Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (2. Kammer) - 2 A 3/11
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung von (nunmehr noch) zwei Windkraftanlagen.
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Die Klägerin beantragte mit ihren am 22. Dezember 2008 bei dem Beklagten eingegangenen Unterlagen die Genehmigung zur Errichtung und Betrieb von drei Windenergieanlagen Typ ENERCON E-82, 2,0 MW Narbenhöhe 138,38 m, Gesamthöhe jeweils 179,38 m.
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Nachdem die Klägerin im Laufe des weiteren Verfahrens den Antrag und die spätere Klage hinsichtlich der ursprünglich mit „R 4“ bezeichneten Windkraftanlage zurückgenommen hat, ist Streitgegenstand noch die von der Klägerin mit „R 3“ bezeichnete Windkraftanlage in der Gemarkung R., sowie die mit „R4“ bezeichnete Windkraftanlage in der Gemarkung R., jeweils gelegen in dem Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 1. und im Planungsraum der Beigeladenen zu 2.
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Der Aufstellungsort innerhalb der o. a. Flurstücke befindet sich auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche zwischen den Ortschaften R im Norden, F-A im Westen und Ch im Osten. Östlich der geplanten Bauplätze der Windkraftanlagen R 3 und R 4 befindet sich auf einer Fläche von etwa 10 Hektar ein Waldgebiet mit überwiegendem Kiefernbestand. Das Waldgebiet hat eine Ost/West-Ausdehnung von maximal etwa 300 m und eine Nord/Süd-Ausdehnung von maximal etwa 500 m. Der Bauplatz der Windkraftanlage R 4 hat von der westlichen Waldgebietsgrenze in Richtung Westen einen Abstand von 200 m und der Bauplatz der Windkraftanlage R 3 ebenfalls in Richtung Westen einen Abstand von derselben von 450 m.
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Am 26. August 2010 hat die Klägerin Klage in der Form der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, dass sie vor nunmehr etwa zwei Jahren den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag gestellt habe und über den Antrag bislang ohne zureichenden Grund nicht entschieden worden sei. Vielmehr habe der Beklagte mit Schreiben vom 19. Juli 2010 mitgeteilt, dass eine erneute Beteiligung der Regionalen Planungsgemeinschaft Altmark ergeben habe, dass das Vorhaben kurzfristig untersagt werden würde. Die Klägerin habe die für eine Erteilung der Genehmigung erforderlichen Unterlagen beigebracht, so dass die Genehmigung zu erteilen sei. Sollte demnächst eine Untersagungsverfügung der regionalen Planungsgemeinschaft Altmark ergehen, drohe der Klägerin im Hinblick hierauf ein irreparabler Schaden.
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Die Regionale Planungsgemeinschaft Altmark (Beigeladene zu 2.) setzte im Hinblick auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 29. November 2007 – 2 L 220/05 – die seinerzeitige erste Änderung des Regionalentwicklungsplanes Altmark nicht in Kraft, sondern setzte das Planungsverfahren zur Fortschreibung des Regionalentwicklungsplanes hinsichtlich der Steuerung der Windenergienutzung fort mit dem Ziel der Erarbeitung eines schlüssigen Gesamtkonzepts, um der Nutzung der Windenergie in substantieller Weise Raum zu verschaffen (vgl. Beschlüsse der Regionalversammlung der Beigeladenen zu 2. vom 29.10.2008, 10.06.2009, 09.12.2009 und 12.01.2010). Außerdem entschied die Regionalversammlung der Beigeladenen zu 2., neben dem Planergänzungsverfahren ein Verfahren zur Aufstellung eines eigenständigen sachlichen Teilplanes „Wind“ einzuleiten. Hierzu wurde am 12.01.2010 ein Planentwurf beschlossen und anschließende die Öffentlichkeitsbeteiligung eingeleitet.
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Nach Anhörung durch den Beklagten erklärte die Beigeladene zu 2. in ihrer Stellungnahme vom 08.07.2010, dass die von der Klägerin geplanten Windkraftanlagen nunmehr außerhalb eines geplanten Vorranggebietes zur Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten lägen und deren Errichtung den in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung widersprechen würden und erließ am 11.08.2010 gegenüber der Klägerin eine befristete Untersagungsverfügung nach § 18 Raumordnungsgesetz (ROG) im Hinblick auf den Antrag der Klägerin und die mit ihm begehrte Genehmigung bis zum Inkrafttreten der Ergänzung des regionalen Entwicklungsplanes Altmark um den sachlichen Teilplan Wind, längstens für die Dauer von zwei Jahren.
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Hieraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 22.10.2010 das Genehmigungsverfahren bis zum Inkrafttreten der Ergänzung des regionalen Entwicklungsplanes um den sachlichen Teilplan Wind für die Planungsregion Altmark bis zum 11.08.2011, jedoch längstens für die Dauer von zwei Jahren aus.
