Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 13 L 1293/13
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Zertifizierungsstelle GUT Certifizierungsgesellschaft für Managementsysteme mbH anzuweisen, der Biogasanlage der Antragstellerin zu 1) in 00000 H. sowie der Biogasaufbereitungsanlage der Antragstellerin zu 2), ebenfalls in 00000 H. , jeweils die Zertifizierung als Konversionsanlage i.S.v. § 15 Biokraft-NachV für doppeltgewichtungsfähigen Biokraftstoff i.S.v. § 7 der 36. BImSchV aus den Stoffen Rinder- und Schweinegülle (AVV-Nr. 020106), Molkereiabfälle (AVV-Nr. 020501), Molkereischlamm (AVV-Nr. 020502) und Bleicherdeschlamm/ Würzmittelrückstände/ Knoblauchwasser (AVV-Nr. 020304) vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache – 13 K 5314/13 – nicht deshalb zu versagen, weil diese Stoffe in der Biogasanlage der Antragstellerin zu 1) mit tierischen Ölen oder Fetten vermischt werden oder selbst geringe Mengen an tierischen Ölen oder Fetten enthalten.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin zu 1/5 und die Antragstellerin zu 1) und die Antragstellerin zu 2) jeweils zu 2/5.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,-- € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin zu 1) betreibt eine Biogasanlage, in der neben pflanzlicher Biomasse unter anderem auch Rinder- und Schweinegülle, Molkereiabfälle und Schlachtabfälle zu Biogas verarbeitet werden. Die unterschiedlichen Materialien werden getrennt angeliefert und massemäßig erfasst. Erst im Fermenter der Biogasanlage kommt es zu einer Vermischung der Stoffe. Das in dieser Anlage erzeugte Rohbiogas wird von der Antragstellerin zu 2) in einer Biogasaufbereitungsanlage zu sogenanntem Biomethan aufbereitet und in das öffentliche Erdgasnetz eingespeist. Die Antragstellerinnen beabsichtigen, das Biomethan zum Teil als doppelgewichtungsfähigen Biokraftstoff zu vermarkten, der die Anforderungen der §§ 37a, 37b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Juli 2013 (BGBl. I S. 1943), der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV) vom 30. September 2009 (BGBl. I S. 3182), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 26. November 2012 (BGBl. I S. 2363), und der Sechsunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Durchführung der Regelungen der Biokraftstoffquote – 36. BImSchV) vom 29. Januar 2007 (BGBl. I S. 60), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 26. November 2012 (BGBl. I S. 2363), erfüllt. Um als Schnittstellen i.S.d. § 2 Abs. 3 Biokraft-NachV die erforderlichen Nachhaltigkeitsnachweise nach § 15 Biokraft-NachV und Doppelgewichtungsnachweise nach § 9 der 36. BImSchV ausstellen zu können, benötigen sie ein Zertifikat i.S.d. § 26 Biokraft-NachV, das gemäß § 10 Abs. 1 der 36. BImSchV von einer gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der 36. BImSchV bekannt gegebenen und nach § 42 Nr. 1 Biokraft-NachV anerkannten Zertifizierungsstelle auszustellen ist. Zu diesem Zweck beauftragten die Antragstellerinnen die als entsprechende Zertifizierungsstelle anerkannte GUT Certifizierungsgesellschaft für Managementsysteme mbH (GUTcert), die nach dem Zertifizierungssystem der REDcert Gesellschaft zur Zertifizierung nachhaltig erzeugter Biomasse mbH (REDcert) arbeitet.
4Im Rahmen des Zertifizierungsprozesses stellte sich für die GUTcert die Frage, ob bei der Biomethanproduktion Einsatzstoffe, aus denen doppeltgewichtungsfähiges Biomethan gewonnen werden kann, und solche, die tierische Fette enthalten und nicht doppelgewichtungsfähig sind, vermischt werden können. Sie richtete daher eine entsprechende Anfrage an die Antragsgegnerin, die mit E-Mail vom 19. April 2013 antwortete, dass eine Vermischung den Verlust der Doppelanrechnungsfähigkeit der gesamten Biomasse zur Folge hätte und dass dies von ihr zu beachten sei. Die GUTcert fragte außerdem bei der Antragsgegnerin an, ob Molkereischlamm als doppelgewichtungsfähig anerkannt werden könne. Darauf erwiderte die Antragsgegnerin, dass dies nicht der Fall sei, da Molkereischlamm tierische Fette enthalte; die Sach- und Rechtslage sei insoweit eindeutig. Daraufhin lehnte die GUTcert in ihren Berichten vom 2. Juli 2013 die Zertifizierung der Antragstellerinnen als Schnittstellen für doppeltgewichtungsfähigen Biokraftstoff i.S.d. § 7 der 36. BImSchV ab und stellte fest, dass aufgrund des Einsatzes tierischer Fette die gesamte Biogasproduktion der Antragstellerinnen nicht doppelgewichtungsfähig sei.
