Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (2. Kammer) - 2 A 627/17

Tatbestand

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Die Klägerin ist die Stadt D., die im Landesraumordnungsprogramms Niedersachsen (LROP) als Mittelzentrum eingestuft ist. Die Beigeladene betreibt im Stadtgebiet der Klägerin das „E. D.“ (im Folgenden: das DOS), ein Hersteller-Direktverkaufszentraum (HDV) oder. sog. Factory Outlet Center (FOC). Die Beteiligten streiten sich über die raumordnerische Zulässigkeit der Erweiterung des DOS bzw. über die Möglichkeit, die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Erweiterung, ggfs. im Wege einer Zielabweichung, zu schaffen.

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Die Beigeladene betreibt das DOS derzeit auf Grundstücken mit einer Gesamtgröße von 84.500 m²; die aktuelle Verkaufsfläche beträgt 9.900 m². Diese Flächen liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „F. D.“, der auf den Flächen des DOS ein Sondergebiet festsetzt. Aufgrund von Optionsverträgen D. kann die Beigeladene weitere angrenzende Flächen in einer Größenordnung von ca. 110.000 m² erwerben; diese neuen Flächen sind größtenteils unbeplant und liegen im Außenbereich. Der Flächennutzungsplan stellt diese Flächen als Wald dar.

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Der Zulassung des DOS auf Grundlage des Bebauungsplans „G. D.“ ging eine wechselvolle Planungsgeschichte voraus. Das Landesraumordnungsprogramm 1994 enthielt keine besonderen Festlegungen zur Regulierung von HDV. Es gab lediglich eine generell für Einzelhandelsgroßprojekte geltende Planaussage, wonach Umfang und Zweckbestimmung von Einzelhandelsgroßprojekten der jeweiligen Stufe der Zentralen Orte zu entsprechen hätten; durch derartige Projekte dürften zudem ausgeglichene Versorgungsstrukturen nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

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Im Jahr 1999 wurde das Verfahren zur Änderung des LROP mit dem Ziel eingeleitet, das sog. Zentrale-Orte-Konzept, durch das, grob gesagt, Einzelhandelsgroßprojekte bestimmten Orten entsprechend ihrer Bedeutungsklasse zugeordnet werden, insgesamt neu zu fundieren. Anlass war u. a. die schon in die 90er Jahre zurückreichende Absicht der Beigeladenen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, im Stadtgebiet der Klägerin ein HDV – das DOS – zu errichten und die damit verbundenen Auseinandersetzungen über die raumordnungsrechtliche Bewertung derartiger Projekte. Zielvorstellung der Beigeladenen war damals ein HDV mit einer Verkaufsfläche von 20.000 m².

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Noch vor Abschluss des LROP-Änderungsverfahrens beschloss der Rat der Klägerin am 12. Juli 2000, ihren Flächennutzungsplan zu ändern, um durch Darstellung einer Sonderbaufläche für Handel die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung des DOS mit einer Verkaufsfläche von 20.000 m² im östlich des Stadtkerns gelegenen Ortsteil Harber zu schaffen. Im Parallelverfahren verfolgte die Klägerin die Aufstellung zweier vorhabenbezogener Bebauungspläne, die die Errichtung eines Hersteller-Direktverkaufszentrums mit einer Verkaufsfläche von zunächst 10.000 m² in einer ersten Ausbaustufe, sodann in einer zweiten Ausbaustufe von insgesamt 20.000 m² vorsahen.

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Am 27. Juli 2000 beantragte die Klägerin die Genehmigung des Flächennutzungsplans, die auf Weisung der Landesregierung abgelehnt wurde. Die hiergegen gerichtete Klage wurde im Jahr 2005 vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht abgewiesen, weil dem Vorhaben nunmehr Ziele der Raumordnung entgegenstanden. Zwischenzeitlich war nämlich am 10. Dezember 2002 nach Durchführung des LROP-Änderungsverfahrens ein veränderter LROP (LROP 2002) in Kraft getreten. Dieser enthielt in Abschnitt 2.3 Ziff. 03 Satz 11 LROP 2002 ein neues Ziel der Raumordnung, das die Ansiedlung von HDVs nur noch in Oberzentren an städtebaulich integrierten Standorten zuließ. Der Flächennutzungsplan der Klägerin, als Mittelzentrum, der die Ansiedlung des DOS in ihrem Stadtgebiet ermöglichen sollte, war darum nicht mehr genehmigungsfähig (s. Nds. OVG, Urt. v. 1.9.2005 - 1 LC 107/05 -, juris Rn. 124).

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Die Beigeladene und die Klägerin bemühten sich gleichwohl weiterhin um die Ansiedlung des DOS auf dem Stadtgebiet der Klägerin. Die Klägerin stellte zunächst einen Zielabweichungsantrag bezüglich des nach der Änderung des LROP dem DOS nunmehr entgegenstehenden Ziels der Raumordnung. Parallel fanden weitere Verhandlungen statt, die schließlich in einen Kompromiss mündeten: In dem im Jahr 2008 geänderten und neu bekannt gemachten LROP (LROP 2008) wurde die im Jahr 2002 aufgenommene Sonderregelung für HDV wieder gestrichen. Stattdessen unterwarf der LROP 2008 diese Vertriebsform grundsätzlich demselben beschränkenden Regime wie sonstige großflächige Einzelhandelsgroßprojekten. Insbesondere wurden diesbezüglich folgende Ziele der Raumordnung festgelegt:

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- Das Kongruenzgebot, demzufolge Verkaufsfläche und Warensortiment der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich des jeweiligen Zentralen Ortes entsprechen müssen.

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- Integrationsgebot sowie Konzentrationsgebot, die Einzelhandelsgroßprojekte nur innerhalb städtebaulich integrierter Lagen und innerhalb der zentralen Siedlungsgebiete zulassen.

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- Das Beeinträchtigungsverbot, wonach Einzelhandelsgroßprojekte u. a. die Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte nicht wesentlich beeinträchtigen dürfen.

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Überdies wurde in das LROP 2008 in Abschnitt 2.3 Ziff. 03 Sätze 10 ff. LROP 2008 eine ebenfalls als Ziel der Raumordnung gekennzeichnete Regelung speziell für ein HDV in der Lüneburger Heide aufgenommen:

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„In der überregional bedeutsamen Tourismusregion Lüneburger Heide soll die touristische Entwicklung auch durch Ausschöpfung der Möglichkeiten einer verträglichen Kombination von touristischen Großprojekten und Einzelhandelsgroßprojekten gestärkt werden, sofern diese keine entwicklungshemmenden Beeinträchtigungen für die vorhandenen innerstädtischen Einzelhandelsstrukturen der im Einzugsbereich befindlichen Oberzentren, Mittelzentren und Grundzentren mit mittelzentraler Teilfunktion mit sich bringen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 61 kann in der überregional bedeutsamen Tourismusregion Lüneburger Heide an nur einem Standort ein Hersteller-Direktverkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von höchstens 10.000 m² zugelassen werden, sofern und soweit dieses raumverträglich ist. Die Raumverträglichkeit einschließlich einer genauen Festlegung des Standortes und einer raumverträglichen Sortimentsstruktur des Hersteller-Direktverkaufszentrums ist in einem Raumordnungsverfahren zu klären. Dieses Raumordnungsverfahren ist nach dem Inkrafttreten des Landes-Raumordnungsprogramms durchzuführen. Der Standort dieses Hersteller-Direktverkaufszentrums muss die räumliche Nähe und funktionale Vernetzung mit vorhandenen touristischen Großprojekten haben. Das Hersteller-Direktverkaufszentrum hat sich in ein landesbedeutsames Tourismuskonzept für die überregional bedeutsame Tourismusregion Lüneburger Heide einzufügen, in welchem auch die Wechselwirkungen zwischen touristischen Großprojekten und Einzelhandelsgroßprojekten berücksichtigt werden, sofern ein raumverträglicher Standort gefunden wird. Sollte im Raumordnungsverfahren die Raumverträglichkeit eines Hersteller-Direktverkaufszentrums nachgewiesen werden, so sind die hierfür im Raumordnungsverfahren definierten Bedingungen, insbesondere zur Sortimentsstruktur und zur Integration in das Tourismuskonzept, in einem raumordnerischen Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen, der Standortgemeinde und dem Projektbetreiber näher festzulegen.“

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Zur Begründung dieser Regelung führte der Plangeber 2008 u.a. aus, diese Festlegung trage der Erkenntnis Rechnung, dass neue Vertriebsformen im großflächigen Einzelhandel wie etwa HDV insbesondere in räumlicher Nähe und funktionaler Vernetzung mit touristischen Angeboten und Einrichtungen nicht nur Kaufkraft umlenkten, sondern an geeigneten Standorten auch die Frequenz der touristischen Einrichtungen steigern und die touristische Attraktivität einer Region insgesamt erhöhen könnten. Es sei zu berücksichtigen, dass Eventshopping mittlerweile eine selbständige Freizeitbeschäftigung sei; gerade Innenstädte kleinerer Orte in überregional bedeutsamen Tourismusregionen seien aber häufig nicht in der Lage, diesen Erwartungen gerecht zu werden.

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Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 beantragten die Klägerin und die Beigeladene die Durchführung eines Raumordnungsverfahren zur Prüfung der raumordnerischen Verträglichkeit der Ansiedlung des DOS im Gemeindegebiet der Klägerin. Als Ergebnis des daraufhin eingeleiteten Raumordnungsverfahrens wurde unter dem 2. Februar 2009 landesplanerisch festgestellt, dass das DOS am vorgesehenen Standort mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung vereinbar sei, sofern weitere, im Einzelnen dargelegte Maßgaben beachtet würden. Insbesondere sollte die Gesamtverkaufsfläche des DOS in D. dauerhaft auf maximal 9.900 m² beschränkt werden. Weitere Vorgaben betrafen beispielsweise die Sortimentsstruktur des DOS. Gemäß § 16 Abs. 3 NROG a. F. (§ 11 NROG Abs. 2 Satz 1 NROG n. F.) war die landesplanerische Feststellung zu befristen. In Umsetzung dieser Vorschrift befristete die Beklagte die landesplanerische Feststellung auf drei Jahre und begründete dies damit, dass die der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen, wie die innerstädtische Entwicklung und die Entwicklung im Einzelhandel und Tourismus, vergleichsweise schnellen Veränderungen unterlägen. Die Frist sei gehemmt, solange ein vor Fristablauf eingeleitetes Zulassungsverfahren für das Vorhaben nicht mit einer bestandskräftigen Entscheidung abgeschlossen sei.

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Am 28. Mai 2009 schlossen die Beteiligten und der Landkreis Heidekreis einen raumordnungsrechtlichen Vertrag, in dem die Vorgaben der landesplanerischen Feststellung und weitere Einzelheiten insbesondere zur Sortimentsstruktur und zur Integration des Tourismuskonzepts festgeschrieben wurden. In der Präambel heißt es:

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„Der vorliegende raumordnerische Vertrag dient der rechtlichen Absicherung der Umsetzung der Vorgaben aus dem Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen (im Folgenden: LROP) in der Fassung vom 5. April 2008 und aus den Maßgaben der Landesplanerischen Feststellung vom 2. Februar 2009. Die Umsetzung dieser Vorgaben ist Voraussetzung für die Raumverträglichkeit der Ansiedlung und des Betriebs eines Hersteller-Direktverkaufszentraums (im Folgenden: HDV) auf der Gemarkung der Stadt D. am Standort Harber und für die Rechtmäßigkeit der Bauleitplanung der Stadt D..

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Gemäß 2.3 03 Satz 16 LROP dienen die vertraglichen Regelungen der Sicherstellung der Beachtung des Beeinträchtigungsverbotes aus 2.3 03 Satz 19 LROP, wonach das geplante HDV die Funktionsfähigkeit der zentralen Orte und integrierten Versorgungsstandorte sowie die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung nicht beeinträchtigen darf, der Sicherstellung der Beachtung der Ziele aus 2.2 03 Satz 2 LROP, wonach die Leistungsfähigkeit der Zentralen Orte zu sichern und zu entwickeln ist und der Sicherstellung der Umsetzung der Ziele aus 2.3 03 Sätze 10, 14, 15 LROP, welche die Integration des geplanten HDV in das touristische Konzept der überregional bedeutsamen Tourismusregion Lüneburger Heide und die Vernetzung des Zentrums mit den vorhandenen touristischen Großprojekten betreffen.

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Durch die vertraglichen Regelungen soll die dauerhafte konzepttreue Umsetzung des im Raumordnungsverfahren geprüften und unter Maßgabe für verträglich erklärten Vorhabens gesichert werden.“

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In § 1 des Raumordnerischen Vertrages verpflichtet sich die Beigeladene u. a.,

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„das geplante Vorhaben so zu errichten und zu betreiben, dass die Gesamtverkaufsfläche von 9.900 m² bei maximaler Größe der einzelnen Verkaufsstätten von 750 m² nicht überschritten wird.“

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§ 6 des Raumordnerischen Vertrages sieht die kontinuierliche Durchführung eines Monitorings der Auswirkungen des DOS wie folgt vor:

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„Das Monitoringkonzept umfasst den jährlichen Nachweis über die Einzugsbereiche des HDV und eine jährliche Befragung der Besuchermotivation für zehn Jahre. Vor Eröffnung, ein Jahr nach Eröffnung und im 5. und 10. Jahr der Inbetriebnahme erfolgt eine Vergleichsuntersuchung der Bestandssituation im Einzelhandel und der Gastronomie incl. Beherbergungsgewerbe in der Standortgemeinde und im näheren Einzugsbereich.

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Sodann leitete die Klägerin ein Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans ein; noch vor Inkrafttreten des Bebauungsplans „H.“ erteilte der Landkreis Heidekreis wegen Planreife am 8. Juni 2010 die Baugenehmigung für die Errichtung eines HDV – des DOS – in D.. Die Rechtsschutzanträge der Nachbargemeinde Bispingen gegen Baugenehmigung und Bebauungsplan blieben in allen Instanzen erfolglos (gegen die Baugenehmigung: VG Lüneburg, Beschl. v. 9.11.2010 - 2 B 54/10 -, juris und Nds. OVG, Beschl. v. 18.2.2011 -1 ME 252/10 -, juris; gegen den Bebauungsplan: Nds. OVG, Beschl. v. 25.4.2012 - 1 KN 215/10 -, juris und BVerwG, Beschl. v. 13.11.2012 - 4 BN 30/12 -, juris).

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Am 30. August 2012 wurde das DOS eröffnet und ist seither in Betrieb. Mit der Durchführung des im raumordnerischen Vertrag vorgesehenen Monitorings wurde das Unternehmen e... beauftragt. In dem Monitoring-Bericht zu den Auswirkungen des DOS nach dem fünften Betriebsjahr (Gutachten v. 28.09.2017) wird als Fazit ausgeführt.