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Am 31.03.2011 nahm die Beigeladene zu 2. hinsichtlich zweier von der Klägerin beantragten Windkraftanlagen (bezeichnet mit R 3 und R 4) die befristete Untersagung vom 11.08.2010 teilweise zurück, weil diese Windkraftanlagen nach dem nunmehr erreichten Planungsstand innerhalb eines Vorranggebietes zur Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten lägen und mit dem Beschluss der Regionalversammlung vom 30.03.2011 der zweite Entwurf beschlossen worden sei. Daraufhin hob der Beklagte den Aussetzungsbescheid vom 22.10.2010 am 13.04.2011 insoweit auf und forderte die Klägerin auf, weitere für die Erteilung der Genehmigung erforderliche Unterlagen einzureichen, u. a. einen Nachweis für die Bereitschaft der Gemeinde Winterfeld zur Eintragung einer Baulast für das Flurstück …. Flur …., Gemarkung R. sowie die Nachweis der gesicherten Erschließung durch Vorlage einer Vereinbarung mit der Gemeinde hinsichtlich des Abschlusses eines städtebaulichen Vertrages.
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Nach der Aufhebung des Aussetzungsbescheides setzte der Beklagte das Genehmigungsverfahren fort und hörte verschiedene Fachbehörden erneut an.
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Der Altmarkkreis E-Stadt als Untere Naturschutzbehörde teilte am 18.08.2011 mit, dass im Abstand von 400 bzw. 600 Metern von den geplanten Windkraftanlagen im Kalenderjahr 2011 der Brutstandort eines Rotmilans kartiert und dokumentiert worden sei und die aktuelle Planung damit dem Artenschutz und den Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes widerspreche. Im Jahre 2011 seien aus dem besetzten Rotmilanhorst drei Junge hervorgegangen. Außerdem habe ein Baumfalkenpaar in dem weiterhin vorhandenen Horst ein Junges aufgezogen. Herrn G., Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde, fotografierte sodann im Januar und spätestens am 9. März 2012 jeweils den Horstbaum und stellte fest, dass das im Januar vollständig vorhandene Nest im März nahezu vollständig fehlte. Am 16. März 2012 stellte G. fest, dass der Horst wieder aufgebaut wurde. Eine Besichtigung durch ihn im April 2012 ergab, dass es vollständig verschwunden war. Letzteres bestätigte auch ein von der Klägerin beauftragten Gutachter.
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Mit Bescheid vom 28.06.2012 lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten Genehmigung ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Errichtung und der Betrieb der beantragten Windkraftanlagen R 3 und R 4 nicht mit den artenschutzrechtlichen Vorgaben des § 44 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG - (Tötungsverbot) hinsichtlich des im Vorhabensgebiet vorkommenden Rotmilans und des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG (Störungsverbot) hinsichtlich des im Vorhabensgebiet vorkommenden Baumfalken zu vereinbaren seien. Außerdem liege eine Einverständniserklärung des Eigentümers des Flurstücks … der Flur … der Gemarkung R. hinsichtlich der Übernahme der erforderlichen Baulast in Bezug auf die Abstandsflächen für die Windkraftanlage R 3 nicht vor. Insoweit stehe dem Bauvorhaben § 82 i. V. m. § 6 der Bauordnung LSA - BauO LSA - als öffentlich-rechtliche Vorschrift entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des vorgenannten Bescheides verwiesen.
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Nach Zustellung des ablehnenden Bescheides hat die Klägerin diesen in das anhängige Klageverfahren einbezogen und nunmehr zur Begründung ihrer Klage vorgetragen, dass die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte einen 1000 m Mindestabstand von der Windkraftanlage zu Brutplätzen des Rotmilans nicht anerkenne und dass es im Übrigen den Rotmilanhorst gar nicht mehr gebe. Außerdem sei durch eine Auslichtung des Waldbestandes die Fläche als Rotmilanrevier nicht mehr geeignet. Schließlich weist die Klägerin darauf hin, dass nach dem nunmehr vorliegenden dritten Entwurf des Regionalplanes Altmark das Vorranggebiet Recklingen wieder entfallen sei, allerdings ausschließlich wegen der angeblich entgegenstehenden Rotmilanbelange. Den Hilfsantrag begründet die Klägerin damit, dass - für den Fall, dass der Regionalplan in seiner derzeitigen Fassung in Kraft getreten sein sollte oder eine hinreichende Verlautbarungsreife besitze - dieser als sonstiger öffentlicher Belang der Erteilung der Genehmigung entgegenstünde und sich die Klägerin die Möglichkeit zumindest erhalten möchte, Haftungsansprüche geltend zu machen.
