Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 13255/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die am 00.00.1940 geborene Klägerin begehrt die nachträgliche Einbeziehung ihrer Enkeltochter, Frau N. T. , geboren am 00.00.1986, und deren Sohn, T1. T. , geboren am 00.00.2008 in den ihr am 06.05.1999 nach § 27 Abs. 1 BVFG erteilten Aufnahmebescheid. Sie siedelte am 27.09.1999 in die Bundesrepublik Deutschland über und erhielt am 27.03.2000 eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG.
3Am 23.06.2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Einbeziehung ihrer Enkeltochter N. T. , geb. am 00.00.1986, sowie ihres Sohnes, T1. T. , geb. am 00.00.2008.
4Sie legte eine Geburtsurkunde von N. T. vor, die am 20.11.2015 neu ausgestellt wurde, und in der U. T. (der Sohn der Klägerin) als Vater und P. D. als Mutter eingetragen sind. Die Geburtsurkunde wurde auf der Grundlage einer Vaterschaftsfeststellungsurkunde vom 20.11.2015 ausgestellt, mit der die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind N. P1. D. durch U. T. posthum bescheinigt wurde. Die Urkunde beruhte wiederum auf einem Gerichtsbescheid des Gerichts der Stadt Satpaew im Oblast Karaganda vom 04.11.2015. Das Gericht stellte die Vaterschaft von U. T. aufgrund der Angaben der Mutter des Kindes, P. D. , sowie eines vorgelegten genetischen Gutachtens des Universitätsklinikums J. -G. vom 18.02.2013 fest. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass die Klägerin die Großmutter von N. D. ist.
5Nach den Angaben der leiblichen Mutter P. D. hat diese mit U. T. in einer nicht-ehelichen Beziehung zusammengelebt. Aus dieser Beziehung stammt das am 00.00.1986 geborene Kind N. U1. O. . Die Geburtsurkunde des Kindes aus dem Ereignisjahr liegt nicht vor. Das Kind wurde von dem späteren Ehemann der Mutter, Herrn P2. F. D. , am 15.09.1987 adoptiert und erhielt den Namen N. P3. D. . Am 24.07.1991 wurde die Ehe zwischen P. D. und P2. D. wieder geschieden. Am 21.01.1992 starb der leibliche Vater U2. T. .
6Die Beklagte lehnte die Einbeziehung mit Bescheid vom 22.08.2016 ab. In der Begründung wurde ausgeführt, die nachträgliche Einbeziehung von Abkömmlingen eines Spätaussiedlers könne gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nur erfolgen, wenn der Abkömmling im Aussiedlungsgebiet verblieben sei und die sonstigen Voraussetzungen einer Einbeziehung vorliegen. Frau N. T. sei zwar nach dem vorliegenden genetischen Gutachten ein leiblicher Abkömmling der Klägerin. Jedoch sei das Verwandtschaftsverhältnis zur Klägerin infolge der Adoption durch den Ehemann der Mutter erloschen. Zwar sei die Vaterschaft des Sohnes der Klägerin durch den Gerichtsbeschluss vom 04.11.2015 festgestellt worden. Jedoch hätte die Verwandtschaft im rechtlichen Sinne im Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin am 27.09.1999 infolge der seinerzeit gültigen Adoption nicht bestanden.
7Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (...) vom 13.09.2016 am 16.09.2016 Widerspruch ein. In der Begründung wurde ausgeführt, das Verwandtschaftsverhältnis von N. zur Klägerin sei gerade nicht durch die Adoption aus dem Jahre 1987 erloschen. Denn nach der Bestimmung des § 1756 Abs. 2 BGB erlösche das Verwandtschaftsverhältnis ausnahmsweise nicht, wenn der ursprüngliche Elternteil die elterliche Sorge gehabt habe und verstorben sei. Diese Voraussetzungen lägen hier vor, da der Vater U2. die elterliche Sorge gehabt habe und verstorben sei. Das Verwandtschaftsverhältnis zur Klägerin sei also nie erloschen. Demnach sei N. bereits im Zeitpunkt der Aussiedlung der Klägerin im Jahr 1999 ihr Abkömmling gewesen.