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„Zusammenfassend bestätigt der vorliegende Monitoring-Bericht, dass im fünften Betriebsjahr des Designer Outlet D. der Einzelhandel in den zentralen Orten im Untersuchungsgebiet nur noch in sehr geringem Maße von weiteren Umsatzrückgängen konfrontiert war, welche ursächlich auf das Outlet Center zurückzuführen sind. Wenngleich grundsätzlich gewisse zeitlich verzögernde Effekte nicht auszuschließen sind und Auswirkungen z.B. in der Form von Geschäftsaufgaben betroffener Betriebe sich nicht immer unmittelbar, sondern z.T. auch erst in der längerfristigen Perspektive bemerkbar machen, so ist doch festzustellen, dass auch nach einer nun fünfjährigen Betriebszeit des DOS keine nachhaltig negativen Auswirkun-gen auf die Funktionsfähigkeit und Angebotsvielfalt der innerstädtischen Geschäftslagen in der Region nachweisbar sind. Auch hat die Versorgungsfunktion der zentralen Orte durch das DOS nicht gelitten. Im Gegenteil: höherrangige zentrale Orte mit ausgebautem Markenbesatz – und hier insbesondere Lüneburg – haben in dieser Zeit das entsprechende Angebot qualitativ und quantitativ mehr o-der weniger stark ausgebaut. Bei anderen zentralen Orten ist zumindest keine wesentliche Verschlechterung des Angebots erkennbar und bei wiederum anderen, welche z.T. mit einem Ausdünnen des Besatzes und einer zunehmende Leerstandsproblematik konfrontiert sind, sind die Ursachen u.a. in einer rückläufigen Bevölkerungszahl und damit in einer Schrumpfung des zur Verfügung stehenden Kaufkraftvolumens zu sehen und nicht in Wettbewerbswirkungen durch das DOS. Hier ist zudem zu beachten, dass – typisch für ländliche Räume mit einer nur limitierten Breite und Tiefe des Einzelhandelsangebotes im mittel- und langfristigen Bedarfsbereich – zunehmend auch der Online-Handel Marktanteile zu Lasten des stationären Handels gewinnt. Darüber hinaus haben seit 2012 auch weitere Outlet Center bzw. Off-Price-Verkaufsformen im regionalen Umfeld eröffnet (Dodenhof Outlet in Posthausen) oder erweitert (Outlet Center in Stuhr-Brinkum, Designer Outlet Wolfsburg, Designer Outlet in Neumünster) und strahlen nun verstärkt auch in das Einzugsgebiet des DOS bzw. stehen mit diesem im Wettbewerb. In dieser sich insgesamt somit zunehmend verschärfenden Wettbewerbssituation hat das DOS bislang – wenn überhaupt – einen beschleunigenden Effekt auf einen anhaltenden Strukturwandel gehabt, ist aber keinesfalls als Ursache eines sog. „trading down“, von Ladenleerständen, Veränderungen des Branchenmix oder einem Ausdünnen des Angebotes zu sehen. In Anbetracht der vorliegenden umfangreichen empirischen Daten zum Einzelhandelsbestand im gesamten regionalen Umfeld des DOS sowie zu den durch das DOS ausgelösten Kaufkraftströmen im Raum kann das mit bereits großer Sicherheit konstatiert werden.“

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Zur Umsatzleistung des DOS heißt es in dem Gutachten vom 28. September 2017 auf Seite 100:

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„Im Betriebsjahr 2015 / 2016 hat das Designer Outlet D. einen Einzelhandelsumsatz von insgesamt

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I. EUR

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generiert hat (sic), was bei einer Verkaufsfläche von ca. 9.258 m² einer Flächenproduktivität von J. € / m² entspricht. Im 1. Betriebsjahr hatte der Umsatz ca. K. € betragen, im 2. Betriebsjahr kam es dann zu einem Umsatzrückgang um ca. L. €.3 Der erneute Umsatzzuwachs des DOC D. im vierten Betriebsjahr zeugt von einer zwischenzeitlich wieder erfolgten Konsolidierung der Marktposition des Centers.

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Die Flächenleistung des DOS ist im Vergleich zum ersten Betriebsjahr leicht gesunken (Flächenleistung 2013: ca. M. € / m² VK), stellt im Vergleich mit anderen Outlet Centern in Deutschland und Europa aber noch immer einen guten Wert dar. Hier machen sich nach Einschätzung von e... auch weiterhin die aus betrieblicher Sicht sehr guten Standorteigenschaften des DOS unmittelbar an einer hochfrequentierten Autobahn und die Lage in einem touristisch geprägten Umfeld bemerkbar. Allerdings hat sich in den letzten Jahren auch die Wettbewerbsintensität im regionalen Umfeld u.a. durch diverse Erweiterungsmaßnahmen bestehender Outlet Center merklich verschärft. So hat im Vergleichszeitraum u.a. das FOC Ochtum Park in Stuhr-Brinkum einen deutlichen Ausbau seiner Outlet Stores vorgenommen und dabei sein Markenangebot ebenso wie seinen Marktauftritt merklich verbessert. So umfasst das Ochtum Park Outlet Center in Stuhr-Brinkum zwischenzeitlich eine Verkaufsflächengröße von ca. 15.000 m². Darüber hinaus hat am Standort Posthausen das Einkaufszentrum Dodenhof im Oktober 2014 sein Angebot um ein ca. 2.200 m² großes „Outlet für Mode und Sport“ erweitert. Nördlich von Hamburg zudem das Designer Outlet Neumünster in einem 2. Bauabschnitt 2015 seine Verkaufsfläche auf insgesamt ca. 20.000 m² erweitert. Außerdem ist im nordöstlich von D. gelegenen Wittenburg ein Raumordnungsverfahren bezüglich der Ansiedlung eines Outlet Centers mit ca. 12.600 m² VK anhängig.

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Die Klägerin und die Beigeladene bemühten sich auch nach Inbetriebnahme des DOS weiterhin um eine Änderung der planerischen Grundlagen im LROP mit dem Ziel, ihrer ursprünglichen Absicht entsprechend eine größere Verkaufsfläche zu ermöglichen. Diese Bemühungen führten aber nicht zum gewünschten Ziel. Das LROP wurde im Jahr 2012 aktualisiert; die Regelungen zum Einzelhandel und zum Zentrale-Orte-Konzept waren hiervon nicht betroffen. Im Jahr 2014 wurde ein Verfahren zur Änderung des LROP eingeleitet. Überarbeitet wurde insbesondere auch das Kongruenzgebot, dessen Ausformung im LROP 2008 das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Jahr 2012 für zu unbestimmt gehalten hatte (s. Begründung zum Entwurf der Änderungsverordnung 2014, S. 3). Ein Entwurf aus dem Jahr 2014 sah geringfügige Änderungen auch an der Ausnahmeregelung für ein HDV in der Lüneburger Heide vor; Grundzentren mit mittelzentraler Teilfunktion sollten von Satz 1 der Ausnahmeregelung, wonach entwicklungshemmende Beeinträchtigungen für die vorhandenen innerstädtischen Einzelhandelsstrukturen ausgeschlossen werden sollten, ausgenommen werden. In dem nach Durchführung des Beteiligungsverfahrens erstellten Entwurf aus dem Jahr 2015 wurde die Änderung aber wieder rückgängig gemacht. Die im Jahr 2017 letztlich beschlossenen Änderungen betrafen u. a. Abschnitt 2.2 (Entwicklung der Daseinsvorsorge und Zentralen Orte) sowie Abschnitt 2.3 (Entwicklung der Versorgungsstrukturen des Einzelhandels). Das im LROP 2008 in Abschnitt 2.3 Ziff. 03 Satz 1 und 2 pauschal für sämtliche Zentrale Orte geltende Kongruenzgebot wurde ausdifferenziert. Es wirkt nunmehr nur noch für Grundzentren generell, d.h. unabhängig von der Art der Sortimente, als Ziel der Raumordnung. Für Mittel- oder Oberzentren hingegen sieht der LROP in seiner Fassung aus dem Jahr 2017 das Kongruenzgebot nur in Bezug auf periodische Sortimente als Ziel der Raumordnung vor; für aperiodische Sortimente, wozu nach der Definition des LROP 2017 Sortimente mit mittel- bis langfristigem Beschaffungsrhythmus, zum Beispiel Bekleidung, Unterhaltungselektronik, Haushaltswaren oder Möbel, zählen, gilt das Kongruenzgebot nur noch als Grundsatz der Raumordnung. Das Integrationsgebot wurde um Ausnahmeregelungen für Einzelhandelsgroßprojekte mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten ergänzt. Die Ausnahmeregelung für ein HDV in der Lüneburger Heide wurde hingegen nur redaktionell angepasst; sie findet sich nunmehr in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP und lautet nun:

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„Abweichend von Ziffer 02 Satz 12 sowie den Ziffern 03 bis 053 kann in der überregional bedeutsamen Tourismusregion Lüneburger Heide an nur einem Standort ein Hersteller-Direktverkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von höchstens 10.000 m² zugelassen werden, sofern und soweit dieses raumverträglich ist.“

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Die diese Regelung flankierenden Vorgaben, wie etwa, dass die Raumverträglichkeit eines solchen Vorhaben einschließlich seines Standortes in einem Raumordnungsverfahren zu klären seien, finden sich in der aktuellen Fassung des LROP 2017 ebenfalls wie schon im LROP 2008. Auch die Begründung der Festlegung wurde nur redaktionell überarbeitet. Im Beteiligungsverfahren zur Änderung des LROP 2017 war eine Berücksichtigung des zum DOS vorliegenden umfangreichen Abwägungsmaterials sowie eine Befassung damit vermisst worden. Die oberste Landesplanungsbehörde erwiderte ausweislich ihrer Planungsunterlagen hierauf wie folgt („Änderung des LROP; Grundlage für die Stellungnahmen zum Entwurf 2015 – Zusammenfassung der im Beteiligungsverfahren eingegangenen Anregungen und Bedenken“, Stand. 22.3.2016, S. 133, im Verfahren vorgelegt als Anlage K 4):

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„Der obersten Landesplanungsbehörde sind insbesondere die Monitoring und Controlling-Berichte zum DOC bekannt. Es wird kein Anlass gesehen, die bestehende Ausnahmeregelung […] für ein Hersteller-Direktverkaufszentrum in der Lüneburger Heide zu ändern, da sie erst vor wenigen Jahren ins LROP aufgenommen wurde. Im Rahmen des raumordnerischen Vertrages wurde ein Monitoringkonzept vereinbart, um für einen Zeitraum von 10 Jahren die tatsächlichen Auswirkungen des DOC auf Einzelhandel und Tourismus im Einzugsbereich zu untersuchen. Ein erstes Zwischenfazit des Monitorings ist, dass sich die raumordnerischen Regelungen zur Begrenzung der negativen Auswirkungen bewährt haben, weshalb diese Regelungen als angemessen und zielführend gelten und auch zukünftig beibehalten werden sollen. Letztlich stünde eine Anpassung der Ausnahmeregelung auch im Widerspruch der auf 10 Jahre angelegten Konzeption des regionalen Monitorings. Im Übrigen ist die o.g. Regelung auch nicht Gegenstand des LROP-Änderungsverfahrens.“

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Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 stellten die Klägerin und die Beigeladene einen Antrag auf Zielabweichung zur Erweiterung der Verkaufsfläche auf insg. 19.800 m². Dieser Antrag bezog sich ausdrücklich auf Abschnitt 2.3 Ziffer 09 Satz 2 LROP. Die Klägerin und die Beigeladene begründeten ihren Antrag mit den veränderten Wettbewerbsbedingungen, die eine Verdoppelung der Verkaufsfläche notwendig machten, um in einem Umfeld gestiegenen Konkurrenzdrucks den Wettbewerbern standhalten und so die dem DOS vom LROP zugewiesene Funktion eines touristischen Leuchtturms weiter ausfüllen zu können. Die Klägerin und die Beigeladene legten ihrem Antrag u.a. eine Verträglichkeitsstudie des Gutachterbüros L. & P. aus dem Februar 2017 („Das Designer Outlet D. (DOS) – Verträglichkeitsgutachten zur Erweiterung“) bei. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass eine Erweiterung des DOS, das sich vor allem auf höherwertige Marken konzentrieren werde, stärker gegen die Kernstädte der umliegenden Metropolregionen Hamburg, A-Stadt und Bremen wirken werde als gegen die regionale Einzelhandelslandschaft, in der kaum Anbieter von höherwertigen Marken vorzufinden seien. Angesichts der somit zu erwartenden nur geringfügigen Angebotsüberschneidungen werde es durch die Erweiterung nicht zu städtebaulich oder raumordnerisch relevanten Auswirkungen kommen. In den Städten (Lüneburg und Celle), die teilweise ähnliche Angebote in der Einzelhandelslandschaft aufwiesen wie das DOS, blieben die zu erwartenden Umsatzrückgänge unterhalb des kritischen 10%-Schwellenwerts und überstiegen einen Rückgang von 2% nicht. In einem weiteren Gutachten („Einschätzungen zur Marktposition des Designer Outlet Center D.“, März 2017) führen die Gutachter aus, das DOS weise sowohl im nationalen/internationalen Vergleich als auch insbesondere im Vergleich mit den umliegenden Outlet-Centern in Norddeutschland eine vergleichsweise geringe Verkaufsflächengröße auf, weshalb das DOS im Wettbewerb erheblich benachteiligt sei. Ein trading down im Markenbesatz sei die anzunehmende Folge. Ohne signifikante Verkaufsflächenerweiterung könne nicht ausgeschlossen werden, dass das DOS seine Wettbewerbsfähigkeit vollständig verliere, was negative Folgen insbesondere für den Tourismussektor habe, der von den Kundenzuführungseffekten des DOS profitiert habe.

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Mit Bescheid vom 2. November 2017 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Abweichung vom Ziel der Raumordnung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP ab; mit Bescheid vom 26. Januar 2018 folgte die Antragsablehnung gegenüber der Beigeladenen (s. dazu das Urteil der Kammer vom heutigen Tag, 2 A 92/18). Zur Begründung der Ablehnung des klägerischen Antrags führte die Beklagte in dem Bescheid aus: Eine Zielabweichung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es keine neuen oder veränderte (atypische) Aspekte gebe, die eine Abweichung von den Zielen der Raumordnung raumordnerisch vertretbar machten. Vielmehr sei die Erweiterungsabsicht des DOS seit Langem hinlänglich bekannt gewesen. Die Klägerin habe schon 2006 ihrem Antrag auf Abweichung von den damals geltenden Zielen der Raumordnung im Hauptantrag eine Verkaufsfläche von 20.000 m² zugrundegelegt. Im Jahr 2014 habe die Landesregierung anlässlich eines anwaltlichen Gutachtens, in dem ebenfalls von einer Verkaufsfläche von 20.000 m² ausgegangen worden sei, deutlich gemacht, dass sie eine Erweiterung des DOS nicht in Betracht ziehe. Schließlich sei die Regelung im letzten LROP-Änderungsverfahren Gegenstand mehrerer Stellungnahmen gewesen, zu denen der Träger der Landesplanung dahin Stellung genommen habe, es werde kein Anlass gesehen, die Regelung zu ändern, da sie erst vor wenigen Jahren ins LROP aufgenommen worden und auf einen Zeitraum von 10 Jahren angelegt sei, in dem die Auswirkungen des DOS auf Einzelhandel und Tourismus untersucht werden sollten. Insoweit komme den raumordnerischen Festlegungen sowie dem diese flankierenden raumordnerischen Vertrag Modellcharakter zu; es sollten belastbare Erkenntnisse für zukünftige Einzelhandelsgroßprojekte im Zusammenhang mit touristischen Einrichtungen gesammelt werden. Das werde durch die beantragte Zielabweichung unterlaufen. An der raumordnerischen Vertretbarkeit der Abweichung fehle es auch deshalb, weil die Raumverträglichkeit des Vorhabens nicht feststehe; insbesondere liefere das bei der Antragstellung vorgelegte „einfache“ Verträglichkeitsgutachten der Firma L. & P. den Nachweis der Verträglichkeit nicht, zumal es methodische Mängel aufweise. Die beabsichtigte Erweiterung laufe zudem den Maßgaben der raumordnerischen Feststellung von 2009 zuwider, derzufolge die Verkaufsfläche dauerhaft auf max 9.900 m² zu beschränken sei. Außerdem würden durch die begehrte Zielabweichung die Grundzüge der Planung berührt, zu denen neben den klassischen Festlegungen des Zentrale-Orte-Prinzips (Kongruenzgebot, Konzentrationsgebot, Integrationsgebot, Beeinträchtigungsverbot, Abstimmungsgebot) als zentraler Bestandteil auch die Ausnahmeregelung für ein HDV in der Lüneburger Heide mit ihren eng umgrenzten Voraussetzungen und ihrer Beschränkung auf eine Verkaufsfläche von 10.000 m² zähle. Eine Abweichung von diesen Vorgaben sei nicht im Wege der Zielabweichung möglich, sondern setze aufgrund der mannigfaltigen berührten Interessen eine Planänderung voraus. Auf die angeblich für das DOS veränderte Wettbewerbssituation komme es mithin nicht an. Zum einen sei diese schon im Zeitpunkt der planerischen Feststellung vom 2. Februar 2009 klar einschätzbar gewesen; zum anderen sei es nicht Aufgabe der Raumordnung, die Wettbewerbsfähigkeit des DOS zu sichern. Denn das LROP weise dem DOS mitnichten einen Versorgungs- oder Entwicklungsauftrag zu. Dies folge insbesondere nicht daraus, dass zum Zwecke der Tourismusförderung eine Ausnahme für das DOS im LROP aufgenommen worden sei. So habe die Ausnahmeregelung nur nach Durchführung eines Raumordnungsverfahrens in Anspruch genommen werden können. Als Ergebnis des Raumordnungsverfahren hätte aber durchaus stehen können, dass ein HDV in der Lüneburger Heide nicht in Betracht komme, so dass die Ausnahmeregelung gänzlich leergelaufen wäre. Die Erweiterung der Verkaufsfläche komme schließlich deshalb nicht in Betracht, weil hierdurch der Ausnahmecharakter der Regelung in Frage gestellt und das Begehren nach weiteren Sonderstandorten für großflächigen Einzelhandel auf der grünen Wiese geweckt würde.