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Dessen ungeachtet sei die Nichtberücksichtigung des Vorhabengebietes im Regionalplan, dritter Entwurf, fehlerhaft, denn die Beigeladene zu 2 sei bei einem Wegfall der geltend gemachten naturschutzrechtlichen Belange verpflichtet, den Plan anzupassen. Entsprechendes gelte bereits jetzt hinsichtlich des Brutplatzes des Baumfalken, denn dieser sei durch Windkraftanlagen weder störempfindlich, noch schlaggefährdet. Dessen ungeachtet sei auch dessen Brutplatz bei einer weiteren Besichtigung im April 2012 nicht mehr vorhanden gewesen. Schließlich stehe auch die fehlende Einverständniserklärung der Eigentümer des Flurstücks … der Erteilung der Genehmigung nicht entgegen, denn Eigentümerin sei die Gemeinde und sie habe für das Vorhaben seinerzeit das Einvernehmen erteilt. Daher sei davon auszugehen, dass sie nach der Genehmigungserteilung auch das Einverständnis für die Eintragung einer Baulast abgeben werde. Die Genehmigung könne daher unter einer aufschiebenden Bedingung hinsichtlich der Baulasteintragung erteilt werden.
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Die Klägerin beantragt,
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1. den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Juni 2012 zu verpflichten, der Klägerin eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für zwei Windkraftanlagen des Typs ENERCON E 82 entsprechend dem Genehmigungsantrag zu erteilen,
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hilfsweise,
2. den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin anstelle der unter Ziff. 1 begehrten Genehmigung einen Standortvorbescheid hinsichtlich der zwei beantragten Windkraftanlagen zu erteilen unter Ausnahme der Fragen der Erschließung sowie
hilfsweise,
3. festzustellen, dass die Beklagte bis zum Eintritt der so genannten Verlautbarungsreife des regionalen Entwicklungsplanes Altmark/sachlicher Teilplan Wind verpflichtet gewesen ist, der Klägerin eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, hilfsweise einen unter Ziff. 2 beantragten Vorbescheid zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen der Klägerin unter vertiefender Bezugnahme auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid entgegen.
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Die Beigeladene zu 1 hat keinen Antrag gestellt und dargelegt, dass es sich bei dem Flurstück Nr. … um Eigentum einer Separationsinteressentengemeinschaft handele. Die Gemeinde sei nicht Eigentümerin. Der auf dem Flurstück verlaufende Feldweg sei überwiegend unbefestigt und nicht für den öffentlichen Verkehr gewidmet. Er diene ausschließlich als Zufahrt für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge.
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Die Beigeladene zu 2 hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt die Auffassung, dass bereits die materiellen Voraussetzungen für die in der Form der Untätigkeitsklage erhobene Klage nicht vorgelegen hätten. Ein zureichender Grund für die Nichtentscheidung durch den Beklagten habe darin gelegen, dass die Beigeladene zu 2 bereits unter dem 11. August 2010 dem Beklagten die Erteilung der beantragten Genehmigung für die Dauer von zwei Jahren untersagt habe. Außerdem sei die Klage auch deshalb unbegründet, weil der Beklagte anknüpfend an die Untersagungsverfügung das Verfahren durch Bescheid vom 22. Oktober 2010 ausgesetzt habe. Schließlich modifiziere § 10 Abs. 6 a BImschG die Regelung des § 75 VwGO dahingehend, dass die Entscheidungsfrist erst dann in Lauf gesetzt werde, wenn alle nach § 10 Abs. 1 S. 2 BImschG erforderlichen Unterlagen vorlagen. Dies sei bisher nicht der Fall gewesen, wie sich aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 13.09.2010 ergebe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist mit dem Haupt- als auch den Hilfsanträgen unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 28.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Die nach § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB erforderliche gesicherte Erschließung ist nicht gegeben (1.). An der nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 82 BauO LSA nötigen öffentlich-rechtlichen Sicherung der Abstandsfläche der Windkraftanlage R 3 zulasten des Grundstücks der Flurstücknummer … fehlt es (2.). Ob die Erteilung der Genehmigung naturschutzrechtliche Verbote nach § 44 BNatSchG entgegenstehen, kann dahinstehen (3.). Die Hilfsanträge der Klägerin bleiben ebenso erfolglos. Die Klägerin hat im vorliegenden Klageverfahren keinen Anspruch auf Erteilung eines standortbezogenen Vorbescheides nach § 9 Abs. 1 BImSchG (4.). Schließlich bleibt der Feststellungsantrag – ein Feststellungsinteresse unterstellt - erfolglos, weil die von dem Antrag erfassten Genehmigungsvoraussetzungen (s. unter 1. und 2.) in keinem Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens vorlagen (5.).
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1. In dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist die Erschließung der Baugrundstücke nicht gesichert i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB.