5Dagegen legten die Antragstellerinnen sowohl bei der GUTcert als auch bei der Antragsgegnerin Widerspruch ein und beantragten, die begehrte Zertifizierung für die Produktion von Biogas aus den Stoffen Rinder- und Schweinegülle, Molkereiabfälle, Bleicherdeschlamm/ Würzmittelrückstände/ Knoblauchwasser und Molkereischlamm zu erteilen bzw. die GUTcert entsprechend anzuweisen. Die GUTcert erklärte, dass ihr aufgrund der Weisungen der Antragsgegnerin eine andere Entscheidung nicht möglich gewesen sei. Die Antragsgegnerin bekräftigte mit Schreiben vom 7. August 2013, dass aufgrund der Regelung des § 37b Satz 13 BImSchG bereits ein geringer Tierfettanteil dazu führe, dass nicht nur dieser Anteil, sondern das gesamte Mischerzeugnis von der Anrechnung auf die Biokraftstoffquote ausgeschlossen werde. Dies sei allen anerkannten Zertifizierungsstellen mitgeteilt worden. Die Zertifizierungsstellen würden von ihr im Rahmen ihrer Überwachungspflicht stichprobenweise begleitet, sie nehme aber selbst keine Zertifizierungen vor.
6Die Antragstellerinnen haben daraufhin am 30. August 2013 Klage erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie machen unter anderem geltend, dass die Vorschrift des § 37b Satz 13 BImSchG kein Vermischungsverbot enthalte und Stoffe, die tierische Fette enthielten, nicht mit tierischen Fetten i.S.d. des § 37b Satz 13 BImSchG gleichzusetzen seien. Die Antragsgegnerin könne die begehrten Zertifikate auch selbst ausstellen, da die Zertifizierungsstellen insoweit bloße Verwaltungshelfer seien.
7Die Antragstellerinnen beantragen,
81. die Antragsgegnerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, unter Aufhebung der „Berichte“ vom 2. Juli 2013 der Biogasanlage der Antragstellerin zu 1) in 00000 H. sowie der Biogasaufbereitungsanlage der Antragstellerin zu 2), ebenfalls in 00000 H. , jeweils die Zertifizierung als Konversionsanlage i.S.v. § 15 Biokraft-NachV für doppeltgewichtungsfähigen Biokraftstoff i.S.v. § 7 der 36. BImSchV aus den folgenden Stoffen zu erteilen: Rinder- und Schweinegülle (AVV-Nr. 020106), Molkereiabfälle (AVV-Nr. 020501), Molkereischlamm (AVV-Nr. 020502) und Abfälle aus der Biodieselproduktion/ Bleicherdeschlamm/ Würzmittelrückstände/ Knoblauchwasser (AVV-Nr. 020304),
92. hilfsweise, die Antragsgegnerin vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, die Zertifizierungsstelle GUT Certifizierungsgesellschaft für Managementsysteme mbH Umweltgutachter, Berlin, und das Zertifizierungssystem REDcert Gesellschaft zur Zertifizierung nachhaltig erzeugter Biomasse mbH, Bonn, anzuweisen, unter Aufhebung der „Berichte“ vom 2. Juli 2013 der Biogasanlage der Antragstellerin zu 1) in 00000 H. sowie der Biogasaufbereitungsanlage der Antragstellerin zu 2), ebenfalls in 00000 H. , jeweils die Zertifizierung als Konversionsanlage i.S.v. § 15 Biokraft-NachV für doppeltgewichtungsfähigen Biokraftstoff i.S.v. § 7 der 36. BImSchV aus den folgenden Stoffen vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu erteilen: Rinder- und Schweinegülle (AVV-Nr. 020106), Molkereiabfälle (AVV-Nr. 020501), Molkereischlamm (AVV-Nr. 020502) und Abfälle aus der Biodieselproduktion/ Bleicherdeschlamm/ Würzmittelrückstände/ Knoblauchwasser (AVV-Nr. 020304),
10Die Antragsgegnerin beantragt,
11die Anträge abzulehnen.
