Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (1. Kammer) - 1 A 106/10

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Stufen in der Besoldungsgruppe A BBesO und begehrt eine höhere Besoldung.

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Die am D. geborene Klägerin ist Steueramtfrau. Sie wurde mit Wirkung vom 1. September 2006 vom Bundesland Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen an das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen E. versetzt. Eingewiesen wurde sie in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 BBesO. Ihre Bezüge erhielt sie entsprechend ihres festgesetzten allgemeinen Dienstalters (Juli 1990) zunächst aus der Stufe 7 und seit dem 1. Juli 2007 aus der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 11 BBesO.

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Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 legte sie gegen ihre Gehaltsmitteilung für Dezember 2009 Widerspruch gegen die Höhe ihrer Besoldung ein. Das Landesarbeitsgericht Hessen habe entschieden, dass die nach Altersstufen gestaffelte Höhe der Vergütung wegen unmittelbarer Benachteiligung des Alters im Sinne der §§ 1, 3 AGG unwirksam sei. Diese Unwirksamkeit könne nur dadurch beseitigt werden, dass alle aus der höchsten Altersstufe besoldet würden. Diese Grundsätze würden auch für Beamte Geltung beanspruchen. Ihr seien daher rückwirkend ab 1. September 2006 Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 11 BBesO Stufe 12 zu zahlen.

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Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2010 (zugestellt am 11. Februar 2010) zurück. Sie legte dar, dass die Gewährung des Grundgehaltes nach Stufen nicht gegen das AGG wegen unmittelbarer Benachteiligung aufgrund des Alters verstoße. Durch die Bindung an das Dienstalter, die Modifizierungen beim „Vorrückensprinzip“ und die Einführung von Leistungsgesichtspunkten könne eine Altersdiskriminierung nicht mehr festgestellt werden. Soweit für den Zeitraum 2006 bis 31. Dezember 2008 rückwirkend eine höhere Besoldung begehrt werde, scheitere dieser Anspruch bereits daran, dass er nicht zeitnah während des laufenden Haushaltsjahres geltend gemacht worden sei.

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Am 10. März 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren Vortrag aus dem Vorverfahren.

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Die Klägerin beantragt,

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den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 3. Februar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Besoldung seit dem 1. Januar 2009 nach der Niedersächsischen Besoldungsgruppe A 11 Stufe 12 nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Der traditionellen Bemessung des Grundgehalts nach Stufen liege die Vorstellung zugrunde, dass mit steigender Berufserfahrung auch qualifiziertere Leistungen verbunden seien. Daher beruhten die Gehaltsstufen nicht auf einem reinen Lebensaltersprinzip und seien daher nicht rechtswidrig.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, ab dem 1. Januar 2009 aus der höchsten Besoldungsstufe (Stufe 12) in der Besoldungsgruppe A 11 NBesG (Anlage 2) besoldet zu werden. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 3. Februar 2010 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin mithin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Grundlage für die Besoldung der Klägerin als niedersächsische Landesbeamtin ist seit dem 1. Januar 2009 das Niedersächsische Besoldungsgesetz (NBesG) vom 7. November 2008. Nach § 1 Abs. 3 NBesG gelten für die Besoldung und Versorgung die bis zum 31. August 2006 gültigen bundesrechtlichen Vorschriften fort, soweit sich aus dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz - wie hier - nichts anderes ergibt. Gemäß § 27 BBesG in der am 31. August 2006 geltenden Fassung wird das Grundgehalt der Beamten nach Stufen bemessen. Der Aufstieg in den Stufen bemisst sich nach dem Besoldungsdienstalter und ergänzend nach Leistungsstufen. Diese Leistungsstufen werden festgesetzt, wenn der Beamte dauerhaft herausragende Leistungen erbringt. Er erreicht dann die nächste Besoldungsstufe früher. Nach § 28 BBesG beginnt das Besoldungsdienstalter mit dem ersten des Monats, in dem der Beamte das 21. Lebensjahr vollendet hat. Das Besoldungsdienstalter steigt bis zur 5. Stufe im Abstand von 2 Jahren, bis zur 9. Stufe im Abstand von 3 Jahren darüber hinaus im Abstand von 4 Jahren (§ 27 Abs. 2 BBesG). Zeiten ohne Besoldung nach dem 31. Lebensjahr schieben das Besoldungsdienstalter hinaus, es sei denn, der Beamte ist anderweitig für einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber tätig, ist im dienstlichen oder öffentlichen Interesse beurlaubt, erzieht Kinder, pflegt Angehörige, oder konnte aufgrund einer nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz anerkannten Verfolgung einer Tätigkeit für einen öffentlichen Dienstherrn nicht nachgehen (§ 28 Abs. 2 und 3 BBesG).

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Nach diesen gesetzlichen Regelungen ist die Besoldung der Klägerin aus der 8. Stufe nicht zu beanstanden. Sie entspricht dem Gesetz; die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Besoldung aus einer höheren Stufe liegen - was auch die Klägerin nicht bestreitet - nicht vor.

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§ 27 BBesG in der am 31. August 2006 geltenden Fassung verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen das auf verschiedenen europarechtlichen Richtlinien beruhende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und gegen die dortigen Regelungen zum Schutz vor Altersdiskriminierung.

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Zwar scheidet ein Verstoß nicht schon deshalb aus, weil das Bundesbesoldungsgesetz als spezielleres Gesetz dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vorginge (so VG Berlin, Urt. v. 24.6.2010 - 5 K 17.09 -, juris). Aus § 24 AGG ergibt sich vielmehr eindeutig, dass die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch für Beamtinnen und Beamte entsprechend gelten, wenn auch unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung.

