Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 13 L 104/21
Tenor
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
der Alternative für Deutschland (AfD), vertreten durch den Bundesvorstand, dieser vertreten durch den Bundessprecher, Herrn Tino Chrupalla, und die stellvertre-tende Bundessprecherin, Frau Alice Weidel, Schillstraße 9, 10785 Berlin,
Antragstellerin,
Prozessbevollmächtigte:
XXX
gegen
die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, Merianstraße 100, 50765 Köln,
Antragsgegnerin,
Prozessbevollmächtigte:
XXX
wegen Unterlassung der Angabe der Mitgliederzahl des sog. „Flügels“ mit 7.000
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln
am 10. März 2022
durch
XXX
beschlossen:
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache untersagt, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Bezug auf die Antragstellerin öffentlich bekanntzugeben, die Mitgliederzahl des sog. „Flügel“ habe bis zur sog. „Auflösung“ zum 30. April 2020 „etwa 7.000 Mitglieder“ betragen bzw. betrage weiterhin „etwa 7.000 Mitglieder“.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsanordnung ein Ordnungsgeld bis zu 10.000 € angedroht.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 40.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin ist eine im Deutschen Bundestag, in allen 16 deutschen Landesparlamenten und im Europäischen Parlament vertretene politische Partei.
4Am 14. März 2015 gründeten der Vorsitzende des Landesverbandes Thüringen der Antragstellerin, Björn Höcke, und der damalige Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen-Anhalt der Antragstellerin, B. Q. , die Sammlungsbewegung „Der Flügel“ innerhalb der Antragstellerin. Sie unterzeichneten gemeinsam mit 21 weiteren Amts- und Funktionsträgern der Antragstellerin die sog. „Erfurter Resolution“. Gemäß der Resolution sehen die Erstunterzeichner „im vollen Einsatz der AfD für eine grundsätzliche politische Wende in Deutschland die eigentliche Daseinsberechtigung der Partei“. Dieser Einsatz werde zu „echten Auseinandersetzungen mit den Altparteien, den Medien und den Trägern der verheerenden Gesellschaftsexperimente führen“. Von den Funktionsträgern der Partei werde verlangt, diese Auseinandersetzung mutig und wahrhaftig zu führen. In der Erklärung wird die Sorge geäußert, dass sich die Antragstellerin ohne Not mehr und mehr dem etablierten Politikbetrieb anpasse: „dem Technokratentum, der Feigheit und dem Verrat an den Interessen unseres Landes.“ In einer weiteren Erklärung vom 24. Juni 2016 beschreibt sich der Flügel als „zentral organisierter, loser Verbund von Mitgliedern“ der Antragstellerin im gesamten Bundesgebiet. Seit dem Jahr 2015 fanden jährliche Veranstaltungen unter dem Namen „Kyffhäusertreffen“ mit stetig steigenden Besucherzahlen statt (350 im Jahr 2015, 1.000 im Jahr 2018).
5Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (Bundesamt) gab im Rahmen einer Pressekonferenz am 15. Januar 2019 bekannt, dass die Antragstellerin - als Ergebnis der Prüfung zu tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bei der Antragstellerin und ihren Teilorganisationen auf der Grundlage eines behördeninternen Gutachtens (nachfolgend Gutachten I) - als „Prüffall“ bearbeitet werde. Dem Bundesamt lägen erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Politik der Antragstellerin vor. Diese seien nicht hinreichend verdichtet, um eine Beobachtung auch unter Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln einzuleiten. Die der Antragstellerin zugeordnete Sammlungsbewegung „Der Flügel“ würden hingegen bereits als Verdachtsfälle eingestuft. Hinsichtlich des Flügels um den Thüringer Landesvorsitzenden der Antragstellerin, Björn Höcke, lägen stark verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um eine extremistische Bestrebung handele. Das durch den Flügel propagierte Politikkonzept sei auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen, und politisch Andersdenkenden gerichtet. Es verletze die Menschenwürdegarantie sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip. Die Relativierung des historischen Nationalsozialismus ziehe sich zudem wie ein roter Faden durch die Aussagen der Flügel-Vertreter.
6Auf den Eilantrag der Antragstellerin untersagte das VG Köln dem Bundesamt mit Beschluss vom 26. Februar 2019 im Wege der einstweiligen Anordnung, in Bezug auf die Antragstellerin zu äußern oder verbreiten, diese werde als „Prüffall“ bearbeitet (13 L 202/19).
7Am 16. Dezember 2019 gab das Bundesamt bekannt, dass es alle „Mitglieder“ des Flügels (ca. 7.000 Personen) und der JA (mehr als 1.000 Personen) in die Kategorie „Rechtsextremismus“ einordne.
8Die Antragstellerin forderte das Bundesamt auf, es zu unterlassen, die JA und den Flügel als Verdachtsfall einzuordnen und entsprechend Daten über den Flügel als „Verdachtsfall“ zu sammeln, zu speichern und/oder gespeichert zu lassen, was das Bundesamt mit Schreiben vom 6. Januar 2020 ablehnte.
9Die Antragstellerin hat am 13. Januar 2020 Klage gegen die Einstufungen des Flügels (13 K 207/20) und der JA (13 K 208/20) - jeweils als Verdachtsfall - erhoben.
10Im Februar 2020 forderte die Antragstellerin das Bundesamt auf, es zu unterlassen, die Antragstellerin und den sog. „Flügel“ im Verfassungsschutzbericht 2019 als Verdachtsfall oder Prüffall zu nennen sowie die Mitglieder der Antragstellerin in der Statistik als „rechtsextrem“ aufzuführen. Nach Ablehnung einer Unterlassungserklärung seitens des Bundesamtes stellte die Antragstellerin einen Eilantrag und erhob Klage beim VG Berlin. Das VG Berlin lehnte den Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 28. Mai 2020 (VG 1 L 97.20) ab. Die beabsichtigte Erwähnung der vom Bundesamt auf 7.000 geschätzten Mitglieder des Flügels als Personenpotenzial bzw. Rechtsextremismuspotenzial im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 sei rechtmäßig. Die Annahme von 7.000 Personen stelle eine Schätzung dar, die auf der Grundlage von Aussagen exponierter Vertreter des Flügels erfolgt sei. Diese Herangehensweise erachte die Kammer als plausibel. Die gegen den Eilbeschluss gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 19. Juni 2020 zurück (OVG 1 S 56.20). Die Antragstellerin nahm daraufhin auch die Klage zurück.
11Am 12. März 2020 erstellte das Bundesamt ein weiteres „Gutachten zur Einstufung des ‚Flügel‘ als erwiesen extremistische Bestrebung“ (nachfolgend Gutachten II). Die bisherigen verfassungsfeindlichen Anhaltspunkte hätten sich zur Gewissheit verdichtet. Das Verdachtsfallstadium sei hin zu einer gesichert rechtsextremistischen Bestrebung überschritten worden. Dies gründe sich im Wesentlichen auf den signifikanten Bedeutungszuwachs der maßgeblichen Träger extremistischer Bestrebungen im Flügel, namentlich der zentralen Exponenten Björn Höcke und Andreas Kalbitz, und der von ihnen demzufolge noch stärker ausgehenden Prägekraft für den Personenzusammenschluss. Eine Verdichtung ergebe sich zudem aus der quantitativen Verfestigung der bereits im Gutachten I herangezogenen Belege, von denen sich der Flügel nicht nur nicht distanziert habe, sondern die er vielmehr reproduziert und mit beachtlicher Reichweite weiter verbreitet habe. Die aggressive und kompromisslose Zurückweisung jeder parteiinternen Kritik an Positionen des Flügels stellten ebenfalls einen Verdichtungsfaktor dar. Es sei eine organisatorische Weiterentwicklung festzustellen, worauf offizielle Kontaktstellen - wie der eigenen Webseite, einem YouTube-Kanal, einer Facebook-Seite und einem Onlineshop -, die Etablierung regionaler Ansprechpartner (sogenannte Obleute) und die abgestufte Verleihung von Auszeichnungen für besondere Verdienste um den Flügel hindeuteten. Im Jahr 2019 habe es drei herausragende Landtagswahlergebnisse ostdeutscher Landesverbände gegeben, die zu einem weiteren Bedeutungszuwachs beigetragen hätten. Der maßgebliche Protagonist des Flügels Höcke habe jeden Ansatz einer inhaltlich kritischen Auseinandersetzung mit den Positionen des Flügels innerhalb der Antragstellerin als „politische Bettnässerei“ diffamiert. Relativierungen einzelner seiner Aussagen seien taktisch motiviert und stellten reine Schutzbehauptungen dar.
