Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (17. Kammer) - 17 K 4140/20

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein von ihm unterstützter Beschlussantrag auf der Mitgliederversammlung des beklagten Versorgungswerks der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Freien und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: Beklagter) am 16.09.2020 angenommen worden ist.

2

Der Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er leistet seinen Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung sowie sonstige Leistungen aufgrund seiner Satzung und nach Maßgabe des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 21. November 2000 (HmbGVBl. S. 349), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. Juni 2020 (HmbGVBl. S. 380) („RAVersG“).

3

Die Satzung des Beklagten enthielt in der am 16.09.2020 gültigen Fassung auszugsweise folgende Bestimmungen:

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§ 3 Mitgliederversammlung

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[...]
(2) ... Anträge auf Änderung der Satzung müssen mit schriftlicher Begründung bis spätestens zwei Monate vor der Mitgliederversammlung in der Geschäftsstelle des Versorgungswerks eingegangen sein; nach diesem Zeitpunkt eingegangene Anträge auf Änderung der Satzung können zur Mitgliederversammlung nur zugelassen werden, wenn mindestens 100 Mitglieder in der Mitgliederversammlung anwesend sind und mit ¾-Mehrheit die Zulassung des Antrages auf Änderung der Satzung zur Befassung durch die Mitgliederversammlung beschließen.

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(3) Die Mitgliederversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens fünfzig Mitglieder anwesend sind.

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(4) 1Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. 2Beschlüsse betreffend § 4 Ziff. 1, 2 und 5 können nur bei Anwesenheit von mindestens 100 Mitgliedern mit Dreiviertelmehrheit gefasst werden.
[...]

8

§ 4 Aufgaben der Mitgliederversammlung

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Die Mitgliederversammlung beschließt über

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1. die Änderung der Satzung,
2. die Wahl und Abberufung des Vorsitzenden, des stellvertretenden Vorsitzenden und der übrigen Mitglieder des Verwaltungsausschusses; ...
3. die Feststellung des Jahresabschlusses,
4. die Entlastung des Verwaltungsausschusses,
5. die Änderung der Versorgungsleistungen,
6. die jährliche Festsetzung des Rentensteigerungsbetrages und die Anpassung der laufenden Renten und
7. die Wahl und Abberufung der Mitglieder des Widerspruchsausschusses (§ 7); ...
8. Zuführung zur Sicherheitsrücklage gem. § 36 Abs. 3 Satz 2 der Satzung.

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§ 5 Verwaltungsausschuß

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(1) Der Verwaltungsausschuß besteht aus fünf Mitgliedern [...].

13

(2) 1Der Verwaltungsausschuß ist beschlussfähig, wenn mindestens drei seiner Mitglieder anwesend sind. 2Er fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder.
[...]

14

Am 16.09.2020 fand eine Mitgliederversammlung des Beklagten statt, an der auch der Kläger teilnahm. Im Laufe der Mitgliederversammlung kam es zur Aussprache und Abstimmung über den Antrag zweier weiterer Mitglieder des Beklagten, die Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 2 der Satzung des Beklagten wie folgt zu fassen:

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Beschlüsse betreffend § 4 Ziffer 1, 2 zweiter Halbsatz und 5 können nur bei Anwesenheit von mindestens 100 Mitgliedern mit einer Mehrheit von 60% der abgegebenen Stimmen gefasst werden.

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Zum Zeitpunkt der Abstimmung waren auf der Mitgliederversammlung 107 Mitglieder präsent. Die Auszählung der Stimmen ergab 78 Ja-Stimmen und 25 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen. Der Versammlungsleiter stellte im Anschluss an die Auszählung fest, dass der Antrag abgelehnt worden sei. Der Kläger rügte diese Feststellung gegenüber dem Versammlungsleiter wiederholt als unrichtig.

