Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (5. Kammer) - 5 A 192/11

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich vorliegend gegen die Rücknahme eines Bescheides, mit welchem der Beklagte (isoliert) das Wiederaufgreifen eines bereits bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens bezüglich der Gewährung von Ausgleichsleistungen angeordnet hatte. Im Ergebnis begehrt er im späteren Verlauf die Gewährung von Ausgleichsleistungen nach seinem Vater L., welcher am 30.10.19.. verstorben ist, wegen dessen entschädigungsloser Enteignung in Bezug auf das vormalige Rittergut P. einschließlich der Burg … im Zuge der Bodenreform.

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Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

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Der im Zuge der Bodenreform enteignete Vater des Klägers bestimmte im notariellen Testament vom 22.03.1983 als Alleinerbin seine Ehefrau V.. Diese sei befreite Vorerbin. Nacherben zu gleichen Teilen seien die Kinder A. und, der Kläger. Es heißt dort wörtlich:

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„Mein Sohn (hier: der Kläger) erhält als Voraus all die Ansprüche, die ich deshalb habe, weil ich meinen Grundbesitz durch die sogenannte Bodenreform in der Sowjetzone in den Gemeinden M., P. und M. verloren habe. Das gilt auch für alle sonstigen Ansprüche, die ich durch den Verlust meines Vermögens in diesen Bezirk haben sollte.“

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Mit Bescheid vom 02.09.1994 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Rückübertragungsantrag des Klägers bezüglich des ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmens seines Vaters in P. und M. gem. § 1 Abs. 8 a VermG (besatzungshoheitliche Enteignung) ab.

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Mit weiterem Teilbescheid vom 17.08.1998 lehnte das Landesamt weiterhin den Antrag des Antragstellers auf Ausgleichsleistungen einschließlich der Rückgabe jeglicher Sachen bezüglich des Rittergutes P. einschließlich der Burg F. ab. In den Gründen dieses Bescheides ist ausgeführt, dass der Antragsteller nicht Erbe sei. Vielmehr sei die Mutter des Klägers nach dem Testament alleinige Erbin als Vorerbin. Der Kläger sei lediglich Vermächtnisnehmer. Die am 08. Dezember 1997 erfolgte Abtretung aller Vorausvermächtnisansprüche durch die Mutter löse keine Wirkungen aus, weil die Antragsfrist für Ausgleichsleistungsansprüche bereits am 31.05.1995 abgelaufen sei. Die Mutter als Erbin habe innerhalb der gesetzlichen Frist keinen Antrag gestellt. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage beim VG Halle galt als zurückgenommen, weil der Kläger das Verfahren nicht betrieb (Beschluss vom 29.09.2000, 1 A 1478/98).

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Unter dem 05.06.2009 beantragte der Kläger durch seine Bevollmächtigten das Wiederaufgreifen des Verfahrens zum Bescheid vom 17.08.1998 im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2008 (5 C 31. 07). In diesem Urteil wird eine Abtretung von Entschädigungsansprüchen bereits vor Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze (im dortigen Fall: 1965) für wirksam erachtet, wenn der Zessionar gleichzeitig gesetzlicher Erbe ist, z. B. Abkömmling.

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Mangels Einschlägigkeit dieser Entscheidung kündigte das Landesamt zunächst eine Ablehnung des Antrags auf Wiederaufgreifen ab. Im weiteren Verlauf übersandte der Kläger einen gem. § 25 Abs. 2 RAG DDR gegenständlich beschränkten Erbschein des Amtsgerichts B. vom 20.05.2010, wonach er seinen Vater hinsichtlich des in der früheren DDR belegenden Immobiliennachlasses, insbesondere des Immobiliennachlasses in M., P. und M., beerbt habe.

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Mit Bescheid vom 20.09.2010 gab der Beklagte dem Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich Ausgleichsleistung und Rückgabe beweglicher Sachen bezüglich des ehemaligen Rittergutes P. einschließlich der Burg F. im Hinblick auf den Erbschein vom 20.05.2010 statt. Über den Antrag auf Aufhebung des Teilbescheides vom 17.08.1998 und Neubescheidung sollte gesondert entschieden werden.