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Gemäß § 13 BImSchG schließt das Genehmigungsverfahren auch die baurechtliche Zulässigkeit mit ein. Denn mit Erteilung der Genehmigung nach § 4 BImSchG wird auch die Baugenehmigung nach § 71 BauO LSA erteilt. Dementsprechend hat der Beklagte zu prüfen, ob die gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB zu fordernde gesicherte Erschließung gegeben ist.
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Nach § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn die ausreichende Erschließung gesichert ist. Welche konkreten Anforderungen an die wegemäßige Erschließung in tatsächlicher Hinsicht zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Gegebenheiten. Es kommt hierbei auf die Auswirkungen und Bedürfnisse des jeweiligen Bauvorhabens, insbesondere auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen für die Nutzung des Bauvorhabens, an. So sind beispielsweise an die Sicherung der Erschließung eines im Außenbereich liegenden landwirtschaftlichen Betriebs herkömmlicher weise nur geringe Anforderungen zu stellen. Gleiches gilt auch für Windkraftanlagen, die nur geringe Anforderungen an die wegemäßige Erschließung für deren Nutzung stellen, weil sie nur gelegentlich, insbesondere zu Wartungszwecken, erreichbar sein müssen. Gleichwohl legt die im Laufe der Zeit stets zunehmende Größe der aktuellen Bautypen von Windkraftanlagen den Schluss nahe, dass auch die Anforderungen an die Erschließung steigen, weil nicht nur während der Bauphase, sondern auch im Falle von Wartungen und Reparaturen Schwerlasttransporter eingesetzt werden müssen.
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Ungeachtet dessen ist es aber nach § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB unabdingbar, dass die Erschließung nicht nur tatsächlich möglich, sondern gesichert ist. In diesem Sinne gesichert ist die wegemäßige Erschließung aber nur dann, wenn damit zu rechnen ist, dass sie auf Dauer zur Verfügung stehen wird (vgl. BVerwG, U. v. 08.05.2002 – 9 C 5/01 -, NVwZ-RR 2002, S. 770 ff., m. w. N.). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Zuwegung als öffentliche Straße gewidmet ist. Gleiches gilt, wenn die Zuwegung durch eine öffentlich-rechtliche Baulast rechtlich gesichert ist. Im Einzelfall ausreichend kann auch eine privatrechtliche Sicherung sein, wenn deren Dauerhaftigkeit dinglich, etwa durch eine Grunddienstbarkeit, gewährleistet ist (OVG LSA, U. v. 01.12.2011 - 2 L 171/09 -, m. w. N.).
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In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass eine ausreichend gesicherte Erschließung für die Baugrundstücke der Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht gegeben ist. Ein Teil der geplanten Zufahrt, nämlich des Wegeflurstücks Nr. 292/21, ist zugunsten der Klägerin weder durch eine öffentlich-rechtliche Baulast oder privatrechtliche Grunddienstbarkeit gesichert (1.1.), noch handelt es sich um eine öffentliche Verkehrsanlage (1.2.).
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1.1. Bei dem Wegegrundstück handelt es sich unstreitig um Eigentum einer so genannten Separationsinteressentengemeinschaft und nicht um Eigentum der Gemeinde. Diese altrechtliche Form des gemeinschaftlichen (privaten) Eigentums entstand im Ergebnis der Stein/Hardenbergschen Reformen in Preußen 1806-11. U. a. wurden landwirtschaftliche Grundflächen aus der Grundherrschaft gelöst und zunächst in gemeinschaftliches Eigentum derjenigen Bauern überführt, die eine Hofstelle im Ort besaßen. 1821 wurden die Gemeinschaften dann unter den beteiligten Bauern aufgeteilt (separiert). Von der Aufteilung ausgenommen blieben jedoch bestimmte Flächen, die der Nutzbarkeit der landwirtschaftlichen Flächen dienten, insbesondere Wege und Entwässerungsgräben, aber auch Brunnen, Kiesgruben und Steinbrüche usw.. An diesen Flächen blieb Gesamthandseigentum bestehen. Auch mit Inkrafttreten des BGB existierten diese „Gemeinschaften der Separationsinteressenten“ weiter. Sie überdauerten regelmäßig den Zweiten Weltkrieg und wurden danach von den Ländern vielfach neu geregelt. Auf dem Gebiet der DDR erließen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg im Jahr 1951 Gesetze, mit denen die Gemeinschaften der Separationsinteressenten nach preußischem Recht aufgelöst wurden; das Gesamthandseigentum ging auf die Gemeinden über, ohne dass die Mitglieder der Gesamthandsgemeinschaften entschädigt worden sind. Sachsen-Anhalt hingegen hat kein solches Gesetz erlassen. Diese Personenzusammenschlüsse sind schließlich auch zu DDR-Zeiten nach §§ 2, 3 und 6 EGZGB nicht aufgehoben worden; sie bestehen nunmehr gemäß Art. 113 EGBGB fort. Um die Grundstücke jedoch verkehrsfähig zu machen, bestimmt Art. 233 § 10 EGBGB die Gemeinde, in der die Grundstücke belegen sind, zur gesetzlichen Vertreterin des Personenzusammenschlusses, wenn dessen Mitglieder nicht namentlich im Grundbuch aufgeführt sind. Diese Vertretungsbefugnis der Gemeinde ist beschränkt auf die privatrechtliche Verfügung über das Grundstück (Art. 233 § 10 Abs. 2 Satz 1 EGBGB) (vgl. Antwort der Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt auf eine kleine Anfrage vom 13.03.2007, LT-Drs. 5/575, ausgegeben am 14.03.2007).