17

Der Kläger hat am 05.10.2020 Klage erhoben. Er meint, der Antrag auf Änderung des § 3 Abs. 4 Satz 2 der Satzung des Beklagten sei auf der Mitgliederversammlung am 16.09.2020 angenommen worden. Die dafür erforderliche Dreiviertelmehrheit sei erreicht worden. Für die Berechnung der Dreiviertelmehrheit sei lediglich auf die 103 für oder gegen den Antrag stimmenden Mitglieder abzustellen. Die vier Stimmenthaltungen seien bei der Berechnung hingegen nicht mitzuzählen gewesen. Die Berücksichtigung der Stimmenthaltungen im Abstimmungsergebnis würde der Entscheidung der sich der Stimme enthaltenden Mitglieder, weder für noch gegen den zur Abstimmung stehenden Antrag zu stimmen, nicht gerecht werden. Derjenige, der sich der Stimme enthalte, wolle gerade seine Unentschiedenheit bekunden. Würde seine Stimmenthaltung dennoch bei der Mehrheitsberechnung mitgezählt, dann würde sich seine Enthaltung so auswirken, als ob er mit Nein gestimmt hätte. Die Mitglieder des Beklagten, die sich bei Abstimmungen ihrer Stimme enthielten, würden auch tatsächlich nicht davon ausgehen, dass ihre Stimmenthaltungen faktisch wie Nein-Stimmen wirkten. Anderenfalls wäre zu erwarten, dass sie, wenn sie weder für noch gegen eine Beschlussvorlage stimmen wollten, jedes Mal den Sitzungssaal verließen. Dies geschehe indes nicht. Stattdessen würden auf den Mitgliederversammlungen des Beklagten Ja-Stimmen, Nein-Stimmen und Enthaltungen getrennt voneinander aufgenommen, was belege, dass Enthaltungen nicht als Nein-Stimmen gewertet würden. Auch aus dem Umstand, dass die Mitglieder des Verwaltungsausschusses sich bei Abstimmungen über ihre Entlastung traditionell ihrer Stimme enthielten, zeige, dass selbst die Mitglieder des Verwaltungsausschusses nicht davon ausgingen, dass eine Stimmenthaltung als Nein-Stimme zu werten sei; anderenfalls würden sie durch ihre Stimmenthaltung seit Jahren bewusst gegen ihre eigene Entlastung stimmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung verwiesen.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass der in der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 16.09.2020 zur Abstimmung gestellte Antrag über die Änderung von § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung mit den abgegebenen 78 Ja-Stimmen bei 25 Gegenstimmen und 4 Stimmenthaltungen satzungsgemäß angenommen worden ist.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung führt er aus: Die Beschlussvorlage sei nicht angenommen worden. Dafür sei eine Dreiviertelmehrheit von 81 Ja-Stimmen der insgesamt anwesenden 107 Mitglieder erforderlich gewesen. Aus Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 4 S. 2 seiner Satzung ergebe sich, dass als Bezugsgröße für die Bestimmung der Mehrheitsverhältnisse bewusst die Zahl der auf der Mitgliederversammlung tatsächlich anwesenden Mitglieder und nicht lediglich die Zahl der von diesen abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen gewählt worden sei. Es sei für jedes Mitglied erkennbar, dass eine Stimme, die nicht für eine vorgeschlagene Satzungsänderung abgegeben werde, automatisch als eine Stimme für den Verbleib beim Status quo und damit gegen die vorgeschlagene Änderung zu werten sei. Sinn und Zweck der gesamten Regelung sei es schließlich, willkürliche Entscheidungen über Beschlussgegenstände von erhöhter Bedeutung durch nur sehr wenige anwesende Mitglieder zu verhindern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Das Gericht konnte trotz der (erst) in der mündlichen Verhandlung vom Kläger erhobenen Rüge, der Beklagte sei in der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß vertreten, da der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses des Beklagten, der den Beklagten nach § 4 Abs. 3 S. 3 RAVersG gerichtlich und außergerichtlich vertritt, nicht satzungsgemäß gewählt worden sei und daher dem in der mündlichen Verhandlung als Prozessbevollmächtigter des Beklagten aufgetretenen Rechtsanwalt keine wirksame Vollmacht habe erteilen können, mündlich verhandeln und in der Sache entscheiden. Selbst wenn der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses des Beklagten nicht satzungsgemäß gewählt worden sein sollte, ist die von ihm erteilte Prozessvollmacht als wirksam erteilt anzusehen. Nach den Grundsätzen der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis wird ein Organwalter trotz Unwirksamkeit der Organbestellung aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung einer Handlungsunfähigkeit des betroffenen Organs vorläufig grundsätzlich wie ein fehlerfrei bestellter Organwalter behandelt, wenn er seine Bestellung angenommen und auf dieser Grundlage das Organverhältnis durch ein Tätigwerden für das Organ in Vollzug gesetzt hat (vgl. statt aller Bayer/Lieder, Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis, NZG 2012, 1 ff.). Gründe, diese Lehre nicht dem Grundsatz nach auch auf das vertretungsberechtigte Organ einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wie den Beklagten anzuwenden, sind für das Gericht nicht ersichtlich. Insbesondere vermag das Gericht keine höherrangigen entgegenstehenden Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Personen zu erkennen, die eine Anwendung dieser Lehre im vorliegenden Fall ausschließen könnten. Dementsprechend wäre der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses auch im Falle einer unwirksamen Bestellung so zu behandeln, als wäre er fehlerfrei bestellt worden, mit der Folge, dass die von ihm erteilte Prozessvollmacht als wirksam anzusehen ist und der Beklagte in der mündlichen Verhandlung wirksam vertreten war.