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Im weiteren Verlauf des Verfahrens kam der Beklagte zu der Erkenntnis, dass nach der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 04.10.1995, IV B 5/95) eine Teilrechtsnachfolge bezüglich der Immobilien in der vormaligen DDR vorliegend keine Rechtswirkungen entfalte, weil es sich vorliegend um Entschädigungs- bzw. Ausgleichsleistungsansprüche handele, die erst 1994 entstanden seien. Der Erblasser habe keine Immobilien als Eigentümer im Beitrittsgebiet hinterlassen.

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Mit hier angefochtenem Bescheid vom 23.06.2011 wurde vom Beklagten der Bescheid zum Wiederaufgreifen des Verfahrens vom 20.09.2010 als rechtswidrig zurückgenommen. Er hätte nicht ergehen dürfen, weil der Ablehnungsbescheid vom 17.09.1998 rechtmäßig gewesen sei. Auch unter Anwendung des beschränkt gegenständlichen Erbscheines sei der Kläger im Verfahren kein Rechtsnachfolger nach seinem Vater, weil sich dieser Erbschein nicht auf die Ausgleichsleistungsansprüche beziehe, vielmehr nur auf Immobilien, die der Erblasser tatsächlich in der DDR hinterlassen habe. Vertrauensschutz sei nicht zu gewähren, weil der Kläger keine Leistungen erhalten habe, insbesondere der Versagungsbescheid vom 17.08.1998 noch nicht durch einen begünstigenden Bescheid ersetzt worden sei. Auf die Begründung dieses Bescheides wird Bezug genommen.

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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. § 48 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1VwVfG LSA sei für eine Rücknahme gar nicht anwendbar, weil gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG LSA dieses Gesetz für das Recht der Wiedergutmachung nicht anwendbar sei. Der Bescheid vom 20.09.2010 sei auch nicht rechtswidrig gewesen, was sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2008 (5 C 31.07) ergebe. Außerdem habe der Beklage zutreffend unter dem 20.09.2010 entschieden, dass der Kläger aufgrund des Erbscheines vom 20.05.2010 von Anfang an als Erbe zu betrachten sei. Im Übrigen sei der Kläger nach dem notariellen Testament und auch den aufgehobenen Vorgängerfassungen – unabhängig vom Erbschein – auch im materiellen Sinne als Erbe zu betrachten. Die Regelung müsse man bei willensgerechter Auslegung wie folgt verstehen: „Die Ehefrau ist Alleinerbin hinsichtlich des Westvermögens. Sie ist „Vorerbin“, der Sohn insoweit „Nacherbe“. Die Tochter erhält ein Vermächtnis. Hinsichtlich des Ostvermögens aber ist der Sohn „Erbe“.“ Schließlich habe der Kläger auch die Antragsfrist für das Wiederaufgreifen eingehalten, weil er ohne grobes Verschulden nicht in der Lage war, den Grund für das Wiederaufgreifen in einem früheren Verfahrensstadium geltend zu machen. Der Beklagte habe durch seine Sachbearbeitung und verschiedene irreführende Aufforderungen den Kläger davon abgehalten, zeitnah den Erbschein zu seinen Gunsten vorzulegen.

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Der Kläger beantragt,

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des Bescheid des Beklagten vom 23.06.2011 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt den angefochtenen Bescheid, weil der Bescheid zum Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtswidrig gewesen sei. Denn der Bescheid vom 17.08.1998 sei rechtmäßig gewesen. Der Kläger sei lediglich Nacherbe gewesen. Die Vorerbin habe keinen rechtzeitigen Antrag gestellt. Die Nachlassspaltung beziehe sich nicht auf Ansprüche nach dem Entschädigungs- bzw. Ausgleichsleistungsgesetz. Diese Ansprüche seien erst 1994 erstmals entstanden. Der Erblasser habe keine Immobilien in der DDR als Eigentümer hinterlassen, die vererbt werden könnten.