12Die Antragsgegnerin macht unter anderem geltend, dass sie nicht dafür zuständig sei, die nach der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung erforderliche Zertifizierung vorzunehmen, und dass nach § 37b Satz 13 BImSchG auch Biokraftstoff, der nur teilweise aus tierischen Fetten hergestellt worden sei, nicht auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden könne.
13Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der ausführlichen rechtlichen Argumentation der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen.
14II.
15Der Antrag hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
16Soweit sich der Antrag auf den Stoff „Abfälle aus der Biodieselproduktion“ bezieht, ist er unzulässig, da es an einem vorherigen Antrag gegenüber der Antragsgegnerin fehlt.
17Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber nur teilweise begründet.
18Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl das streitige Rechtsverhältnis und der sich aus diesem ergebende und einer (vorläufigen) Regelung bedürfende Anspruch, der sog. Anordnungsanspruch, als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, der sog. Anordnungsgrund, besteht, wobei die dem Anordnungsanspruch und -grund zugrunde liegenden Tatsachen vom Antragsteller glaubhaft zu machen sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
19Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt allerdings im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dann nicht, wenn die gerichtliche Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil der Antragsteller sonst Nachteile zu erwarten hätte, die für ihn unzumutbar wären, und das Begehren in der Hauptsache schon aufgrund summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabes erkennbar Erfolg haben muss,
20vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, NJW 1989, 827; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG); Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1/99 -, NJW 2000, 160.
21Die danach erforderlichen qualifizierten Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sind vorliegend erfüllt. Die Antragstellerinnen haben glaubhaft dargelegt, dass sie beabsichtigen, Biogas herzustellen und als doppelgewichtungsfähigen Biokraftstoff i.S.v. § 37b BImSchG und § 7 der 36. BImSchV zu vermarkten. Daran sind sie rechtlich gehindert, solange ihnen nicht ein Zertifikat nach § 10 der 36. BImSchV i.V.m. § 26 Biokraft-NachV ausgestellt wird. Die Nachteile, die den Antragstellerinnen daraus entstehen, dass sie das produzierte Biogas bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nur noch auf andere Art und Weise vermarkten können, können durch die Entscheidung in der Hauptsache nachträglich nicht mehr beseitigt werden, so dass vorliegend eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, soweit das Begehren in der Hauptsache aller Voraussicht nach erfolgreich sein wird.
22Auf der Grundlage des bisherigen Erkenntnisstandes werden die Antragstellerinnen im Hauptsacheverfahren nur in geringem Umfang mit der erforderlichen weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit Erfolg haben.
23Hinsichtlich des Hauptantrages fehlt es bereits deshalb an einem Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin, weil diese nicht befugt ist, den Antragstellerinnen die begehrte Zertifizierung zu erteilen. Zuständig für die Erteilung der Zertifizierung nach § 10 der 36. BImSchV i.V.m. § 26 Biokraft-NachV sind allein die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der 36. BImSchV bekannt gegebenen und nach § 42 Nr. 1 Biokraft-NachV anerkannten privaten Zertifizierungsstellen. Diese Zertifizierungsstellen sind entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht als bloße Verwaltungshelfer einzuordnen, die die Antragsgegnerin zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetzt, sondern nehmen die Zertifizierung in eigener Zuständigkeit wahr. Ob und in welchem Umfang die Antragsgegnerin berechtigt ist, den Zertifizierungsstellen im Einzelfall Weisungen zu erteilen, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen insoweit nicht von entscheidender Bedeutung, da eine Weisungsbefugnis auch gegenüber Beliehenen oder rein privatrechtlich tätigen Prüfstellen bestehen kann. Es spricht im Übrigen alles dafür, dass kein unbeschränktes Weisungsrecht besteht, sondern die Antragsgegnerin als Aufsichtsbehörde nur zu Überwachungsmaßnahmen i.S.v. § 12 der 36. BImSchV und § 55 Biokraft-NachV berechtigt ist. Die Kontrollen der Schnittstellen werden von den Zertifizierungsstellen gemäß § 49 Biokraft-NachV ansonsten selbständig und in eigener Verantwortung durchgeführt.