II.

24

Die Klage ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

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1. Die Klage ist zulässig.

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a) Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Die Beteiligten streiten über die satzungsgemäße Wertung von Stimmen bei einer Abstimmung in der Mitgliederversammlung des Beklagten, bei der es sich gem. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Freien und Hansestadt Hamburg (RAVersG) um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt. Die Satzung des Beklagten und damit auch die streitentscheidende Vorschrift des § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung in der am 16.09.2020 gültigen Fassung ist daher ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur.

27

b) Die Klage ist gemäß § 43 Abs. 1 VwGO als Feststellungsklage statthaft, da ihr Gegenstand das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses ist. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (statt aller: BVerwG, Urt. v. 28.01.2010, 8 C 19.09, juris, Rn. 24).

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Die Beteiligten streiten über die Anwendung von § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung des Beklagten in der am 16.09.2020 gültigen Fassung auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich darüber, ob die Abstimmung über die Änderung dieser Vorschrift auf der Mitgliederversammlung am 16.09.2020 angenommen wurde. Das Begehren des Klägers ist dabei im Kern auf die Feststellung seines sich aus § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung des Beklagten in der am 16.09.2020 gültigen Fassung ergebenden Stimmgewichts bei der Teilnahme an der Willensbildung des Beklagten auf der Mitgliederversammlung am 16.09.2020 gerichtet. Die Annahme des hier gegenständlichen Beschlusses wäre insoweit das rechtliche Ergebnis dieser sich aus der konkreten Anwendung der Vorschrift ergebenden Rechtsbeziehung des Klägers zum Beklagten.

29

c) Auch das für eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung ist gegeben. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse, dass ein satzungsgemäß gefasster Beschluss, an dessen Zustandekommen er mitgewirkt hat und der ihn in seiner Eigenschaft als Mitglied des Beklagten unmittelbar betrifft, indem er sein Stimmgewicht bei zukünftigen Abstimmungen über die in § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung aufgeführten Beschlussgegenstände verändert, tatsächlich angenommen wird bzw. eine entsprechende Feststellung durch den Beklagten getroffen wird.

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d) Der Kläger wäre damit auch, unabhängig von der Frage, ob dies in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO für Feststellungsklagen überhaupt Voraussetzung ist, klagebefugt, da er durch das festzustellende Rechtsverhältnis unmittelbar in seiner eigenen Rechtsposition als Mitglied des Beklagten betroffen ist. Denn durch die Feststellung des Versammlungsleiters, dass der Beschluss nicht angenommen wurde, wird das sich aus § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung des Beklagten in der am 16.09.2020 gültigen Fassung ergebende individuelle Stimmgewicht des Klägers bei der Willensbildung des Beklagten unmittelbar in Frage gestellt.

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2. Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Beschlussantrag ist auf der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 16.09.2020 nicht angenommen worden. Er wurde nicht mit der nach § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung des Beklagten erforderlichen Dreiviertelmehrheit angenommen.