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Die Mutter des Klägers ist am 27.10.2010 verstorben. Mit Teilerbschein des Amtsgerichts B. vom 07.08.2012 wurde festgestellt, dass der Vater des Klägers mit dem infolge des Todes der Vorerbin eingetretenen Nacherbfall vom Kläger als Alleinerben beerbt worden ist.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 23. Juni 2011 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das Verwaltungsverfahrensgesetz ist vorliegend anwendbar. Der Geltungsausschluss gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG LSA bezüglich „Recht der Wiedergutmachung“ ist vorliegend nicht einschlägig. Denn das Ausgleichleistungsrecht zählt hierzu nicht. Hierunter fallen nämlich die Regelungen in Bezug auf die Kriegsfolgen, namentlich Verfahren nach dem Bundesrückerstattungsgesetz, dem Bundesentschädigungsgesetz und dem Bundesgesetz zur Wiedergutmachung national-sozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung (vgl. Kropp/Ramsauer, § 2 VwVfG Anmerkung 32). Es sei angemerkt, dass auch das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung das Verwaltungsverfahrensgesetz für anwendbar hält, insbesondere § 48 (z. B. BVerwG, Urt. v. 09.01.07, 8 B 36/06, Urt. v. 18.08.10, 8 C 39/09).

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Die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegen vor. Denn der zurückgenommene Verwaltungsakt vom 20.09.2010 ist rechtswidrig. Dieser Verwaltungsakt war nämlich allein auf Folgendes gestützt:

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„Das Amtsgericht B. hat durch den Erbschein vom 20.05.2010 festgestellt, dass G. Erbe von L. hinsichtlich des in der früheren DDR belegenden Immobiliennachlasses, insbesondere des Immobiliennachlasses in M., P. und M. (...).

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Durch die festgestellte Erbenstellung des Antragstellers hinsichtlich der Immobilien in M., P. und M. hat sich seine Stellung im Verfahren nach dem Ausgleichleistungsgesetz geändert (…). Aufgrund der früheren Sachlage war das Landesverwaltungsamt, Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, der Auffassung, dass sich aus dem vorliegenden Testament von L. ergebe, dass der Antragsteller nur Vermächtnisnehmer sei und nicht Erbe. Als Vermächtnisnehmer war er nicht in den Kreis der Ausgleichleistungsberechtigten miteinbezogen. Als Erbe ist der Antragsteller nunmehr in den Kreis der Ausgleichleistungsberechtigten miteinbezogen.“

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Die vorstehend dargestellte Annahme des Beklagten war jedoch unzutreffend. Der Erbschein vom 20.05.2010 hat den Kläger gerade nicht als Erben bezüglich der hier noch im Streit stehenden Ausgleichsleistungen festgestellt. Denn der Bundesgerichtshof hat schon mit Beschluss vom 04.10.1995 (IV ZB 5/95) entschieden, dass Ansprüche aus dem Vermögensgesetz nicht geeignet sind, eine Nachlassspaltung herbeizuführen. Die erbrechtlichen Verhältnisse richten sich insoweit nach dem allgemeinen für den Erblasser geltenden Erbstatut. Die Anwendung des Rechts der DDR als Recht der belegenden Sache würde nach dieser Entscheidung voraussetzen, dass Vermögenswerte i. S. v. § 25 Abs. 2 DDR-RAG zum Nachlass gehörten. Im Nachlass des (im Fall des BGH) 1985 verstorbenen Erblassers befanden sich aber weder in der DDR gelegene Grundstücke noch Ansprüche nach dem Vermögensgesetz. Letztere entstehen vielmehr, wenn der Berechtigte nicht mehr lebt, originär in der Person seines Rechtsnachfolgers, also des Erben. Schon daran scheitert eine – unmittelbare – Anwendung von § 25 Abs. 2 DDR-RAG. Überdies stellten die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz ihrer Rechtsnatur nach keine „anderen Rechte an Grundstücken“ i. S. v. § 25 Abs. 2 DDR-RAG dar. Für Ansprüche nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, welche vorliegend in Betracht kommen, kann ersichtlich nichts anderes gelten. Diesbezüglich verbleibt es also bei den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen nach BGB, wie sie zum Zeitpunkt des Todes des Vaters des Klägers bestanden.