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Am 5. Dezember 2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor: Die Wettbewerbssituation des DOS habe sich so grundlegend verändert, dass die dem DOS vom LROP zugewiesene Funktion als touristischer Leuchtturm in Gefahr sei. Dieser Gefahr könne nur mit einer Erhöhung der Verkaufsfläche begegnet werden. Insofern sei unter Berücksichtigung der Vorgeschichte des DOS zu erwägen, ob die in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP vorgesehene maximale Verkaufsfläche im Wege ergänzender Auslegung zu erhöhen oder aber wegen Abwägungsfehlern unwirksam sei. Die Rechtskraft des Urteils des Niedersächsische Oberverwaltungsgericht vom 25. April 2012, in dem sich dieses mit der Rechtswirksamkeit der hier maßgeblichen Ziele auseinandergesetzt habe, stehe der Annahme einer Unwirksamkeit der Ziele im nunmehr aktuellen LROP 2017 nicht entgegen, weil sich die Ausführungen des Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auf das LROP 2008 bezogen hätten. Die Verkaufsflächenbegrenzung sei mittlerweile nicht mehr sachgerecht. Während bei Aufstellung des LROP 2008 keine Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, ein HDV mit einer Verkaufsfläche von 10.000 m² könne die ihm zugedachte Funktion als touristischer Leuchtturm nicht erfüllen, sei dies aufgrund der nunmehr veränderten Konkurrenz- und Wettbewerbssituation zweifelhaft. 2008 habe es kein HDV mit einer Verkaufsfläche von mehr als 10.000 m² im Einzugsbereich des DOS gegeben. Das sei mittlerweile anders; so hätten die HDV in Neumünster, Wolfsburg, Stuhr sowie die Einzelhandelsagglomeration Dodenhof mind. 20.000 m² Verkaufsfläche; überdies seien in Mecklenburg-Vorpommern weitere HDV in Planung. Diese veränderte Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation hätte der Träger der Landesplanung berücksichtigen müssen, ebenso wie den Umstand, dass die Festlegung der Obergrenze im Jahr 2008 auf Prognosen fußte, nunmehr aber gutachterliche Erkenntnisse vorlägen, die zeigten, dass die befürchteten entwicklungshemmenden Beeinträchtigungen nicht eingetreten seien. Der darauf gründenden Abwägungsfehlerhaftigkeit der Planung könne nicht der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Planungsrechts entgegengehalten werden, denn Wettbewerbsaspekte dürften bei der Planung berücksichtigt werden, das zeige schon die Regelung in § 1 Abs. 6 Nr. 8a BauGB. Die Verkaufsflächenobergrenze verstoße zudem gegen das Gleichbehandlungsgebot, weil sie das DOS anders behandele als beispielsweise die Einzelhandelsagglomeration Dodenhof, für die der Träger der Landesplanung ausweislich der Planaufstellungsunterlagen eine Erweiterung für möglich halte. Und sie verstoße gegen EU-Recht: Denn die Verkaufsflächenobergrenze sei nicht aus zwingenden Gründen des Gemeininteresses gerechtfertigt. Die nunmehr vorliegenden Gutachten dokumentierten, dass die Vermeidung entwicklungshemmender Beeinträchtigungen für die vorhandenen innerstädtischen Einzelhandelsstrukturen der im Einzugsbereich befindlichen Oberzentren, Mittelzentren und Grundzentren mit mittelzentraler Teilfunktion aus den dargelegten Gründen ausgeschlossen sei. Die Zielabweichung sei auch raumordnerisch vertretbar. Die von der Ausnahmeregelung gewollte Ausschöpfung der Möglichkeiten einer verträglichen Kombination von touristischen Großprojekten und Einzelhandelsgroßprojekten setze die Konkurrenzfähigkeit des DOS voraus, die durch eine Anpassung des DOS an die veränderte Wettbewerbssituation entsprechend dem Zielabweichungsantrag erreicht werden solle. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Abweichung noch im Bereich dessen liege, was der Plangeber gewollt hätte, wenn er die veränderte Wettbewerbssituation schon gekannt hätte.

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Die Klägerin beantragt,

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festzustellen, dass Ziele der Raumordnung der durch Bauleitplanung der Klägerin zu verwirklichenden Erweiterung des Herstellerdirektverkaufszentrums (N. D.) nicht entgegenstehen,

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hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. November 2017 zu verpflichten, über den Zielabweichungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

43

Zur Begründung führt sie aus: Grundlegend sei klarzustellen, dass das DOS vom Plangeber des LROP nicht als touristischer Leuchtturm ausgestaltet worden sei, vielmehr habe er dem DOS die Funktion zugewiesen, soweit dies raumverträglich sei, andere touristische Leuchttürme in der Heideregion zur unterstützen. Das bedeute indes nicht, dass das DOS diesen touristischen Leuchttürmen gleichgestellt sei, was sich schon darin zeige, dass das DOS nicht hätte gebaut werden können, wenn das in der Ausnahmeregelung vorgesehene Raumordnungsverfahren anders ausgegangen wäre. Der Plangeber habe keine betriebswirtschaftliche Fürsorge für das DOS übernehmen wollen. Vielmehr sei es das grundsätzliche Anliegen des Plangebers, alle großflächigen Einzelhandelsvorhaben, und damit auch das DOS, mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m² demselben Regelungsregime zu unterstellen. Die angeblich veränderte Wettbewerbssituation rechtfertige die Zielabweichung nicht, denn die relevanten wettbewerblichen Entwicklungen seien schon seit Erlass der Verkaufsflächenbegrenzung im LROP bekannt gewesen. Zudem sei die Behauptung, das DOS benötige im aktuellen Wettbewerb 20.000 m² Verkaufsfläche, um überleben zu können, schlicht falsch. Die Verkaufsflächenobergrenze sei wirksam, insbesondere nicht abwägungsfehlerhaft. Ein Abwägungsfehler könne insoweit schon deshalb nicht vorliegen, weil die Festlegung weder 2012 noch 2017 Gegenstand des Änderungsverfahrens gewesen sei. Der erneuten Überprüfung der Verkaufsflächenobergrenze stehe zudem die Rechtskraft des Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. April 2012 entgegen, denn die Rechtslage habe sich entgegen der Behauptung der Klägerin seit dem LROP 2008 nicht geändert. Es handele sich seit 2008 um ein und dasselbe LROP. Das LROP ergehe als unbefristete Rechtsverordnung, sie enthalte textliche und zeichnerische Regelungen. Diese Regelungen könnten im Rahmen eines förmlichen Verordnungsverfahrens geändert werden (Fortschreibung). Es gebe darum kein „LROP 2008“ und „LROP 2017“, sondern nur das LROP. Nur diejenigen Regelungen, die Gegenstand des Planungsverfahrens würden, würden zur Beteiligung gestellt und Gegenstand einer Abwägung. Regelungen, die der Planungsgeber nicht in das Änderungsverfahren einbezogen habe, gälten inhaltlich unverändert fort. Die hier relevante Festlegung sei im Jahr 2017 rein redaktionell angepasst worden; inhaltlich überprüft worden sei sie nicht. Auch deshalb scheide ein Abwägungsfehler aus, denn das Abwägungsgebot gelte nur „bei der Aufstellung“ von Raumordnungsplänen. Der Einwand, die Verkaufsflächenobergrenze sei nicht einer erneuten Prüfung unterzogen worden, ziele aber auf den Schritt vor der Abwägung. Es gebe jedoch weder einen Anspruch auf Planung noch ein subjektives Abwehrrecht gegen das Unterlassen einer Planung bzw. deren Überarbeitung. Ebensowenig könne man beanspruchen, dass bestimmte Festlegungen in den Verfahrensgegenstand mit einbezogen würden. Eine Zielabweichung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil sich der Plangeber bewusst für die Begrenzung auf 10.000 m² Verkaufsfläche entscheiden habe, und dies bei Kenntnis der angeblich veränderten Wettbewerbssituation ebenso getan hätte bzw. tatsächlich getan habe, denn die Wettbewerbssituation sei 2008 ebenso bekannt gewesen wie die Erweiterungsabsichten des DOS. Der LROP habe 2008 das DOS erst ermöglicht, insofern sei die Flächenbegrenzung kein Eingriff, sondern im Gegenteil eine Privilegierung. Die Ausnahmeregelung enthalte allerdings keine Gewährübernahme für das dauerhafte wirtschaftliche Gelingen. In jedem Fall sei die Zielabweichung nicht das taugliche Instrument zur Durchsetzung der Erweiterung des DOS; denn das Zulassungsregime des DOS könne nicht unabhängig von den übrigen Planfestlegungen geändert werden. Vielmehr erfordere die Erweiterung angesichts der vielfältig betroffenen Interessen eine Planänderung, weil ansonsten durch die Regelung zunächst befriedete Konflikte wieder aufbrechen würden. Diese Entscheidung sei im Wege der konkret-individuellen Zielabweichung nicht zu treffen; vielmehr bedürfe sie abstrakt-genereller planerischer Aufarbeitung.

44

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2018 hat das Gericht die F.O.C. D. GmbH zu dem Verfahren beigeladen. Die Beigeladene, die im vorliegenden Verfahren keinen eigenen Antrag gestellt hat, unterstützt das Vorbringen der Klägerin und trägt wie folgt vor: Sie habe von Beginn an eine Verkaufsfläche von 20.000 m² angestrebt; erst aufgrund der landesplanerischen Beschränkungen habe sie hiervon zunächst Abstand genommen. Mittlerweile habe sich die Wettbewerbssituation so verändert, dass das DOS mit seiner Verkaufsfläche von unter 10.000 m² mittel- bis langfristig nicht überlebensfähig sei. Die dem DOS zugeschriebene Funktion als touristischer Leuchtturm verlange darum eine Verkaufsflächenerweiterung. Rechtlich bestünden erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Zielfestlegung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09. Satz 2 LROP 2017. Die Verkaufsflächenobergrenze von 10.000 m² sei aufgrund eines Abwägungsdefizits unwirksam. Der LROP in seiner Fassung aus dem Jahr 2017 lasse die seit 2008 deutlich veränderte Wettbewerbssituation außer Betracht. Die durchschnittliche Verkaufsflächengröße eines HDV betrage in Deutschland nunmehr zwischen 15.000 m² und 30.000 m². Die drei HDV im Einzugsbereich des DOS (Bremen/Stuhr, Neumünster und Wolfsburg) hätten allesamt eine Verkaufsfläche von 20.000 m². Die Einzelhandelsagglomeration Dodenhof weise sogar mehr als 120.000 m² Verkaufsfläche auf. Größe aber bedeute Attraktivität, die erst dazu führe, dass die Kunden längere Anfahrtszeiten in Kauf nähmen. Aufgrund seiner geringen Größe falle es dem DOS zunehmend schwer, große Marken zu binden. Im schlimmsten Falle drohe der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit; das DOS könne dann nicht mehr, wie vom LROP eigentlich bezweckt, als touristischer Leuchtturm fungieren. Auch nach Auffassung des mit der Durchführung des Monitorings betrauten Unternehmens e... bestehe für das DOS im Hinblick auf seine Verkaufsfläche Handlungsbedarf. Die Festlegung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP 2017 sei trotz der grundlegend veränderten Wettbewerbssituation wortgleich aus dem LROP 2008 übernommen worden, die zugehörige Begründung sei ebenfalls unverändert. Die Verkaufsflächenbegrenzung sei somit nicht unter Einbeziehung aller abwägungsrelevanten Belange und Interessen einer erneuten Prüfung unterzogen worden. Der Verweis der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid darauf, ausweislich der Erwiderung des Plangebers im Rahmen des Beteiligungsverfahrens habe er keinen Anlass gesehen, die bestehende Ausnahmeregelung zu ändern, genüge den Anforderungen des Abwägungsgebots angesichts der veränderten Sachlage nicht. Vielmehr greife die ungeprüft übernommene Verkaufsflächenobergrenze massiv in ihre Eigentums- und Berufsfreiheit ein, was nicht mit dem Verweis auf die angebliche Wettbewerbsneutralität des Planungsrechts beiseite gewischt werden könne. Auch der Belang des Tourismus sei bei der Abwägung verkannt worden. Zudem verstoße die Verkaufsflächenbegrenzung gegen EU-Recht. Ein zwingender Grund des Gemeinwohls, der die durch die Begrenzung der Verkaufsfläche auf 10.000 m² bewirkte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit angesichts der veränderten Wettbewerbssituation rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich. Bei Konzeption der HDV in Neumünster, Stuhr und Wolfsburg habe es noch bundesdeutscher Planungspraxis entsprochen, solche Projekte außerhalb von Oberzentren zu planen. Zu raumordnungsrechtlich relevanten Beeinträchtigungen sei es hierdurch nicht gekommen. Die Begrenzung auf 10.000 m² Verkaufsfläche allein für das DOS sei vor diesem Hintergrund raumordnerisch willkürlich und erfülle keine Schutzfunktion, zumal eine Einzelfallprüfung in jedem Fall als milderes Mittel vorzuziehen sei und die vorliegenden Gutachten belegten, dass vom DOS entwicklungshemmende Beeinträchtigungen der umliegenden Innenstädte nicht ausgingen. Dafür sorge insbesondere das im raumordnerischen Vertrag festgeschriebene Warensortiment; hierdurch werde verhindert, dass es zu relevanten Überschneidungen des Warensortiments im DOS und in den umliegenden Innenstädten komme. Hilfsweise, bei unterstellter Wirksamkeit der Verkaufsflächenobergrenze, sei die Beklagte jedenfalls zur Neubescheidung des Zielabweichungsantrags zu verpflichten. Die Abweichung sei raumordnerisch vertretbar, weil sie hätte geplant werden können. Denn städtebaulich und raumordnerisch relevante Nachteile seien infolge der Erweiterung nicht zu erwarten; vielmehr sei mit positiven Effekten für die Tourismusregion zu rechnen, was durch das ebenfalls bei Antragstellung vorgelegte ift-Gutachten (ift, Touristische Bedeutung des Designer Outlet D., 2.5.2017) belegt werde. Ein Nachweis der Raumverträglichkeit sei für die Zielabweichung nicht erforderlich, zumal die Beklagte nicht ihrerseits den Nachweis der Raumunverträglichkeit des Vorhabens geführt habe. Wenn die Beklagte Zweifel an der Raumverträglichkeit des Vorhabens habe, hätte sie diesen in einem Raumordnungsverfahren nachgehen müssen. Die angeblich nicht nachgewiesene Raumverträglichkeit rechtfertige aber nicht die Ablehnung des Zielabweichungsantrags. Abgesehen davon sei die Raumverträglichkeit durch die vorliegenden Gutachten belegt. Die Grundzüge der Planung würden durch die Zielabweichung nicht berührt. Die spezielle Ausgestaltung des Zentrale-Orte-Systems mit der Fokussierung auf Oberzentren und Berücksichtigung nur eines Standortes in der Heide-Region bleibe durch die Zielabweichung unangetastet. Zudem habe es sich bei der Verkaufsflächenbegrenzung um eine vorsorgende Maßnahme gehandelt, um entwicklungshemmende Beeinträchtigungen zu verhindern. Da die Raumverträglichkeit des Vorhabens nun aber belegt sei, habe sie ihre Funktion verloren. Das auf 10 Jahre angelegte Monitoring stehe der Zielabweichung nicht entgegen. Das Monitoring diene dazu, die konkreten Auswirkungen des DOS auf die Umgebung zu überwachen und belastbare Erkenntnisse für künftige Einzelhandelsregelungen zu sammeln. Dieses Ziel könne nach einer Erweiterung weiter verfolgt werden.

45

Wegen der weiteren Einzelheiten der ausführlichen Argumentation der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

46

Die Klage hat mit dem Hilfsantrag Erfolg (B.). Im Übrigen ist sie zulässig, aber unbegründet (A.).

A.