32

Nach § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung des Beklagten können satzungsändernde Beschlüsse nur bei Anwesenheit von mindestens 100 Mitgliedern mit Dreiviertelmehrheit gefasst werden. Die Vorschrift nennt damit ausdrücklich das erforderliche Quorum (Anwesenheit von 100 Mitgliedern) und das Mehrheitserfordernis (Dreiviertelmehrheit). Nicht ausdrücklich genannt wird hingegen die Bezugsgröße für das Mehrheitserfordernis, d.h. die Personen- oder Stimmengruppe, deren Dreiviertelmehrheit für eine Entscheidung erforderlich ist.Aus der systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich nach Auffassung der Kammer jedoch, dass die Bezugsgröße die „anwesenden Mitglieder“ sind. Denn § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung modifiziert für bestimmte Beschlussgegenstände das für Beschlussgegenstände im Allgemeinen geltende Quorum (Anwesenheit von 50 Mitgliedern, vgl. § 3 Abs. 3 der Satzung) und das Mehrheitserfordernis (einfache Mehrheit, vgl. § 3 Abs. 4 S. 1 der Satzung), nicht aber die Bezugsgröße für das Mehrheitserfordernis (die „anwesenden Mitglieder“, vgl. § 3 Abs. 4 S. 1 der Satzung). Dies rechtfertigt den Schluss, dass die Satzung in § 3 Abs. 4 S. 2 für die dort genannten Beschlussgegenstände eben nur das Quorum und das Mehrheitserfordernis, nicht aber die Bezugsgröße für das Mehrheitserfordernis modifizieren wollte.

33

Eine Dreiviertelmehrheit „der anwesenden Mitglieder“ wurde im vorliegenden Fall nicht erreicht. Eine Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder setzt nämlich voraus, dass mindestens drei Viertel der physisch auf der Mitgliederversammlung anwesenden Mitglieder – und nicht nur drei Viertel der (mit „Ja“ oder „Nein“) abstimmenden Mitglieder – für den Beschlussantrag gestimmt haben, was unstreitig nicht der Fall gewesen ist.

34

a) Stellt eine Satzungsregelung – wie hier – auf die (einfache oder qualifizierte) Mehrheit der anwesenden Mitglieder ab, so kann hiermit bei grammatikalischer Auslegung nur die (einfache oder qualifizierte) Mehrheit der physisch anwesenden Mitglieder gemeint sein. Laut Duden hat der Begriff „anwesend“ die Bedeutung „aus einem bestimmten Anlass an einem Ort befindlich, zugegen“; als Synonyme werden „an Ort und Stelle, da, dabei, gegenwärtig“ angegeben (https://www.duden.de/rechtschreibung/anwesend, Zugriff am 19.01.2021). Es widerspricht angesichts dessen dem allgemeinen Sprachgebrauch, eine Person nur deshalb als nicht anwesend zu betrachten, weil sie sich am Ort ihrer physischen Anwesenheit passiv verhält bzw., bezogen auf den vorliegenden Fall, an einer Abstimmung nicht teilnimmt oder sich der Stimme enthält. Fordert § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung eine (einfache bzw. Dreiviertel-)Mehrheit der anwesenden Mitglieder, ist mithin klar, dass mehr als die Hälfte (S. 1) bzw. mindestens drei Viertel (S. 2) der anwesenden Mitglieder mit „Ja“ stimmen müssen. Angesichts dessen muss jedem Mitglied, das sich der Stimme enthält, bewusst sein, dass seine Stimmenthaltung auf die allein maßgebliche Größe, nämlich die Anzahl an Ja-Stimmen, keinen Einfluss hat.