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Demzufolge war der ausschließlich auf dem Gesichtspunkt des Erbscheins vom 10.05.2010 gestützte Bescheid zum isolierten Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtswidrig. Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine isolierte Entscheidung über das Wiederaufgreifen geboten bzw. rechtlich zulässig war. Denn der betreffende Bescheid ist bestandskräftig geworden. Die Behörde hat sich seinerzeit allein von der Frage leiten lassen, dass sie nunmehr von einer Erbenstellung des Klägers ausgehe, welche jedenfalls mit Rücksicht auf den Erbeschein vom 10.05.2010 nicht zu begründen war. Aber auch unabhängig von der Erbscheinslage war der Kläger nicht als Erbe zu behandeln. Das folgt insbesondere nicht aus dem Testament vom 22.03.1983, nach welchem der Kläger und seine Schwester ausdrücklich als Nacherben nach der Alleinerbin und Vorerbin V. bestimmt worden sind. Auch die Auslegung des Testaments im Hinblick auf das für den Kläger bestimmte „Voraus“ führt zu keinem anderen Ergebnis unter dem Gesichtspunkt, dass die dort genannten Werte den weitaus größten Teil des Nachlasses ausgemacht hätten. Dies war nämlich zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments ersichtlich nicht der Fall. Vielmehr waren die dort genannten Vermögenspositionen wertlos. Der Vater des Klägers war weder Eigentümer der dort genannten - bereits 1945 enteigneten - Liegenschaften noch hatte er Ansprüche nach dem Vermögensgesetz bzw. im Entschädigungs- und Ausgleichleistungsgesetz. Die genannten Gesetze sind erst nach dem Ableben des Vaters des Klägers 1990 und 1994 geschaffen worden. Die dort genannten Rechte entstanden in der Person der Erben erstmals und neu. Werthaltige Vermögenspositionen in Bezug auf vormaliges Vermögen in der DDR waren nicht vorhanden.

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Auch die rechtsirrige Behandlung des Klägers als Erben durch den Beklagten jedenfalls bis zum 31.05.1995 führt nicht zur Begründung einer entsprechenden rechtlichen Position, zumal der Kläger – auch noch heute – gerade keinen Erbschein vorlegen kann, der ihn als direkten Erben bereits für die Zeit vor dem 01.06.1995 ausweist. Eine erbrechtlich direkte Rechtsnachfolge in einzelne Vermögensgegenstände widerspricht § 1922 BGB, eine Erbenstellung des Klägers wegen des ihm zugedachten (1983 wertlosen) „Voraus“ kommt ohnehin nicht in Betracht (§ 2087 Abs. 2 BGB).

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Es kommt vorliegend auch nicht auf die Frage an, inwieweit der Beklagte bei dem Kläger einen Irrtum über die Wirksamkeit seiner Antragstellung erzeugt hat. Er selbst hatte unzweifelhaft rechtzeitig einen Restitutionsantrag gestellt. Der Antrag auf Ausgleichsleistungen wurde und wird von dem Beklagten weiterhin als rechtzeitig gestellt behandelt, auch wenn er zunächst aufgrund des bestandskräftigen Bescheides vom 02.09.1994 erledig war. Die Antragstellung durch den Kläger ersetzt jedoch nicht seine materielle Berechtigung als Erbe, welche zum 31.05.1995 (§ 6 Abs. 1 Satz 3 AusglG) hätte vorliegen müssen. Zwar ist der Kläger nach dem Ableben seiner Mutter am 27.10.2010 Alleinerbe geworden. Der Eintritt des Nacherbfalles wirkt auch unmittelbar auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zurück (§ 2106 Abs. 1 BGB). Dadurch wird aber die Anmeldefrist nach § 6 Abs. 1 Satz 3 AusglG nicht gewahrt. Denn diese hätte von der Vorerbin, der Mutter des Klägers, gewahrt werden müssen, was unstreitig nicht geschehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass im Zeitpunkt der Anmeldung bzw. bis zum Ende der Anmeldefrist die volle Rechtsmacht für eine wirksame Anmeldung erforderlich ist. So ist eine Genehmigung vollmachtsloser Anmeldung nach dem 31.12.1992 für Vermögensrechtsansprüche bzw. nach dem 31.05.1995 für Entschädigung- und Ausgleichleistungsansprüche nicht mehr möglich. So hat das Bundesverwaltungsgericht unter dem 24.06.1999 (7 C 20/98, juris) ausgeführt, dass die Anmeldung eines Restitutionsanspruches durch einen vollmachtlosen Vertreter nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht rückwirkend genehmigt werden kann. Eine Verfassungsbeschwerde hiergegen wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 14.09.1999 nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht seinerseits hat mit Beschluss vom 10.01.2000 (1 BvR 1398/99) entschieden, dass die strengen Ausschlussfristen nicht nur für die Restitution selbst, sondern auch für die Sekundäransprüche (Entschädigung) gelten. Auch insoweit sei die Anmeldefrist durch gewichtige Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt. Sie diene zwar insoweit nicht der Beseitigung von Investitionshemmnissen und der Gewährleistung des Rechtsverkehrs. Wegen der Vielzahl der bis zum Inkrafttreten des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes eingegangenen Anmeldungen und der damit verbundenen Arbeitsbelastung für die zuständigen Ämter habe die Notwendigkeit zur Einführung einer Schlussfrist bestanden, um eine möglichst zügige Bearbeitung der Anmeldungen gewährleisten zu können. Hinsichtlich der Anträge auf Entschädigungen verfolge der Gesetzgeber zudem das fiskalische Interesse, zum Zwecke der Finanzplanung einen möglichst genauen Überblick über bestehende Entschädigungsansprüche zu erhalten. Auch dieser Zweck rechtfertige angesichts der angespannten Haushaltslage die Anordnung einer für den erstrebten Erfolg sowohl geeignete als auch erforderliche Ausschlussfrist für die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen. Demzufolge vermögen weder eine Genehmigung der Anmeldung des Klägers durch die Vorerbin durch den Abtretungsvertrag vom 08.12.1997 noch die Tatsache, dass der Kläger durch den Nacherbfall rückwirkend Alleinerbe geworden ist, daran etwas zu ändern, dass keine wirksame Anmeldung vorliegt.