24Aus dem gleichen Grund können die Antragstellerinnen auch nicht von der Antragsgegnerin verlangen, das Zertifizierungssystem REDcert anzuweisen, die begehrte Zertifizierung zu erteilen, da hierfür nicht die Zertifizierungssysteme i.S.d. § 32 Biokraft-NachV, sondern allein die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der 36. BImSchV bekannt gegebenen und nach § 42 Nr. 1 Biokraft-NachV anerkannten Zertifizierungsstellen zuständig sind. Die Antragstellerinnen haben auch nicht dargelegt, dass das Zertifizierungssystem der REDcert vorliegend einer Zertifizierung entgegenstünde und aus diesem Grund gegebenenfalls andersartige Anordnungen gegenüber der REDcert notwendig wären.
25Die Antragsgegnerin war aber zu verpflichten, die GUTcert im Rahmen der ihr obliegenden Überwachung der Zertifizierungsstellen anzuweisen, der Biogasanlage der Antragstellerin zu 1) sowie der Biogasaufbereitungsanlage der Antragstellerin zu 2) die Zertifizierung als Konversionsanlage i.S.v. § 15 Biokraft-NachV für doppeltgewichtungsfähigen Biokraftstoff i.S.v. § 7 der 36. BImSchV vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht deshalb zu versagen, weil die eingesetzten Stoffe mit tierischen Ölen oder Fetten vermischt werden oder selbst geringe Mengen an tierischen Ölen oder Fetten enthalten.
26Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin statuiert § 37b Satz 13 BImSchG kein „Vermischungsverbot“. Die Regelungen zur Biokraftstoffquote beruhen auf dem Anrechnungsprinzip. Nach § 37b Satz 2 BImSchG gelten Energieerzeugnisse, die anteilig aus Biomasse hergestellt werden, in Höhe dieses Anteils als Biokraftstoff. Ebenso wird gemäß § 7 Satz 2 der 36. BImSchV bei Biokraftstoffen, die nur anteilig aus doppelgewichtungsfähigen Materialien hergestellt wurden, dieser Anteil doppelt gewichtet. Die Verwendung von Biokraftstoff soll demnach auch dann gefördert und auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden, wenn er herkömmlichem Kraftstoff beigemischt wird oder bei der Produktion förderungswürdige Biomasse mit nicht förderungswürdigem Material vermischt wird. Nach § 16 Biokraft-NachV und § 7 Abs. 2 Satz 2 der 36. BImSchV ist es ausdrücklich zulässig, im Falle einer Vermischung unterschiedlicher Stoffe zum Nachweis der Erfüllung der Vorgaben des § 37a BImSchG Massenbilanzsysteme zu verwenden, und muss nach § 7 Abs. 2 Satz 1 der 36. BImSchV nur sichergestellt sein, dass der Biokraftstoff tatsächlich anteilig physisch aus Biomasse hergestellt wurde (und die Biomasse nicht etwa nur am Rande des Produktionsverfahrens zum Einsatz kommt). Diese Regelungen gelten auch für Biomethan i.S.v. § 37b Satz 7 BImSchG. Es wäre widersinnig, wenn Biomasse bei der Produktion von Biokraftstoff mit fossilen Energieträgern vermischt werden dürfte, ohne ihre Anrechnungsfähigkeit zu verlieren, aber eine Vermischung mit tierischen Ölen oder Fetten dazu führen würde, dass das gesamte Gemisch nicht mehr als Biokraftstoff angesehen werden kann. Vor dem Hintergrund des Regelungssystems der §§ 37a, 37b BImSchG gibt es letztlich keinen sachlichen Grund dafür, Biokraftstoff, der i.S.v. § 37b Satz 2 BImSchG anteilig aus Biomasse hergestellt wird, nur deshalb nicht anteilig auf die Biokraftstoffquote anzurechnen, weil im Rahmen des Herstellungsprozesses eine Vermischung mit tierischen Ölen oder Fetten stattfindet.