35

b) Das vom Kläger für seine Rechtsansicht, wonach Stimmenthaltungen bei der Berechnung der (Dreiviertel-)Mehrheit nicht zu berücksichtigen seien, angeführte Argument, dass Stimmenthaltungen in dem Fall, dass es auf die (Dreiviertel-)Mehrheit der anwesenden Mitglieder ankomme, faktisch wie Nein-Stimmen wirkten und dies den objektiven Erklärungswert der Stimmenthaltungen, mit denen gerade Unentschiedenheit bekundet werden solle, verfälsche, überzeugt das Gericht nicht. Der Kläger beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Vorschrift des § 32 Abs. 1 S. 3 BGB in der bis zum 29.09.2009 geltenden Fassung, nach welcher bei der Beschlussfassung im Verein die Mehrheit der „erschienenen Mitglieder“ entschied. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.01.1982 (BGH, Urt. v. 25.01.1982, II ZR 164/81, juris) entschieden, dass die Fassung des § 32 Abs. 1 S. 3 BGB nicht „wörtlich“ genommen werden dürfe und die Vorschrift dahin verstanden werden müsse, dass die Mehrheit nur nach der Zahl der abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen zu berechnen sei, Enthaltungen, also nicht mitzuzählen seien. Wörtlich führt der Bundesgerichtshof aus:

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„Der Hinweis des Gesetzes auf die Mehrheit der "erschienenen" Mitglieder hat insoweit eine wesentliche Bedeutung als damit die notwendige Klarstellung getroffen wird, daß Beschlüsse nicht von der Mehrheit der überhaupt dem Verein angehörenden Mitglieder gefaßt zu werden brauchen: sie können unabhängig von der Mitgliederzahl zustande kommen, wenn die Mehrheit derjenigen dafür stimmt, die durch ihre Beteiligung an der Abstimmung ihr Interesse an der zu regelnden Vereinsangelegenheit bekunden. Dagegen ist nicht gut anzunehmen, daß jene Wortfassung einen weitergehenden Sinn habe; insbesondere spricht nichts dafür, daß bei der Berechnung der Mehrheit die Stimmenthaltungen mitgezählt werden sollen. Diese werden gar nicht erwähnt. Niemand, der sich der Stimme enthält, wird nach der Verkehrsanschauung auf den Gedanken kommen, sein Verhalten werde sich auf die Beschlußfassung anders auswirken, als wenn er der Versammlung ferngeblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte. Er will, aus welchen Motiven auch immer, weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum abgeben, sondern seine Unentschiedenheit bekunden. Würden die Stimmenthaltungen dennoch bei der Mehrheitsberechnung mitgezählt - mithin die Zahl der Anwesenden ausschlaggebend sein -, dann würden sich die Enthaltungen so auswirken, als ob die betreffenden Mitglieder mit Nein gestimmt hätten. Damit würde der objektive Erklärungswert dieses Abstimmungsverhaltens verfälscht. Es mag sein, daß es in anderen Bereichen Fälle gibt, in denen ein solches Ergebnis erwünscht ist, weil von jedem Beteiligten erwartet werden muß, daß er aus seiner Verantwortung heraus Farbe bekennt; dann ist es sinnvoll, die Enthaltung wie eine Ablehnung zu behandeln. In Vereinsangelegenheiten gibt es dafür in aller Regel keine Gründe...“

37

Das erkennende Gericht sieht keinen triftigen Grund, diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

38

Satzungen von Körperschaften sind unabhängig von ihrer Rechtsform grundsätzlich objektiv auszulegen (BGH, Urt. v. 28.11.1988, II ZR 96/88, juris, Rn. 10; ständige Rechtsprechung auch für Vereinssatzungen, vgl. statt aller BGH, Urt. v. 22.09.2011, I ZR 229/10, juris, Rn. 16). Maßgebend ist dabei die Überlegung, dass die Verfassung eines Verbandes wegen der wechselnden Mitglieder aus dem Empfängerhorizont verstanden werden muss; Satzungen von Körperschaften sind daher „aus sich heraus“ auszulegen. Dementsprechend spielt der Wortlaut vor allem in seiner eventuell typischen Bedeutung eine erhöhte Rolle, während die Umstände nur eingeschränkt für die Auslegung zu berücksichtigen sind; eine teleologische Auslegung hat sich an objektiv bekannten Umständen zu orientieren (BGH, Urt. v. 28.11.1998, aaO).

