Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 23 L 819/21
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf die Wertstufe bis 16.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen die Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin vom 14. April 2021 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig.
6Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist insbesondere statthaft (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO). Denn das Beschwerdeverfahren tritt bei Klagen aus dem Wehrdienstverhältnis, das hier gemäß § 1 Satz 1 SG besteht, gemäß § 23 Abs. 1 WBO an die Stelle des Vorverfahrens der §§ 68 f. VwGO. Die Beschwerde gegen die Entlassungsverfügung, welche der Anfechtungsklage unterliegt, hat gemäß § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO keine aufschiebende Wirkung.
7Der Antrag ist jedoch unbegründet.
8Nach § 23 Abs. 6 Satz 3 WBO, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ordnet das Gericht die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO entfallene aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen Entscheidungen über die Begründung, Umwandlung oder Beendigung eines Wehrdienstverhältnisses an, wenn das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Vollzuges gegenüber dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Die danach gebotene Interessenabwägung fällt namentlich dann zugunsten des Antragstellers aus, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren alleine gebotenen und möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, vielmehr stellt sich die streitige Entlassung als rechtmäßig dar.
9Die Voraussetzungen für die Entlassung des Antragstellers aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit gemäß § 55 Abs. 5 SG liegen bei summarischer Prüfung vor.
10Nach dieser Vorschrift kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre
11fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.
12Der Antragsteller war Soldat auf Zeit im vierten Dienstjahr.
13Er hat auch eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 3 SG (allgemeine Wohlverhaltenspflicht) begangen.
14Nach dieser Norm hat sich der Soldat außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.
15Dabei begründet nicht jedes außerdienstliche Fehlverhalten einen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht, sondern außerdienstliches Fehlverhalten verletzt § 17 Abs. 2 Satz 3 SG auch ohne zusätzlichen Bezug zur Dienstausübung regelmäßig dann, wenn das Strafrecht dafür eine mittelschwere Strafe (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) androht.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 WD 5/13 –, juris, Rn. 57.
17Dies zugrunde gelegt, ergibt sich eine entsprechende schuldhafte Dienstpflichtverletzung aus der vom Antragsteller begangenen und rechtskräftig abgeurteilten Tat vom 8. September 2019. Das Amtsgericht Augsburg hat den Antragsteller mit Urteil vom 11. November 2020 wegen des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig gesprochen und ihm auferlegt, 3.000,00 € zu bezahlen. Das erkennende Gericht ist entsprechend §§ 34 Abs. 1, 84 Abs. 1 Satz 1 WDO grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen rechtskräftiger Strafurteile gebunden. Der Antragsteller stellt die in dem Urteil getroffenen Feststellungen auch nicht in Abrede. Sowohl der Strafrahmen des § 114 Abs. 1 StGB (Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte), als auch der Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) sehen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (oder Geldstrafe) vor. Der tateinheitlich verwirklichte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) sieht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.
18Ein Verstoß auch gegen § 7 SG in Gestalt eines Verstoßes gegen die Loyalität zur Rechtsordnung liegt hingegen nicht vor. § 17 Abs. 2 Satz 3 SG bildet eine abschließende Regelung für Verfehlungen strafrechtlichen Gehalts außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 WD 5/13 –, juris, Rn. 53.
20Im Falle eines Verbleibs des Antragstellers in der Bundeswehr wäre auch eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung anzunehmen.
21Unter „militärischer Ordnung" ist der Inbegriff aller rechtlichen und tatsächlichen Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Die Vorschrift des § 55 Abs. 5 SG soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Ob das Verbleiben eines Soldaten auf Zeit, der seine Dienstpflichten verletzt hat, in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung ernstlich gefährdet, beurteilt sich dabei nicht nach der Schwere der Dienstpflichtverletzung an sich, sondern nach dem Ernst der der militärischen Ordnung ohne die fristlose Entlassung drohenden Gefahr. Demnach genügt jede Verletzung von Dienstpflichten unabhängig davon, ob es sich um einen schweren oder leichten Fall handelt und ob verschärfende oder mildernde Umstände hinzutreten.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1971 – 8 C 180/67 –, juris, Rn. 9 ff.
23Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
24Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist: Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. August 2010 – 2 B 33/10 –, juris, Rn. 6 ff.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 6 ZB 15/758 –, juris, Rn. 8 ff. und Beschluss vom 19. April 2018 – 6 CS 18/580 –, juris, Rn. 8.
26Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG eröffnen der Entlassungsbehörde keinen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Beurteilungsspielraum, sondern sind von den Verwaltungsgerichten in einer „objektiv nachträglichen Prognose" selbst nachzuvollziehen.
27Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 1971 – 8 C 180/67 –, juris, Rn. 10, und vom 31. Januar 1980 – 2 C 16/78 –, juris, Rn. 18 sowie OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2005 – 1 B 2009/04 –; juris, Rn. 21, vom 7. Februar 2006 – 1 B 1659/05 –, juris, Rn. 32 und vom 17. September 2008 – 1 B 670/08 –, juris, Rn. 45.
28Ausgehend von diesen Vorgaben ist festzustellen, dass der Antragsteller nach dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Augsburg Straftaten von erheblichem Gewicht schuldhaft verwirklicht hat.
29Die aus einem Verstoß gegen die Strafrechtsordnung resultierende Gefährdung der militärischen Ordnung ist umso erheblicher, je höher die Sanktionsdrohung derjenigen Norm ist, gegen die der Soldat verstoßen hat. Daher bietet zunächst vor allem der Strafrahmen der verletzten Norm des Strafgesetzbuchs einen Anhalt für die Beantwortung der Frage, wie schwerwiegend eine außerdienstlich begangene Straftat ist. Denn durch die Festlegung des Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich den Unrechtsgehalt eines Delikts zum Ausdruck.
30Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. März 2014 – 2 WD 5.13 – und vom 19. August 2010 – 2 C 13.10 –; Bayerischer VGH, Beschluss vom 21. April 2020 – 6 ZB 20.342 –; allesamt juris.
31Lässt der Sanktionsrahmen der Strafnorm eine Freiheitsstrafe im mittleren Bereich zu, kommt hierin die Einschätzung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Tat einen auch im Vergleich mit anderen Straftaten erhöhten Unrechtsgehalt hat; es handelt sich somit um eine Straftat von erheblichem Gewicht.
32Bayerischer VGH, Beschluss vom 21. April 2020 – 6 ZB 20.342 –, juris, Rn. 11.
33Bei den vom Antragsteller verwirklichten Straftaten handelt es sich – wie dargelegt – jedenfalls um solche, die im Bereich der (mittel-)schweren Strafandrohung liegen. Hinzu kommt, dass im konkreten Fall (tateinheitlich) mehrere Delikte schuldhaft begangen wurden, die für sich genommen sogar Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren zur Folge haben können.
34Im konkreten Fall liegen keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen, von der grundsätzlichen Annahme der ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung bei Vorliegen einer erheblichen Straftat ausnahmsweise abzusehen. Die Entlassung des Antragstellers erweist sich im Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck der Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung als verhältnismäßig. Sie stellt sich insbesondere als erforderlich dar. Ein milderes und gleich geeignetes Mittel zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass ein Soldat fristlos entlassen wird, ohne zuvor einen Ausdrücklichen Hinweis erhalten zu haben. Schon nach der entsprechenden Erlasslage des BMVg ist der Ausdrückliche Hinweis keine Voraussetzung für eine fristlose Entlassung.
35Sohm in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 55, Rn. 65, m. w. N.
36Die vorzeitige Entlassung erweist sich im Übrigen auch als angemessen.
