Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 10 K 5583/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00. September 0000 geborene Kläger ist beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 70 v. H.
3Er beantragte bei dem Beklagten am 14. September 2010 die Gewährung einer Beihilfe für die Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung in der I. -Klinik, einer Fachklinik für Psychosomatik, Onkologie und Innere Medizin (Gesamtpreis: 6.134,52 €; Rechnungsbetrag: 4.294,16 €; Differenzbetrag von der Klinik direkt gegenüber der privaten Krankenversicherung geltend gemacht).
4Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. September 2010 ab.
5Der Kläger erhob dagegen Widerspruch, den er mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 (selbst) und 29. Februar 2012 (anwaltlich vertreten) im Wesentlichen mit der medizinischen Notwendigkeit der stationären Behandlung und Vertrauensschutzgesichtspunkten begründete.
6Der Beklagte gab dem Widerspruch mit Bescheid vom 28. März 2012 zum ganz überwiegenden Teil statt und gewährte dem Kläger „aus Vertrauensschutzgründen (2009 wurden die Aufwendungen als beihilfefähig anerkannt)“ eine Beihilfe in Höhe von 3.967,64 €.
7Mit Schreiben vom 3. Mai 2012 und 24. Juli 2014 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz geltend. Er führte zur Begründung des Anspruchs an: Er habe die Rechnung der I. -Klinik vorverauslagt. Er sei wegen der verzögerten Bearbeitung seines Beihilfeantrags gezwungen gewesen, zur Begleichung der Rechnung seinen Dispositionskredit bei der Sparkasse L. / C. in Anspruch zu nehmen. Der Kreditzins habe bis zum 14. November 2011 10,05 % und ab dem 15. November 13,6 % betragen. Die infolge der Kreditzinsen angefallenen Beträge seien sein Verzugsschaden. Der Schadensersatzanspruch resultiere aus der Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der Dienstherr sei verpflichtet, Beihilfeansprüche innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu befriedigen. Eine Bearbeitungsdauer wie in seinem Fall sei zu lang. Er habe von einem Mitarbeiter des M1. für C. und W. (nunmehr: M. ) am 1. Juni 2011 auf telefonische Nachfrage erfahren, dass das M. sich aktuell (im Juni 2011) mit Eingängen aus Juli 2010 befasse.
8Der Beklagte wies den Anspruch mit Schreiben vom 19. August 2014 zurück. Er führte zur Begründung an: Dem Beamten sei es im Hinblick auf seine Treuepflicht grundsätzlich zuzumuten, auch eine verspätete Zahlung hinzunehmen. Er sei gehalten, Vorsorge dafür zu treffen, seine Rechnungen zunächst selbst zu begleichen. Eine Verpflichtung des Dienstherrn zur Zahlung von Verzugszinsen sei mit der durch das Alimentationsprinzip geprägten besonderen Rechtsbeziehung zwischen Dienstherrn und Beamten sowie mit der verwaltungsrechtlichen Gestaltung dieser Rechtsbeziehung nicht in Einklang zu bringen.
9Der Kläger hat am 11. Oktober 2014 Klage erhoben.
10Er wiederholt und vertieft zur Begründung sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: Der Treuepflicht des Beamten sei nicht zu entnehmen, dass der Beamte zur Bildung von Rücklagen verpflichtet sei. Sehe man dies anders, müsse sich die Folgefrage anschließen, wie hoch die Rücklagen zu sein hätten. Im Gesundheitswesen, insbesondere bei stationären Krankenhausaufenthalten, fielen mitunter so hohe Kosten an, dass sie nicht aus Rücklagen bestritten werden könnten. Er, der Kläger, habe bei dem Beklagten mehrfach nach dem Sachstand gefragt.
11Ein Schadensersatzanspruch des Beamten wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zitiert wird das Urteil vom 12. September 1963 – 2 C 26.62 – juris) anerkannt.
12Der Kläger gibt unter Vorlage von Kontoauszügen an, ihm sei ein Verzugsschaden in Höhe von 355,96 € entstanden.
13Der Kläger beantragt,
14den Beklagten zu verurteilen, an ihn 355,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Mai 2012 zu zahlen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er verteidigt sein Schreiben vom 19. August 2014 und trägt ergänzend vor: Es gebe keine Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers. Die § 280 Abs. 1, 2, §§ 286, 288 BGB seien auf beamtenrechtlichen Ansprüche nicht anwendbar. Er, der Beklagte, habe jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt. Er ziehe die Bearbeitung eines Widerspruchs vor, wenn eine finanzielle Notlage geltend gemacht werde.
18Der Beklagte hat die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gerügt. Das Gericht hat mit Beschluss vom 9. Februar 2015 entschieden, dass der Verwaltungsrechtsweg zulässig ist.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig. Sie ist als Leistungsklage statthaft. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht (§ 54 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BeamtStG, § 104 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW).
21Die Klage ist unbegründet.
22Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 355,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Mai 2012. Der Anspruch ergibt sich nicht aus dem Rechtsinstitut des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs.