47

I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig. Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Die Beteiligten streiten insoweit darüber, ob die Planung zur Erweiterung des DOS mit den Zielen des LROP vereinbar ist. Es ist damit die Anwendung von Rechtsnormen – hier des LROP – auf einen bestimmten, überschaubaren Sachverhalt streitig. Das ist grundsätzlich ein der Feststellungsklage zugängliches Rechtsverhältnis (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1974 - 7 C 36.72 -, juris Rn. 11; VG Mainz, Urt. v. 16.11.2016 - 3 K 1535/15.MZ -, juris Rn. 21 ff.).

48

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass ihrer Planung die Festlegungen des LROP in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 (Ausnahmeregelung für HDV in der Lüneburger Heide), Ziff 04 (Konzentrationsgebot), Ziff 05 Satz 1 (Integrationsgebot) sowie in Ziff 03 (Kongruenzgebot) nicht entgegenstehen. Ein solches Interesse liegt vor, wenn die Rechtslage unklar ist, die zuständige Behörde anderer Rechtsauffassung als der Kläger ist und dieser sein künftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will, oder der Kläger Grund zur Besorgnis der Gefährdung seiner Rechte hat, z.B. wenn er der Auffassung ist, dass er für eine bestimmte Tätigkeit keine behördliche Erlaubnis benötigt, die Behörde insoweit jedoch eine andere Auffassung vertritt (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 43 Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind hier im Hinblick auf die Vereinbarkeit der gemeindlichen Planung zur Erweiterung des DOS gegeben, denn die Beklagte bestreitet die Vereinbarkeit der beabsichtigten klägerischen Planung mit den vorgenannten Zielen der Raumordnung und Landesplanung und vertritt insoweit eine andere Rechtsauffassung als die Klägerin. Dass die Beteiligten ihren Streit im Verwaltungsverfahren nur auf Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP (Ausnahmeregelung für ein HDV in der Lüneburger Heide) bezogen haben, steht einer gerichtlichen Prüfung der gemeindlichen Planung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Integrations-, Konzentrations- und dem Kongruenzgebot nicht entgegen, denn die Ausnahmeregelung für ein HDV in der Lüneburger Heide entbindet von diesen Festlegungen, so dass die Beteiligten in ihrer Auseinandersetzung über die Ausnahmeregelung zugleich über die Vereinbarkeit der gemeindlichen Planung mit diesen Festlegungen gestritten haben. Ein Feststellungsinteresse liegt hingegen nicht vor, soweit es um die Vereinbarkeit der gemeindlichen Planung mit der Festlegung in Abschnitt 2.3 Ziff. 08 LROP (Beeinträchtigungsverbot) geht. Denn das Beeinträchtigungsverbot ist nicht, auch nicht mittelbar durch die Ausnahmeregelung, die von den Vorgaben des Beeinträchtigungsverbots nicht suspendiert, Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen.

49

Die Feststellungsklage ist nicht wegen der Vorgaben in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Nach dieser Vorschrift kann eine Feststellungsklage nicht erhoben werden, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden. Die Feststellungsklage ist deshalb unzulässig, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren, insbesondere in Form einer Gestaltungsklage, zur Verfügung steht. Davon kann dann keine Rede sein, wenn die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiterreicht, als er mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erlangt werden kann, wenn also die genannten Klagemöglichkeiten zu keinem gleichwertigen Rechtsschutz führen. Das ist u. a. dann der Fall, wenn sich der Kläger mit der Erhebung einer Verpflichtungsklage in Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsauffassung setzen müsste (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.3.2014 - 4 B 55/13 -, juris Rn. 4; VG Mainz, Urt. v. 16.11.2016 - 3 K 1535/15.MZ -, juris Rn. 21 ff.). So liegt es hier, denn die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Planung nicht der Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens bedarf, weil sie mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung vereinbar ist; die entsprechende Feststellung ist Gegenstand ihres Hauptantrags. Mit dieser Feststellung würde sich eine auf Zulassung einer Zielabweichung gerichtete Verpflichtungsklage erübrigen. Hinzu kommt, dass die Klägerin in dieser Situation bei einer Verweisung auf die Durchführung einer Verpflichtungsklage in eine unsichere Rechtsposition gedrängt würde. Klagte sie nämlich auf Erteilung eines positiven Zielabweichungsbescheids und käme das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Planung mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung vereinbar ist, wäre die Klage mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen mit der Folge, dass sie als unterlegener Beteiligter gemäß § 154 Abs. 1 und 3 VwGO die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten eventuell Beigeladener tragen müsste (VG Mainz, Urt. v. 16.11.2016 - 3 K 1535/15.MZ -, juris Rn. 21ff.).

50

Die Feststellungsklage ist nicht im Hinblick darauf unzulässig, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO hätte anstrengen können. Feststellungsklage und Normenkontrollverfahren haben einen unterschiedlichen Streitgegenstand. Eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bestimmter Rechte und Pflichten, die auf die Nichtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsnorm gestützt wird, zielt ungeachtet dieser Begründung nicht auf die Feststellung der Ungültigkeit der Norm, sondern des Bestehens oder Nichtbestehens der jeweils in Frage stehenden Rechte oder Pflichten ab. Dieses an sich feststellungsfähige Rechtsverhältnis verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, dass die Klage auch auf die Nichtigkeit der zugrundeliegenden Norm gestützt wird (Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier/Pietzcker, 35. EL September 2018, VwGO § 43 Rn. 25a).

51

II. Die Klage ist unbegründet. Denn die Erweiterung des DOS im Wege der Bauleitplanung läuft im Rahmen der vorliegenden Klage zu prüfenden Zielen der Raumordnung zuwider.

52

1. Allerdings steht diesem Vorhaben nicht bereits das in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP festgelegte Ziel der Raumordnung entgegen. Nach dieser Festlegung, der auf den maßgeblichen Kern reduziert Zielcharakter zukommt (Nds. OVG, Urt. v. 25.4.2012 – 1 KN 215/10 -, juris Rn. 195), kann abweichend vom Konzentrations-, Integrations- und Kongruenzgebot in der überregional bedeutsamen Tourismusregion Lüneburger Heide an nur einem Standort ein HDV mit einer Verkaufsfläche von höchstens 10 000 m² zugelassen werden, sofern und soweit dieses raumverträglich ist.

53

Diese Regelung ist als Ausnahme i. S. d. § 6 Abs. 1 ROG zu den Zielen des Zentrale-Orte-Konzepts zu verstehen. § 6 Abs. 1 ROG regelt, dass „von Zielen der Raumordnung […] im Raumordnungsplan Ausnahmen festgelegt werden“ können. Aus dieser knappen Regelung lässt sich ableiten, dass eine Ausnahme stets zu einem planerisch definierten Regelfall in Beziehung gesetzt werden muss. Eine Ausnahme ermöglicht, den grundsätzlich unbeschränkten Verbindlichkeitsanspruch eines Ziels der Raumordnung für eine bestimmte Planung oder Maßnahme zum Zwecke größerer Flexibilität zurückzunehmen. Das „Regelziel“ der Raumordnung und die Ausnahme, die eine Abweichung vom Ziel der Raumordnung ermöglicht, stehen insofern in einem „Spannungsverhältnis“ (Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, Stand 2016, L § 6 Rn. 89) bzw. in einer „Wechselbeziehung“ (Kment, in: Kment, ROG, 1. Aufl. 2019, § 6 Rn. 19). Beide Festlegungen – das (Regel)Ziel und die Ausnahme – sind deshalb als Einheit bzw. als „Gesamtpaket“ zu verstehen, weshalb beiden Festlegungen nur dann Zielqualität zukommen kann, wenn sowohl die Regel-, als auch die Ausnahmefestlegung Zielcharakter haben. Das heißt insbesondere, dass der Plangeber neben den Regel- die Ausnahmevoraussetzungen mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigsten Bestimmbarkeit selbst festlegen und abschließend abwägen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003 - 4 VN 20.02 -, juris Rn. 84).

54

Die Festlegung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 02 LROP ist eine Ausnahmeregelung i. S. d. § 6 Abs. 1 ROG. Dies ergibt sich deutlich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die mit der Formulierung „abweichend von“ für einen bestimmten Sonderfall – ein HDV in der Lüneburger Heide – von den Beschränkungen der im Übrigen geltenden Regel – den Vorgaben des Integrations-, Konzentrations- und Kongruenzgebots – suspendiert. Mit der in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 02 LROP gewählten Formulierung hat der Normgeber in geradezu klassischer Weise die Ausnahme mit der Regel verknüpft und damit die von § 6 Abs. 1 ROG vorausgesetzte Wechselbeziehung geschaffen. Die Erläuterungen der Vorschrift bestätigen dieses Verständnis, denn dort ist ebenfalls die Rede davon, dass aufgrund dieser Festlegung „ausnahmsweise“ an einem Standort ein HDV außerhalb städtebaulich integrierter Lagen zugelassen werden kann (LROP 2008, Erläuterungen, S. 93).

55

Die somit als Ausnahmeregelung i. S. d. § 6 Abs. 1 ROG zu verstehende Festlegung beschränkt die Reichweite der regelhaft geltenden Festlegungen des Zentrale-Orte-Konzepts des LROPs (Integrationsgebot etc.), die einem HDV auf der grünen Wiese normalerweise entgegenstehen. Dies hat zur Folge, dass den durch diese Festlegungen zunächst eingeschränkten Belangen (Planungshoheit, Niederlassungsfreiheit) in dem Teilgebiet, auf das sich die Ausnahmeregelung bezieht, wieder größerer Raum verschafft wird. Ohne die Ausnahmeregelung würden die einschränkenden Festlegungen, die für den gesamten Planungsraum gelten, in vollem Umfang greifen. Das hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht schon in seinem Urteil vom 25. April 2012 auf den Punkt gebracht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 25.4.2012 - 1 KN 215/10 -, juris Rn. 194, 230). Während die Ziele des Zentrale Orte-Konzepts den Rechtskreis der planenden Gemeinden und mittelbar der betroffenen Vorhabenträger beschränken, erweitert die Ausnahmeregelung ihn also wieder. In dieser Begünstigung erschöpft sich der Regelungsgehalt der Ausnahmeregelung.

56

Ein hierüber hinausgehender Regelungsgehalt lässt sich der Ausnahmeregelung nicht entnehmen. Insbesondere entfaltet die Ausnahmeregelung keine außergebietliche bzw. außergegenständliche „Ausschlusswirkung“ dahingehend, dass HDV, die die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nicht erfüllen – z.B. das DOS in D. mit einer Verkaufsfläche von 20.000 m² – aufgrund der Ausnahmeregelung verboten wären. Für eine solche Ausschlusswirkung der Ausnahmeregelung finden sich weder im Wortlaut der Regelung noch in der zugehörigen Begründung Anhaltspunkte. HDV, die von der Ausnahmeregelung nicht erfasst sind, sind an den Regelzielen und nicht an der Ausnahmeregelung zu messen. Das gilt für das hier in Rede stehende Vorhaben zur Erweiterung des bestehenden DOS, das die Voraussetzungen der Ausnahme aufgrund der angestrebten Verkaufsfläche nicht einhält, ebenso wie für ein HDV außerhalb der Lüneburger Heide, das von der Ausnahmeregelung aufgrund seines Standorts nicht erfasst ist, und bei dem niemand auf die Idee kommen würde, seine Zulässigkeit aufgrund der Ausnahmeregelung zu verneinen, sondern das sich an die „Regelziele“ des Zentrale-Orte-Konzepts halten muss. Ein anderes Verständnis würde dem Regelungskonzept des LROP zuwiderlaufen, das HDV ausdrücklich demselben Regelungsregime des Zentrale-Orte-Konzepts unterwirft wie andere Einzelhandelsgroßprojekte (s. Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP, sowie S. 17 der Begründung zum LROP 2017).

57

Im Wortlaut der Vorschrift findet sich entgegen der Auffassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung schließlich auch kein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Ausnahmeregelung in zwei selbständige Teilregelungen zerlegen ließe, denen zufolge – erstens – die genannten Gebote des Zentrale-Orte-Konzepts für das DOS grundsätzlich nicht gelten würden und – zweitens –, das DOS in D. auf eine Verkaufsfläche von maximal 10.000 m² beschränkt sein solle. Diese Trennung in zwei selbständige Regelungen, von denen eine begünstigend und die andere belastend wirken würde, ist im Wortlaut nicht angelegt. Es ist gerade nicht formuliert worden, dass „das DOS“ in der Lüneburger Heide von den Vorgaben des Integrationsgebots etc. suspendiert und außerdem auf eine Verkaufsfläche von 10.000 m² beschränkt ist. Beide Punkte sind vielmehr in einem Satz zusammengefasst. Schon das spricht dafür, dass es sich um zwei Aspekte einer einheitlichen Regelung handelt, abgesehen davon, dass aufgrund der Formulierung der Vorschrift ebenso wie angesichts der Begleitumstände ihres Erlasses (raumordnerische Festlegung, raumordnerischer Vertrag, Historie) offensichtlich ist, dass beide Regelungsteile – der Dispens von den Zielen des Zentrale-Orte-Prinzips und die Verkaufsflächenobergrenze – nach dem Willen des Plangebers nicht voneinander trennbar sind. Der Dispens sollte nach dem erkennbaren Willen des Normgebers ersichtlich nur in einem bestimmten Rahmen greifen, und zu diesem Rahmen gehört in maßgeblicher Weise die Verkaufsflächenobergrenze. Insofern verhält sich die Verkaufsflächenobergrenze zum Dispens wie eine modifizierende, nicht hingegen wie eine selbständig anfechtbare Auflage. Das von der Klägerin ins Spiel gebrachte Normverständnis liegt angesichts des Wortlauts auch deshalb nicht nahe, weil sich die vermeintliche Verkaufsflächenobergrenze und die Abweichung von den Geboten des Zentrale-Orte-Konzepts nicht auf „das“ DOS in D. beziehen, sondern die Ausnahmeregelung lediglich erlaubt, „ein“ HDV an einem noch nicht definierten Standort in der Lüneburger Heide zuzulassen. Die flankierenden Regelungen, insbesondere die Vorgabe, vor Zulassung eines HDV ein Raumordnungsverfahren zur Ermittlung eines raumverträglichen Standorts durchzuführen, beziehen sich ebenfalls nicht auf „das DOS“ in D., sondern auf ein HDV in der Lüneburger Heide. Dies zeigt, dass die Ausnahmeregelung nicht das bestehende DOS in D. reguliert, insofern eine Verkaufsflächenobergrenze für das DOS statuiert und es im Übrigen von den Vorgaben des Zentrale-Orte-Konzepts freistellt, sondern auf die ausnahmsweise erstmalige Zulassung eines HDV in der Lüneburger Heide zugeschnitten ist. Die Regelung verhält sich insofern zu der hier in Rede stehenden Erweiterung des DOS nicht. Sie lässt die Erweiterung nicht zu, steht ihr aber auch nicht entgegen.

58

Das hier in Rede stehende Vorhaben ist folglich nicht an der Ausnahmeregelung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP, sondern an den „Regelzielen“ des LROP zu messen. Da das Beeinträchtigungsverbot im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage nicht geprüft werden kann, weil diese Frage nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen ist, kommt insoweit namentlich ein Verstoß gegen das Kongruenz-, das Integrations- und das Konzentrationsgebot in Betracht.

59

2. Die beabsichtigte Erweiterung des DOS verstößt jedenfalls gegen das Integrationsgebot (Abschnitt 2.3 Ziff. 05 Satz 1 LROP). Nach diesem Plansatz sind neue Einzelhandelsgroßprojekte, deren Kernsortimente innenstadtrelevant sind, nur innerhalb der städtebaulich integrierten Lagen zulässig (Abschnitt 2.3 Ziff. 05 Satz 1 LROP).

60

a) Das Integrationsgebot ist auf das hier in Rede stehende Vorhaben anwendbar. Die vorgesehene Erweiterung des DOS ist ein „neues“ Einzelhandelsgroßprojekt i. S. d. LROP, denn von diesem Begriff ist ausweislich der Begründung des LROP (LROP 2017, Begründung, S. 16) nicht nur die Neuansiedlung, sondern auch die Erweiterung eines bestehenden Einzelhandelsgroßprojekts erfasst. Das steht jedenfalls dann außer Frage, wenn die Erweiterung, wie hier, ihrerseits großflächig ist. Zudem geht es hier unstreitig um ein Vorhaben mit innenstadtrelevantem Kernsortiment.