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Ausgehend hiervon ist die Beigeladene zu 1) nicht Eigentümerin des Wegeflurstücks Nr. …, sondern lediglich gesetzliche Vertreterin der Eigentümer. Solange der Weg nicht die Eigenschaft einer öffentlichen Verkehrsanlage besitzt (s. u.), handelt es sich ausschließlich um eine gemeinschaftliche Zuwegung der anliegenden landwirtschaftlichen Flächen und dient ausschließlich deren Erreichbarkeit für die landwirtschaftliche Nutzung. Die Klägerin hat zwar, um die Erreichbarkeit ihrer Baugrundstücke sicherzustellen, der Separationsinteressentengemeinschaft, vertreten durch die Gemeinde, angeboten, diesen Weg auf eigene Kosten zu befestigen. Hierbei handelt es sich im Rechtssinne jedoch nicht um ein zumutbares Angebot des Bauherrn gegenüber der Gemeinde, das Baugrundstück selbst zu erschließen. Ein solches Angebot darf die Gemeinde zur Sicherung der Erschließung auch für privilegierte Vorhaben im Außenbereich zwar nicht ablehnen mit der Folge, dass auch in diesem Falle die Erschließung als gesichert i. S. v. § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu gelten hat. Die Klägerin hat indes nicht der Gemeinde A-W als Trägerin der Erschließungspflicht ein Erschließungsangebot unterbreitet, sondern der Separationsinteressentengemeinschaft W. Das ergibt sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut von Blatt 1 des Vertragsentwurfs (Bl. 49 Beiakte G). Ein solches Angebot ist die Gemeinde nicht verpflichtet anzunehmen, weil sie als Vertreterin der Separationsinteressentengemeinschaft nicht öffentlich-rechtlichen Bindungen, wie sie sich z.B. aus § 123 BauGB (Erschließungslast der Gemeinde) ergeben, unterliegt. Als gesetzliche Vertreterin der Grundstückseigentümerin (s. o.) steht es der Gemeinde frei, eine privatrechtliche Wegebauverpflichtung eines Dritten abzulehnen. Hierbei handelt es indes um die Ablehnung des Rechts zur Wegenutzung durch die Klägerin, welches sie jedenfalls dann benötigt, um ein anderweitiges Erschließungsangebot überhaupt erfüllen zu können. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier - die Zuwegung nicht als öffentliche Straße gewidmet oder durch eine öffentlich-rechtliche Baulast gesichert ist. Denn gesichert i. S. v. § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die wegemäßige Erschließung nur dann, wenn damit zu rechnen ist, dass sie auf Dauer zur Verfügung stehen wird. Im Einzelfall kann auch eine privatrechtliche Sicherung ausreichen, wenn deren Dauerhaftigkeit etwa durch eine Grunddienstbarkeit gewährleistet ist (BVerwG, U. v. 31.10.1990 – 4 C 45/88 -, NVwZ 1991, S. 1076 m. w. N.). Hieran fehlt es vorliegend.
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1.2. Das Wegegrundstück stellt sich in der Örtlichkeit als überwiegend unbefestigter nichtöffentlicher Feldweg/Wirtschaftsweg dar. Es ist nicht gewidmet. Dies hat die Beigeladene zu 1) als Trägerin der Straßenbaulast in der mündlichen Verhandlung erklärt und den Zustand des Feldweges an Hand von Lichtbildern erläutert. Hiernach ist der Weg auf dem Flurstück Nr. … mindestens seit 1909 als Feldweg vorhanden, aber seitdem ausschließlich von den Eigentümern der anliegenden Feld – und Waldgrundstücken genutzt worden, nicht jedoch als öffentlicher Weg, etwa als Verbindung zwischen der heutigen Kreisstraße im Norden und der Bundesstraße B 71 im Südosten.
