Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (5. Kammer) - 5 A 21/12
Tatbestand
- 1
Der Kläger ist Landesbeamter im Range eines Universitätsprofessors und war zwischen dem 01.12.2006 bis zum 31.12.2011 wegen Dienstunfähigkeit zwischenzeitlich in den Ruhestand versetzt. Seit 01.01.2012 wurde er wieder in ein aktives Beamtenverhältnis als Professor berufen.
- 2
Während der Zeit des Ruhestandes wurde der Kläger von dem Arzt für Psychiatrie Dr. S. ambulant bei der …-Klinik A-Stadt (Institutsambulanz) behandelt. Diesbezüglich stellte die …-Klinik vier Liquidationen aus soweit sie für das Klageverfahren relevant sind, wobei für die Leistungen von Herrn Dr. S. die GOÄ-Ziffern 801 und 806 abgerechnet worden sind. Streitgegenständlich waren bzw. sind die Rechnungen der …-Klinik vom 06.01.2011, 16.03.2011, 06.07.2011 und 14.11.2011. Der Kläger stellte u. a. für diese Rechnungen Beihilfeanträge, welche mit vier Bescheiden von der Beklagten abgelehnt worden sind, weil „ambulante psychotherapeutische Behandlungen in einer psychiatrischen Institutsambulanz“ nur beihilfefähig seien, wenn eine ärztliche Verordnung vorliege, es sich um eine akute Intervention handele, eine quartalsweise Abrechnung mit pauschalen Sätzen vorliege und die mit der AOK vereinbarten Abrechnungssätze nicht überschritten seien. Die jeweiligen Widersprüche des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2012 zurück, wobei der Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.01.2011 wegen Verspätung als unzulässig behandelt wurde. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.
- 3
Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Auf die Klagebegründung vom 28.12.2012 wird verwiesen.
- 4
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage gegen den Bescheid vom 27.01.2011 zurückgenommen.
- 5
Der Kläger beantragt nunmehr,
- 6
wie erkannt.
- 7
Die Beklagte beantragt,
- 8
die Klage abzuweisen.
- 9
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass entsprechend dem „Informationsblatt psychotherapeutische Behandlung“ die vom Kläger geltend gemachten Kosten nicht beihilfefähig seien. Auf den Schriftsatz vom 12.04.2012 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 10
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
- 11
Die im Übrigen zulässige Verpflichtungsklage ist in der Sache auch begründet. Denn die Bescheide der Beklagten vom 16.03., 06.07. und 14.11.2011 sind, soweit sie Leistungen für die Rechnungen der …-Klinik A-Stadt versagen, rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Beihilfe in Höhe des für ihn geltenden Beihilfesatzes während des Ruhestandes von 70 %. Zu Unrecht wendet die Beklagte das Informationsblatt „psychotherapeutische Behandlung“ an, weil sie zu Unrecht davon ausgeht, vorliegend gehe es um psychotherapeutische Leistungen nach §§ 18 bis 20 BBhV. § 18 Abs. 1 stellt aber besondere Voraussetzungen nur für Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung, der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie sowie der Verhaltenstherapien auf. Vorliegend geht es ausweislich er Abrechnungen um die ärztlichen Leistungen des Psychiaters Dr. S. nach den Ziffern 801 und 806 GOÄ, nicht um die Ziffern 849, 845-847 (§ 19 BBhV) oder Nummern 816 - 865 GOÄ (§ 20 BBhV). Für den Facharzt für Psychiatrie wurden keine psychotherapeutischen Leistungen abgerechnet, sondern eingehende psychiatrische Untersuchungen (801 GOÄ) und psychiatrische Behandlungen durch gezielte Exploration und eingehendes therapeutisches Gespräch (806 GOÄ). Für diese ärztlichen Leistungen ist ersichtlich kein ärztliches Rezept erforderlich, wie auch sonst nicht für ärztliche Behandlungen. Eine Abrechnung mit pauschalen Sätzen im Rahmen der mit der AOK vereinbarten Abrechnungssätze ist vorliegend nicht erforderlich, weil keine komplexen Leistungen der PIA erbracht worden sind. Es geht vorliegend nämlich nicht um „Komplextherapien“ im Sinne von § 24 BBhV, nämlich die Erbringung von Leistungen durch ein berufsgruppenübergreifendes Team von Therapeutinnen und Therapeuten, dem Ärzte, Psychologen und andere Angehörige von Gesundheits- und Medizinalfachberufen angehören. Die entsprechende Bestimmung will nämlich verhindern, dass für jeden einzelnen Leistungserbringer aus einem Team gesondert abgerechnet wird. Darum geht es nicht. Hier geht es ausschließlich um die Leistungen eines Psychiaters, selbst wenn diese (zufällig) in einer Institutsambulanz erbracht worden sind, weil der Kläger gerade zu Herrn Dr. S ein besonderes Vertrauensverhältnis hat. Weshalb diese ärztliche Leistung nicht abrechenbar sein sollte, erschließt sich dem Gericht aus der Bundesbeihilfeverordnung ebenso wenig, wie aus der aus § 118 SGB V, welcher lediglich das Vorhalten von psychiatrischen Institutsambulanzen vorsieht, jedoch keine Leistungseinschränkungen gegenüber dem Versicherten enthält.
- 12
Im Übrigen entsprechen die abgerechneten Sätze der GOÄ und werden auch von der Beklagten nicht beanstandet. Bei dieser Gelegenheit ist anzumerken, dass die Beklagte dem Vortrag des Klägers aus seinem Schreiben vom 14.06.2011 nicht widersprochen hat, dass mit Bescheid vom 12.11.2011 (gemeint ist wohl 2010) von der LWL-Klinik erstellte Abrechnungen, wie schon jahrelang zuvor, nicht beanstandet worden seien. Der vom Kläger übersandte Bescheid vom 20.11.2011 ist im Verwaltungsvorgang allerdings nicht (mehr) enthalten.
- 13
Dementsprechend war der verbleibenden Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus §155 Abs. 2 VwGO bezüglich der teilweisen Klagerücknahme, u. a. aus § 154 Abs. 1 VwGO entsprechend dem Ausmaß von Obsiegen und Unterliegen.
- 14
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 15
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Höhe auf die vier Rechnungen mutmaßlich zu bewilligenden Beihilfebeträge in Höhe von 70 %. Mit Rücksicht auf die teilweise Klagerücknahme war der Streitwert ab 04.01.2013 entsprechend abzusenken.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- BBhV § 19 Psychoanalytisch begründete Verfahren 2x
- BBhV § 18 Psychotherapie, psychosomatische Grundversorgung 1x
- BBhV § 20 Verhaltenstherapie 2x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 92 1x
- VwGO § 167 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BBhV § 24 Komplextherapie und integrierte Versorgung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 118 SGB V 1x (nicht zugeordnet)