39

Nach Maßgabe dieser Grundsätze, die das erkennende Gericht für überzeugend hält, ist eine Auslegung von § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung des Beklagten dahingehend, dass die Mehrheit nur nach der Zahl der abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen zu berechnen sei, nicht möglich. Die grammatikalische und systematische Auslegung des § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung ergibt eindeutig, dass mehr als die Hälfte (S. 1) bzw. mindestens drei Viertel (S. 2) der anwesenden Mitglieder mit „Ja“ stimmen müssen (s.o.). Wenn die Satzung gewollt hätte, dass bei der Berechnung der (Dreiviertel-)Mehrheit nur die Ja- und Nein-Stimmen gezählt werden, Stimmenthaltungen mithin unberücksichtigt bleiben, hätte sie eine Formulierung wie „einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ oder „einfache Stimmenmehrheit“ wählen, d.h. als Bezugsgröße die Zahl der abgegebenen Stimmen festlegen müssen (entsprechend zu § 9 Abs. 3 BJagdG BVerwG, Urt. v. 19.07.1984, 3 C 29/83, juris, Rn. 29; siehe zu § 31 Abs. 3 des Personalvertretungsgesetzes für Rheinland-Pfalz vom 05.07.1977 auch BVerwG, Beschl. v. 03.08.1983, 6 P 15/81, juris, Rn. 16 ff.).

40

Dafür, dass die Satzung mit dem Abstellen auf die „anwesenden“ Mitglieder lediglich klarstellen wollte, dass Beschlüsse nicht von der Mehrheit der überhaupt dem Beklagten angehörigen Mitglieder gefasst zu werden brauchen, gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr würde hierdurch der Begriff „anwesende Mitglieder“ mit dem Begriff „abstimmende Mitglieder“ gleichgesetzt, obwohl weder der allgemeine Sprachgebrauch, die Satzung oder die geltende Rechtsordnung, die als Bezugsgröße für Mehrheitserfordernisse wahlweise die Abstimmenden (vgl. etwa § 47 Abs. 1 GmbHG, § 133 Abs. 1 AktG, § 25 Abs. 1 WEG, § 88 Abs. 3 S. 1 BRAO, Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 19 HmbVerf., § 13 Abs. 1 HmbBezVG), die Anwesenden (vgl. etwa Art. 50 Abs. 1b) Europäische Aktiengesellschaft-VO [VO (EG) 2157/2001]; § 9 Abs. 3 BJagdG; § 33 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 37 Abs. 7 S. 3 GemO BW; Art. 115g S. 4 GG) oder die Gesamtheit der (Gremiums-)Mitglieder (vgl. etwa Art. 61 Abs. 1 S. 1, 121 GG; Art. 11 Abs. 1 S. 3, Art. 12 Abs. 1 S. 1, Art. 34 Abs. 1 HmbVerf.; § 8 Abs. 2 S. 4 HmbBezVG) nennt (vgl. allgemein zu diesen Bezugsgrößen Kaiser, Mehrheitserfordernisse im Staatsrecht, JuS 2017, 221, 222), eine solche Gleichsetzung nahelegen, was auch dadurch belegt wird, dass es überall dort, wo das Gesetz auf die Anwesendenmehrheit abstellt, nahezu einhellige Meinung ist, dass hierunter tatsächlich die Mehrheit der Anwesenden und nicht die Mehrheit der Abstimmenden zu verstehen ist (zu Art. 50 Abs. 1b) Europäische Aktiengesellschaft-VO [VO (EG) 2157/2001] vgl. jeweils m.w.N. BeckOGK/Eberspächer, 19.10.2020, SE-VO Art. 50 Rn. 6; Habersack/Drinhausen/Drinhausen, 2. Aufl. 2016, SE-VO Art. 50 Rn. 16;MüKoAktG/Reichert/Brandes, 4. Aufl. 2017, SE-VO Art. 50 Rn. 10-19; zu § 9 Abs. 3 BJagdG BVerwGUrt. v. 19.07.1984, 3 C 29/83, juris, Rn. 29; zu § 33 Abs. 1 S. 1 BetrVG jeweils m.w.N. BeckOK ArbR/Mauer, 58. Ed. 1.12.2020, BetrVG § 33 Rn. 5; NK-ArbR/Martin Wolmerath, 1. Aufl. 2016, BetrVG § 33 Rn. 13; ErfK/Koch, 21. Aufl. 2021, BetrVG § 33 Rn. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 33 Rn. 33; zu § 37 Abs. 7 S. 3 GemO BW vgl. BeckOK KommunalR BW/Brenndörfer, 12. Ed. 1.1.2021, GemO § 37 Rn. 30; zum Sonderfall des Art. 115g S. 4 GG siehe Maunz/Dürig/Herzog, GG, 92. EL. August 2020, Art. 115g Rn. 27).