12Das dem Flügel zuzuordnende Personenpotenzial könne angesichts fehlender formeller Mitgliedschaft nur qualifiziert geschätzt werden, wobei als untere Grenze, nicht zuletzt auf Grundlage parteieigener Angaben, ein Richtwert von mindestens 20 Prozent der Gesamtmitglieder und damit rund 7.000 Personen anzusetzen seien. Diese Schätzung korrespondiere nicht mit dem Anspruch, den betroffenen Personenkreis trennscharf vollständig zu benennen oder in seiner Gesamtheit zu erfassen. Personenbezogene Speicherungen erfolgten nur auf Basis einer Einzelfallprüfung, bei der anhand definierter Indikatoren eine Zuordnung schlüssig verifiziert werden könne. Die Zahl beschreibe quantitativ die Reichweite und das Mobilisierungspotenzial des Flügels.
13Auf der Webseite des Bundesamtes wurde am 12. März 2020 folgende Meldung veröffentlicht:
14„Im Januar 2019 hat das BfV den „Flügel“ zum Verdachtsfall erklärt und damit als Beobachtungsobjekt eingestuft. Die Beobachtung des „Flügel“ hat ergeben, dass sich die im Jahr 2019 festgestellten Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verdichtet haben. Der „Flügel“, mit seinen etwa 7.000 Mitgliedern, wird nunmehr als eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingestuft.“
15Der Vorstand der Antragstellerin beschloss am 20. März 2020 mehrheitlich:
16„Der Bundesvorstand erwartet als Ergebnis des morgigen ‚Flügel‘-Treffens eine Erklärung darüber, dass sich der informelle Zusammenschluss ‚Flügel‘ bis zum 30.04.2020 auflöst.“
17Zur Umsetzung dieser Forderung fasste der Vorstand der Antragstellerin am 6. April 2020 einen weiteren Beschluss, in dem der Flügel zu konkreten Schritten aufgefordert wurde:
181) zu erklären, dass alle Obleute (Landesbeauftragten) abberufen und diese Strukturen aufgelöst sind;
192) die Logonutzung „Der Flügel“ zu beenden und alle eingetragenen und/oder beantragten Wort- und/oder Bildmarken an eine vom Bundesvorstand beauftragte Markenrechts-Kanzlei zu übertragen;
203) die Webseite(n) des „Flügels“ abzuschalten;
214) den „Flügel“-Onlineshop zu schließen sowie
225) die „Flügel“-Facebookseite(n) sowie - falls vorhanden, ebenso Instagram und/oder Twitter-Accounts - zu beenden und die Admin-Rechte soweit möglich an die Bundesgeschäftsstelle zu übertragen.
23In einem Schreiben wandten sich Björn Höcke und Andreas Kalbitz bei Facebook an die „Freunde des Flügels“:
24„Wir fordern alle, die sich der Interessensgemeinschaft angehörig fühlen, auf, bis zum 30. April ihre Aktivitäten im Rahmen des 'Flügels' einzustellen.[...] Grundsätzlich kann nicht aufgelöst werden, was formal nicht existiert. Um die Einheit der Partei zu wahren und das Projekt einer politischen Alternative für Deutschland nicht zu gefährden, haben Björn Höcke und Andreas Kalbitz jedoch entschieden, diesem Wunsch nachzukommen.“
25Zum 30. April 2020 wurde der Flügel formal durch Löschung des bestehenden Internetauftritts und aller Profile und Accounts in den sozialen Medien aufgelöst.
26Am 9. Juli 2020 stellten der Präsident des Bundesamtes und der Bundesinnenminister den Verfassungsschutzbericht 2019 der Öffentlichkeit vor. Darin wurde der Flügel erstmalig als Verdachtsfall aufgeführt. Hinsichtlich der Zahl der Anhänger des Flügels enthielt der Bericht folgende Aussage (S. 84):
27„Aufgrund der fehlenden formellen Vereins und Mitgliederstruktur kann nicht konkret beziffert werden, wie viele Anhänger „Der Flügel“ tatsächlich hat. Verschiedene Aussagen von AfD- und „Flügel“-Funktionären lassen aber den Schluss zu, dass dem „Flügel“ bundesweit mindestens 20 % der AfD-Mitglieder zuzurechnen sind. Deshalb ist als untere Grenze von einem Personenpotenzial von circa 7.000 Anhängern auszugehen.“
28In einer Tabelle unter dem Punkt „Sonstiges rechtsextremistisches Personenpotenzial in Parteien“ wird auf S. 53 in Fußnote 2 erläutert, dass in der genannten Summe auch Mitglieder des Flügels (und der JA) erfasst seien, die beide als Verdachtsfall bearbeitet würden.
29Mit Schreiben vom 20. August 2020 forderte die Antragstellerin das Bundesinnenministerium zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, da falsche Zahlenwerte verwendet würden. Das Bundesinnenministerium reagierte nicht. Die Antragstellerin erhob Klage vor dem VG Berlin (VG 1 K 461.20), über die noch nicht entschieden ist.
30In mehreren Presseberichten im Januar 2021 wurde erwähnt, dass dem Flügel nach Einschätzung des Bundesamtes rund 7.000 Mitglieder der Antragstellerin angehörten.
31Mit Schreiben vom 20. Januar 2021 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, es zu unterlassen, weiterhin zu behaupten, dass der ehemalige Flügel 7.000 Personen oder Mitglieder der Antragstellerin umfasst habe oder umfasse. Die Antragsgegnerin reagierte hierauf nicht.
32Die Antragstellerin hat am 21. Januar 2021 Klage gegen die Angabe der Mitgliederzahl des „Flügel“ mit „etwa 7.000 Mitglieder“ vor dem beschließenden Gericht erhoben (13 K 325/21), der das Gericht mit Urteil vom 8. März 2022 überwiegend stattgegeben hat. Am gleichen Tag hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
33Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, sie sei antragsbefugt und es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Flügel werde der Antragstellerin zugerechnet. Dieser werde dem „sonstigen rechtsextremistischen Personenpotenzial“ zugewiesen, was unmittelbaren Einfluss auf die Antragstellerin habe und ihre Rechte verletze. Die Aussage sei geeignet, die Antragstellerin zu stigmatisieren und in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Es handele sich um eine gezielte Einflussnahme auf eine politische Partei.
34Der Antrag sei auch begründet. Die Voraussetzungen von § 16 Abs. 1 BVerfSchG lägen nicht vor. Es existierten keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass 7.000 Personen dem Flügel zugerechnet werden könnten. Im Rahmen der bekannten Gutachten seien vom Bundesamt namentlich nur 44 Personen benannt worden. Die Machtbasis des Flügels sei auch nicht erstarkt. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen habe die Antragstellerin im Vergleich zur Bundestagswahl Stimmen verloren. Auch die von der Antragstellerin benannten Führungspersonen des Flügels, Björn Höcke und Andreas Kalbitz, hätten kein Direktmandat erzielt. Die Ergebnisse in ihren Wahlkreisen seien unter dem Durchschnitt (Höcke) bzw. nur knapp über dem Durchschnitt (Kalbitz) der Erststimmen gewesen. Kalbitz sei bis zur Nichtigerklärung seiner Mitgliedschaft der einzige Flügel-nahe Politiker im Bundesvorstand der Antragstellerin gewesen. Beim Bundesparteitag im November 2020 habe sich kein Mitglied des ehemaligen Flügels durchsetzen können. Auch sonst spiele der Flügel in den Gremien der Partei keine Rolle. Die aus der Antragstellerin ausgeschlossenen Kalbitz und Q1. besäßen keinen Rückhalt in der Gesamtpartei. Die Obleute des ehemaligen Flügels hätten einen Bedeutungsverlust erfahren, sie besäßen zum großen Teil keine Funktionen mehr in der Antragstellerin und seien zum Teil mit Parteiordnungsverfahren konfrontiert und aus der Antragstellerin ausgeschlossen worden. Auch das vereinzelte Verleihen von Abzeichen sei für die streitgegenständliche Schätzung nicht von Bedeutung.