37Zwar ist zugunsten des Antragstellers nicht nur zu berücksichtigen, dass dieser zuvor noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und dass er insbesondere nach der Stellungnahme der Vertrauensperson gemäß § 24 Abs. 5 SBG vom 10. Oktober 2019 auch im Dienst nie negativ aufgefallen ist. Zudem verkennt die Kammer nicht, dass das Amtsgericht Augsburg im Rahmen der Strafzumessung gemäß § 105 Abs. 1 JGG das Jugendstrafrecht angewendet hat und dass die Tat „jugendtypische Züge“ aufweist. Der Antragsteller hat sich bei den geschädigten Polizeibeamten ferner entschuldigt und jeweils 1.000,00 € Schmerzensgeld gezahlt. Nach den Erwägungen im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht Augsburg ausgeführt, dass der Antragsteller glaubhaft erklärt habe, dass der für ihn ungewohnte Alkohol zu dieser „fremdbestimmten“ Tat geführt hat. Er könne sich an die Tat nicht erinnern.
38Diese Umstände können jedoch die besondere Schwere der begangenen Verfehlung und die zu befürchtenden Auswirkungen auf die militärische Ordnung nicht aufwiegen. Besonders erschwerend fällt ins Gewicht, dass sich der Antragsteller im Rahmen der Vorfälle am 8. September 2019 ausdrücklich als Angehöriger der Bundeswehr zu erkennen gegeben hat und offenkundig diese Eigenschaft als Soldat gleichsam als „Rechtfertigung“ für sein rechtswidriges Verhalten missbrauchen wollte. Er hat insbesondere beharrlich die von der Polizei durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen gestört, den polizeilichen Anweisungen (insbesondere dem Platzverweis) keine Folge geleistet und einen Polizeibeamten mit den Worten „Ich geh‘ nach Afghanistan!“ angeschrien, bevor er diesem mit der Hand ins Gesicht schlug. Der Antragsteller hat damit nicht nur gezeigt, dass er nicht die Gewähr zur Erfüllung seiner soldatischen Pflichten bieten kann. Darüber hinaus geht aus dem gezeigten Verhalten hervor, dass er sich unter Berufung auf seinen Status als Soldat den Anordnungen der Polizei widersetzt hat und dass er sich dementsprechend als Soldat nicht an das Gesetz gebunden fühlt. Selbst wenn es sich um eine bislang „einmalige Verfehlung“ gehandelt hat, erscheint ein Verbleib des Antragstellers vor dem Hintergrund der erheblichen Auswirkungen, die diese Tat zur Folge hat, insbesondere die in diesem Zusammenhang entstandenen schwerwiegenden Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Person und an der ordnungsgemäßen Ausübung seiner soldatischen Pflichten, ausgeschlossen. Das gezeigte Verhalten steht im diametralen Gegensatz zu den grundlegenden charakterlichen Voraussetzungen, die an einen Soldaten zu stellen sind. Durch die Tat und die daraus resultierende zu befürchtende innere Einstellung des Antragstellers ist anzunehmen, dass mit Blick auf seine Person bei der Antragsgegnerin ein erheblicher Vertrauensverlust eingetreten ist, was die zuverlässige und pflichtgemäße Ausübung seines Dienstes betrifft. Auch der geltend gemachte gesteigerte Alkoholkonsum und etwaige daraus resultierende Erinnerungslücken können den Antragsteller nicht entlasten. Ausweislich der Urteilsfeststellungen wurde bei dem Antragsteller am 8. September 2019 nach einer Blutentnahme um 02:54 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,41 ‰ festgestellt. Der Schuldspruch des Amtsgerichts Augsburg erfolgte uneingeschränkt, d. h. es wurde nicht festgestellt, dass der Antragsteller zum Tatzeitpunkt eine verminderte Schuldfähigkeit infolge seines Alkoholkonsums nach § 21 StGB oder Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB aufwies. Auch fällt zu Lasten des Antragstellers ins Gewicht, dass durch sein strafbares Verhalten insgesamt drei Personen Opfer einer Körperverletzung (§ 223 StGB) geworden sind.
39Ob darüber hinaus auch die begründete Befürchtung besteht, dass es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr), ist nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich und kann daher offen bleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob durch das Verhalten des Antragstellers sogar eine Dienstpflichtverletzung im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigt, anzunehmen ist.