41

Schließlich ist auch das Argument, dass durch die Wertung einer Stimmenthaltung als Nein-Stimme der objektive Erklärungswert der Stimmenthaltung verfälscht werde, nicht überzeugend. Zwar mag ein Mitglied, das sich der Stimme enthält, hierdurch zum Ausdruck bringen wollen, dass er das Abstimmungsergebnis nicht beeinflussen will bzw. er bei der Berechnung der Bezugszahl für die erforderliche Mehrheit nicht eingerechnet werden will. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Hat die Satzung eindeutig festgelegt, dass alle anwesenden Mitglieder bei der Berechnung der Bezugszahl für die erforderliche Mehrheit zu zählen sind, muss der Wille des einzelnen anwesenden Mitglieds, bei der Berechnung der Bezugszahl nicht eingerechnet zu werden, erkennbar ohne Bedeutung bleiben. So verhält es sich hier. § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung des Beklagten legen als Bezugsgröße für die einfache und Dreiviertelmehrheit eindeutig die anwesenden Mitglieder fest (s.o.).

42

c) Aus dem Regelungszusammenhang des § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung des Beklagten ergibt sich nichts, was dafürsprechen könnte, dass entgegen dem Wortlaut bei der Berechnung der erforderlichen Mehrheit Stimmenthaltungen nicht zu berücksichtigen sind, die erforderliche Mehrheit mithin allein nach der Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen zu bestimmen ist.

43

aa) Das Gesetz über das Versorgungswerk der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Freien und Hansestadt Hamburg (RAVersG) enthält keine Regelungen, die dafürsprechen könnten, dass die Bezugsgröße für die erforderliche Mehrheit bei Abstimmungen auf den Mitgliederversammlungen des Beklagten die abstimmenden Mitglieder (und nicht die anwesenden Mitglieder) sind. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 S. 6 RAVersG, wonach die Satzung vorsehen kann, dass die Beschlüsse der Mitgliederversammlung mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden müssen, legt eine Bezugsgröße für die erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht fest.

44

bb) Aus der Regelung des § 5 Abs. 2 S. 2 der Satzung, wonach der Verwaltungsausschuss seine Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder fasst, lassen sich ebenfalls keine Schlüsse für die Auslegung von § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung ziehen. § 5 Abs. 2 S. 2 der Satzung stellt unmissverständlich auf die Mitgliedermehrheit ab; zur Klärung der Frage, ob die Anwesendenmehrheit in § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung tatsächlich – entgegen dem Wortlaut – eine Abstimmendenmehrheit meint, vermag diese Vorschrift somit nichts beizutragen.

45

cc) Was die vom Kläger angeführte Vorschrift des § 3 Abs. 2 S. 5 letzter Halbsatz der Satzung des Beklagten zu der (von ihm befürworteten) Auslegung von § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung beitragen soll, ist für das Gericht nicht erkennbar. Nach dieser Vorschrift können Anträge auf Änderung der Satzung, die nicht spätestens zwei Monate vor der Mitgliederversammlung in der Geschäftsstelle des Beklagten eingegangen sind, zur Mitgliederversammlung nur zugelassen werden, wenn mindestens 100 Mitglieder in der Mitgliederversammlung anwesend sind und mit Dreiviertelmehrheit die Zulassung des Antrags auf Änderung der Satzung zur Befassung durch die Mitgliederversammlung beschließen. Die Satzung stellt hier – ebenso wie in § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 – ersichtlich auf eine Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder ab; es müssen 100 Mitglieder anwesend sein und diese 100 Mitglieder müssen mit einer Dreiviertelmehrheit den Antrag auf Änderung der Satzung zur Beschlussfassung zulassen.