61

b) Das Vorhaben ist von den Vorgaben des Integrationsgebots nicht entbunden. Namentlich greift die Ausnahmeregelung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP ersichtlich (mit Ausnahme von einer geringfügigen Teilfläche von 100 m²) nicht, weil diese Regelung nur ein Vorhaben mit einer Verkaufsfläche von maximal 10.000 m² von den Vorgaben u. a. des Integrationsgebots entbindet. Eine von der Klägerin ins Spiel gebrachte „angepasste“ oder „ergänzende“ Auslegung dahin, dass der Dispens ohne Verkaufsflächenobergrenze gelten soll, kommt, wie soeben ausgeführt (A. II. 1) angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts auch unter Berücksichtigung der vermeintlich veränderten Umstände nicht in Betracht.

62

Greift die Ausnahme nicht, gilt die Regel, sprich u. a. das in Abschnitt. 2.3 Ziff. 05 Satz 1 LROP festgelegte Integrationsgebot. Denn wie ausgeführt sind (zielförmige) Ausnahme und „Regelziel“ als Einheit zu sehen. Wo die Ausnahme nicht einschlägig ist, ist der Verbindlichkeitsanspruch des „Regelziels“ nicht beschränkt. Für das hier in Rede stehende Vorhaben bedeutet dies, dass es wieder – der Regel entsprechend – von den Vorgaben der Ziele des Zentrale-Orte-Konzepts und namentlich des Integrationsgebots erfasst wird, die ihrer Intention und in ihrer Zusammenschau der Planung von HDV „auf dem Lande“ regelmäßig entgegenstehen (so ausdrücklich für ein HDV in D. und Bispingen Nds. OVG, Urt. v. 25.4.2012 - 1 KN 215/10 -, juris Rn. 192).

63

c) Das Integrationsgebot ist rechtmäßig und wirksam und ist darum für die Klägerin gemäß § 4 Abs. 1 ROG, § 1 Abs. 4 BauGB verbindlich zu beachten.

64

aa) Der Überprüfung der Wirksamkeit der der Erweiterung des DOS entgegenstehenden Ziele steht nicht die Rechtskraft des Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. April 2012 (1 KN 215/10) entgegen. Nach § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. In diesem Umfang tritt materielle Rechtskraft ein, d.h. der durch das Urteil ausgesprochene Inhalt ist in jedem Verfahren zwischen den Beteiligten bindend. Die Rechtskraft bindet deshalb auch, wenn und soweit sich die entschiedene Frage in einem späteren Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand als (präjudizielle) Vorfrage stellt. Allerdings erfasst die inhaltliche Bindungswirkung aus § 121 VwGO nur die Entscheidung über den Streitgegenstand selbst, nicht aber die hierzu vorgreiflichen Rechtsverhältnisse oder Vorfragen. Die Entscheidung hierüber kann nur durch ein Zwischenfeststellungsurteil materielle Bindungswirkung erlangen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.10.2018 - 3 B 18.18 -, juris).

65

Gegenstand des Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts war die Wirksamkeit des Bebauungsplans „Harber Nr. 14 – Factory-Outlet-Center D.“, den es aufgrund eines Normenkontrollantrags u. a. der Nachbargemeinde Bispingen zu überprüfen hatte. Im Rahmen dieser Überprüfung musste sich das Oberverwaltungsgerichts mit der Frage auseinandersetzen, ob der Bebauungsplan den wegen § 4 Abs. 1 ROG sowie § 1 Abs. 4 BauGB zwingend zu beachtenden Zielen der Raumordnung entsprach. Hierzu konstatierte das Oberverwaltungsgericht, die Ziele des Zentrale-Orte-Prinzips wie Konzentrationsgebot, Integrationsgebot, Abstimmungsgebot, Beeinträchtigungsverbot stünden in ihrer Zusammenschau regelmäßig der Planung von HDV „auf dem Lande“ und damit auch in D. entgegen (Nds. OVG, a. a. O., juris Rn. 192). Ob diese Ziele wirksam waren und die Bauleitplanung der Klägerin beschränkten, ließ das Oberverwaltungsgericht jedoch zunächst offen, weil die Bauleitplanung der Klägerin jedenfalls aufgrund der Ausnahmeregelung zulässig sei. In diesem Zusammenhang sprach das Oberverwaltungsgericht der Ausnahmeregelung – auf ihren „maßgeblichen Kern reduziert“ (Nds. OVG, a. a. O, juris Rn. 195) – Zielcharakter zu. Es kam deshalb zu dem Ergebnis, dass dem Bebauungsplan der Kläger die o. g. Ziele wie Integrationsgebot usw. nicht entgegenstanden.

66

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat somit nicht mit Rechtskraftwirkung über die hier relevante Frage entschieden, ob bzw. in welchem Umfang Ziele der Raumordnung wirksam sind und dem DOS entgegenstehen, sondern nur, dass die Planung eines HDV in D. – jedenfalls – aufgrund der Ausnahmeregelung erlaubt ist und deshalb der zu überprüfende Bebauungsplan der Klägerin nicht gegen Ziele der Raumordnung verstößt. Zudem hat es sich mit den potentiell entgegenstehenden Zielen der Raumordnung ohnehin nur als Vorfrage bei seiner Entscheidung über die Wirksamkeit des Bebauungsplans auseinandergesetzt. Selbst wenn dies anders gesehen würde und davon auszugehen wäre, dass sich das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in rechtskraftfähiger Weise in seinem Urteil vom 25. April 2012 mit der hier relevanten Fragestellung auseinandergesetzt hätte, würde die Bindungswirkung nach § 121 VwGO vorliegend nicht greifen. Denn die Entscheidung bezog sich auf die Fassung des LROP im Jahr 2008. Jedenfalls durch die Änderungen im Jahr 2017 hat sich die Gestalt der potentiell einer Erweiterung des DOS entgegenstehenden Ziele der Raumordnung geändert (s. dazu sogleich im Einzelnen). Die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO greift aber nicht in dem Umfang, in dem sich die Sach- oder Rechtslage in entscheidungserheblicher Weise geändert hat (Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 35. EL 2018, § 121, Rn. 71).

67

bb) Es kann dahinstehen, ob der Plangeber bei der Festlegung dieser entgegenstehenden Ziele das Abwägungsgebot verletzt hat (1). Denn da sich ein diesbezüglich dem Plangeber ggfs. unterlaufener Fehler auf den Abwägungsvorgang beschränkte (2), wäre er mangels Abwägungsrüge mittlerweile unbeachtlich geworden (3).

68

(1) Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG sind bei der Aufstellung der Raumordnungspläne die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen. Aus der Begriffsdefinition für „Ziele der Raumordnung“ in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG ergibt sich ergänzend, dass Ziele der Raumordnung als verbindliche Vorgaben abschließend abgewogen sein müssen.

69

Die Beklagte hat ausgeführt, dem Plangeber könne im Hinblick auf das DOS schon deshalb ein Abwägungsfehler nicht unterlaufen sein, weil die Ausnahmeregelung für das DOS in Soltau nicht Gegenstand des Änderungsverfahrens gewesen. Die Vorschrift sei nur redaktionell, nicht hingegen inhaltlich verändert worden. Das Abwägungsgebot gelte jedoch nur „bei der Aufstellung“ eines Raumordnungsplans, was voraussetze, dass die betreffenden Vorschriften Gegenstand des Änderungsverfahrens seien. Das sei im Hinblick auf die Ausnahmeregelung aber nicht der Fall gewesen. Diese sei rein redaktionell angepasst worden, weil der Plangeber „keinen Anlass“ gesehen habe, diese Regelung zu überarbeiten.

70

Die Kammer hat aus grundsätzlichen Gründen Bedenken gegenüber dieser Rechtsauffassung. Zwar hat der Träger der Raumordnungsplanung – wie eine planende Gemeinde auch – weitgehendes Planungsermessen, das neben dem „Wie“ auch das „Ob“ und „Wann“ planerischer Gestaltung umfasst. Grundsätzlich bleibt es deshalb der Einschätzung des Plangebers überlassen, ob er seinen Raumordnungsplan ändert. Maßgebend sind seine eigenen raumordnerischen Vorstellungen. Zugleich ist dieses Planungsermessen rechtlich eingehegt. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 ROG sind der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume u. a. durch Raumordnungspläne zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Gemäß § 6 Abs. 1 ROG sind Raumordnungspläne „bei Bedarf“ zu ändern. Aus diesen Vorschriften folgt, dass der Plangeber seinen Raumordnungsplan auch jenseits der geltenden Überprüfungsfristen (vgl. § 7 Abs. 7 ROG; § 5 Abs. 7 NROG) darauf untersuchen muss, ob seine Festlegungen angesichts veränderter Umstände noch sachgerecht sind. Ein Überprüfungsbedarf dürfte insbesondere dann bestehen, wenn offensichtlich ist, dass zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen abwägungsrelevante Belange tangieren, die zu der ursprünglichen Festlegung geführt haben. Insofern spricht viel dafür, dass die Entscheidung über eine Änderung bestehender Regelungen in einem Raumordnungsplan im Vorfeld des Änderungsverfahren zumindest abwägungsanalog verlaufen muss, d. h. der Plangeber muss offensichtliche veränderte abwägungsrelevante Belange jedenfalls zur Kenntnis nehmen und auf dieser Grundlage entscheiden, ob er die betroffenen Vorschriften überarbeiten möchte. Jedenfalls dürfte es unzulässig sein, wenn sich der Plangeber einer angesichts veränderter Umstände geradezu aufdrängenden neuen Abwägungssituation dadurch entzieht, dass er bestehende Festlegungen über längere Zeit und Änderungsverfahren hinweg unverändert stehen lässt.

71

In grundsätzlicher Hinsicht ist zudem anzumerken, dass es nicht richtig sein dürfte, den Änderungs- sowie diesem folgend den Abwägungsbedarf separat für jede Vorschrift gesondert und isoliert festzustellen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass Festlegungen in einem Raumordnungsplan, zumindest soweit sie sich auf denselben Gegenstand (wie zum Beispiel großflächigen Einzelhandel) beziehen, vielfach voneinander abhängig sind. Ein besonders enger Fall gegenseitiger Abhängigkeit liegt vor, wenn zwei Festlegungen zueinander in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen. Denn wie bereits ausgeführt, gibt es ein Spannungsverhältnis“ (Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, L § 6 Rn. 89) bzw. eine „Wechselbeziehung“ (Kment, in: Kment, ROG, 1. Aufl. 2019, § 6 Rn. 19) zwischen dem Ziel der Raumordnung und der Ausnahme, die eine Abweichung vom Ziel der Raumordnung ermöglicht. Ziel und Ausnahme sind ein Gesamtpaket, das erst im Zusammenwirken beider Festlegungsbestandteile die letztendlich für einen bestimmten Planungsraum verbindliche Festlegung enthält. Deshalb muss der Plangeber neben den Regel- immer auch die Ausnahmevoraussetzungen abschließend abwägen, wenn er dem Gesamtpaket aus Regel- und Ausnahmefestlegung insgesamt Zielqualität zukommen lassen will (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003 - 4 VN 20.02 -, juris Rn. 84). Eine neue Abwägung nur eines Teils des Gesamtpakets kommt deshalb nicht in Betracht.

72

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen spricht hier viel dafür, dass das Abwägungsgebot entgegen der von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren geäußerten Ansicht im Verfahren zur Änderung des LROP 2017 hinsichtlich des „Gesamtpakets“ der das DOS betreffenden Regel- und Ausnahmefestlegungen galt. Insofern ist bereits zweifelhaft, ob die der Auffassung der Beklagten zugrundeliegende Prämisse, einer Abwägung habe es insoweit nicht bedurft, weil die Ausnahmeregelung zugunsten eines HDV in der Lüneburger Heide durch die Änderung des LROP 2017 nicht berührt worden sei, zutrifft. Denn im Änderungsverfahren zum LROP 2017 wurde das Kongruenzgebot und damit ein „Regelziel“, auf das sich die Ausnahmeregelung bezieht, grundlegend überarbeitet und verändert. Das Kongruenzgebot gehörte aber zum „Gesamtpaket“, so dass durch seine Anpassung zugleich die Gestalt dieses Gesamtpakets verändert wurde. Hinzu kommt, dass in einem 2015 wieder verworfenen Änderungsentwurf aus dem Jahr 2014 eine zur Ausnahmeregelung gehörende Bestimmung ebenfalls verändert worden war (Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz Satz 1 LROP, s. Lesefassung der LROP-Entwürfe 2014/2015, abrufbar unter https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/themen/raumordnung_landesplanung/landesraumordnungsprogramm/historie_lrop/erneute-beteiligungsmoeglichkeit-zur-aenderung-des-lrop-138272.html). Auch das spricht dafür, dass die Ausnahmeregelung und mit ihr auch das Gesamtpaket im Änderungsverfahren tatsächlich überarbeitet wurden und darum auch der Abwägung bedurft hätten.

73

(2) Welche Anforderungen an die im Rahmen der Planänderung 2017 anzustellende Abwägungsentscheidung sich aus diesen Erwägungen konkret ableiten lassen und ob der Plangeber diesen Anforderungen nicht bereits dadurch genügt hat, dass er im Änderungsverfahren zum LROP 2017 eine Änderung der Ausnahmeregelung unter Verweis auf das vorgesehene 10jährige Monitoring für das DOS abgelehnt hat, kann dahinstehen. Denn ein etwaiger Abwägungsfehler beträfe nur den Abwägungsvorgang und wäre darum mittlerweile unbeachtlich geworden (dazu sogleich unter (3)). Das Abwägungsergebnis wird durch die ggfs. fehlerhafte Abwägung hingegen nicht berührt.

74

Ein Fehler im Abwägungsergebnis liegt nur vor, wenn der Plangeber die betroffenen Belange in einer Weise zum Ausgleich gebracht hat, die außer Verhältnis zu ihrem objektiven Gewicht stehen (Disproportionalität). Ein solcher Fehler ist hier nicht gegeben. Namentlich war der Plangeber auch unter Berücksichtigung der abwägungsrelevanten Betreiberinteressen und der europarechtlichen Vorgaben nicht verpflichtet, das für das DOS in Soltau geltende „Gesamtpaket“ an Regelfestlegung und Ausnahme durch Anhebung der Verkaufsflächenobergrenze in der Ausnahmeregelung zu verändern. Das folgt schon daraus, dass die Ausnahmeregelung das DOS begünstigt und nicht beschränkt, indem es den Verbindlichkeitsanspruch der Festlegungen des Zentrale-Orte-Prinzips im Bereich Lüneburger Heide in einem genau definierten Rahmen suspendiert. Einen Anspruch auf eine noch weitergehende Begünstigung des DOS haben die Klägerin und erst recht die Beigeladene nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Wettbewerbssituation aktuell so angespannt wäre, dass das DOS lediglich bei einer Erhöhung der Verkaufsfläche wettbewerbsfähig wäre. Vielmehr bescheinigt der Monitoring-Bericht dem DOS noch immer eine gute Flächenleistung. Unabhängig davon ist das betriebswirtschaftliche Risiko, das aufgrund der raumordnerischen Beschränkungen besteht, von der Beigeladenen zu tragen. Denn sie hat sich in Kenntnis der raumordnerischen Beschränkungen für den Standort entschieden und diese Nachteile bewusst in Kauf genommen, um ihr Projekt verwirklichen zu können (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2018 - 9 K 8596/16 -, juris Leitsatz 1). Aus dem LROP lässt sich, wie die Beklagte zutreffend ausführt, keine betriebswirtschaftliche Fürsorgepflicht des Plangebers für das DOS ableiten, die eine abweichende Risikoverteilung erlauben würde. Diese folgt insbesondere nicht daraus, dass der Plangeber dem DOS eine touristische Aufgabe oder gar die Funktion eines touristischen Leuchtturms zugewiesen hätte. Der Zusammenhang, den der LROP zwischen der Tourismusregion Lüneburger Heide und dem DOS herstellt, ist nach dem Verständnis der Kammer lediglich die insbesondere aus Gleichbehandlungsgründen erforderliche planerische Rechtfertigung dafür, abweichend von den sonst geltenden Vorgaben des Zentrale-Orte-Konzepts in der Lüneburger Heide ein HDV zuzulassen. Daraus folgt indes nicht, dass der Plangeber für den Erfolg des HDV in der Lüneburger Heide einstehen müsste. Dagegen sprechen die das HDV einhegenden Regelungen wie die Verkaufsflächenbegrenzung und das Erfordernis, vor Zulassung des HDV in der Lüneburger Heide ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Das Gebot der Gleichbehandlung vermittelt ebenfalls keinen Anspruch auf die – in der Anhebung der Verkaufsfläche liegende – weitergehende Begünstigung des DOS. Sämtliche HDV in Niedersachsen werden durch die Regelungen des Zentrale-Orte-Prinzips in derselben Weise beschränkt wie das DOS. Der von der Klägerin und der Beigeladene vermittelte Eindruck, das einzige HDV zu sein, dessen Entwicklung durch eine Verkaufsflächenobergrenze unterbunden werde, entspricht nicht den Tatsachen. Die Verkaufsflächenobergrenze beschränkt das DOS nicht, sondern definiert nur die Reichweite der Ausnahmeregelung, durch die das DOS begünstigt wird und überhaupt erst errichtet werden konnte. Die Beschränkung der Erweiterung des DOS folgt demgegenüber unmittelbar aus den Festlegungen des Zentrale-Orte-Prinzips, das für alle HDV in Niedersachsen und sonstige Einzelhandelsgroßprojekte grundsätzlich in derselben Weise gilt. Das DOS wird insbesondere nicht im Verhältnis zu dem Ochtum Park in Stuhr und der Einzelhandelsagglomeration Dodenhof benachteiligt. Beide Vorhaben befinden sich auf Flächen, für welche die jeweiligen Gemeinden schon vor Inkrafttreten der raumordnerischen Beschränkungen Baurecht geschaffen hatten. Ihre Entwicklung dürfte zwar raumordnerisch höchst unerwünscht sein. Daraus kann das hier in Rede stehende Vorhaben aber nicht nur wegen des Grundsatzes „keine Gleichbehandlung im Unrecht“ nichts für sich herleiten, sondern auch, weil die Situation dieser beiden Konkurrenten eine grundlegend andere ist. Die Klägerin und die Beigeladene wollen für das DOS eine weitergehende raumordnerische Begünstigung erreichen, während es beim Ochtum Park und Dodenhof darum geht, ob schon gegebene raumordnerische Friktionen rückgängig gemacht und weitere Fehlentwicklungen unterbunden werden können bzw. müssten.