27Auch dem Wortlaut des § 37b Satz 13 BImSchG lässt sich nicht entnehmen, dass im Hinblick auf tierische Öle und Fette vom Grundprinzip des § 37b Satz 2 BImSchG abgewichen werden soll. Eine dahingehende ausdrückliche Regelung enthält beispielsweise § 7 Abs. 3 Satz 3 der 36. BImSchV für Gemische, die bestimmte Arten von Abfällen enthalten, oder § 37b Satz 9 BImSchG für bestimmte biogene Öle. Die Formulierung des § 37b Satz 13 BImSchG spiegelt dagegen nur den Regelungsgehalt der § 37b Sätze 1 und 2 BImSchG wider: Nach § 37b Sätze 1 und 2 BImSchG werden Biokraftstoffe, die vollständig oder teilweise aus Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung (BiomasseV) vom 21. Juni 2001 (BGBl. I S. 1234), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), hergestellt werden, in Höhe dieses Anteils auf die Biokraftstoffquote angerechnet. Nach § 37b Satz 13 BImSchG soll dies ab dem 1. Januar 2012 allerdings nicht mehr für Biokraftstoffe gelten, die vollständig oder teilweise aus tierischen Ölen oder Fetten hergestellt werden. § 37b Satz 13 BImSchG nimmt damit tierische Öle und Fette vom Begriff der Biomasse i.S.d. § 37b Sätze 1 und 2 BImSchG aus, unabhängig davon, ob der Biokraftstoff vollständig i.S.d. § 37b Satz 1 BImSchG oder nur anteilig i.S.d. § 37b Satz 2 BImSchG aus den tierischen Ölen und Fetten hergestellt wird.
28Auch der Gesetzesbegründung lassen sich keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 37b Satz 13 BImSchG darüber hinausgehend implizit ein Vermischungsverbot aufstellen wollte, also aus bestimmten Gründen eine Verunreinigung von Biokraftstoffen mit tierischen Ölen oder Fetten vermieden werden sollte. Die Regelung des § 37b Satz 13 BImSchG soll ausweislich der Begründung in BT-Drs. 16/2709 und BT-Drs. 16/3035 nur sicherstellen, dass die Verwendung tierischer Öle und Fette ab dem 1. Januar 2012 nicht mehr gesetzlich begünstigt wird. In der Gesetzesbegründung heißt es zum Einen, dass kein Bedürfnis für eine Förderung bestehe, weil der Absatz von tierischen Ölen und Fetten bereits durch die Verwendung in der oleochemischen Industrie gesichert sei. Zum Anderen solle vermieden werden, dass eine Förderung tierischer Fette durch die steigende Nachfrage zu erhöhten Schlachtungszahlen führe. Diese Ziele werden in vollem Umfang erreicht, wenn nur der Anteil des Biokraftstoffs, der nicht aus tierischen Ölen oder Fetten hergestellt wird, auf die Biokraftstoffquote angerechnet wird.
29Bei isolierter Betrachtung mag der Regelungsgehalt des § 37b Satz 13 BImSchG nicht ganz eindeutig sein. Im Zusammenhang mit der Regelung des § 37b Satz 2 BImSchG und der Gesetzesbegründung wird aber letztlich deutlich, dass es nicht Ziel des § 37b Satz 13 BImSchG ist, Biokraftstoff, der anteilig aus pflanzlicher Biomasse gewonnen wird, von der Anrechnung auf die Biokraftstoffquote auszuschließen, weil bei der Produktion auch tierische Öle oder Fette zum Einsatz kommen, sondern dass die Formulierung des § 37b Satz 13 BImSchG nur klarstellen soll, dass auch bei einer überwiegenden Verwendung pflanzlicher Biomasse der Anteil, der auf tierische Öle und Fette entfällt, herausgerechnet werden muss.
30Keine Stütze im Gesetz findet auch die Auffassung der Antragsgegnerin, dass Molkereischlamm – anders als Molke – als tierisches Fett einzustufen sei, weil darin geringe Mengen tierischer Fette enthalten seien. Es kann vorliegend dahinstehen, wie der Begriff „tierisches Fett“ genau zu verstehen ist und inwieweit Stoffe, die tierische Öle oder Fette enthalten, unter die Regelung des § 37b Satz 13 BImSchG fallen. Nach den Ergebnissen der von den Antragstellerinnen vorgelegten Laboruntersuchung besteht der verwendete Molkereischlamm nur zu 0,44 % aus Fetten und anderen lipophilen Stoffen. Jedenfalls ein Stoff mit einem derart geringen Fettanteil kann schon dem Wortlaut nach nicht als „tierisches Fett“ bezeichnet werden. Es wäre auch nicht mit dem Sinn und Zweck der Regelungen über die Biokraftstoffquote zu vereinbaren, wenn Stoffe, die zu mehr als 99 % aus förderungswürdiger Biomasse bestehen, nur deshalb nicht für die Herstellung von anrechnungsfähigem Biokraftstoff verwendet werden können, weil sie auch geringste Mengen tierischer Fette enthalten, die nur mit erheblichem Aufwand ausgesondert werden könnten.