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Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG und der Richtlinie 2000/78/EG liegt eine grundsätzlich unzulässige unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - hier: des Alters - eine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Mit dem Begriff des Alters ist dabei das Lebensalter gemeint, wie die Begründung zum Gesetzentwurf klarstellt. Geschützt wird somit gegen ungerechtfertigte unterschiedliche, an das Lebensalter anknüpfende Behandlungen (vgl. BT-Drs. 16/1780). Eine solche Anknüpfung an das Lebensalter der Beamten liegt in Niedersachsen bei der Besoldung nach Stufen aber nicht vor.

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Wie bereits dargelegt, bestimmt sich das Grundgehalt der niedersächsischen Beamten nach Stufen, wobei sich die Stufen wiederum nach dem Besoldungsdienstalter und der Leistung richten (§ 27 BBesG). Die in § 27 Abs. 3 BBesG vorgesehene Möglichkeit der vorzeitigen Zuordnung zur nächst höheren Stufe bei dauerhaft herausragenden Leistungen stellt eindeutig ein lebensaltersunabhängiges Bemessungskriterium dar. Bei der Bestimmung des Besoldungsdienstalters ist keine derartige Nähe zum Lebensalter zu sehen, als dass darin eine Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters zu sehen wäre (so aber VG Halle, Urteile vom 28.9.2011 - 5 A 63, 64 und 65/10 - , juris). Für die Bestimmung des Besoldungsdienstalters nach § 28 BBesG stehen für die Tätigkeit im Beamtenverhältnis als wertvoll anerkannte Berufserfahrungen - einschließlich solcher mit anerkannter Sozialrelevanz - im Vordergrund, während das Lebensalter der Beamten lediglich einen pauschalierenden Berechnungsfaktor bildet (vgl. § 28 Abs. 1 BBesG), dessen Konkretisierung durch den individuellen beruflichen Werdeganges folgt (§ 28 Abs. 2 und 3 BBesG). Die Bezogenheit des Besoldungsdienstalters auf die Berufserfahrung zeigt sich danach deutlich darin, dass das Besoldungsdienstalter hinausgeschoben wird, wenn der Beamte ausgewiesen durch einen fehlenden Besoldungsanspruch nicht im Dienst war. § 28 Abs. 2 BBesG trägt damit den abweichenden Ausbildungs- und Berufsverläufen im Hinblick auf Dienstleistungs- und Diensterfahrungsdefizite der Späternannten, Beurlaubten oder Ferngebliebenen Rechnung. Während, wenn der Beamte anderweit vergleichbare Berufserfahrung sammelte - neben solchen einer öffentlichen Belangen dienenden oder im dienstlichen Interesse liegenden Beurlaubung auch Zeiten der sozialrelevanten, entsprechende kompetenzfördernden Kindererziehung oder der tatsächlichen Pflege pflegebedürftiger Angehöriger als geeignet angesehen werden (so VG Weimar, Urteil vom15.11.2011 - 4 K 1163/10WE -, juris). Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die im Beamtenrecht bei bestimmten Besoldungsgruppen vorgesehene Zahlung des Grundgehaltes nach Stufen auch Ausfluss der Besonderheiten des Beamtenrechts und des Grundsatzes der Alimentierung sind. Wegen dieser Unterschiede lässt sich daher die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 10.11.2011 - 6 AZR 481/09, juris), die aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 8.9.2011 - C-297/10 und C-298/10, juris) ergangen ist, auf die Beamtenbesoldung nach Stufen nicht übertragen.

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Selbst wenn man aber von einer mittelbaren Ungleichbehandlung bei der Bestimmung des Grundgehaltes nach Stufen ausgehen wollte, wäre diese bei der Beamtenbesoldung nicht rechtswidrig. Denn sowohl die Europäische Richtlinie 2000/78/EG als auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erlauben eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich seien (§ 10 AGG). Diese Voraussetzungen sind bei der Bemessung des Grundgehalts der niedersächsischen Beamten nach Stufen erfüllt. Als legitimes Mittel ist in den Vorschriften auch die Berücksichtigung der Berufserfahrung genannt. Dass mit dem Aufstieg in den Besoldungsstufen nach einer bestimmten Anzahl von Jahren verfolgte Ziel, die Berufserfahrung zu honorieren, ist legitim. Denn Berufserfahrung darf honoriert werden, wenn sie den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten. Ist dies der Fall, bedarf die Ungleichheit des Entgelts aufgrund der Anwendung des Dienstalterkriteriums grundsätzlich keiner besonderen Rechtfertigung (vgl. EuGH, Urt. v. 3.10 2006 - C-17/05 -, Cadman). Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist nämlich in der Regel zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten. Denn das Dienstalter geht mit der Berufserfahrung einher, und diese befähigt den Arbeitnehmer im Allgemeinen, seine Arbeit besser zu verrichten. Angesichts des weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers (vgl. EuGH, Urt. 16.10.2007 - C-411/05 -, Palacios de la Villa) und der Besonderheiten des beamtenrechtlichen Dienstverhältnisses ist die in §§ 27 und 28 BBesG vorgenommene Stufenregelung nach dem Besoldungsdienstalter und nach Leistung angemessen, legitim und erforderlich im Sinne des § 10 AGG.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

 


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