35Der Flügel sei im April 2020 aufgelöst worden, es gebe auch keine Fortsetzungsaktivitäten. Die Verwaltungsgerichte hätten betont, dass es nach der Auflösung neuer Belege für fortbestehende Aktivitäten bedürfe. Solche habe das Bundesamt aber nicht vorgelegt. Die genannten einzelnen Kundgebungen, Infostände oder Familienfeste seien jedenfalls nicht geeignet, ein Personenpotenzial von 7.000 Personen zu begründen. Auch der Betrieb einer Webseite und eines Online-Shops spreche nicht für eine große Mitgliederzahl. Denn hierfür werde weder Personal noch ein hohes Budget benötigt.
36Die Landesverfassungsschutzämter registrierten jeweils eine deutlich geringere Aktivität des Flügels. Sie bescheinigten zum Teil fehlende Strukturen und Aktivitäten. Für das Berichtsjahr 2020 ergäben sich in der Summe 3.665 Personen. Diese Werte könne das Bundesamt nicht ignorieren, da Bund und Länder verpflichtet seien in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Jedenfalls müsse die Antragsgegnerin gewichtige eigene Erkenntnisse vortragen, die die fachlichen Erkenntnisse der Landesämter überragten.
37Das Bundesamt stelle einseitig selektiv auf ältere Aussagen von Funktionären der Antragstellerin ab, obwohl auch gegenteilige Äußerungen existierten. Die Aussagen lägen inzwischen so lange zurück, dass die Grenze der Verwertbarkeit überschritten worden sei. Mehrere Landesämter wiesen aus diesem Grund keine Flügel-Potenziale mehr aus. Auch hätten die von der Antragsgegnerin genannten Funktionäre und Flügel-Vertreter ein erhebliches Eigeninteresse an einer Stärkung des Flügels. Daher sei naheliegend, dass diese Personen die Größe des Flügels nach außen deutlich überzeichneten, um den Einfluss des Flügels innerhalb der Antragstellerin zu vergrößern.
38An den Kyffhäuser-Treffen des Flügels hätten auch Nichtmitglieder teilnehmen können, daher könne aus der Zahl der Teilnehmer nichts für die Mitgliederzahl des Flügels abgeleitet werden. Aus Abstimmungsergebnissen auf Parteitagen könne kein Rückschluss erfolgen, wie viele Mitglieder der Flügel habe. Denn es sei bei einer Abstimmung nicht klar, was den Ausschlag für die Abstimmung gegeben habe. Auch aus der Abstimmung über die Annullierung der Parteimitgliedschaft von Andreas Kalbitz könne die Antragsgegnerin nichts für die streitgegenständliche Zahl herleiten.
39Die Forderung des Vorstands der Antragstellerin nach der Selbstauflösung des Flügels zeige, dass die Antragstellerin die Vorwürfe diesbezüglich ernst nehme. Damit sei nichts über das Personenpotenzial gesagt, da es der Antragstellerin zugestanden werden müsse, auch einen zahlenmäßig kleinen Zusammenschluss aufzulösen, sofern diesem vom Bundesamt verfassungsfeindliche Bestrebungen vorgeworfen würden.
40Auch orientiere sich die Antragsgegnerin an veralteten Mitgliederständen. Die Antragstellerin habe aktuell 29.536 Mitglieder (Stand 14. Februar 2022). Unter Zugrundelegung der von der Antragsgegnerin genannten 20 Prozent-Schätzung, ergäben sich 5.956 Personen - und nicht 7.000. Der Mitgliederrückgang bei der Antragstellerin betreffe auch ehemalige Flügel-Mitglieder. So seien mehr als ein Drittel der Erstunterzeichner der „Erfurter Resolution“ inzwischen nicht mehr Mitglied der Antragstellerin. Auch habe die Antragstellerin eine personenscharfe Liste mit ausgeschlossenen oder zurückgetretenen Mitgliedern vorgelegt, welche von der Antragsgegnerin dem Flügel zugerechnet oder als diesem nahe stehend bezeichnet worden seien. Die tatsächliche Stärke des Flügels liege weit unter 20 Prozent, was auch eine große Stichprobe unter Einbeziehung mehrerer hundert Mandats- und Funktionsträger zeige.
41Die Antragsgegnerin weise die Zahl von 7.000 Mitgliedern auch nicht allein als Personenpotenzial aus. In ihrer Pressemitteilung vom 12. März 2020 spreche das Bundesamt allein davon, dass der Flügel „etwa 7.000 Mitglieder“ habe. Der relevante Verkehr verstehe dies explizit als Mitgliederzahl. Überdies sei in der Presseberichterstattung durchgängig von „Mitgliederzahl“ und nicht von einem Personenpotenzial gesprochen worden. In den Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Berlin und Hamburg sei die Antragsgegnerin ebenfalls jeden Beweis für das jeweils behauptete Personenpotenzial des Flügels schuldig geblieben.
42Die Äußerungen des ausgeschiedenen ehemaligen Co-Sprechers der Antragstellerin Meuthen seien vor dem Hintergrund zu sehen, dass er eine neue Partei gründen und daher der Antragstellerin schaden wolle. Er habe bereits vor Monaten angekündigt, aus familiären Gründen nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Auch sei er in der Partei isoliert gewesen. Er versuche allein, sein Image zu retten. Die jetzigen Aussagen seien daher unglaubwürdig.
43Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
441.
45der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache aufzugeben, es zu unterlassen, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Bezug auf die Antragstellerin öffentlich bekanntzugeben, die Mitgliederzahl des sog. „Flügel" habe bis zur sog. „Auflösung" zum 30. April 2020 „etwa 7.000 Mitglieder“ betragen,
462.
47der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache aufzugeben, es zu unterlassen, in Bezug auf die Antragstellerin durch das Bundesamt für Verfassungsschutz öffentlich bekanntzugeben, die Mitgliederzahl des sog. „Flügel" betrage weiterhin „etwa 7.000 Mitglieder“,
483.
49der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsanordnung der Ziffern 1 -2 ein Ordnungsgeld bis zu 10.000 Euro anzudrohen.
50Die Antragsgegnerin beantragt,
51den Antrag abzulehnen.
52Sie trägt zur Begründung vor, der Flügel verfüge schätzungsweise über 7.000 Mitglieder. Dabei gehe es um die Schätzung bezüglich des Personenpotenzials, nicht um die Zuordnung einzelner Mitglieder zum Flügel. Die Antragsgegnerin habe auch stets kenntlich gemacht, dass es sich um eine Schätzung handele. Es könne der Antragsgegnerin nicht angelastet werden, wenn dies in einer Berichterstattung durch Dritte nicht zutreffend wiedergegeben worden sei. Das VG Berlin habe entschieden, dass die Schätzung des Bundesamtes plausibel sei. Das OVG Berlin-Brandenburg habe diese Sichtweise bestätigt. Das VG Wiesbaden habe unter Bezugnahme auf die beiden Entscheidungen eine vergleichbare Schätzung des hessischen Landesamtes als rechtmäßig bestätigt.