40Neben der ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung ist auch die zweite Alternative des § 55 Abs. 5 SG erfüllt, wonach eine sofortige Entlassung zulässig ist, wenn der Verbleib des Soldaten in der Bundeswehr zu einer ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr führt.
41Eine Ansehensgefährdung kommt dann in Betracht, wenn die Verfehlung des Soldaten geeignet ist, (allgemein) bestehende Vorurteile gegen die Bundeswehr zu bestätigen, etwa dergestalt, dass dort Alkohol- und Betäubungsmittelabusus oder unseliger Korpsgeist herrsche.
42Vgl. hierzu: VG München, Beschluss vom 17. August 2017 – M 21 S 17.2245 –, juris, Rn. 27, juris.
43Im Rahmen der hier gebotenen und einzig möglichen summarischen Prüfung hat der Antragsteller durch die begangenen Straftaten ein Verhalten an den Tag gelegt, das nach den oben genannten Maßstäben einen Ansehensverlust der Bundeswehr ernstlich befürchten lässt. Ausschlaggebend ist vor allem, dass die begangenen Straftaten, die in der Öffentlichkeit unmittelbar vor einem Lokal stattfanden (mit entsprechend zu erwartendem Publikumsverkehr, insbesondere in einer Nacht von Samstag auf Sonntag) und dass sich der Antragsteller lautstark und beharrlich als Bundeswehrangehöriger zu erkennen gegeben hat und – wie bereits dargelegt – sogar seine Stellung als Soldat gleichsam als „Legitimation“ seines rechtswidrigen Verhaltens missbrauchte. Demnach liegt es auf der Hand, dass ein neutraler Beobachter aus den hier in Rede stehenden Ereignissen die (negativen) Schlüsse ziehen kann, dass Soldaten der Bundeswehr durch Alkoholabusus auffallen und im Zuge dessen zu gesetzwidrigem und gewalttätigem Verhalten neigen. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass der Eindruck entstehen könnte, dass sich Soldaten der Bundeswehr aus ihrem „Amtsverständnis“ heraus als „über dem Gesetz“ stehend betrachten und damit selbst nicht davor zurückschrecken, andere staatliche Einrichtungen bzw. deren Bedienstete tätlich anzugreifen.
44Beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG steht die Entscheidung über die fristlose Entlassung des Soldaten auf Zeit im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin.
45OVG NRW, Urteil vom 26. August 1999 – 12 A 2849/96 –, juris, Rn. 42.
46Ermessensfehler nach § 114 VwGO i. V. m. § 40 VwVfG sind im konkreten Fall nicht ersichtlich. Es liegen – wie dargelegt – keine Besonderheiten vor, wegen der die Antragsgegnerin von einer fristlosen Entlassung im Sinne einer „intendierten Entscheidung“ des Antragstellers hätte absehen müssen. Folglich stellt sich die Entlassung als verhältnismäßig dar (s. o.) und die Antragsgegnerin war dementsprechend auch nicht verpflichtet, weitergehende Ermessenerwägungen anzustellen. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid vom 14. April 2021 jedenfalls deutlich zu erkennen gegeben, dass sie eine Ermessensentscheidung trifft und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf hingewiesen, dass etwaige entlastende Aspekte, die ausnahmsweise einer fristlosen Entlassung entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind. Ein Ermessensausfall liegt somit nicht vor. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin ihre Ermessenserwägungen sogar noch im Laufe des Eilverfahrens in Bezug auf den Vortrag des Antragstellers erweitert bzw. vertieft (vgl. § 114 Satz 2 VwGO).
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
48Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2, 3 GKG (Hälfte des Jahresgrundgehalts). Davon setzt das Gericht entsprechend Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Hälfte als Wert des Streitgegenstandes an.
49Rechtsmittelbelehrung
50Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
51Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
52Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
53Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
54Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
55Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
56Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
57Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
58Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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