75

Schließlich verstößt das aus Regelfestlegung und Ausnahme bestehende Gesamtpaket nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere ist es mit Europarecht sowie der gemeindlichen Planungshoheit vereinbar. Dies gilt jedenfalls solange, wie die beschränkenden Vorgaben des Zentrale-Orte-Prinzips (ohne Berücksichtigung der insoweit begünstigend wirkenden Ausnahmeregelung) für sich genommen diesen Vorgaben entsprechen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Europarechtskonformität dieser Vorgaben, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit, in seinem Urteil vom 25. April 2012 im Hinblick auf die Ziele des LROP in ihrer Fassung 2008 bejaht (Nds. OVG, Urt. v. 25.4.2012 - 1 KN 215/10 -, juris Rn. 231 ff.). Das erkennende Gericht sieht auch angesichts der jüngsten Entwicklungen in der Rechtsprechung keinen Anlass, von dieser soweit ersichtlich einheitlichen Auffassung der Ober- und Höchstgerichte abzuweichen (vgl. zuletzt OVG NRW, Urt. v. 20.11.2018 - 2 A 1676/17 -, juris: Rechtmäßigkeit von Konzentrations- und Integrationsgebot bejaht). Denn nach wie vor stellt der Europäische Gerichtshof nicht in Frage, dass Beschränkungen in Bezug auf den Standort und die Größe von Einzelhandelseinrichtungen geeignete Mittel sind, um insbesondere Ziele der Raumordnung, einschließlich dem Schutz der Innenstädte und der Vermeidung von Leerstand, zu erreichen (EuGH, Urt. v. 24.3.2011 - C-400/08 -, juris Rn. 80; Urt. v.30.01.2018 - C-360/15 und C-31/16 -, juris Rn. 132 ff.). Dass Integrations- und Kongruenzgebot in ihrer Ausformung im LROP nicht erforderlich oder unverhältnismäßig wären, ist nicht ersichtlich, zumal etwaigen unzumutbaren Belastungen im Wege der Zielabweichung Rechnung getragen werden könnte.

76

(3) Etwaige Abwägungsfehler beziehen sich somit allenfalls auf den Abwägungsvorgang, während das Abwägungsergebnis nicht zu beanstanden ist. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 ROG n. F. – diese Vorschrift ist gemäß § 27 Abs. 2 ROG auch auf Raumordnungspläne die vor Inkrafttreten des ROG n. F. am 29. November 2017 in Kraft getreten sind – sind Mängel im Abwägungsvorgang nur beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Eine im Wesentlichen entsprechende Regelung enthält § 7 NROG (vgl. dazu Starnofsky, in: Pielok/Starnofsky, 1. Aufl. 2018, § 7, SL 139). Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 ROG werden zunächst beachtliche Fehler im Abwägungsvorgang unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Raumordnungsplans gegenüber der zuständigen Stelle unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind; entsprechendes folgt aus § 7 Abs. 1 Satz 2 NROG. Die Unbeachtlichkeitsfolge tritt nur ein, wenn der Plangeber bei der Bekanntmachung auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat (§ 7 Abs. 1 Satz 3 NROG).

77

Hier wurde die Änderungsverordnung am 1. Februar 2017 beschlossen und am 16. Februar 2017 im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Der Hinweis auf die Rügeobliegenheit findet sich im Niedersächsischen Ministerialblatt vom 22. Februar 2017. Weder die Klägerin noch die Beigeladene haben vorgetragen, die Abwägungsfehlerhaftigkeit der Festlegungen gerügt zu haben. Im Zielabweichungsantrag vom 7. Juni 2017 werden etwaige Abwägungsfehler ebenfalls nicht erwähnt. Die Frage nach der Abwägungsfehlerhaftigkeit wurde erstmals im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens aufgeworfen. Zwar kann ein Mangel auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gerügt werden, wenn der Träger der Raumordnungsplanung Beteiligter dieses Verfahrens ist (Starnofksy, in: Pielok/Starnofsky, NROG, 1. Aufl. 2018, § 7, Ziff. 4.2). Im gerichtlichen Verfahren wurde die Abwägungsfehlerhaftigkeit der Planung indes erstmals in der Klagebegründung der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Mai 2018 erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt war die Jahresfrist bereits abgelaufen. Somit ist davon auszugehen, dass etwaige Mängel des Abwägungsvorgangs jedenfalls mittlerweile unbeachtlich geworden wären.

78

d) Das Vorhaben entspricht den somit anwendbaren und rechtmäßigen Vorgaben des Integrationsgebots nicht, denn das Plangebiet liegt nicht in einer städtebaulich integrierten Lage.

79

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts stehen städtebaulich integrierte Lagen im engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit den zentralen Versorgungsbereichen im Sinne des § 2 Abs. 2 und § 9 Abs. 2a BauGB (Nds. OVG, Beschl. v. 17.5.2013 - 1 ME 56/13 -, juris Rn. 29 ff.; Beschl. v. 20.3.2014 - 1 MN 7/14 - juris Rn. 62 ff. = BauR 2014, 949; Urt. v. 10.7.2014 - 1 KN 121/11 -, juris). Der erforderliche Zusammenhang mit zentralen Versorgungsbereichen ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Formulierung des Integrationsgebots selbst, in dem, wie die Beigeladene zutreffend bemerkt hat, in der Tat nicht von einer städtebaulich integrierten Einzelhandelslage die Rede ist. Der Begriff der städtebaulich integrierten Lage wird jedoch im Raumordnungsrecht, soweit ersichtlich, einheitlich und unwidersprochen als – wenn auch nicht notwendigerweise vollständig deckungsgleiches – raumordnerisches Äquivalent zum bauplanungsrechtlichen Begriff des zentralen Versorgungsbereichs verstanden. Aus der Begründung des LROP ergibt sich, dass der Plangeber an dieses überkommene Begriffsverständnis anknüpfen wollte, so dass die Anforderungen des Integrationsgebots des LROP ebenfalls in Anlehnung an die Anforderungen eines zentralen Versorgungsbereichs zu bestimmen sind.

80

Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen – häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote – eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt (BVerwG, Urt. v. 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, juris Rn. 11). Sie verfügen über ein vielfältiges und dichtes Angebot an Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen, haben einen wesentlichen fußläufigen Einzugsbereich und sind in das ÖPNV-Netz eingebunden. Von Bedeutung ist auch ein attraktives Parkmanagement für den individuellen Verkehr. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Versorgungsfunktion können sowohl Innenstädte bzw. deren Ortsmitten/-kerne als Hauptzentren sowie Stadtteilzentren als Nebenzentren das Kriterium der „städtebaulich integrierten Lage“ erfüllen. Bei der Prüfung der Lage in oder nahe einem zentralen Versorgungsbereich ist nicht allein auf den Ist-Zustand im Zeitpunkt der Bauleitplanung, sondern unter Umständen auch auf einen Soll-Zustand, auf den die Gemeinde erkennbar planerisch hinarbeitet, abzustellen. Eine städtebaulich integrierte Lage liegt unproblematisch vor bei Standorten innerhalb eines zentralen Versorgungsbereichs, also der Innenstadt, aber auch eines Nahversorgungszentrums. Auch andere Standorte können noch integriert sein, wenn sie, sich räumlich an einen zentralen Versorgungsbereich „anschmiegend“, diesen funktional ergänzen. Letztere Komponente setzt voraus, dass sich die großflächigen Einzelhandelsbetriebe dort dem zentralen Versorgungsbereich unterordnen, wofür sie räumlich und funktionell keinen Umfang annehmen dürfen, welcher gleichberechtigt neben die Innenstadt tritt. Der großflächige Einzelhandelsbetrieb soll den zentralen Versorgungsbereich (in der Regel Innenstadt, aber auch Nahversorgungszentren) – sich an diesen räumlich „anschmiegend“ – funktionell ergänzen und nicht in Konkurrenz zu ihm treten. Es soll mithin eine räumlich-funktionelle Einheit mit den in der Innenstadt vermuteten/vorhandenen Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen bestehen/hergestellt werden. Hinzukommen muss – gleichsam als Kompensation für den auch nicht ganz zu vermeidenden Anteil an potentiellen Innenstadtnutzern, bei denen der Besuch des großflächigen Einzelhandelsbetriebs den der Innenstadt „ersetzt“ – ein gewisser Beitrag zur Attraktivität des zentralen Versorgungsbereichs, der insbesondere in der Bereitstellung von in der Innenstadt fehlenden Parkplätzen liegen kann. Je weiter der Standort aber vom zentralen Versorgungsbereich entfernt liegt, desto deutlicher müssen die Indizien dafür sein, dass der großflächige Einzelhandelsbetrieb tatsächlich eine Unterstützungsfunktion für den zentralen Versorgungsbereich erfüllt (Nds. OVG, Urt. v. 6.6.2016 - 1 KN 83/14 -, juris Rn. 30; Nds. OVG, Beschl. v. 29.9.2014 - 1 MN 102/14 -, juris Rn. 25 f.).

81

Nach diesen Vorgaben besteht kein Zweifel daran, dass der Standort des Vorhabens nicht städtebaulich integriert ist. Die Innenstadt Soltaus liegt Luftlinie fast 5 km entfernt; der Stadtteil Tiegen, dem ggfs. die Funktion eines Nahversorgungszentrums zukommt, immerhin Luftlinie 1,5 km. Der tatsächliche Weg dorthin entlang der ersichtlich nicht für den Fußgängerverkehr ausgelegten Wietzendorfer Straße ist beträchtlich länger. Zudem wirkt die Bahnlinie Uelzen/Soltau insoweit trennend. Vor diesem Hintergrund ist nicht ansatzweise erkennbar, inwiefern das DOS eine räumlich-funktionelle Einheit mit den in der Innenstadt oder einem Nahversorgungszentrum vorhandenen Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen bilden und einen gewissen Beitrag zur Attraktivität der Innenstadt leisten soll. Andere Versorgungsbereiche, an die sich das DOS „anschmiegen“ könnte, gibt es nicht. Die von der Klägerin und der Beigeladenen in diesem Zusammenhang genannten Gewerbegebiete nördlich des DOS-Areals erfüllen die an einen zentralen Versorgungsbereich Voraussetzungen ersichtlich nicht. Sie weisen nicht ansatzweise das vielfältige und dichte Angebot an Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen auf, das für die Annahme eines zentralen Versorgungsbereichs verlangt wird, und zwar weder im Ist- noch im Sollzustand, zumal es der Klägerin aufgrund des raumordnerischen Vertrags untersagt ist, in diesen Gebieten Einzelhandel jedweder Art anzusiedeln (s. § 4 Abs. 3 des Raumordnerischen Vertrags vom 28. Mai 2009).

82

3. Da damit das Vorhaben jedenfalls gegen das Integrationsverbot verstößt, kann offenbleiben, ob weitere Ziele und namentlich das Konzentrationsgebot dem Vorhaben entgegenstehen. Nach dem Konzentrationsgebot, das in Abschnitt 2.3 Ziff. 04 des LROP festgelegt ist, sind neue Einzelhandelsgroßprojekte nur innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes des jeweiligen Zentralen Ortes zulässig. Nach Abschnitt 2.2. Ziff. 04 LROP sind die Zentralen Orte in den Regionalen Raumordnungsplänen im Benehmen mit den Gemeinden räumlich als zentrale Siedlungsgebiete festzulegen.

83

Das Verwaltungsgericht braucht sich mit der Wirksamkeit dieses Zieles nicht abschließend auseinanderzusetzen. Insbesondere ist nicht abschließend zu klären, ob der Begriff des „zentralen Siedlungsgebietes des jeweiligen Zentralen Ortes“ angesichts des der Regionalplanung übertragenen Konkretisierungsauftrags in Abschnitt 2.2 Ziff. 04 LROP hinreichend bestimmbar ist, um dem Konzentrationsgebot im Verhältnis zur Gemeinde Zielqualität zu verleihen (vgl. schon Nds. OVG, Urt. v. 10.7.2014 - 1 KN 121/11 -, Rn. 46 juris). Insoweit bestehen im vorliegenden Fall besondere Bedenken, weil im maßgeblichen Entwurf des Regionalplans des Landkreises Heidekreises zentrale Siedlungsgebiete nicht festgelegt sind.

B.

84

Der hilfsweise gestellte Antrag, die Beklagte zu verpflichten, den Zielabweichungsantrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, ist zulässig und begründet. Die Erweiterung des Hilfsantrags um die Abweichung von Integrations- (und ggfs. Konzentrationsgebot) als den einschlägigen Zielen der Raumordnung ist als sachdienliche Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig (vgl. OVG Rh.-Pf., Urt. v. 14.11.2018 – 1 A 10105/18 –, Rn. 54 juris).

85

I. Die Bescheidungsklage ist zulässig.

86

Die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis der Klägerin als kommunale Gebietskörperschaft folgt aus ihrer Befugnis, als „öffentliche Stelle“ ein Zielabweichungsverfahren beantragen zu können (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 ROG; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 3 S 2110/08 –, juris Rn. 69), denn sie hätte das Ziel, von dem hier eine Abweichung zugelassen werden soll, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG bei ihrer Bauleitplanung zu beachten.

87

Der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin im behördlichen Verfahren ihren Zielabweichungsantrag ausdrücklich nur auf die Ausnahmeregelung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP bezogen und keine Zielabweichung von den dem Vorhaben entgegenstehenden Zielen beantragt hatte. Denn die Ausnahmeregelung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP bezieht sich ihrerseits u. a. auf die hier relevanten „Regelziele“. Da Ziel und Ausnahme wie wiederholt dargelegt in einer Wechselbeziehung zueinander stehen und ein „Gesamtpaket“ darstellen, ist es unmaßgeblich, dass die Beteiligten stets nur über eine Abweichung von der Ausnahmeregelung gesprochen haben. Dies wird durch die Ausführungen der Beklagten in der Bescheidbegründung sowie im vorliegenden Verfahren bestätigt. Dort hat sie wiederholt die Grundzüge der Planung aus dem Zentrale-Orte-Prinzip, also u. a. aus dem Integrations- und dem Konzentrationsgebot, hergeleitet. Bei der ausschließlichen Bezugnahme auf die Ausnahmeregelung handelt es sich insofern um eine unschädliche Falschbezeichnung.