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Es kann somit nicht von einer Widmung durch unvordenkliche Verjährung ausgegangen werden. Eine solche auf Gewohnheitsrecht beruhende Widmung setzt die Nutzung des Weges seit mindestens 80 Jahren durch die Öffentlichkeit voraus, sowie die Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Wegenutzung. Nach Angaben der Beigeladenen fand eine gewohnheitsmäßige Nutzung des Weges durch die Allgemeinheit niemals statt. Darüber hinaus dürfte es auch an der Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Nutzung fehlen, da die Straßenbaulastträgerin - die Beigeladene zu 1) - davon ausgeht, dass der Feldweg nicht öffentlich gewidmet ist und dementsprechend gerade nicht von jedermann benutzt werden darf.
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Unter der Geltung des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt war eine konkludente Widmung nicht möglich. Nach § 6 Abs. 1 StrG LSA ist die Widmung eine Allgemeinverfügung, die mit Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und öffentlich bekannt zu machen ist. Sie wird frühestens im Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung wirksam.
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Eine tatsächliche Freigabe des Weges für den öffentlichen Verkehr kann die förmliche Widmung durch Allgemeinverfügung nicht ersetzen. Letzteres setzt voraus, dass der Bau der Straße zuvor in einem förmlichen Verfahren geregelt worden ist und die Widmung bereits in diesem Verfahren mit der Maßgabe verfügt wurde, dass sie mit der Verkehrsübergabe wirksam wird (§ 6 Abs. 4 Satz 1 StrG-LSA). Ein derartiges förmliches Verfahren für den Separationsinteressentenweg wurde nicht durchgeführt.
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Die Vermutung des § 4 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 3 StrG LSA greift vorliegend nicht ein, denn ein Straßenbestandsverzeichnis, in das der Weg eingetragen ist, liegt dem Gericht nicht vor.
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Der Weg gilt auch nicht gemäß § 6 Abs. 5 S. 1 StrG LSA als gewidmet, wonach dies der Fall ist, wenn eine Straße verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wird, sofern die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 StrG LSA vorliegen. Die Vorschrift des § 6 Abs. 5 StrG LSA fingiert bei unerheblichen Änderungen der Straße, die die Straße in ihrer Verkehrsbedeutung nicht verändern, ein Anwachsen der bestehenden Widmung im Zeitpunkt der Verkehrsübergabe (Fickert, Straßenrecht in NRW, 3. Auflage, § 6 Rn. 66). Mithin setzt die Anwendung dieser Vorschrift voraus, dass eine bereits dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wird. Daran fehlt es vorliegend.
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Die Öffentlichkeit des Weges ergibt sich auch nicht aus § 51 Abs. 3 StrG LSA i. V. m. der DDR-StrVO vom 22. August 1974 (Gbl. DDR I, S. 515), denn gemäß § 4 Abs. 1 dieser Verordnung entscheidet über die Öffentlichkeit einer Straße der Rat der Gemeinde durch Beschluss. Ein solcher Ratsbeschluss liegt nicht vor.
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Schließlich ergibt sich die Öffentlichkeit des Weges auch nicht aus § 51 Abs. 3 StrG-LSA i. V. m. § 1 Abs. 2 der Verordnung über das Straßenwesen vom 18.07.1957 (GBl. DDR I, 377) - DDR-StrVO 1957 -. Danach unterfielen Stadt- und Gemeindestraßen, -wege und Plätze dem Begriff der kommunalen Straße. Sie waren gemäß § 3 Abs. 2 DDR-StrVO öffentlich, wenn bisher ihrer Benutzung durch die Verkehrsteilnehmer seitens der Rechtsträger bzw. Eigentümer nicht widersprochen worden war und wurden gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 DDR-StrVO 1957 öffentlich, wenn die Räte der Städte und Gemeinden sie nach Zustimmung der Rechtsträger oder Eigentümer für den öffentlichen Verkehr frei gaben. Dafür, dass der Weg zum Grundstück des Beigeladenen am Tag der Verkündung der DDR-StrVO 1957 eine Gemeindestraße war, ist nichts ersichtlich. Eine Freigabeentscheidung des Rates der Gemeinde gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 DDR-StrVO 1957 liegt nicht vor, was Voraussetzung des Entstehens einer öffentlichen Gemeindestraße nach dem Inkrafttreten der DDR-StrVO 1957 wäre.