23Das Rechtsinstitut des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt. Es findet seinen Rechtsgrund im Beamtenverhältnis und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstehen. Als im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelndes und insofern „quasi-vertragliches“ Institut gewährleistet der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch Sekundärrechtsschutz für Pflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis, wie dies § 280 Abs. 1 BGB für vertragliche Schuldverhältnisse vorsieht. Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch war ursprünglich auf Verletzungen der Fürsorgepflicht bezogen. Er ist in der Rechtsprechung aber nachfolgend auch auf andere Pflichtverletzungen ausgedehnt worden.
24Vgl. BVerwG, Urt. vom 9. Dezember 2015 – 6 A 1040/12 – nrwe Rdnr. 60; Urt. vom 19. März 2015 – 2 C 12/14 – juris Rdnr. 9 f.; Urt. vom 12. September 1963 – 2 C 26/62 – juris Rdnr. 25 f.
25Voraussetzung für einen derartigen Anspruch ist eine Pflichtverletzung, die auf einem Verschulden der für den Dienstherrn handelnden Personen beruht und zu einem adäquat kausalen Schaden geführt hat. Der Anspruch besteht nicht, wenn der Beamte seiner aus der Treuepflicht resultierenden Obliegenheit zur Schadensabwendung nicht nachgekommen ist.
26Vgl. BVerwG, Urt. vom 9. Dezember 2015 – 6 A 1040/12 – nrwe Rdnr. 62; Urt. vom 12. September 1963 – 2 C 26/62 – juris Rdnr. 25; Urt. vom 22. Februar 1962 – 2 C 145/59 – juris Rdnr. 38; Urt. vom 27. Juni 1961 – 2 C 75/59 – DÖV 1961, 901.
27Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
28Es ist bereits fraglich, ob in der gut siebzehnmonatigen Bearbeitung des auf Zahlung einer Beihilfe in Höhe von rund 4.000-, € gerichteten Widerspruchs eine Pflichtverletzung zu sehen ist, die auf einem Verschulden der für den Dienstherrn handelnden Personen beruht. Gegen die Annahme einer solchen Pflichtverletzung spricht, dass die Mitarbeiter des M. gehalten sind, Beihilfeanträge und Widersprüche grundsätzlich der Reihe nach abzuarbeiten. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der für den Kläger zuständige Mitarbeiter die Bearbeitung des Widerspruchs ohne sachlichen Grund verzögert hat, liegen nicht vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das M. den Mitarbeiter durch personelle Umstrukturierung hätte entlasten können.
29Die Frage kann aber letztlich offen bleiben.
30Denn der Kläger ist jedenfalls seiner aus der Treuepflicht resultierenden Obliegenheit zur Schadensabwendung nicht nachgekommen. Weder seinem eigenen Vorbringen noch der Akte lässt sich entnehmen, dass er den Beklagten um bevorzugte Bearbeitung seines Widerspruchs gebeten und auf die bevorstehende Inanspruchnahme des Dispositionskredits hingewiesen hat. Soweit er bei dem Beklagten mehrfach nach dem Sachstand gefragt haben mag, ersetzt dies den vorgenannten Hinweis nicht. Wäre der Beklagte über die bevorstehende Inanspruchnahme des Kredits in Kenntnis gesetzt worden, hätte er der Entstehung des Verzugsschadens durch rasche Bearbeitung des Widerspruchs oder Zahlung der beantragen Beihilfe unter Vorbehalt der Rückforderung nach abschließender Prüfung begegnen können. Ersteres hätte der Praxis des Beklagten entsprochen: Er zieht die Bearbeitung eines Widerspruchs vor, wenn eine finanzielle Notlage geltend gemacht wird.
31Dem zuvor Gesagten korrespondiert, dass auch in der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung (zu § 254 BGB) anerkannt ist, dass der Schädiger von der Notwendigkeit der Kreditaufnahme in Kenntnis gesetzt werden muss, um die Möglichkeit zu erhalten, die Kreditaufnahme durch schnelle Zahlung zu vermeiden.
32Vgl. Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, 2012, § 254 Rdnr. 100; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 74. Auflage, 2015, § 254 Rdnr. 43; OLG Düsseldorf, Urt. vom 17. März 1969 – 1 U 136/68 – NJW 1969, 2051; BGH, Urt. vom 6. November 1973 – 6 ZR 27/73 – NJW 1974, 34, 36.
33Der BGH formuliert in der zuletzt zitierten Entscheidung wörtlich: „Darüber hinaus kann der Geschädigte in aller Regel Kreditaufwendungen nicht ersetzt verlangen, wenn der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer bei rechtzeitiger Unterrichtung über die Notwendigkeit der Kreditaufnahme den Geschädigten von seinen Aufwendungen freigestellt haben würde (...). Denn der Schädiger braucht in aller Regel nicht schon von vornherein mit der Notwendigkeit einer Kreditaufnahme rechnen.“
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Referenzen
- 6 A 1040/12 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 254 Mitverschulden 1x
- 2 C 26/62 2x (nicht zugeordnet)
- 2 C 145/59 1x (nicht zugeordnet)
- § 104 Abs. 1 Satz 1 LBG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 C 12/14 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- 1 U 136/68 1x (nicht zugeordnet)
- 6 ZR 27/73 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- 2 C 75/59 1x (nicht zugeordnet)