8Hilfsweise sei von einer außergewöhnlichen Härte zulasten der Frau N. T. auszugehen. Sie sei im Zeitpunkt der Adoption erst ein Jahr alt gewesen, hätte somit keinen Einfluss auf die Adoption gehabt. Im Übrigen hätte sich der Adoptionsvater, mit dem sie nur etwa 2 Jahre zusammengelebt habe, nie um sie gekümmert. Fraglich sei zudem, ob nicht die Feststellung der leiblichen Vaterschaft von U2. T. im Jahr 2015 eine rückwirkende Geltung habe und somit auch auf den Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin zurückwirke.
9Durch Widerspruchsbescheid vom 11.09.2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1756 Abs. 2 BGB seien nicht erfüllt. Danach erlösche das Verwandtschaftsverhältnis nicht im Verhältnis zu den Verwandten des anderen Elternteils, wenn ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten annehme, wenn der andere Elternteil die elterliche Sorge hatte und verstorben sei. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt, da der Sohn der Klägerin im Zeitpunkt der Adoption im Jahr 1987 noch gelebt habe. Offen sei, ob er die elterliche Sorge gehabt habe.
10Am 28.09.2017 erhob die Klägerin Klage, mit der sie die Erteilung eines Einbeziehungsbescheides für die Enkeltochter N. und deren Sohn T1. begehrt.
11Zur Begründung der Klage beruft sie sich auf die Begründung des Widerspruchs gegen den Ablehnungsbescheid und erklärt, durch den Beschluss des Stadtgerichts Satpaew vom 04.11.2015 sei die Adoption nach kasachischem Recht rückwirkend aufgehoben worden. Dies ergebe sich aus Art. 19 und 20 EGBGB. Daher sei N. T. auch im Zeitpunkt der Ausreise im Jahr 1999 ein Abkömmling der Klägerin gewesen und anschließend im Aussiedlungsgebiet verblieben.
12Im Verlauf des Verfahrens legt sie einen weiteren Beschluss des Gerichts der Stadt Satpaew vom 30.05.2018 vor, mit dem die Adoption von N. T. seit dem Tag der Adoption, dem 15.09.1987, aufgehoben wurde. In der Begründung wurde ausgeführt, nach Art. 110 des Kodex der Republik Kasachstan „Über Ehe (Ehestand) und Familie“ sei die Aufhebung eines Adoption nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes unmöglich. Jedoch gebe es Ausnahmen. Hier liege eine Ausnahme vor, weil die Antragsgegner, der Adoptivvater D. O.E. sowie die Mutter D. O.P, mit der Aufhebung der Adoption einverstanden gewesen wären.
13Die Klägerin trägt weiter vor, dass das Verwandtschaftsverhältnis zu ihrer Enkeltochter wegen des Todes des leiblichen Vaters ausnahmsweise nach § 1756 Abs. 2 BGB durch die Adoption nicht erloschen sei.
14Die Enkeltochter der Klägerin dürfe auch nicht deshalb benachteiligt werden, weil sie nicht ehelich geboren sei.
15Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mit Beschluss der Einzelrichterin vom 17.07.2020 rechtskräftig abgelehnt worden, weil die Enkeltochter der Klägerin keinen Nachweis für Grundkenntnisse der deutschen Sprache vorgelegt hat und der Urenkelsohn im Jahr 2008, und damit nach der Ausreise der Klägerin geboren ist.
16Mit Verfügung vom 21.08.2020 wurde angeregt, das erforderliche Sprachzertifikat für die Enkeltochter vorzulegen. Eine Reaktion darauf erfolgte nicht.
17Im Hinblick auf die pandemiebedingten Einschränkungen des Gerichtsbetriebes haben die Beteiligten auf Anfrage auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.