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Eine hinreichende Sicherung der Erschließung ist zwar im Ausnahmefall auch dann zu bejahen, wenn eine vorhandene Zuwegung zwar weder durch eine öffentliche Widmung noch ein beschränktes dingliches Recht gesichert ist, sie dem allgemeinen Verkehr aber tatsächlich zur Verfügung steht und die Gemeinde auf Dauer rechtlich gehindert ist, den Anliegerverkehr zu dem Baugrundstück zu untersagen. In Betracht kommen kann insoweit etwa der Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der Weg z.B. auch dem Zugang zu anderen ähnlich bebauten und genutzten Grundstücken dient, oder Treu und Glauben wegen des vorangegangenen Verhaltens der Gemeinde, etwa wenn sie der Bebauung in früherer Zeit vorbehaltlos zugestimmt oder den Ausbau des Weges auf Kosten des Bauherrn geduldet oder gar gefordert hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 - 4 C 45/88 -, a.a.O.). Ein derartiger Ausnahmefall käme hier aber nur dann in Betracht, wenn der streitgegenständliche Feldweg auf gemeindeeigenen Grundstücken verliefe und es daher auch lediglich auf eine fehlende Untersagungsmöglichkeit seitens der Beigeladenen zu 1) ankäme. So liegt es hier aber gerade nicht: Der heute tatsächlich vorhandene, überwiegend unbefestigte, gerade verlaufende Feldweg führt ausschließlich über ein privates Grundstück (s. unter 1.1.), bei dem es nicht auf eine fehlende Untersagungsmöglichkeit seitens der Beigeladenen zu 1), sondern auf eine dauerhafte dinglich-rechtliche Bindung der jeweiligen Eigentümer ankommt, an der es jedoch - wie dargelegt - gerade fehlt (vgl. OVG LSA, U. v. 22.06.2006 – 2 L 23/04 -, BauR 2006, 1943).
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Deshalb ist es unerheblich, dass die Klägerin ein Angebot auf Erschließung des Bauplatzes auf eigene Kosten unterbreitet hat, denn das mit „Erschließungsvertrag“ bezeichnete Angebot vom 15.06.2011 wurde nicht der Gemeinde A-W als Trägerin der Erschließungslast gem. § 123 Abs. 1 BauGB, sondern der Separationsinteressentengemeinschaft als Grundstückseigentümerin unterbreitet. Ein solches privatrechtliches Angebot ist die Gemeinde als Vertreterin der Separationsinteressentengemeinschaft nicht verpflichtet anzunehmen. Ob sie im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Separationsinteressentenwege und den auf die Separationsinteressenten beschränkten Zweck dieser Wege als gesetzliche Vertreterin der Eigentümer überhaupt zu einer Annahmeerklärung befugt gewesen wäre, kann offenbleiben, begegnet jedoch aus den dargelegten Gründen erheblichen Zweifeln.
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Selbst dann, wenn dieses Vertragsangebot sich zugleich auch an die Gemeinde als Trägerin der Erschließungspflicht gerichtet haben sollte oder es in diesem Sinne ausgelegt werden könnte, war es durch die Beigeladene zu 1) nicht annehmbar, weil Ihr mangels Öffentlichkeit des Weges (s. o.) oder anderweitiger dinglicher Sicherung die Verfügungsgewalt als Straßenbaulastträgerin über das Wegegrundstück fehlte.
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2. Es fehlt außerdem an der nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 82 BauO LSA nötigen öffentlich-rechtlichen Sicherung der Abstandsfläche der Windkraftanlage R 3 zulasten des Grundstücks der Flurstücknummer … . Die Auffassung der Klägerin, die nötige Baulastbewilligung durch die Beigelade zu 1) könne im Rahmen einer Nebenbestimmung zur Genehmigung geregelt werden, trifft nicht zu. Die Sicherung der Abstandsflächen ist eine zwingende bauordnungsrechtliche Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung, die hier Bestandteil der BImSchG-Genehmigung ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Begründung des Bescheides des Beklagten vom 28.06.2012 verwiesen, der das Gericht folgt.
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3. Ob der Genehmigung der Errichtung und des Betriebes beider Windkraftanlagen das naturschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegensteht, kann bei dieser Sachlage dahinstehen und bedarf keiner weiteren Aufklärung im Wege der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie von der Klägerin hilfsweise beantragt.
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Die Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung hat zwar ergeben, dass sich in einer „Tabuzone“ von 1000 m (vgl. OVG LSA, Urteil vom 19.01.2012 – 2 L 124/09 –) ein mehrfach von Rotmilanen errichteter Horst befand, der im Jahre 2011 auch als Brutplatz genutzt wurde. Die Beweisaufnahme hat aber auch ergeben, dass dieser Horst der einzige Brutplatz innerhalb eines Abstands von 1000 m war und dass er seit spätestens April 2012 aus nicht weiter aufklärbaren Gründen verschwunden und auch nicht wieder aufgebaut worden ist. Da Rotmilane jedenfalls von März bis September im Brutgebiet anwesend sind, spricht letzteres – ausgehend von dem auch insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - eher gegen den Fortbestand des vormaligen Brutreviers im Bindemannschen Wald, welcher innerhalb der Tabuzone von 1000 m liegt.
