich dann keine Entziehung nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG dar, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung in einem Alter sind, in dem sie typischerweise noch kein Bewusstsein der eigenen Staatsangehörigkeit haben entwickeln können (BVerfG, a.a.O.). So liegt es bei der 1999 geborenen Antragstellerin im Zeitpunkt der Entscheidung im Februar 2001. Dass die möglichen Folgen des Urteils sie in Form der Einziehung der Ausweise zu einem Zeitpunkt treffen, in dem sie nunmehr 15 Jahre alt ist, ändert zunächst nichts daran, dass die Entscheidung ursprünglich zum rückwirkenden Entfallen der deutschen Staatsangehörigkeit geführt hat.
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bb) Die Antragstellerin dürfte die deutsche Staatsangehörigkeit aber gemäß § 3 Abs. 2 StAG dadurch wiedererworben haben, dass sie seit 12 Jahren durch deutsche Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 StAG unterfallen auch diejenigen Personen, die zuvor deutsche Staatsangehörige waren und diese Staatsangehörigkeit wieder verloren haben ab dem Zeitpunkt, ab dem der Verlust der Staatsangehörigkeit eintritt (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, GK-StAG, Stand 2013, § 3 Rn. 19 m.w.N.). In die Zeit der zwölfjährigen Behandlung als deutsche Staatsangehörige fallen auch diejenigen Zeiten, die vor Inkrafttreten der Regelung des § 3 Abs. 2 StAG am 28. August 2007 liegen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Behandlung als deutsche Staatsangehörige im Zeitpunkt des Inkrafttretens im Jahr 2007 noch andauerte (VGH Mannheim, Beschl. v. 29.5.2008, 13 S 1137/08, juris). Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG wird als Deutscher insbesondere behandelt, wem ein deutscher Personalausweis oder Pass ausgestellt wurde.
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Beide Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Antragstellerin wurde mit der erstmaligen Erteilung eines Kinderausweises am XXX 1999 ein Ausweis im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG ausgestellt. In der Folge erhielt die Antragstellerin im Jahr 2004 sowie letztmalig am XXX 2009 einen deutschen Personalausweis sowie einen Reisepass, sie wurde daher über 12 Jahre hinweg durch die Erteilung deutscher Ausweise als Deutsche behandelt. Diese Behandlung wurde auch nicht durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001 unterbrochen, da das Gericht nicht, auch nicht summarisch (vgl. hierzu GK-StAG, § 3 Rn.41) die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragstellerin überprüfte, sondern Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Frage der Vaterschaft von Herrn B war.
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Die Antragstellerin hat die Behandlung als deutsche Staatsangehörige auch nicht zu vertreten. Ein Vertretenmüssen im Sinne des § 3 Abs. 2 StAG setzt voraus, dass die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich des Betroffenen zuzurechnen sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene wissentlich auf die Umstände eingewirkt hat, die deutsche Stellen dazu veranlasst haben, ihn bisher als deutschen Staatsangehörigen zu behandeln. Hierzu zählen das Täuschen über oder das Verschweigen relevanter Tatsachen (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 2 StAG, BT Drs. 16/5065, S. 227). Das Unterlassen der Offenbarung relevanter Tatsachen schließt dann den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 StAG aus, wenn der Betroffene entweder unvollständige Angaben auf Anfragen der zuständigen Stellen macht, oder sich ihm die staatsangehörigkeitsrechtliche Erheblichkeit nachträglich eingetretener Umstände aufdrängen muss und er daher zur Offenbarung dieser Tatsachen verpflichtet ist (vgl. GK- StAG, § 3 Rn.51). Kenntnisse des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts können von dem Betroffenen in der Regel nicht erwartet werden (vgl. hierzu auch Punkt 3.2. der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 19. Oktober 2007 zum Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970)).
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Die Antragstellerin selbst hat weder aktiv über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht, noch kann ihr als Minderjähriger der Umstand, dass sie selbst das Urteil des Amtsgerichts Hamburg den zuständigen Behörden gegenüber nicht angegeben hat, vorgeworfen werden.