18Die Klägerin beantragt sinngemäß,
19die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2017 zu verpflichten, Frau N. T. , geb. am 00.00.1986, und ihren Sohn T1. T. , geb. am 00.00.2008 in ihren Aufnahmebescheid nachträglich einzubeziehen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass Frau N. T. im Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin im Jahr 1999 kein Abkömmling der Klägerin gewesen sei, weil das Verwandtschaftsverhältnis durch die im Jahr 1987 erfolgte Adoption erloschen gewesen sei. Durch den Gerichtsbescheid vom 04.11.2015 sei lediglich festgestellt worden, dass der Sohn der Klägerin, U. T. , der leibliche Vater von N. T. sei. Die Rechtswirkungen der Adoption seien hierdurch jedoch nicht aufgehoben worden.
23Der vorgelegte Gerichtsbescheid des Stadtgerichts Satpaew vom 30.05.2018, mit dem die Adoption von N. T. rückwirkend aufgehoben worden sei, verstoße sowohl gegen kasachisches als auch gegen deutsches Recht. Nach den Bestimmungen des kasachischen Ehe- und Familiengesetzbuchs könne zwar die Adoption eines Kindes aufgehoben werden (Art.106 FamGB), die Folgen der Aufhebung wirkten jedoch nur für die Zukunft (Art. 109 FamGB). Etwas anderes gelte nur für die Nichtigkeitserklärung der Adoption. Eine solche sei jedoch hier nicht erfolgt. Auch nach deutschem Recht wirke die Aufhebung einer Adoption ebenfalls nur für die Zukunft (so MüKoBGB/Maurer BGB § 1764 Rn. 5).
24Auch die Ausnahmevorschrift des § 1756 Abs. 2 BGB komme hier nicht zur Anwendung. Diese Vorschrift regle den Fall, dass das eheliche Kind von einem Stiefelternteil angenommen werde, nachdem der leibliche Elternteil verstorben sei. Sinn und Zweck der Regelung sei, dass die Eltern des Verstorbenen nicht auch noch ihre Enkel verlieren sollten. Hier sei der Sohn der Klägerin aber nicht der Vater eines ehelichen Kindes gewesen und auch im Zeitpunkt der Adoption noch am Leben gewesen.
25Auch nach dem Kindschaftsrecht der ehemaligen Sowjetunion habe der Adoptierte regelmäßig alle Rechte und Pflichten gegenüber seinen leiblichen Verwandten verloren. Eine Ausnahme habe dann bestanden, wenn das Kind von einer Einzelperson adoptiert worden sei. In diesem Fall konnten die Rechte und Pflichten gegenüber den leiblichen Verwandten auf Wunsch der Mutter bestehen bleiben. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Mutter des Klägers bei der Adoption von diesem Recht Gebrauch gemacht habe. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die leibliche Vaterschaft von U2. T. noch gar nicht festgestellt gewesen.
26Ungeachtet dessen habe die Enkeltochter der Klägerin die erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nicht nachgewiesen.
27Die Klage auf nachträgliche Einbeziehung des Kindes T1. T. habe schon deshalb keinen Erfolg, weil das Kind im Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin noch gar nicht geboren gewesen sei.
28Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Bände) sowie auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
30Das Gericht konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
31Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Frau N. T. und ihrem Sohn T1. T. in ihren Aufnahmebescheid.
32Der geltend gemachte Anspruch kann sich im vorliegenden Verfahren nur aus § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ergeben. Nach dieser Vorschrift kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die sonstigen Voraussetzungen ergeben sich aus § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG. Danach darf in der Person des Einzubeziehenden kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegen, die Bezugsperson muss die Einbeziehung ausdrücklich beantragen und volljährige Abkömmlinge müssen Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.
33Diese Voraussetzungen werden von Frau N. T. nicht erfüllt. Denn jedenfalls sind die erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache bis heute nicht belegt. Ein Sprachzertifikat der Stufe A1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen wurde bisher trotz entsprechender Hinweise nicht vorgelegt.