53Die geschätzte Größe ergebe sich aus den Zitaten einiger Funktionäre des Flügels und der Antragstellerin. Diese verfügten selbst über den besten Einblick über die Größe des Flügels innerhalb der Gesamtpartei. So habe Höcke im November 2019 davon gesprochen, dass sich mindestens ein Drittel der Mitglieder der Antragstellerin dem Flügel verbunden fühlten. Im Januar 2019 habe der damalige Co-Vorsitzende der Antragstellerin und heutige Ehrenvorsitzende Gauland gesagt, der Flügel erhalte auf Parteitagen zwischen einem Drittel und 40 Prozent der Stimmen. Der ehemalige Co-Vorsitzende Meuthen habe im Juli 2019 von Flügel-Zugehörigen von 20 Prozent und wenn man die Sympathisanten dazu zähle von etwa 30 Prozent der Mitglieder gesprochen. Auch andere Funktionäre schätzten die Größe auf 20 - 30 Prozent und teilweise darüber hinaus. Die Veranstaltungen des Flügels seien sehr gut besucht gewesen, so hätten am Kyffhäusertreffen im Jahr 2018 1.000 Personen teilgenommen. Der Flügel habe eine eigene Homepage mit professionellem Online-Shop betrieben, Landesobleute installiert und Flügelabzeichen verliehen.
54Das personelle Gewicht des Flügels zeige sich auch am Abstimmungsergebnis über die Annullierung der Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz. Die Ablehnung der Annullierung sei von einigen Vorstandsmitgliedern auch nicht nur formal begründet worden. Auch ergebe sich aus der Forderung des Vorstandes der Antragstellerin nach der Selbstauflösung des Flügels, dass dieser über einen nennenswerten Einfluss verfügt haben müsse. Weiter sei der Vorschlag von Meuthen, den Flügel abzuspalten, auf erhebliche Gegenwehr gestoßen, was die Größe des Flügels unterstreiche.
55Die Schätzung beruhe nicht auf den Angaben der Landesverfassungsschutzbehörden, sodass eine einfache Addition der von diesen Behörden genannten Zahlenwerte nicht stattfinde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nicht alle Landesverfassungsschutzbehörden über Verdachtsfälle berichten dürften. Die Nichtnennung eines Personenpotenzials in den Landesverfassungsschutzberichten lasse daher keinen Rückschluss zu, dass ein solches Potenzial nicht bestehe.
56Zudem seien die Wahlergebnisse in den ostdeutschen Bundesländern keineswegs als Niederlage, sondern als Erfolg verstanden worden. Die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Antragstellerin seien knapp. Die Vertreter des Flügels seien bei den Vorstandswahlen im November 2020 nur denkbar knapp gescheitert. Schließlich zeige die sinkende Machtposition und der Rücktritt und Austritt des (ehemaligen) Co-Vorsitzenden der Antragstellerin Meuthen, dass sich der Flügel mehr und mehr durchsetze und bei der Antragstellerin wachsenden Einfluss habe. Das zeige sich auch durch Sympathiebekundungen beim Vorstand der Antragstellerin gegenüber dem Flügel und dessen Protagonisten.
57Es ändere sich auch nichts nach der formal erfolgten Auflösung des Flügels im April 2020. Mit der Selbstauflösung des Flügels seien nämlich dessen bisherige Protagonisten nicht aus der Antragstellerin ausgeschieden. Es sei unerheblich, dass die Mitgliederzahl seit der ersten Nennung der Schätzung gesunken sei. Politische Einstellungen und die daraus folgende Unterstützung von Gruppierungen seien in der Regel auf Dauer angelegt und unterlägen keinem Jährlichkeitsprinzip. Es seien zudem viele Parteiaustritte mit einem steigenden Einfluss des Flügels begründet worden. Auch handele es sich nicht um einen erheblichen Mitgliederrückgang.
58Die Einschätzung des Bundesamtes werde durch zahlreiche Äußerungen aus der jüngeren Zeit bestätigt. Der Einfluss des formal aufgelösten Flügels werde auch von dem im Laufe des Klageverfahrens aus der Antragstellerin ausgetretenen ehemaligen Co-Bundessprecher Meuthen attestiert. Dieser habe versucht, den Einfluss des Flügels zu begrenzen, sei dabei aber letztlich gescheitert. Die vom Flügel geprägten Ost-Landesverbände prägten die Partei immer stärker. Der Flügel sei dominanter als ursprünglich von ihm angenommen.
59Eine Ungleichbehandlung mit anderen Parteien oder deren Teilorganisationen liege nicht vor. Die Antragsgegnerin zitierte exakte Mitgliederzahlen, sofern die Parteien oder Teilorganisationen selbst solche Mitgliederlisten führten. Dies sei beim Flügel aber selbst nach eigener Darstellung nicht der Fall.
60Das beschließende Gericht hat im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 26. Januar 2021 den Antrag auf Erlass einer Zwischenentscheidung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 18. Februar 2021 (5 B 175/21) zurückgewiesen. Ein dagegen gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) blieb erfolglos (2 BvQ 17/21).
61Das Bundesamt hat unter dem 22. Februar 2021 ein „Folgegutachten zu tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ bei der Antragstellerin (nachfolgend Gutachten III) erstellt. Nach dessen Fazit liegen in Bezug auf die Antragstellerin tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass diese gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt. Es ergäben sich bereits hinreichend gewichtige Anhaltspunkte aus einem nennenswerten Einfluss des formal aufgelösten Flügels in der Gesamtpartei. Dieser verfüge über ein großes Personenpotenzial. Das Personennetzwerk verfüge über zahlreiche Mandatsträger im Deutschen Bundestag und den Landtagen. Es existierten auch zahlreiche Belege für Solidaritäts- und Unterstützungsbekundungen in der Gesamtpartei auf allen Ebenen. Der Flügel habe seine Arbeit auch nicht eingestellt, zumal dessen Anhänger in der Antragstellerin verblieben seien. Es existierten überdies weitere Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der Aktivitäten des Flügel-Netzwerks.
62Das Bundesamt hat die Antragstellerin sodann am 25. Februar 2021 als Verdachtsfall eingestuft; unter anderem diese Einstufung ist Gegenstand des Klageverfahrens 13 K 326/21; mit Urteil vom 8. März 2022 hat das beschließende Gericht die Klage abgewiesen.
63Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten - auch in den beigezogenen Verfahren 13 K 207/20, 13 K 208/20, 13 K 325/26, 13 K 326/21 und 13 L 105/21 - sowie die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
64II.
65Der Antrag hat Erfolg.
66A.
67Er ist zunächst zulässig.
68Statthaft ist - wie hier bei der Sicherung von Unterlassungsansprüchen gegenüber (ehr)verletzenden Äußerungen - ein Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),
69vgl. Dombert, in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 149,
70weil die Antragstellerin die Festschreibung des status quo begehrt, indem der Antragsgegnerin bzw. dem Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesamt) untersagt werden soll, die Angabe, der Flügel habe „etwa 7.000 Mitglieder“ (gehabt), weiterhin öffentlich bekanntgegeben wird.
71Insbesondere besitzt die Antragstellerin selbst auch die erforderliche Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog, weil sie mit Erfolg einen Unterlassungsanspruch geltend machen kann. Grundlage des hier geltend gemachten allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs
72- vgl. nur Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 -, juris, Rn. 14 -
73der Antragstellerin ist insbesondere die Parteienfreiheit (in Form der Gründungsfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, der Betätigungsfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG und der aus einer Zusammenschau der Art. 3, 21 und 38 GG abzuleitenden politischen Chancengleichheit) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auf das sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch die Antragstellerin als Partei und juristische Person bzw. Personenverband im Rahmen ihres Aufgabenbereichs berufen kann,
74vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 -, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 131, 171 Rn. 16; Verwaltungsgericht (VG) München, Urteil vom 17. Oktober 2014 ‑ M 22 K 13.2076 -, juris Rn. 21,
75umfasst den Schutz vor staatlichen Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken,
76vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2004 - 1 BvR 263/03 -, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGK) 3, 319 = juris Leitsatz 1.
77Hierzu zählen auch das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sog. „äußeren Ehre“ als des Ansehens in den Augen anderer,
78vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 -, BVerwGE 131, 171 Rn. 16.