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Die Antragstellerin hat die Behandlung als deutsche Staatsangehörige auch nicht deshalb zu vertreten, weil ihr das Verhalten ihrer Mutter als ihrer gesetzlichen Vertreterin nach dem Grundsatz des § 278 BGB zuzurechnen wäre und ihre Mutter verpflichtet gewesen wäre, die Antragsgegnerin auf das Urteil des Amtsgerichts Hamburg hinzuweisen. Dem steht bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich bereits entgegen, dass eine solche Verpflichtung der Mutter der Antragstellerin nicht bestand. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es sich ihr nach dem vorstehend dargestellten Maßstab nicht aufdrängen musste, dass das Urteil des Amtsgerichts die Staatsangehörigkeit ihrer Tochter beeinflussen konnte. Denn das Urteil erging auf Betreiben des vorgeblichen Vaters der Antragstellerin und somit standen ersichtlich familien- und unterhaltsrechtliche Fragen im Vordergrund. Diese Wertung wird auch dadurch verstärkt, dass etwa die Mitteilungen für die Zivilgerichte (Anordnung für die Mitteilungen in Zivilsachen, MiZi vom 1. Juni 1998) keine Mitteilungsverpflichtung in Vaterschaftsanerkennungssachen gegenüber den Meldebehörden vorsehen. Auch der nunmehr eingefügte § 87 Abs. 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), der eine Mitteilungsverpflichtung der Familiengerichte ausschließlich im Fall der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB vorsieht, verdeutlicht, dass eine unmittelbar aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrelevante Bedeutung nur den familiengerichtlichen Urteilen nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB zugesprochen wird.
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Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass gerade die Mitteilungspflichten nach § 87 Abs. 6 AufenthG sowie die Regelungen der Mitteilungen in Zivilsachen verdeutlichen, dass der Austausch über Behördenentscheidungen grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Staates und nicht des Betroffenen fällt (so auch VG Stade, Urt. v. 27.8.2009, 1 A 560/09). Das Verschweigen eines familiengerichtlichen Urteils ist darüber hinaus auch wertungsmäßig nicht den Sachverhalten gleichzusetzen, welche der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung, die beispielhaft das Verschweigen der Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit anführt (BT Drs. 16/5065, S.227), als Fälle des Vertretenmüssens vor Augen hatte.
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Schließlich haben auch die weiteren, später geborenen Kinder von Frau A nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und entsprechende Identitätspapiere erhalten, so dass ein Vertrauen darauf, dass auch die Antragstellerin weiter die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nachvollziehbar erscheint. Dass Frau A trotz Nachfrage seitens der Antragsgegnerin das Urteil des Amtsgerichts Hamburg verschwiegen und somit eine wissentliche Täuschung vorgenommen hätte, ist nicht ersichtlich.
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Selbst wenn Frau A verpflichtet gewesen wäre, die Antragsgegnerin auf das Urteil vom 27. Februar 2001 hinzuweisen, wäre der Antragstellerin das Verhalten ihrer Mutter auch nicht zuzurechnen. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Norm (vgl. auch GK- StAG, § 3, Rn.56). Danach erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit, wer die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten hat. Auch die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, dass ein Vertretenmüssen nur dann vorliegt, wenn „jemand jedoch wissentlich auf die Umstände eingewirkt hat, die deutsche Stellen dazu veranlasst haben, ihn bisher als deutschen Staatsangehörigen zu behandeln“ (BT Drs. 16/5065, S.227). Dies entspricht darüber hinaus auch der Wertung des Bundesverfassungsgerichts, welches eine Zurechnung des Verhaltens der Eltern in Angelegenheiten der Staatsangehörigkeit ihrer Kinder nur in sehr begrenztem Umfang zulässt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013, 1 BvL 6/10, juris Rn.39, 80). Gleichfalls spricht neben dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 StAG für eine restriktive Auslegung des Begriffs des Vertretenmüssens auch, dass der Gesetzgeber in § 35 Abs. 5 Satz 2 StAG in Umsetzung verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass die persönliche Beteiligung an einer zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führenden Handlung ebenso von besonderer Bedeutung ist, wie das Kindeswohl. Sowohl das Wohl der Antragstellerin, welche nunmehr in einem Alter ist, in welchem sie nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Bewusstsein für die deutsche Staatsangehörigkeit entwickelt hat (BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006, 2 BvR 696/04) als auch die besondere Bedeutung persönlichen Fehlverhaltens sprechen daher dafür, ihr das Verhalten ihrer Mutter nicht zuzurechnen.
III.
- 31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 32
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 2 GKG.
- 33
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
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