34Ungeachtet dessen bestehen erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei Frau N. T. um einen im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Abkömmling der Klägerin im Rechtssinne handelt. In der Rechtsprechung ist bisher anerkannt, dass Abkömmlinge des Spätaussiedlers im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG leibliche Kinder und Enkelkinder des Spätaussiedlers sind. Als Minderjährige adoptierte Kinder des Spätaussiedlers stehen den leiblichen Kindern gleich, wenn die Adoption vor der Übersiedlung erfolgte,
35vgl. BVerwG, Urteil vom 27.09.2016 – 1 C 17/15 – juris, Rn. 12 ff.
36Noch nicht geklärt ist, ob auch leibliche Kinder des Spätaussiedlers, die vor seiner Ausreise von dritten Personen adoptiert wurden, noch als Abkömmlinge im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG angesehen werden können,
37offen gelassen im Beschluss des OVG Münster vom 05.09.2019 – 11 E 647/19 – und im Urteil des VG Köln vom 17.09.2019 – 7 K 602/17 – juris, Rn. 28 ff.
38Dagegen spricht, dass sowohl nach deutschem Recht als auch nach kasachischem Recht die Verwandtschaftsverhältnisse zu den leiblichen Eltern und alle hieraus fließenden Rechte und Pflichten durch eine Adoption erlöschen, § 1755 Abs. 1 BGB und Art. 100 Abs. 2 des Ehe- und Familiengesetzbuchs der Republik Kasachstan vom 26.12.2011,
39vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kapitel: Kasachstan, bearbeitet durch Moritz Lorenz, Stand: 15.01.2014.
40Legt man diese Rechtslage zugrunde, dann wäre Frau N. T. im Zeitpunkt der Aussiedlung der Klägerin im Jahr 1999 wegen der 1987 erfolgten Adoption durch den Ehemann der Mutter nicht mit der Klägerin verwandt gewesen und damit auch kein Abkömmling im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG.
41Eine Ausnahme hiervon nach § 1756 Abs. 2 BGB greift nicht ein. Hiernach bleibt das Verwandtschaftsverhältnis zu den Verwandten des anderen Elternteils bestehen, wenn dieser die elterliche Sorge hatte und verstorben ist, und sodann der neue Ehegatte das Kind des Ehegatten annimmt. Im Zeitpunkt der Adoption im Jahr 1987 war jedoch der leibliche Vater, Herr U2. T. , noch nicht verstorben. Der Tod trat erst im Jahr 1992 ein. Es ist auch unklar, ob er vor der Adoption das Sorgerecht hatte. Auch nach Art. 100 Abs. 3 und Abs. 5 des kasachischen FamGB ist eine Ausnahme möglich, wenn die Mutter dies wünscht und die Aufrechterhaltung der Beziehungen des Adoptivkindes zu einem der Elternteile oder den Verwandten eines verstorbenen Elternteils in dem Gerichtsurteil über die Adoption vermerkt ist. Für einen derartigen Antrag der Mutter und Protokollierung im Adoptionsurteil bestehen aber keine Anhaltspunkte. Diese Ausnahme dürfte auch schon deshalb nicht eingreifen, weil die Vaterschaft des „anderen Elternteils“, nämlich des Sohnes der Klägerin U2. T. , zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestellt war.
42Es ist allerdings fraglich, ob das geltende kasachische Recht oder das aktuelle deutsche Recht auf die im Jahr 1987 erfolgte Adoption anwendbar sind. Nach Art. 22 EGBGB unterliegt die Adoption eines Kindes dem Recht des Staates, in dem der Anzunehmende zum Zeitpunkt der Annahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da Frau N. T. im Zeitpunkt der Adoption im Jahr 1987 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Sowjetrepublik Kasachstan hatte, dürften sich die Rechtswirkungen der Adoption nach dem im Jahr 1987 geltenden Recht der Sowjetrepublik Kasachstan richten, das dem Gericht derzeit nicht vorliegt.