79Die Äußerung des Bundesamts über die „Mitgliederzahl“ des Flügels, greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin selbst ein. Die Äußerung des Bundesamts, die Mitgliederzahl des „Flügels“ habe „etwa 7.000“ betragen bzw. betrage weiterhin „etwa 7.000“, dient dem sich aus der Regelung des § 16 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) ergebenden Zweck, die Öffentlichkeit über nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG verfassungsschutzrelevante Bestrebungen und Tätigkeiten zu informieren und damit eine verbesserte Transparenz herzustellen. Mit der Äußerung bezweckt das Bundesamt die Information über die Mitgliederzahl bzw. das Personenpotenzial des Flügels und damit auch dessen Einfluss auf bzw. innerhalb der Antragstellerin als Gesamtpartei. Den Flügel hat das Bundesamt am 15. Januar 2019 als Verdachtsfall und am 12. März 2020 als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass aufgrund der Nennung der Mitgliederzahl/des Personenpotenzials des Flügels im Zusammenhang mit dessen Einstufung als „erwiesen rechtsextremistisch“ sich potentielle Wähler, Mitglieder, Unterstützer der Antragstellerin von dieser abwenden, da dadurch der Einfluss auf die Antragstellerin als Gesamtpartei zum Ausdruck kommen könnte.
80Das Bundesamt hat die Antragstellerin selbst am 25. Februar 2021 als Verdachtsfall eingestuft und dies u.a. mit der politischen Strömung des Flügels als Teil der Antragstellerin und ihrem Einfluss auf die Klägerin begründet. Die Äußerung über die Mitgliederzahl hat somit in der Öffentlichkeit ebenfalls Auswirkungen auf die Antragstellerin als Gesamtpartei. Diese mittelbare Wirkung für die Antragstellerin kommt einem Eingriff in das Recht auf Chancengleichheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht gleich.
81B.
82Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
83Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt allerdings im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dann nicht, wenn - wie hier - die gerichtliche Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil der Antragsteller sonst Nachteile zu erwarten hätte, die für ihn unzumutbar wären, und das Begehren in der Hauptsache schon aufgrund summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabs erkennbar Erfolg haben muss,
85vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 ‑, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 79, 69; BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, juris Leitsatz 1.
86Soweit die von der Antragstellerin begehrten Anordnungen auf die zumindest zeitliche Vorwegnahme der Hauptsache hinaus laufen, sind die danach erforderlichen qualifizierten Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs vorliegend erfüllt.
87I.
88Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch zu. Sie hat das Bestehen eines zu sichernden Rechts insoweit glaubhaft gemacht. Das Begehren der Hauptsache hat auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs erkennbar Erfolg.
891.
90Die Antragstellerin hat zunächst im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts einen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Bekanntgabe, dass die Mitgliederzahl des Flügels bis zur Auflösung am 30. April 2020 „etwa 7.000 Mitglieder“ betragen habe (Antrag zu 1.)
91Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt eine Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen oder sonstiger subjektiver Rechte des Betroffenen und die Gefahr einer Wiederholung bzw. einer konkreten Erstbegehung des rechtswidrigen Eingriffs voraus,
92vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 ‑, juris Rn. 14.
93Die öffentliche Bekanntgabe, der Flügel habe bis zu seiner „Auflösung“ „etwa 7.000 Mitglieder“ gehabt, ist rechtswidrig.
94Allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage ist § 16 Abs. 1 BVerfSchG. Danach informiert das Bundesamt über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG, soweit hinreichend gewichtige Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Der Vorbehalt des Gesetzes gilt nicht nur für Veröffentlichungen in einem Verfassungsschutzbericht, sondern auch für sonstige öffentliche Mitteilungen der Verfassungsschutzbehörden, die in subjektives Verfassungsrecht eingreifen,
95vgl. zur Äußerung des Innenministers und Leiter des Verfassungsschutzes für das Land Nordrhein-Westfalen VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2021 - 20 K 5100/19 -, juris Rn. 56 m.w.N.
96Zu den Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des § 16 Abs. 1 BVerfSchG gehört auch die Nennung der Mitgliederzahl/des Personenpotenzials eines jedenfalls als Verdachtsfall eingestuften Personenzusammenschlusses. Eine solche Angabe als maßgeblicher Teil der Berichterstattung - der der Einordnung der Strömung und demgemäß auch der potenziellen Bestrebung im Sinne des § 3 Abs. 1 BVerfSchG dient - unterliegt ebenfalls diesem Maßstab,
97vgl. zur Nennung der Mitgliederzahl im Rahmen des Verfassungsschutzberichts VG Berlin, Beschluss vom 28. Mai 2020 - VG 1 L 97.20 -, juris Rn. 26; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2020 - OVG 1 S 56.20 -, juris Rn. 44; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. März 2021 - 7 B 190/21 -, juris Rn. 31 in Bezug auf § 2 Abs. 2 HVSG.
98Demnach bedarf es für die Berichterstattung auch hinsichtlich der Größe des Zusammenschlusses tatsächlicher Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht, die hier nicht vorliegen. Tatsächliche Anhaltspunkte verlangen mehr als bloße Vermutungen, Spekulationen, Mutmaßungen oder Hypothesen, die sich nicht auf beobachtbare Fakten stützen können. Andererseits ist eine Gewissheit (hinsichtlich des Vorliegens verfassungsfeindlicher Bestrebungen) nicht erforderlich. Es müssen vielmehr konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung auf das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen - und auch auf die in gleichem Kontext genannte Größe des Zusammenschlusses - hindeuten,
99vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 - 6 C 22.09 -, BVerwGE 137, 275 Rn. 28, 30; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 12. Februar 2008 ‑ 5 A 130/05 ‑, juris Rn. 270.
100Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Antragsgegnerin: Beansprucht der Staat das Recht, in einen durch ein negatorisches Grundrecht geschützten Freiheitsbereich einzugreifen, trägt er die Beweislast für die gesetzlichen Voraussetzungen dieses Eingriffs nach Maßgabe der Grundsätze über die Beweislast im Anfechtungsrechtsstreit. Denn in der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes bedarf der hoheitliche Eingriff in ein Grundrecht der Rechtfertigung; nicht ist umgekehrt die Ausübung von Grundrechten rechtfertigungsbedürftig. Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin stützt sich auf ihr grundrechtlich geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG). Die Antragsgegnerin (das Bundesamt) trägt demnach die Beweislast für die gesetzlichen Voraussetzungen des Eingriffs in das klägerische Recht,
101vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 -, BVerwGE 131, 171 Rn. 41 f.
102Diesen Anforderungen wird die angegriffene Berichterstattung nicht gerecht. Die für die vorgenannte Berichterstattung erforderlichen gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte hinsichtlich der Mitgliederzahl des Flügels liegen nach Überzeugung des Gerichts nicht vor. Die von der Antragsgegnerin genannten Anhaltspunkte können die vorgenommene Berichterstattung über eine korrekte Mitgliederzahl nicht rechtfertigen.
103Nach Auffassung der bisher mit vergleichbaren Angaben befassten Gerichte ist zwar bei der Angabe des Personenpotenzials eines Personenzusammenschlusses im gesamten Bundesgebiet - im Rahmen des Bundesverfassungsschutzberichts - eine Schätzung zulässig, auch wenn diese (hauptsächlich) auf der Grundlage von Aussagen exponierter Vertreter des Personenzusammenschlusses selbst erfolgt,
104vgl. VG Berlin, Beschluss vom 28. Mai 2020 - VG 1 L 97.20 -, juris Rn. 52; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2020 ‑ OVG 1 S 56.20 -, juris Rn. 45; zustimmend VG Wiesbaden, Beschluss vom 13. Januar 2021 - 6 L 1337/20.WI -, juris Rn. 41 und Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. März 2021 - 7 B 190/21 -, juris Rn. 29.
105Es geht nämlich bei der Angabe des Personenpotenzials schon begrifflich weder um exakte Mitgliederzahlen noch darum, ob „hinter den Zahlen“ jeweils im Einzelfall erwiesen rechtsextremistisch tätige Individuen stehen. Sinn und Zweck der tabellarischen Übersicht im Rahmen des Verfassungsschutzberichts ist nicht die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die genaue Zahl der namentlich identifizierten Personen aus dem betreffenden Spektrum, sondern eine Information über den Umfang des Personenpotenzials. Denn die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht nicht nur von namentlich bekannten Personen aus, sondern auch von den namentlich nicht bekannten oder nicht identifizierten Mitgliedern, Anhängern und Unterstützern von Personenzusammenschlüssen. „Informationen über das Potenzial dienen der Einordnung (Gewichtung, Entwicklungstendenzen) extremistischer Strömungen“,
106so OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2020 ‑ OVG 1 S 56.20 -, juris Rn. 45.