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d) Eine Auslegung des § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 der Satzung des Beklagten dahingehend, dass die Bezugsgröße für das Erfordernis der einfachen Mehrheit (S. 1) oder der Dreiviertelmehrheit (S. 2) die Mehrheit der abgegebenen Stimmen darstellt, würde ferner zu Ergebnissen führen, die mit Sinn und Zweck (jedenfalls) der Regelung des § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung nicht in Einklang stünden. Der erkennbare Zweck des § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung besteht darin, das Zustandekommen von Beschlüssen über die dort genannten Gegenstände zu erschweren und ihnen damit eine spezifische Legitimität, die sich aus dem Dafürsein einer qualifizierten Anzahl an Mitgliedern ergibt, zu verleihen. Das Zustandekommen von Beschlüssen über Satzungsänderungen, die Wahl oder Abberufung von Mitgliedern des Verwaltungsausschusses und über die Änderung der Versorgungsleistungen sollen wegen ihrer erkennbar besonderen Bedeutung für den Beklagten und seine Mitglieder nicht von Zufälligkeiten wie schwankenden Anwesenheitsquoten und Mehrheitsverhältnissen abhängen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Bezugsgröße die Zahl der abgegebenen Stimmen darstellte. Wäre nämlich auf eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen (unter Nichteinbeziehung der Stimmenthaltungen) abzustellen, so wäre allein maßgeblich, ob die Ja-Stimmen gegenüber den Nein-Stimmen überwiegen oder nicht. Dies würde z.B. Änderungen der Satzung mit sehr wenigen Ja-Stimmen ermöglichen. Eine Satzungsänderung könnte z.B. mit 30 Ja-Stimmen bei 10 Nein-Stimmen und 60 Enthaltungen beschlossen werden. In einem Extremfall könnte eine Satzungsänderung – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat – sogar mit einer Ja-Stimme bei 99 Enthaltungen beschlossen werden (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 13.06.2006, 3 Bf 294/03, juris, Rn. 109). Dies läuft dem Zweck des § 3 Abs. 4 S. 2 der Satzung, sicherzustellen, dass Beschlüsse über die dort genannten Gegenstände tatsächlich von einer repräsentativen Anzahl der Mitglieder des Beklagten getragen werden, erkennbar entgegen.

47

e) Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass es eine ständige Übung gebe, wonach bei Abstimmungen auf den Mitgliederversammlungen des Beklagten anwesende Mitglieder, die sich der Stimme enthalten, bei der Berechnung der Bezugszahl für die erforderliche Mehrheit nicht eingerechnet würden. Unabhängig davon, dass die vom Kläger genannten Umstände und Beispiele eine solche ständige Übung schon nicht belegen dürften, gilt dies bereits deshalb, weil eine solche ständige Übung satzungswidrig und damit unbeachtlich wäre. Die Satzung des Beklagten legt, wie ausgeführt, unmissverständlich die Zahl der anwesenden Mitglieder als Bezugsgröße für die erforderliche Mehrheit fest. Bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wie dem Beklagten, bei der Satzungsänderungen der Genehmigung der zuständigen Behörde und der Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger bedürfen (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 und 2 RAVersG), ist eine Änderung der Satzung durch eine der Satzung entgegenstehende ständige Übung ausgeschlossen (vgl. entsprechend für den eingetragenen Verein im Hinblick auf die notwendige Eintragung in das Vereinsregister OLG Oldenburg, Urt. v. 18.12.2008, 8 U 182/08, juris, Rn. 37; LG Braunschweig, Beschl. v. 16.05.2017, 6 S 66/17, juris, Rn. 18).

III.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

49

Die Berufung war zuzulassen, da die Frage, ob eine Satzungsbestimmung, die als Bezugsgröße für die erforderliche Mehrheit die anwesenden Mitglieder nennt, tatsächlich – wie hier vertreten – die anwesenden Mitglieder oder aber entgegen dem Wortlaut die anwesenden abstimmenden Mitglied meint, nicht nur für den Beklagten, sondern für alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die als Bezugsgröße für die erforderliche Mehrheit bei Abstimmungen die anwesenden Mitglieder gewählt haben, von wesentlicher Bedeutung ist.

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