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Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 23.10.2008 (5 C 31/07) ist für den Fall ohne Bedeutung. Es geht hier nicht um eine (wirksame) Vorausabtretung von Ansprüchen, vielmehr um die (unwirksame) Abtretung von Ansprüchen nach Ablauf der Ausschlussfrist. Die Abtretung vom 08.12.1997 durch die Mutter konnte den Ablauf der Ausschlussfrist mit dem 31.05.1995 nicht überwinden.

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Auf die Frage, ob der Beklagte dadurch, dass er in dem Ablehnungsbescheid zur Rückübertragung vom 02.09.1994 den Kläger als Erben für den ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb angesehen hat, eine Antragstellung durch die Mutter des Antragstellers objektiv verhindert hat, kommt es nicht an. Denn der Antrag ist nun einmal von der Mutter bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist nicht gestellt worden. Zum anderen könnte sich hieraus lediglich ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung der Mutter des Klägers ergeben, nicht des Klägers selbst. Dieser wäre gegebenenfalls nicht vom Entschädigungsfonds zu erfüllen, vielmehr von der Anstellungskörperschaft der verantwortlichen Beamten. Um einen solchen Anspruch geht es vorliegend nicht. Er wäre im Übrigen auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen. Die Rechtsnachfolge nach der Mutter des Klägers ist ohnehin nicht bekannt.

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Mangels Erbenstellung des Klägers – sowohl nach Erbscheinslage wie nach materiellem Recht – war der zurückgenommene Bescheid vom 20.09.2010 objektiv rechtswidrig und durfte zurückgenommen werden. Der Beklagte hat von dem eingeräumten Ermessen in fehlerfreier Weise Gebrauch gemacht. Er war sich darüber bewusst, im Ermessensbereich zu handeln. Er hat den Vertrauensschutz des Klägers geprüft und zutreffend verneint. Insbesondere waren dem Antragsteller weder Leistungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz bereits zuerkannt worden oder ausgezahlt.

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Ob der Beklagte aus anderen Gründen als wegen der Vorlage des (Teil-)Erbscheins vom 10.05.2010 zu einer Änderung des Versagungsbescheides vom 17.08.1998 berechtigt oder sogar verpflichtet war, kommt es vorliegend nicht an. Denn vorliegend geht es lediglich um die Rücknahme des Bescheides zum Wiederaufgreifen des Verfahrens.

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Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für Zulassung der Revision i. S. v. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Der Auffangwert war anzusetzen, da es vorliegend nur um das isolierte Aufgreifen des Verfahrens geht.


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