107Diese Beurteilung bezieht sich jedoch ausdrücklich auf die (kontextualisierte) Nennung des Personenpotenzials im Rahmen des Verfassungsschutzberichts. Das OVG Berlin-Brandenburg hat dazu explizit herausgestellt, dass dem Flügel auf Grundlage der Schätzung dann kein zu großes Gewicht beigemessen wird, wenn die Antragsgegnerin „in der Übersichtstabelle kennzeichnet, dass der sog. Flügel lediglich als ‚Verdachtsfall‘ beobachtet wird“ und das der Antragstellerin zugeordnete „Personenpotenzial auf einer Schätzung beruht, deren Grundlagen auch öffentliche und veröffentlichte Äußerungen führender Vertreter des sog. Flügels“ sind,
108vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2020 ‑ OVG 1 S 56.20 -, juris Rn. 47 am Ende.
109Kann eine Schätzung des Personenpotenzials nämlich nur sehr grob erfolgen, weil Mitgliederlisten nicht geführt werden oder nicht vorliegen und damit hauptsächlich auf Aussagen der Vertreter des Personenzusammenschlusses selbst zurückgegriffen wird, so verringert sich der mit der Veröffentlichung verbundene Eingriff erheblich, wenn die Schätzungsgrundlagen offengelegt und mit der Nennung des Personenpotenzials gemeinsam bekannt gegeben werden. Denn dies ermöglicht dem Leser eine Einordnung der Zahlenangabe.
110Genau dies ist mit der Nennung des Personenpotenzials im Rahmen des Verfassungsschutzberichts 2019 erfolgt. Die Antragsgegnerin hat dort tabellarisch in der Spalte „Sonstiges rechtsextremistisches Personenpotenzial in Parteien“ auch ein Personenpotenzial von 7.000 Personen des Flügels hinzugezählt. Ergänzend hat die Antragsgegnerin zum Flügel ausdrücklich ausgeführt:
111„Aufgrund der fehlenden formellen Vereins- und Mitgliederstruktur kann nicht konkret beziffert werden, wie viele Anhänger „Der Flügel“ tatsächlich hat. Verschiedene Aussagen von AfD- und „Flügel“-Funktionären lassen aber den Schluss zu, dass dem „Flügel“ bundesweit mindestens 20 % der AfD-Mitglieder zuzurechnen sind. Deshalb ist als untere Grenze von einem Personenpotenzial von circa 7.000 Anhängern auszugehen.“
112Verfassungsschutzbericht 2019, S. 84.
113Die Antragsgegnerin hat die Schätzgrundlagen also offen gelegt. Für den Leser war daher klar, dass es sich um eine Schätzung des Personenpotenzials handelt, da die genaue Größe nicht beziffert werden kann, und dass die Schätzung auf Angaben verschiedener Aussagen des Personenzusammenschlusses selbst beruht.
114Diesen Maßstäben wird das Verhalten des Bundesamtes in der vorliegenden Konstellation nicht gerecht. Das Bundesamt hat folgende Pressemitteilung am 12. März 2020 auf seiner Webseite veröffentlicht:
115„Im Januar 2019 hat das BfV den „Flügel“ zum Verdachtsfall erklärt und damit als Beobachtungsobjekt eingestuft. Die Beobachtung des „Flügel“ hat ergeben, dass sich die im Jahr 2019 festgestellten Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verdichtet haben. Der „Flügel“, mit seinen etwa 7.000 Mitgliedern, wird nunmehr als eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingestuft.“
116https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2020/pressemitteilung-2020-1-afd.html, [abgerufen am 1. März 2022]) - nach Angabe des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch noch am Tag der mündlichen Verhandlung.
117Aus der Angabe „etwa“ kann man zwar ablesen, dass es sich um eine Schätzung handelt. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont eines Durchschnittsmenschen ist die Formulierung nicht so zu interpretieren, dass tatsächlich exakt 7.000 Mitglieder dem Flügel angehören.
118Aber bereits beim Begriff „Mitglieder“ wird schon nicht mehr hinreichend klar, dass nur - wie im Verfassungsschutzbericht - das „Personenpotenzial“ gemeint sein soll. Denn der Begriff suggeriert vor allem eine formelle Mitgliedschaft wie z.B. in einem Verein. Eine Mitgliedschaft in diesem Sinne kommt mangels einer formellen Vereins- und Mitgliederstruktur beim Flügel von vornherein jedoch nicht in Betracht. Auch wenn man den Begriff nicht formal interpretiert, so ist darunter aber jedenfalls eine besonders enge Beziehung zum Personenzusammenschluss zu verstehen. Demgegenüber schließt das „Personenpotenzial“ eines Zusammenschlusses bereits begrifflich auch Außenstehende, also Nicht-Mitglieder - mit ein, die mit dem Zusammenschluss - oder auch nur einzelnen Positionen - sympathisieren und dadurch auf Parteitagen etc. im Einzelfall zu einer Mehrheit oder einem größeren Gewicht bei Abstimmungen führen können. Dass das Bundesamt selbst mit seiner Schätzung eigentlich das Personenpotenzial - und eben nicht nur „Mitglieder“ - meint und dazu neben dem absoluten Kernbereich und dem mittleren Führungskreis jedenfalls auch einen sog. „erweiterten Anhängerkreis“ zählt, ergibt sich aus seinen Schriftsätzen und auch aus den Erläuterungen im Gutachten II (Bl. 16 ff.). Dort ist begrifflich von „potenziellen Anhängern“ die Rede (Bl. 17 Gutachten II), was ebenfalls für eine losere Verbindung als der Begriff „Mitglieder“ spricht.
119Überdies beruft sich das Bundesamt bei seiner Schätzung gegenüber dem Gericht auf dieselben Grundlagen wie die Antragsgegnerin beim Verfassungsschutzbericht, ohne diese aber auf der Webseite bei der Nennung der „Mitgliederzahl“ offen zu legen. Durch diese - vom Verfassungsschutzbericht erkennbar abweichende - Vorgehensweise wird dem Leser der Pressemitteilung - in Verbindung mit dem Wort „Mitglieder“ nicht klar, dass es sich nur um die (äußerst grobe) Schätzung des Personenpotenzials handelt. Denn die Meldung kann für sich genommen auch so interpretiert werden, dass das Bundesamt über konkrete Mitgliederzahlen Bescheid weiß und diese nur - etwa zur besseren Lesbarkeit - geringfügig auf- oder abgerundet hat. Allein das Wort „etwa“ ist jedenfalls nicht geeignet, dem Leser klar zu machen, dass hinter der Schätzung nicht einzelne - womöglich namentlich dem Bundesamt bekannte - Personen stehen, sondern nur ein grob überschlagenes Personenpotenzial.
120Die vom Bundesamt genannten Schätzungsgrundlagen stützen auch im Übrigen nicht die Aussage, der Flügel habe 7.000 Mitglieder (gehabt). Auch die Schätzgrundlagen deuten auf ein Personenpotenzial und nicht auf eine Mitgliederzahl, wie das beschließende Gericht im Einzelnen in seinem Urteil vom 8. März 2022 im Verfahren 13 K 325/21 dargelegt hat; darauf wird verwiesen.
121Das Bundesamt stützt sich auf einen Facebook-Beitrag des Flügelvertreters Höcke vom 28. November 2019, wonach sich mindestens ein Drittel der AFD-Mitglieder mit dem Flügel „verbunden“ fühlt. „Verbunden“ können sich aber nicht nur Mitglieder fühlen, sondern auch weitere Sympathisanten.