88

II. Die Klage ist auch begründet. Die Ablehnung des Zielabweichungsantrags ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; sie hat einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Zielabweichungsantrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 VwGO).

89

1. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz besteht der Anspruch auf Neubescheidung eines Zielabweichungsantrags allerdings nicht bereits dann, wenn die Entscheidung über die Zielabweichung „abwägungsfehlerhaft“ ist, weil die Auswirkungen des Vorhabens auf den Einzelhandelsbestand im Einzugsbereich nicht hinreichend ermittelt wurden. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz meint, in den Vorgaben des § 6 Abs. 2 ROG die Ermächtigung zu einer Abwägungsentscheidung zu erkennen. Hierfür spreche, dass eine Zielabweichungsentscheidung auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 ROG die typischen Merkmale einer Abwägungsentscheidung aufweise. Typischerweise seien eine große Vielzahl von Belangen zu ermitteln, zu berücksichtigen und zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. In ein klassisches Wenn-dann-Schema lasse sich eine Zielabweichungsentscheidung nicht fassen. Hinzu komme, dass sich die „Ermessensentscheidung“ der Planungsbehörde auf der Rechtsfolgenseite verständigerweise nicht von der Prüfung der „raumordnerischen Vertretbarkeit“ und des „Nichtberührtseins der Grundzüge der Planung“ trennen lasse. Auch hier seien – „nachvollziehende“ – Abwägungsentscheidungen zu treffen, und zwar im Wesentlichen mit demselben Programm wie im Rahmen des Ermessens auf Rechtsfolgenseite. Ein Zielabweichungsbescheid sei darum schon dann rechtsfehlerhaft, wenn die Auswirkungen des Vorhabens, für das die Zielabweichung beantragt werden, nicht hinreichend ermittelt worden seien (OVG Rh.-Pf., Urt. v. 14.11.2018 - 1 A 10105/18 -, Rn. 65, juris).

90

Dieser Auffassung vermag sich das erkennende Gericht – soweit ersichtlich in Übereinstimmung mit der übrigen ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie mit der Kommentarliteratur – nicht anzuschließen. Sie liefe darauf hinaus, dass die zuständige Behörde bei jedem Zielabweichungsantrag in ein „kleines Planänderungsverfahren“ einsteigen und die maßgeblichen Belange ermitteln müsste. Das dürfte der Intention des Gesetzgebers nicht entsprechen, der die Grundzüge der Planung als äußerste Grenze einer zulässigen Zielabweichung vorgesehen hat. Ist aber ersichtlich, dass die begehrte Zielabweichung die planerische Grundkonzeption in beachtlicher Weise beeinträchtigt, erübrigt es sich, anlässlich eines Zielabweichungsantrags in neue Ermittlungen einzusteigen oder gar eine neue Abwägung anzustellen. Das gilt zumal deshalb, weil Plangeber und die für die Entscheidung über den Zielabweichungsantrag zuständige Behörde nicht zwingend identisch sind: So ist gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 NROG grundsätzlich die untere Landesplanungsbehörde zuständig, wenn ein Zielabweichungsantrag sich sowohl auf Ziele der Regional- als auch der Landesplanung bezieht. Es leuchtet nicht ein, weshalb die untere Landesplanungsbehörde ermächtigt sein sollte, eine Abwägungsentscheidung zu Zielen im LROP zu treffen. Zudem gehen – soweit ersichtlich – alle anderen Obergerichte und das BVerwG davon aus, dass die Vorschrift des § 6 As. 2 ROG an § 31 Abs. 2 BauGB angelehnt ist, so dass dessen Grundsätze übernommen werden können. Das Zielabweichungsverfahren wird dementsprechend übereinstimmend als einzelfallmäßige Durchbrechung der Planung durch Verwaltungsakt verstanden und entsprechend im Sinne eines typischen Konditionalschemas geprüft (s. dazu BVerwG, Beschl. v. 12.7.2018 - 7 B 15.17 -, juris; BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 4.7.2012 - 3 S 351/11 -, juris; OVG C-Stadt-Brandenburg, Urt. v. 16.11.2017 – OVG 10 B 1.17 -, juris; ebenso die Kommentarliteratur vgl. etwa Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, Stand 2016, L § 6 Rn. 44).

91

2. Im Einklang mit der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist somit zunächst zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zielabweichung vorliegen. Das ist, soweit dies im Verwaltungsverfahren geprüft wurde, entgegen der Auffassung der Beklagten der Fall.

92

Nach § 6 Abs. 2 ROG kann von den Zielen der Raumordnung abgewichen werden, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Diese Bestimmung orientiert sich an der bauplanungsrechtlichen Vorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB über die Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (siehe BT-Drs. 13/6392 S. 85 zur insoweit gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 11 Satz 1 ROG 1997 sowie BT-Drs. 16/10292 S. 23 zur Neufassung), so dass die hierzu ergangene Rechtsprechung herangezogen werden kann (BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, juris Rn. 26).

93

Bezugspunkt der Zielabweichungsprüfung ist entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht die Ausnahmeregelung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP, sondern die dem Vorhaben entgegenstehenden Ziele, die den Rechtskreis der Planbetroffenen einschränken. Dies ist hier, nach den zur Feststellungsklage getroffenen Feststellungen, zunächst das Integrationsgebot (Abschnitt 2.3 Ziff. 05 Satz 1 LROP), sowie, seine Wirksamkeit und Anwendbarkeit im vorliegenden Fall unterstellt, das Konzentrationsgebot (Abschnitt 2.3 Ziff. 04 LROP).

94

Eine Zielabweichung von der Ausnahmeregelung kommt aus normsystematischen Gründen nicht in Betracht. Sowohl Ausnahme i. S. d. § 6 Abs. 1 ROG als auch Zielabweichung i. S. d. § 6 Abs. 2 ROG sind Instrumente, um den Verbindlichkeitsanspruch eines Ziels der Raumordnung einzuschränken. Im Hinblick auf die beschränkende Wirkung eines Ziels der Raumordnung erweitern beide Instrumente den Rechtskreis der Planbetroffenen also wieder. Will die Klägerin ihr Planvorhaben verwirklichen, muss sie die Abweichung von dem Ziel beantragen, dass ihrer Planung entgegensteht, hier von dem Integrations- und Konzentrationsgebot. Hingegen ist die Zielabweichung kein taugliches Instrument, um die bestehende planinterne Ausnahme planextern zu erweitern. Denn das wäre nur im Wege der Planänderung möglich.

95

a) Durch die hier zu prüfende Abweichung vom Integrations- und Konzentrationsgebot werden die Grundzüge der Planung nicht berührt. Mit dem Erfordernis, dass von Zielen der Raumordnung nur dann abgewichen werden darf, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, setzt § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG eine in jedem Fall zu beachtende Grenze für die Zielabweichung. Das Erfordernis soll sicherstellen, dass die Ziele der Raumordnung als verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren vom Träger der Landesplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden können (OVG C-Stadt-Brandenburg, Urt. v. 16.11.2017 - OVG 10 B 1.17-, juris Rn. 53). Was die „Grundzüge der Planung“ i.S.v. § 6 Abs. 2 ROG sind, ist gesetzlich nicht definiert. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist darunter die Planungskonzeption zu verstehen, die die im Einzelnen aufgeführten Ziele trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt. Die Frage, ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach dem im Plan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die dem Plan zugrunde gelegte Planungskonzeption („Grundgerüst“) in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Die Abweichung muss – soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein – durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss demnach angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Plangeber gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er den Grund für die Abweichung gekannt hätte (BVerwG, Beschl. v. 12.7.2018 - 7 B 15.17 -, juris Rn. 13 m. w. Nachw.).

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Nach diesen Vorgaben berührt die hier begehrte Zielabweichung vom Integrations- und Konzentrationsgebot zur planerischen Ermöglichung einer Erweiterung des DOS die Grundzüge der Planung nicht. Die von der Beklagten angeführten Gründe tragen die Ablehnungsentscheidung nicht.

97

Zwar wird vielfach vertreten, dass eine Abweichung von Regelungen, die sich auf das Zentrale-Orte-Konzept stützen, immer die Grundstruktur des Plans berühre (Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, L § 6 Rn. 126; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 4.7.2012 - 3 S 351/11 -, juris Rn. 51). Davon gehen auch die Verwaltungsvorschriften der Beklagten zur Zielabweichung aus (Nds. MBl. Nr. 18/2017, Ziff. 2.2.4.2). Das Bundesverwaltungsgericht hat dieser Auffassung aber eine Absage erteilt und klargestellt, dass es auch bei Zielabweichungen von Zielfestlegungen, mit denen das Zentrale-Orte-Prinzip konkretisiert wird, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Eine besondere Atypik der Situation sei ebenfalls nicht erforderlich (BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, juris Rn. 27).

98

Die somit erforderliche Einzelfallbetrachtung hat hier grundlegend in Rechnung zu stellen, dass bereits nach der Planungskonzeption für das Gebiet der Lüneburger Heide die Gebote des Zentrale-Orte-Konzeptes für ein HDV in der Lüneburger Heide und namentlich das hier betroffene Integrations- und Konzentrationsgebot nicht ausnahmslos gelten sollten, sondern ausdrücklich eine Abweichung für ein HDV in der Lüneburger Heide erlaubten. Aufgrund dieser Ausnahme wurde das DOS in Soltau geplant und errichtet, so dass die Ausnahmeregelung mit dem DOS (weitestgehend) verwirklicht und insoweit „aufgebraucht“ wurde. Die Durchbrechung des Zentrale-Orte-Konzepts durch das DOS in Soltau war somit bereits „planintern“ angelegt (vgl. zu diesem Aspekt Kment, in. ders., ROG, § 6 Rn. 74; vgl. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, Stand 2016, L § 6 Rn. 82).

99

Das Plankonzept ist insofern auch deshalb nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt, weil Integrations- und Konzentrationsgebot, auf die sich die hier begehrte Zielabweichung bezieht, ihrem Schutzzweck entsprechend zuvörderst standortbezogene Vorgaben enthalten. So sind nach dem Integrationsgebot Einzelhandelsgroßprojekte nur innerhalb städtebaulich integrierter Lagen und nach dem Konzentrationsgebot nur innerhalb des zentralen Siedlungsgebiets des jeweiligen Zentralen Ortes zulässig. Ausgeschlossen werden Standorte auf der grünen Wiese (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 25.4.2012 - 1 KN 215/10 -, juris Rn 192). Vorgaben, die unmittelbar an die Größe des Einzelhandelsgroßprojekt anknüpfen, enthalten diese Ziele nur, soweit sie als Regelungsobjekt Einzelhandelsgroßprojekte erfassen. Ist jedoch die Großflächigkeit einmal erreicht, stehen diese Ziele einem 20.000 m² großen Vorhaben in gleicher Weise entgegen wie einem Einzelhandelsprojekt, das eine Verkaufsfläche von „nur“ 10.000 m² hat. Vorgaben, die unmittelbar an die Verkaufsflächengröße, wie beispielsweise an durch das Vorhaben bewirkte Umsatzzahlen, anknüpfen, enthalten diese Ziele nicht. Ihr Schutzzweck wird deshalb durch die erstmalige Neuansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojekts deutlich erheblicher beeinträchtigt als durch die Erweiterung eines ohnehin schon großflächigen Einzelhandelsgroßprojekts, weil der Standort im Fall einer solchen Erweiterung aus der Sicht von Integrations- und Konzentrationsgebot bereits „verloren“ ist, schlicht, weil dort keine „grüne Wiese“ mehr ist. Vorgaben, die Auswirkungen auch auf die Größe eines Einzelhandelsgroßprojekts haben, enthalten nur das – hier nicht zu prüfende – Beeinträchtigungsverbot und das Kongruenzgebot (vgl. LROP 2017, Erläuterungen, zu Ziff. 08), demzufolge die Verkaufsfläche eines Einzelhandelsgroßprojektes höchstens so bemessen sein darf, dass sein Einzugsgebiet dem Versorgungsauftrag des jeweiligen Zentralen Ortes entspricht. Dieses Gebot wird aufgrund seiner Anknüpfung an die Verkaufsfläche durch eine Erweiterung eines bestehenden Einzelhandelsgroßprojekts anders als Integrations- und Konzentrationsgebot potentiell in gleicher Weise beeinträchtigt wie durch die erstmalige Ansiedlung. Das Kongruenzgebot gilt nach der Änderung des LROP im Jahr 2017 in einem Mittelzentrum wie Soltau im Hinblick auf die hier in Rede stehenden aperiodischen Sortimente indes nur noch als Grundsatz der Raumordnung. Es ist also erkennbar, dass das Plankonzept im Hinblick auf die Größe eines Einzelhandelsgroßprojekts seinen Regelungsanspruch zurückgenommen hat. Auch das spricht dagegen, dass die angestrebte Erweiterung des DOS in Soltau die Grundzüge der Planung berührt.

100

Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Zulassung der Abweichung rechtlich relevante Vorbildwirkung für vergleichbare weitere Vorhaben hätte (vgl. dazu OVG C-Stadt-Brandenburg, Urt. v. 1.11.2017 - OVG 10. B 1.17 -, juris Rn. 57). Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Zulassung der Erweiterung keine Vorbildwirkung für die Ansiedlung von HDV „auf der grünen Wiese“ schaffen würde. Denn das hier in Rede stehende Erweiterungsvorhaben bezieht sich auf einen schon vorhandenen Standort und liegt somit nicht auf der grünen Wiese. Eine Vorbildwirkung für andere großflächige Einzelhandelsgroßvorhaben, die keine HDV sind, ist gleichfalls nicht zu befürchten. Denn auch wenn nach dem erklärten Willen des Plangebers HDV grundsätzlich nicht anders behandelt werden sollen als andere Einzelhandelsgroßprojekte, kann für eine Erweiterung herkömmlicher Einzelhandelsgroßprojekte nicht argumentiert werden, das Geschäftsmodell erfordere eine gewisse Mindestgröße (vgl. dazu Nds. OVG, Urt. v. 25.4.2012 - 1 KN 215/10 Rn. 187). Insofern käme allenfalls eine Vorbildwirkung für andere bestehende HDV „auf der grünen Wiese“ in Betracht. Solche vergleichbaren HDV gibt es in Niedersachsen nicht: Das FOC Wolfsburg befindet sich nicht auf der grünen Wiese, sondern schmiegt sich an den zentralen Versorgungsbereich der Wolfsburger Innenstadt an. Die Standorte in Stuhr/Brinkum („Ochtum Park“) und Dodenhof entsprechen den Vorgaben des Integrations- und Konzentrationsgebot zwar ebenso wie das DOS nicht; sie unterscheiden sich vom DOS aber insofern, als beide nicht als HDV errichtet wurden, sondern sich aus einer Einzelhandelsagglomeration heraus entwickelt haben. Zwar erfüllt der Standort in Stuhr/Brinkum mittlerweile die gängigen Definitionsmerkmale eines HDV. Dieser Standort kann jedoch – anders als das DOS – nicht für sich in Anspruch nehmen, vom Träger der Landesplanung „gewollt“ zu sein. Seine Existenz steht somit, auch wenn der LROP raumordnerischen Bestandsschutz gewährt, im Widerspruch zu den Zwecken des Integrations- und Konzentrationsgebots, was für das DOS aufgrund der Ausnahmeregelung in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP nicht gilt. Diese unterschiedliche Ausgangslage wäre bei einem etwaigen Erweiterungswunsch des Ochtums Parks zu berücksichtigen.

101

b) Die begehrte Zielabweichung ist raumordnerisch vertretbar. Dies ist der Fall, wenn das Vorhaben im Hinblick auf den Zweck der Zielfestlegung, von der hier abgewichen werden soll, anhand der konkreten Situation planbar gewesen wäre, wenn der Weg der Planung statt der Abweichung beschritten worden wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.7.2018 - 7 B 15.17 -, juris Rn. 13). Ein durch die förmliche Fachplanung nicht zu erzielendes Ergebnis kann auch nicht im Wege der Abweichung erreicht werden (Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, in: ROG, Stand 2016, L § 6 Rn. 115).