43Falls dieses mit dem heute geltenden Recht des unabhängigen Staates Kasachstan übereinstimmt, wie die Beklagte vorträgt, wäre das Verwandtschaftsverhältnis zur Klägerin durch die seinerzeitige Adoption erloschen.
44Ungeklärt ist weiter die Frage, ob in diesem Fall die spätere Aufhebung der Adoption durch das Gericht der Stadt Sapaew mit dem Gerichtsbescheid vom 30.05.2018 mit Rechtswirkung ab dem Zeitpunkt der Adoption geeignet ist, die seinerzeitigen Rechtsfolgen der Adoption rückgängig zu machen. Obwohl es nach § 109 Abs. 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) nicht darauf ankommt, ob die ausländische Entscheidung rechtmäßig ist, spricht hier viel dafür, dass diese Entscheidung nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG nicht anerkannt werden kann, weil sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Denn nach dem deutschen Adoptionsrecht wirkt die Aufhebung einer Adoption nur für die Zukunft, § 1764 Abs. 1 FamFG. Eine rückwirkende Aufhebung ist nicht möglich. Eine rückwirkende Beseitigung der Rechtsfolgen einer Adoption wäre nur im seltenen Fall einer Nichtigkeit des gerichtlichen Adoptionsbeschlusses möglich, für die hier jedoch keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Eine rückwirkende Aufhebung einer Adoption widerspricht wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, weil sie zu einer unklaren Rechtslage für die zurückliegende Zeit führt, die durch das Adoptionsrecht aber gerade verhindert werden soll.
45Ungeachtet dessen spricht viel dafür, dass eine derartige rückwirkende Aufhebung einer Adoption nach Sinn und Zweck des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG unbeachtlich ist. Denn Ziel dieser gesetzlichen Regelung ist es, dauerhafte Familientrennungen zu beseitigen, die durch die Aussiedlung des Spätaussiedlers entstanden sind. Zum Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin im Jahr 1999 trat jedoch keine Familientrennung im Hinblick auf ihre Enkeltochter N. T. ein. Es war weder die Vaterschaft ihres Sohnes festgestellt, noch bestand eine anderweitige familiäre Beziehung zur Klägerin, weil die Enkeltochter seinerzeit durch den Ehemann der Mutter adoptiert war und offenbar auch nach der Scheidung bei ihrem Stiefvater gelebt hat, wie sich aus dem Beschluss des Stadtgerichts Satpaew vom 04.11.2015 ergibt. Auch eine nachträgliche Aufhebung der Adoption kann an dieser Situation im Zeitpunkt der Aussiedlung nichts ändern.
46Letztlich können diese Fragen ebenso offen bleiben wie die Beweiskraft des genetischen Abstammungsgutachtens vom 18.02.2013, dem Unterlagen über die Probennahme nicht beigefügt waren. Denn die erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache liegen bei der Enkeltochter der Klägerin nicht vor.
47Ein Anspruch der Klägerin auf Einbeziehung des Urenkels, T1. T. , scheitert bereits daran, dass dieser im Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin noch nicht geboren war. Ein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kann jedoch nur eine Person sein, die im Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers bereits geboren war. Andernfalls kommt es nicht zu der Familientrennung, die durch das Instrument der Einbeziehung verhindert werden soll bzw. durch die nachträgliche Einbeziehung beseitigt werden soll,
48vgl. BVerwG, Urteil vom 27.09.2016 – 1 C 17/15 – juris, Rn. 16 und 18.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
51Rechtsmittelbelehrung
52Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
60Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
61Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
62Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
63Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
64Beschluss
65Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
6610.000,00 €
67festgesetzt.
68Gründe
69Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG) für jede der einzubeziehenden Personen.
70Rechtsmittelbelehrung
71Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
72Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
73Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
74Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
75Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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