122Nach einer Aussage Höckes vom 15. Dezember 2019 geht dieser davon aus, dass der Flügel bei Parteitagen der Gesamtpartei ca. 40 Prozent der Delegierten hinter sich habe (Belegsammlung II Bl. 565). Abgesehen davon, dass die Aussagen führender Repräsentanten des Flügels ohnehin mit Vorsicht zu genießen sind, da ein erhebliches Interesse bestehen dürfte, die eigene Größe stärker erscheinen zu lassen, deuten die Aussagen von Höcke auch eher darauf hin, dass er das Personenpotenzial meint, also die Möglichkeit, auf Parteitagen etc. im Einzelfall Mehrheiten zustande zu bringen.
123Weiter beruft sich das Bundesamt auf eine Aussage des vormaligen Co‑Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag und Ehrenvorsitzenden der Antragstellerin, Dr. Alexander Gauland in der Talkshow Maischberger vom 23. Januar 2019 (Bl. 213 GA 13 L 104/21). Nach einer Aussage des ehemaligen Co-Bundesprechers Meuthen im Juli 2019 fühlten sich wahrscheinlich nicht einmal 20 Prozent der Mitglieder dem Flügel zugehörig. Zähle man diejenigen mit, die mit dieser Strömung sympathisierten, seien es vielleicht 30 Prozent (Bl. 228 GA 13 L 104/21). Da Meuthen dem gemäßigten Lager der Antragstellerin zugerechnet wurde, zeigt diese Aussage zwar, dass Äußerungen hinsichtlich der Flügelstärke nicht nur von führenden Flügelvertretern herangezogen wurden, die nach Angaben der Antragstellerin ein Interesse an einer möglichst großen Anzahl Unterstützer hätten. Allerdings differenziert Meuthen zwischen dem Flügel „Zugehörigen“ und den „Sympathisanten“. Die „Zugehörigen“ schätzt er auf „nicht einmal 20 Prozent“. Der Begriff der „Zugehörigen“ lässt eine vergleichbare Nähe wie das Wort „Mitglied“ erkennen. Die Einschätzung des Bundesamtes, der Flügel umfasse „mindestens 20 Prozent der Mitglieder“ der Antragstellerin, kann mit der Aussage Meuthens aber nicht begründet werden, da er von „nicht einmal 20 Prozent“ spricht. Mehr als 20 Prozent zählen nach Einschätzung Meuthens aber allenfalls zu den „Sympathisanten“. Dieser Begriff ist aber nach dem oben Gesagten nur im Rahmen des „Personenpotenzials“ von Bedeutung. Das Bundesamt hat sich laut Gutachten II (Bl. 17) bei seiner Schätzung vornehmlich an dieser Aussage Meuthens orientiert, obwohl sie eine Mitgliederzahl von mindestens 20 Prozent nicht stützen kann. Der damalige „Flügel“-Obmann in Sachsen, K. N. , sieht 70 Prozent der sächsischen AFD als Flügelanhänger (Bl. 235 GA 13 L 104/21). Daraus lässt sich aber keine Schlussfolgerung für das gesamte Bundesgebiet vornehmen. Aus den Angaben der Landesämter für Verfassungsschutz (Bl. 312 ff. GA 13 L 104/21) geht nämlich hervor, dass das Personenpotenzial in den einzelnen Ländern (erheblich) abweicht.
124Auch die sonstigen genannten Anhaltspunkte lassen zwar den Schluss zu, dass der Flügel über einen nennenswerten Einfluss bei der Antragstellerin verfügt. Sie lassen aber nicht den (eindeutigen) Schluss zu, dass der Flügel über 7.000 Mitglieder verfügt (hat).
125Der Einwand der Antragsgegnerin, die Nennung der Zahl müsse dem Bundesamt erlaubt sein, da sie die Zahl aus dem Verfassungsschutzbericht 2019 jedenfalls zitieren und dies auf ihrer Homepage durch Verlinkung darstellen könne, ändert daran nichts. Denn es geht vorliegend streitgegenständlich um die Nennung einer „Mitgliederzahl von etwa 7.000“ ohne Einordnung und Angabe des Kontextes und gerade nicht um die Darstellung des Personenpotenzials.
126Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Der Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt insbesondere voraus, dass die konkrete Gefahr der Wiederholung droht. Dass weitere Eingriffe drohen, kann regelmäßig angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Denn im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von diesen Abstand zu nehmen,
127vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 -, juris Rn. 34.
128Hier hat die Äußerung bereits in der Vergangenheit stattgefunden und wurde u.a. auf der Homepage des Bundesamtes weiterhin aufrechterhalten. Es ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts davon auszugehen, dass das Bundesamt auch in Zukunft weiter an der Veröffentlichung und Verbreitung festhalten wird - auch wenn die Pressemitteilung zwischenzeitlich von Homepage des Bundesamtes entfernt wurde.
1292.
130Die Antragstellerin hat ebenfalls einen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Bekanntgabe, dass die Mitgliederzahl des Flügels weiterhin „etwa 7.000 Mitglieder“ betrage (Antrag zu 2.). Auch diese Äußerung ist rechtswidrig. Hinreichend gewichtige Anhaltspunkte gem. § 16 Abs. 1 BVerfSchG dafür, dass der Flügel auch weiterhin, insbesondere nach der formellen Auflösung am 30. April 2020 über „etwa 7.000 Mitglieder“ verfügt existieren nicht. Das Bundesamt ist auch insoweit der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.
131Dies folgt bereits aus dem oben Gesagten. Darüber hinaus folgt die Rechtswidrigkeit der Äußerung aus den während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingetretenen tatsächlichen Veränderungen. Zwar orientieren sich Änderungen der politischen Einstellung und damit der Unterstützung bestimmter Gruppierungen - auch wenn sie mit der Zeit Veränderungen ausgesetzt sein können - nicht strikt an einzelnen zeitlichen Abschnitten und unterliegen keinem „Jährlichkeitsprinzip“,
132OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2021 - 5 B 175/21 -, juris Rn. 10.
133Hier sind aber signifikante Veränderungen zu verzeichnen, die den angegebenen Zahlenwert - über das oben Gesagte hinaus - für die Mitgliederzahl des Flügels im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung infrage stellen.
134Der Flügel hat sich zum 30. April 2020 unstreitig jedenfalls formal aufgelöst und seine nach außen erkennbaren Strukturen (Landesobleute, Kyffhäusertreffen, Webseite, Online-Shop, Logonutzung etc.) aufgelöst. Auch haben die beiden Führungspersonen des Flügels Höcke und Kalbitz die Anhänger des Flügels aufgefordert, ihre Aktivitäten im Rahmen des Flügels einzustellen. Dadurch ist eine mögliche Veränderung der Sachlage eingetreten. Es bedarf daher - unabhängig von dem oben Gesagten - ohnehin neuer Belege für fortbestehende Aktivitäten nach einer Auflösung und insbesondere für die Beibehaltung der Schätzung der Mitgliedergröße,
135vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 27. August 2021 ‑ VG 1 L 308.21 ‑, juris Rn. 26.
136Auf die oben genannten Aussagen aus dem Jahr 2019 kann sich das Bundesamt daher nicht mehr (uneingeschränkt) berufen.
137Aussagen führender Repräsentanten der Antragstellerin ab dem 1. Mai 2020 zur Größe des Flügels lassen sich aber nicht mehr finden. Es existiert allein eine Aussage von Dr. Alexander Gauland. Im Nachgang zu dem AfD-Bundesparteitag vom 28./.29. November 2020 in Kalkar bekundete er in seiner Kritik an der Rede des Co-Bundesvorsitzenden Meuthen, dieser habe damit „die Hälfte der Partei beschädigt“ (Bl. 225 GA 13 L 104/21). Allein aus dieser Aussage kann aber ein Zahlenwert der „Mitglieder“ des Flügels nicht abgeleitet werden, da auch hier das Personenpotenzial gemeint sein kann. Auch die anderen vom Bundesamt genannten Anhaltspunkte können einen konkreten Zahlenwert - jedenfalls für den Begriff der „Mitglieder“ - nicht begründen.