102

aa) Die begehrte Zielabweichung wäre planbar gewesen. Materiell geht es um einen (weiteren) Dispens von den Vorgaben des Integrations- und Konzentrationsgebots für ein HDV in der Lüneburger Heide. Einen solchen Dispens sah bereits der LROP 2008 in Gestalt der Ausnahmeregelung vor; tatsächlich war diese Ausnahmeregelung dem Grunde nach sogar weitergehend angelegt als der nun in Rede stehende Dispens, weil sie – erstens – das HDV an allen potentiellen Standorten in der Lüneburger Heide erlaubte und – zweitens – auch den Verbindlichkeitsanspruch des damals noch als Ziel der Raumordnung gefassten Kongruenzgebots einschränkte. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit dieser mit dem LROP 2008 eingeführten Ausnahmeregelung in seinem Urteil im Jahr 2012 bejaht. Dass dem Grunde nach der hier begehrte Dispens von Integrations- und Konzentrationsgebot planbar ist, steht damit fest. Insoweit steht hier nicht mehr das „Ob“ der Planbarkeit eines solches Dispenses in Frage, sondern nur noch das „Wieweit“. Diesbezüglich ist nicht ersichtlich, dass mit der nun angestrebten Verkaufsfläche von nahezu 20.000 m² die Grenze der Planbarkeit überschritten wäre. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass sich der Plangeber bei Bemessung der Verkaufsfläche im Jahr 2008 eher am unteren Ende der „Verkaufsflächenskala“ orientiert hat. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat schon im Jahr 2012 befunden, dass es sich bei HDV um einen besonderen Anlagentyp handele, der unterhalb bestimmter Größenordnungen nicht auskömmlich betrieben werden könne. Die gewählte Verkaufsfläche von 10.000 m² hat das Niedersächsische darum als „Untergrenze“ bezeichnet und dem Plangeber insoweit bescheinigt, für das HDV in der Lüneburger Heide eine eher „bescheidene Größenordnung“ gewählt zu haben (Nds. OVG, Urt. v. 25.4.2012 - 1 KN 215/10 -, juris Rn. 187). Die Kammer hat darum keinen Zweifel daran, dass der Dispens von Integrations- und Konzentrationsgebot auch für ein HDV in der Lüneburger Heide bzw. das DOS mit einer Verkaufsfläche von 20.000 m² planbar gewesen wäre.

103

bb) Die Zielabweichung ist nicht deshalb raumordnerisch unvertretbar, weil sich der Plangeber selbst bewusst gegen eine Erweiterung der Verkaufsfläche entschieden hätte. Zwar können nur solche Gründe eine Zielabweichung als vertretbar rechtfertigen, die nicht bereits bei der Planerstellung erörtert und bewusst zurückgestellt wurden; denn in einem solchen Fall hat der Plangeber eine Aussage gegen die raumordnerische Zulassung getroffen, an die die Raumordnungsbehörde gebunden bleibt (Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, Stand 2006, L § 6 Rn. 115; Kment, in: ders., ROG, 1. Aufl. 2019, § 6 Rn. 68). Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt hier aber eine solche abschließende Entscheidung des Plangebers nicht vor.

104

Die Kammer zieht nicht in Zweifel, dass sich der Plangeber bei Einführung der Ausnahmeregelung im Jahr 2008 bewusst und unter Einbeziehung aller abwägungsrelevanten Belange gegen eine größere Verkaufsfläche entschieden hat. Die Absicht der Beigeladenen, ein HDV mit einer größeren Verkaufsfläche betreiben zu wollen war ebenso bekannt wie die Bereitschaft der Klägerin, ein solch großes HDV in ihrem Stadtgebiet anzusiedeln. Bei der Entscheidungsfindung im Jahr 2008 wurde ausweislich der Ausführungen der Beklagten im Klageverfahren auch berücksichtigt, dass in anderen Bundesländern Planungen zur Ansiedlung von HDV liefen, die schon damals eine größere Verkaufsfläche vorsahen. Dass der Plangeber damals gleichwohl die Verkaufsfläche auf 10.000 m² beschränkt hat, war eine bewusste Entscheidung, die unter dem Aspekt der Vorsorge der Befürchtung geschuldet war, ein HDV in der Lüneburger Heide könnte die Versorgungsstrukturen umliegender Gemeinden beeinträchtigen.

105

Die abschließende Entscheidung zur Verkaufsfläche im Jahr 2008 bezog sich indes in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht auf eine Situation, die sich so grundlegend von der aktuellen Lage unterscheidet, dass nicht unterstellt werden kann, die im Jahr 2008 angestellte Entscheidung gegen eine größere Verkaufsfläche sei auch im Hinblick auf die mittlerweile gegebene Situation abschließend.

106

Die Ausgangslage im Zeitpunkt, als der Plangeber die ursprüngliche Abwägungsentscheidung zur Begrenzung der Verkaufsfläche im Jahr 2008 traf, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Standort des DOS war noch nicht bekannt. Die Begrenzung der Verkaufsfläche musste damit für jedweden potentiellen Standort eines HDV in der Lüneburger Heide gelten. Da es an Erfahrungswerten für die Auswirkungen eines HDV in der Lüneburger Heide fehlte, musste die Verkaufsfläche auf Grundlage von Prognosen begrenzt werden. In dieser Ausgangslage bestimmten insbesondere der Aspekt der Vorsicht und Vorsorge die Reichweite der Ausnahmeregelung, so dass nicht verwundert, dass sich der Plangeber bei Bestimmung der Verkaufsfläche eher am unteren Ende des sinnvoll Planbaren orientierte. Zudem ging der Plangeber im Jahr 2008 davon aus, das Kongruenzgebot gelte als Ziel der Raumordnung und stehe darum einem HDV in der Lüneburger Heide außerhalb eines Oberzentrums in gleicher Weise entgegen wie das Integrations- und das Konzentrationsgebot.

107

Die Entscheidung über die Vergrößerung der Verkaufsfläche des DOS findet nun unter so veränderten Rahmenbedingungen statt, dass die im Jahr 2008 getroffene Entscheidung nicht mehr mit der nunmehr zu treffenden Entscheidung gleichgesetzt werden kann. Anders gewendet: Die Beklagte hat heute eine andere Entscheidung zu treffen als bei Festlegung der Verkaufsfläche im Jahr 2008. Das folgt zunächst schlicht aus dem Umstand, dass anders als 2008 der konkrete Standort des HDV in der Lüneburger Heide bekannt ist. Schon der Bezugspunkt für die Entscheidung über die Verkaufsfläche ist darum nicht mehr derselbe wie noch 2008. Es geht nicht mehr um die Verkaufsfläche „eines HDV“ in der Lüneburger Heide, sondern um „das DOS“ in Soltau. Schon aus diesem Grund sind zudem die durch die Erweiterung erwartbaren Auswirkungen sicherer zu prognostizieren als 2008 die Auswirkungen eines HDV irgendwo in der Lüneburger Heide. Hinzu kommt, dass die Entscheidung über die Verkaufsfläche nunmehr auf einer konkreten Datengrundlage getroffen werden kann. Seit 2012 wird das DOS betrieben. Die Auswirkungen des bestehenden DOS auf die – nunmehr ebenfalls bekannten – umliegenden Innenstädte sind entsprechenden Monitoring-Berichten zu entnehmen. Die Prognose, ob und wieweit eine größere Verkaufsfläche des DOS zu Beeinträchtigungen der Versorgungsstrukturen umliegender Gemeinde führen würde, kann und muss diese Daten berücksichtigen (vgl. OVG NRW Urt. v. 6.11.2008 - 10 A 1417/07 -, juris Rn. 62). Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich verändert: Anders als noch im LROP 2008 (Abschnitt 2.3. Ziff. 03 Satz 1) gilt das Kongruenzgebot für die vom DOS vertriebenen aperiodischen Sortimente nicht mehr als Ziel, sondern nur noch als Grundsatz der Raumordnung (Abschnitt 2.3 Ziff. 03 Satz 2 LROP). Das Kongruenzgebot ordnet einzelne Vorhaben in Abhängigkeit von ihren Auswirkungen Orten bestimmter Zentralitätsstufen zu (vgl. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, L § 6 Rn. 63). Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt hat, beeinflussen diese Regelungen insbesondere die in Abhängigkeit von der Zentralitätsstufe zu bestimmende zulässige Verkaufsfläche eines Einzelhandelsvorhabens (s. auch LROP 2017, Erläuterungen, zu Ziff. 03 Sätze 1 bis 10 sowie zu Ziff. 08). Das Kongruenzgebot unterscheidet sich damit von den Vorgaben des Integrations- und des Konzentrationsgebots, die zuvörderst standortbezogene Vorgaben machen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass für die Bemessung der Verkaufsfläche des HDV als Bestandteil der Ausnahmeregelung im LROP 2008 die Anforderungen des Kongruenzgebots im Vordergrund gestanden haben dürften. Denn die zunehmende Verkaufsfläche und der Grad der Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Kongruenzgebots korrelieren unmittelbar, während dies bei den primär standortbezogenen Aussagen von Integrations- und Konzentrationsgebot nicht bzw. jedenfalls in deutlich geringerem Maße der Fall ist. Einfacher formuliert: Ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben verstößt umso stärker gegen das Kongruenzgebot je größer es ist. Bei Integrations- und Konzentrationsgebot gibt es diesen Zusammenhang jedenfalls nicht unmittelbar. Wenn der Plangeber im Jahr 2008 unter der Prämisse, es gelte ein zielförmiges Kongruenzgebot, eine Ausnahme vom Kongruenz-, Integrations- und Konzentrationsgebot zuließ und dabei die Verkaufsfläche des ausnahmsweise zulässigen HDV in der Lüneburger Heide auf 10.000 m² beschränkte, hat er damit nicht zugleich eine abschließende Entscheidung darüber getroffen, wie weitgehend der Dispens sein kann bzw. darf, wenn das Kongruenzgebot dem HDV in der Lüneburger Heide als Ziel der Raumordnung nicht mehr entgegensteht.

108

Hinsichtlich dieser jedenfalls in der Gesamtschau grundlegend neuen Situation hat der Plangeber eine abschließende Entscheidung über die Verkaufsfläche eines HDV in der Lüneburger Heide nicht getroffen. Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Plangeber bei der Änderung des LROP im Jahr 2017 die Ausnahmeregelung nicht angefasst, weil diese nicht Gegenstand des Änderungsverfahrens gewesen sei. Die Entscheidung des Plangebers, die Verkaufsflächenobergrenze in Abschnitt 2.3 Ziff. 09 Satz 2 LROP im Rahmen des Änderungsverfahrens unter Verweis auf die „erst“ 2008 eingeführte Ausnahmeregelung unverändert zu lassen, ist keine bewusste Entscheidung gegen eine Erweiterung der Verkaufsfläche, und wenn ja, wäre diese Entscheidung jedenfalls abwägungsfehlerhaft, weil sich der Plangeber die veränderte Situation nicht vergegenwärtigt hat. Schließlich hat die 2008 getroffene Abwägungsentscheidung die nun eingetretene Situation auch nicht vorweggenommen, denn das konnte sie nicht, weil die veränderten Umstände damals nicht vorhersehbar waren. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Abschwächung des Kongruenzgebots, das u. a. infolge eines Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im Jahr 2012 verändert wurde.

109

cc) Gegen die raumordnerische Vertretbarkeit spricht schließlich nicht, dass sie auch den privaten Interessen des Betreibers des DOS dient. Der Begriff der raumordnerischen Vertretbarkeit ist wie die städtebauliche Vertretbarkeit auch weit zu verstehen. Nicht nur raumordnerische, sondern auch private Belange kommen als Rechtfertigungsgrund in Betracht. So können i. R. d. § 31 Abs. 2 BauGB private Interessen nach erweiterten Genehmigungsmöglichkeiten, soweit sie auch im Rahmen des § 1 Satz 6 und 7 relevant sind, bedeutsam sein. Entsprechend kommen private Interessen zur Rechtfertigung einer Zielabweichung in Betracht, soweit sie im Rahmen der raumordnerischen Abwägung relevant sind. Zwar sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG bei der Aufstellung der Raumordnungspläne private Belange nur abzuwägen, soweit sie auf dieser Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, was aufgrund des Wesens der Raumordnungsplanung als rahmensetzende Planung für nachfolgende Planungen und raumbedeutsame Maßnahmen bei privaten Interessen vielfach nicht der Fall sein wird (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 6.4.2017 – 12 KN 6/16 -, juris Rn. 14; Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, Stand 2016, M § 7 Rn. 115). Hier sind die privaten Betreiberinteressen auch auf Ebene der Raumordnung aber schon deshalb erkennbar, weil der LROP eine Einzelfallregelung für ein HDV in der Lüneburger Heide getroffen hat, die durch die Beigeladene ausgenutzt worden ist.

110

c) Der Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung ihres Zielabweichungsantrags ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil derzeit noch nicht feststeht, ob das Vorhaben im Übrigen umfassend raumverträglich ist, insbesondere ob es mit dem Beeinträchtigungsverbot in Einklang steht.

111

Zwar scheidet eine Zielabweichung aus, wenn das durch die Zielabweichung zu ermöglichende Vorhaben im Übrigen raumunverträglich wäre; insbesondere käme eine Zielabweichung nicht in Betracht, wenn die Erweiterung auch gegen das Beeinträchtigungsverbot verstieße (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10, juris Rn. 27). Ob diese Aspekte hier einer Zielabweichung entgegenstehen, kann das Verwaltungsgericht aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht abschließend prüfen. Es ist fraglich, ob das von der Klägerin und der Beigeladene zur Unterstützung ihres Zielabweichungsantrags vorgelegte Gutachten ausreicht, um die Vereinbarkeit der Erweiterung des DOS mit dem Beeinträchtigungsverbot festzustellen. Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, diese Fragen aufzuklären und die Sache insoweit auf Tatbestandsseite spruchreif zu machen. Denn ansonsten wären komplexe Fragen, für die nach der Wertung des Gesetzes regelmäßig die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens erforderlich ist (vgl. § 1 Satz 3 Nr. 19 ROV), erstmals im gerichtlichen Verfahren zu klären. Unter diesen Umständen genügt es für die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung, dass – wie hier – der von der Behörde herangezogene Versagungsgrund die Ablehnung des Antrags nicht trägt und die Zielabweichung nach dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisstand nicht schon aus anderen Gründen offensichtlich zu versagen ist. Das gilt sogar dann, wenn der Kläger die Verpflichtung der Behörde begehrt hatte (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 15.5.2009 - 12 LC 55/07 -, juris = NVwZ-RR 2009, 875, 876); und erst recht dann, wenn das Klageziel von vornherein auf eine Neubescheidung beschränkt war (vgl. OVG Rh.-Pf., Urt. v. 11.5.2005 - 8 A 10281/05 -, juris).

112

Nach diesen Vorgaben liegen hier die Voraussetzungen vor, um ohne eine abschließende Prüfung der Frage, ob das in Rede stehende Vorhaben das Beeinträchtigungsverbot des LROP verletzt und insgesamt raumverträglich ist, die Beklagte zu Neubescheidung verpflichten zu können. Denn auf Grundlage der vorliegenden Gutachten ist eher nicht von einer Verletzung des Beeinträchtigungsverbots auszugehen. Die Beklagte ist ebenfalls nicht der Auffassung, das Beeinträchtigungsverbot sei verletzt, sondern hat sich insoweit auf die Aussage beschränkt, die Raumverträglichkeit stehe derzeit noch nicht fest.

113

Auch im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zielabweichung offensichtlich zu versagen wäre. Insbesondere ist für eine Ermessensreduzierung auf Null, die der Beklagten verbieten würde, dem Antrag auf Zielabweichung stattzugeben, nichts ersichtlich.

114

3. Dass das nach § 8 NROG erforderliche Einvernehmen der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen nicht vorliegt, steht der beantragten Neubescheidung nach den obigen Ausführungen ebenfalls nicht entgegen. Denn die Beklagte hat aufgrund ihrer Einschätzung, eine Zielabweichung komme bereits mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 ROG nicht in Betracht, von einer Beteiligung der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen abgesehen. Deren Beteiligung wird die Beklagte aufgrund des Urteils erforderlichenfalls nachzuholen haben.

115

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 162 Abs. 3 VwGO.

116

Die Berufung ist gemäß § 142 Abs. 3 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweist, die das Maß des in verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten Üblichen nicht unerheblich übersteigen.

 


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