31Die Antragstellerinnen können sich auch unmittelbar im Wege der Verpflichtungsklage bzw. eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin wenden und müssen sich nicht darauf verweisen lassen, mögliche vertragliche Ansprüche gegenüber der Zertifizierungsstelle GUTcert durchzusetzen. Die Antragsgegnerin ist nach § 66 Abs. 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1, 2 Biokraft-NachV und § 12 Abs. 1 Satz 3 der 36. BImSchV für die Überwachung der Zertifizierungsstellen zuständig. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 Biokraft-NachV kann sie gegenüber Zertifizierungsstellen die Anordnungen treffen, die notwendig sind, um festgestellte Mängel zu beseitigen und künftige Mängel zu verhüten. Das diesbezügliche Aufsichtsermessen der Antragsgegnerin verdichtet sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand vorliegend auch zu einer Pflicht, gegenüber der GUTcert tätig zu werden. Da die Antragsgegnerin – wenn auch auf Anfrage der GUTcert – bereits in den konkreten Zertifizierungsprozess der Antragstellerinnen eingegriffen und die GUTcert entgegen der Gesetzeslage angewiesen hatte, keine Zertifizierung zu erteilen, wenn doppelgewichtungsfähige Stoffe mit tierischen Fetten vermischt werden oder geringe Mengen tierischer Fette enthalten, haben die Antragstellerinnen vorliegend einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin erneut tätig wird und ihren Fehler korrigiert, indem sie die GUTcert anweist, der Biogasanlage der Antragstellerin zu 1) sowie der Biogasaufbereitungsanlage der Antragstellerin zu 2) die Zertifizierung als Konversionsanlage i.S.v. § 15 Biokraft-NachV für doppeltgewichtungsfähigen Biokraftstoff i.S.v. § 7 der 36. BImSchV nicht deshalb zu versagen, weil die eingesetzten Stoffe mit tierischen Ölen oder Fetten vermischt werden oder selbst geringe Mengen an tierischen Ölen oder Fetten enthalten. Die Antragsgegnerin trägt in diesem Fall die Verantwortung dafür, dass den Antragstellerinnen die Zertifizierung nach § 26 Biokraft-NachV i.V.m. § 10 der 36. BImSchV aus Gründen verweigert worden ist, die nicht mit der gesetzlichen Regelung der Biokraftstoffquote zu vereinbaren sind. Die GUTcert ist trotz ihrer berechtigten Zweifel an die Anordnung der Antragsgegnerin gebunden und muss befürchten, die Anerkennung als Zertifizierungsstelle zu verlieren, wenn sie die Anweisungen der Antragsgegnerin missachtet. Eine gerichtliche Entscheidung gegenüber der GUTcert würde die Antragsgegnerin nicht zwingend binden, da die privaten Zertifizierungsstellen nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind. Die Antragstellerinnen können daher vorliegend nur von der Antragsgegnerin wirksame Abhilfe erlangen.
32Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen ist die Antragsgegnerin aber nicht dazu verpflichtet, nunmehr den gesamten Zertifizierungsprozess zu überprüfen und die GUTcert anzuweisen, bestimmte Zertifikate auszustellen. Nach der Konzeption der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung und der 36. BImSchV sind allein die Zertifizierungsstellen dafür zuständig, im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen, welche Stoffe von den Schnittstellen tatsächlich verwendet werden und wie dies im Einzelnen rechtlich zu bewerten ist. Die Antragstellerinnen haben daher aller Voraussicht nach keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin positiv feststellt, ob die Voraussetzungen für eine Zertifizierung gegeben sind, sondern können nur verlangen, dass die Antragsgegnerin die durch ihre fehlerhaften Weisungen an die GUTcert verursachte Unsicherheit wirksam beseitigt wird. Um dieses Ziel zu erreichen und weitere Belastungen für die Antragstellerinnen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu vermeiden, ist die getroffene einstweilige Anordnung erforderlich, aber auch ausreichend.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 159 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
34Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der überschlägig geschätzten wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für die Antragstellerinnen. Die von den Antragstellerinnen genannten Summen von mehreren hunderttausend Euro jährlich erscheinen zu hoch gegriffen, da die Antragstellerinnen nicht gehindert sind, das von ihnen hergestellte Biogas anderweitig zu vermarkten.
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