138Die Nennung von „etwa 7.000 Mitgliedern“ wird darüber hinaus durch den Rückgang der Mitglieder bei der Antragstellerin beeinflusst. Die Antragsgegnerin leitet die Mitgliedergröße des Flügels nämlich prozentual von der Mitgliedergröße der Antragstellerin ab („bundesweit mindestens 20 % der AfD-Mitglieder“, Verfassungsschutzbericht 2019, S. 84). Wenn sich nun aber im Laufe der Zeit die Bezugsgröße - also die Mitgliederzahl bei der Antragstellerin - (signifikant) ändert, muss zwangsläufig auch die Zahl der Flügelmitglieder entsprechend sinken, sofern die Antragsgegnerin nicht belegen kann, dass ganz überwiegend Nicht-Flügel-Mitglieder die Partei verlassen haben.
139Das Bundesamt errechnete im Jahr 2019, dass der Flügel (mindestens) 20 Prozent von 35.000 Mitgliedern der Antragstellerin umfasse, demnach also „etwa 7.000 Mitglieder“. In der Zwischenzeit - im maßgeblichen Zeitpunkt der rechtlichen Beurteilung - verfügt die Antragstellerin aber unwidersprochen nur noch über 29.536 Mitglieder. 20 Prozent davon sind aber nicht 7.000, sondern nur noch ca. 5.900 Mitglieder, was eine signifikante Abweichung darstellt.
140Das Bundesamt hat zwar einige Zitate von aus der Antragstellerin ausgeschiedenen Mitgliedern vorgelegt, die ihren Austritt mit dem aus ihrer Sicht zu großen Einfluss des Flügels begründen. Auf der anderen Seite hat die Antragstellerin ebenfalls Austritte von ehemaligen Flügel-Mitgliedern glaubhaft gemacht. So hat sie unwidersprochen vorgetragen, dass mehr als ein Drittel der Unterzeichner der Erfurter Resolution und auch einige ehemalige Landesobleute des Flügels nicht mehr Mitglied in der Antragstellerin sind. Aus diesen Umständen kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass der Flügel seit 2019 zahlenmäßig konstant geblieben ist, obwohl die Antragstellerin als Gesamtpartei demgegenüber aber (signifikant) Mitglieder verloren hat; dies insbesondere vor dem Hintergrund der formalen Auflösung des Flügels.
141Auch verfängt der Einwand der Antragsgegnerin nicht, dass auch nach der ersten Schätzung aus dem Jahr 2019 „mindestens“ 20 Prozent der Mitglieder der Antragstellerin auch Mitglied des Flügels seien und dies ja auch einen höheren prozentualen Anteil zulasse. Die Antragsgegnerin hat sich im Verfassungsschutzbericht 2019 mit Nennung einer absoluten Zahl auf die 20-Prozent-Marke festgelegt. Will sie diesen prozentualen Anteil nun im Laufe der Zeit erhöhen, um an der Zahl 7.000 festhalten zu können, so muss sie dies einerseits nach außen kenntlich machen, um die Schätzgrundlage transparent zu machen, und andererseits muss sie dies begründen. Ansonsten wird beim Empfänger der Nachricht der Eindruck erweckt, dass - bei rückläufigen Mitgliederzahlen bei der Antragstellerin - die Größe des Flügels innerhalb der Antragstellerin relativ steigt. Sie kann jedenfalls die Zahl nicht einfach unkommentiert ohne zeitlichen Kontext verwenden.
142Auch hier besteht aus den oben genannten Gründen Wiederholungsgefahr.
143II.
144Die Antragstellerin hat in Bezug auf den vorstehend bejahten Anordnungsanspruch auch einen Anordnungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Es ist auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu prüfen, ob es der Antragstellerin unter Berücksichtigung ihrer Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen nicht zumutbar ist, die Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung abzuwarten,
145vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 4 B 786/17 -, juris Rn. 42.
146Gemessen daran ist die einstweilige Anordnung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin abzuwenden. Es liegen auch die strengen Voraussetzungen jedenfalls hinsichtlich einer zeitlichen Vorwegnahme der Hauptsache vor, da die gerichtliche Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes notwendig ist. Ein Verweis auf den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens würde die zu sichernden Rechte der Antragstellerin jedenfalls teilweise irreversibel vereiteln. Denn ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes bestünde die Gefahr, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden bzw. ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstünde,
147vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2017 ‑ 4 B 786/17 -, juris Rn. 7.
148Hier wäre der Verweis der Antragstellerin auf nachträglichen Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen verbunden. Zwar hat das beschließende Gericht bereits eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen. Jedoch ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig, die Berufung wurde zugelassen. Sollte das Bundesamt zukünftig durch unzulässige Äußerungen in die Rechte der Antragstellerin eingreifen, bedeutete dies einen Schaden, der durch einen nachträglichen Widerruf nicht kompensiert werden könnte, weil die zugrunde liegende Äußerung andernfalls einer immer größer werdenden Öffentlichkeit bekannt würde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in naher Zukunft Wahlen anstehen (Landtagswahlen am 27. März 2022 im Saarland, am 8. Mai 2022 in Schleswig Holstein und am 15. Mai 2022 in Nordrhein-Westfalen sowie am 9. Oktober 2022 in Niedersachsen) - mit Nordrhein-Westfalen im bevölkerungsreichsten Bundesland -, an denen die Antragstellerin teilnehmen will. Ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre das Bundesamt nicht gehindert, sich vor diesen Wahlen erneut über die Antragstellerin im streitgegenständlichen Sinne zu äußern und damit in den Wahlkampf einzugreifen, ohne dass dies nach Abschluss der Wahlen im Rahmen eines nachträglichen Rechtsschutzes kompensiert werden könnte.
149Daran ändert auch nichts, dass die streitgegenständlichen Äußerungen bereits jetzt eine große Verbreitung durch zahlreiche Medien gefunden haben. Denn eine weitere Wiederholung der Äußerungen wäre geeignet, für eine weitere Verbreitung zu sorgen und würde den bereits eingetretenen Schaden dadurch vertiefen.
150III.
151Der Inhalt der getroffenen einstweiligen Anordnung beruht auf § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m.§ 938 Abs. 1 ZPO. Danach bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes der einstweiligen Anordnung erforderlich sind. Unter den vorliegenden Umständen war die aus dem Tenor ersichtliche Anordnung zur Sicherung der Rechte der Antragstellerin geboten. Entsprechend dem Antrag der Antragstellerin droht das Gericht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 928, 890 ZPO ein Ordnungsgeld an,
152vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 4 B 786/17 -, juris Rn. 45.
153Bei der nur entsprechenden Anwendung der Regelung der §§ 928, 890 ZPO gemäß § 123 Abs. 3 VwGO sind die Anforderungen und Besonderheiten zu beachten, die für die Vollstreckung gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften gelten. Dabei kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Hand angesichts ihrer verfassungsrechtlichen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verwaltungsgerichtliche Entscheidungen beachtet und es einer Vollstreckung nur ausnahmsweise bedürfen wird,
154vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 4 B 786/17 -, juris Rn. 47.
155Andererseits sind die Verwaltungsgerichte auch verpflichtet, bei Erlass und Vollstreckung einstweiliger Anordnungen nach § 123 VwGO der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen,
156vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 4 B 786/17 -, juris Rn. 49.
157Gemessen daran hält das Gericht mit Blick auf die gesetzliche Einschätzung des erforderlichen Einwirkens auf Behörden im öffentlich-rechtlichen Bereich die Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000 Euro zur Wahrung wirkungsvollen Rechtsschutzes für angemessen und ausreichend (vgl. auch § 172 VwGO).
158Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
159Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hält angesichts der Bedeutung der Äußerungen für die Antragstellerin unter Berücksichtigung des angedrohten Ordnungsgeldes einen Streitwert in der Hauptsache - für die von den Eilanträgen ebenfalls umfassten Klageanträge - von 40.000 Euro für angemessen. Wegen der jedenfalls zeitlichen Vorwegnahme der Hauptsache hat das Gericht nicht - wie sonst in Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes üblich - lediglich die Hälfte des Streitwerts der Hauptsache festgesetzt.
160Rechtsmittelbelehrung
161Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
162Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
163Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
164Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der § § 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) wird hingewiesen.
165Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
166Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
167Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
168Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
169Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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