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4. Die Klägerin hat im vorliegenden Klageverfahren keinen Anspruch auf Erteilung eines standortbezogenen Vorbescheides nach § 9 Abs. 1 BImSchG.
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Voraussetzung für die Erteilung eines Vorbescheides nach § 9 Abs. 1 BImSchG ist ein auf eine solche Entscheidung ausdrücklich zu richtenden Antrag an den für dessen Erteilung sachlich zuständigen Beklagten. Der Antrag der Klägerin auf Erteilung der Genehmigung nach § 13 BImSchG erfasst als „Minus“ nicht den Antrag auf Erteilung eines standortbezogenen Vorbescheides. Hierbei handelt es sich vielmehr um ein „aliud“ gegenüber der Baugenehmigung. Daher erfordert die Prüfung der Begründetheit des Begehrens auf Erteilung eines (planungsrechtlichen) Vorbescheides anstelle der (Voll-)Genehmigung im gerichtlichen Verfahren auch eine wirksame Klageänderung und nicht bloß die Stellung eines Hilfsantrages (OVG Münster, Urteil vom 15.01.1992 – 7 A 81/89 -, NVwZ 1993, 493 ff.; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.04.2006 – 1 LA 260/05 -, BauR 2006, 1723 ff.). Eine solche Prozesserklärung hat die Klägerin nicht abgegeben. Auch scheidet eine Umdeutung des Hilfsantrages – die Klageänderung mangels Zustimmung der übrigen Beteiligten als sachdienlich unterstellt – hier aus, weil hierdurch ein Wegfall des von der Klägerin ausdrücklich aufrechterhaltenen Begehrens auf Erteilung der Genehmigung nach § 13 BImSchG bewirken würde, was indes dem Wortlaut des Haupt-Klageantrages widerspräche.
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Dessen ungeachtet besteht kein Rechtsschutzinteresse für den hilfsweise als Klage auf Erteilung eines Vorbescheides gestellten Antrag, wenn – wie hier – in absehbare Zeit weder rechtlich noch tatsächlich eine gesicherte Erschließung der Baugrundstücke möglich erscheint. In einem solchen Fall besteht auch kein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides unter Ausklammerung der Frage der Erschließung (OVG Münster, a. a. O.). Dessen Erteilung setzt vielmehr auch voraus, dass ein berechtigtes Interesse des Anlagenbetreibers an der Erteilung besteht. Letzteres setzt wie auch die Teilgenehmigung eine „positive vorläufige Gesamtbeurteilung“ voraus, d. h. dass keine unüberwindbaren Hindernisse der Genehmigung der Errichtung und des Betriebes entgegenstehen, denn auch diese vorläufige positive Gesamtbeurteilung nimmt an der Bindungswirkung des Vorbescheids teil (vgl. Jarass, BImSchG, 9. Aufl., § 9 Rn. 6,17; § 8 Rn.8 f. m. w. N.).
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Hierfür ist derzeit nichts ersichtlich, denn ob und auf welche Weise die Erschließung der Baugrundstücke jemals hinreichend gesichert sein wird, ist derzeit offen (s. o. unter 1.).
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5. Der außerdem hilfsweise gestellte Feststellungsantrag – ein Feststellungsinteresse unterstellt – bleibt erfolglos, weil die von dem Antrag erfassten Genehmigungsvoraussetzungen (s. unter 1. und 2.) in keinem Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens, also auch nicht in dem von der Klägerin nicht näher bezeichneten Zeitpunkt der „Verlautbarungsreife“ der verschiedenen Entwürfe des Regionalentwicklungsplanes in Gestalt seines Teilplanes „Wind“ vorlagen. Ausgehend hiervon stand der Klägerin ungeachtet etwaiger Änderungen der Entwürfe das sachlichen Teilplanes „Wind“ der Beigeladenen zu 2) zu keinem Zeitpunkt ein Genehmigungsanspruch zur Seite. Aus den unter 4. dargestellten Gründen gilt im Ergebnis dasselbe für den hilfsweise begehrten standortbezogenen Vorbescheid. Dessen ungeachtet muss das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Erteilung eines Vorbescheides auch an einer wirksamen Klageänderung vor dem Zeitpunkt, auf den sich die Feststellung der Erteilungsvoraussetzungen beziehen soll, scheitern, denn zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der Vergangenheit existierte zwar der Genehmigungsantrag der Klägerin, aber kein Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) sind erstattungsfähig, weil er sich durch die Stellung eines Sachantrages einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat. Sie fallen der Klägerin als unterlegener Partei zur Last und sind von dieser zu erstatten, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.8. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, Anhang zu § 164). Das Gericht geht von einem Streitwert von 500.000 € für ursprünglich drei Windkraftanlagen aus.
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- 4 C 45/88 2x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 13 Genehmigung und andere behördliche Entscheidungen 3x
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- VwGO § 75 2x
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