Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 A 18/12

Tatbestand

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Der Kläger führt die Disziplinarklage gegen den beklagten Beamten im Rang eines Obersekretärs im Justizvollzugsdienst (BesGr. A 7 BBesO) mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst. Der Beklagte ist Beamter des allgemeinen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes bei Justizvollzugseinrichtungen, Laufbahngruppe 1, 2. Einstiegsamt, und zuletzt in der Justizvollzugsanstalt Dessau und dort überwiegend im Stations- und Betreuungsdienst im Wechselschichtdienst tätig.

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Nach dem Abschluss der 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule im Jahre 1987 absolvierte der 1970 geborene Beklagte eine zweijährige Ausbildung zum Elektromonteur, woran sich eine Umschulung zum Kommunikationselektroniker anschloss. 1990 bis 1991 leistete er seinen Zivildienst. Nachdem der Beklagte länger arbeitsuchend war, schlossen sich seit dem Jahr 1994 mehrere Tätigkeiten unterschiedlichster Art an. Im Jahre 2002 wurde der Beklagte als Obersekretäranwärter im Justizvollzugsdienst in das Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt. Nach erfolgreicher Absolvierung des Vorbereitungslehrgangs und nach Abschluss der Laufbahnprüfung folgte 2004 die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Verbeamtung auf Lebenszeit erfolgte im Jahre 2006.

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Der Beamte ist verheiratet und hat zwei 1998 und 2001 geborene Töchter.

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Die letzte dem Beamten erstelle dienstliche Beurteilung aus dem Jahre 2008 schloss mit der Gesamtbewertung „befriedigend“ bei 201 der von 200 bis 265 Punkte reichenden Gesamtskala.

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Bis zu den hier einschlägigen Geschehnissen im Jahre 2009 ist der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet.

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Das beamtenrechtliche Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wurde dem Beklagten mit Verfügung vom 15.04.2009 ausgesprochen. Der diesbezügliche vorläufige Rechtsschutzantrag des Beamten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 10.07.2009 (5 B 215/09) abgelehnt. Ebenso hatte der Rechtsschutzantrag des Beamten gegen die sodann disziplinarrechtlich ergangene Suspendierung vom 14.07.2009 keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Magdeburg - Disziplinarkammer - lehnte den diesbezüglichen Antrag auf Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung mit Beschluss vom 12.10.2009 (8 B 18/09) ab.

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Mit der Disziplinarklage vom 22.08.2012 (Eingang 24.08.2012) wird der Beamte angeschuldigt, ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen zu haben, weil er vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten nach den §§ 34, 35 BeamtStG sowie Nrn. 2, 9 und 20 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) verstoßen habe.

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Denn aufgrund des Strafurteils des Landgerichts D... (7 Ns [682 Js 8297/09] vom 08.11.2011 sei der dem Disziplinarvorwurf zugrundeliegende Sachverhalt der Körperverletzung im Amt bindend festgestellt. Darüber hinaus habe der Beamte auch nach seiner eigenen Einlassung im Disziplinarverfahren dem Gefangenen S… ein Handy mit Fotofunktion, Parfümproben, zwei Musik-CD’s sowie Cappuccino der Geschmacksrichtung „Karamell“ mitgebracht und übergeben.

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Nachdem das Amtsgericht D... den Beklagten mit Urteil vom 13.07.2010 (11 Cs 158/10 [ 682 Js 8297/09]) wegen Körperverletzung im Amt in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt hatte, wurde die Strafe in der Berufung durch das Landgericht D... (3 Ns [ 682 Js 8297/09-11 Cs 158/10]) mit Urteil vom 31.01.2011 auf eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten abgemildert. Schließlich führte die Revision des Beamten zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch und Zurückverweisung durch Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 03.08.2011 (1 Ss 21/11). Die Revision bemängelte insbesondere, dass die Berufungskammer das Vorliegen eines minderschweren Falles nach § 340 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht hinreichend geprüft habe. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts D... (7 Ns [682 Js 8297/09]) vom 08.11.2011 wurde der Beklagte zu einer Geldstrafe von150 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt. Das Strafurteil führt zum festgestellten Sachverhalt aus:

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„An einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen Ende Februar und dem 05.04.2009 öffnete der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit als Justizvollzugsbediensteter die Tür des Haftraumes 125 des Strafgefangenen H...

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In seiner Begleitung befand sich zu diesem Zeitpunkt der Strafgefangene S.... Jener betrat den Haftraum 125; der Beklagte verblieb im Bereich der Türöffnung. In diese Situation frage der Strafgefangene S... den Beklagen ob er wisse, wer „ J...“ sei. Auf dessen bestätigende Antwort, dass dies der Österreicher sei, der seine Tochter im Keller eingesperrt und missbraucht habe, deutete der Strafgefangene S... auf den Strafgefangenen N... mit den Worten: “Nein, das ist er.“ Der Zeuge N... reagierte daraufhin mit der Frage an den Strafgefangenen S..., ob er wisse, was er ihm antue, indem er ihn als Kinderficker anrede. Hieraufhin drückte der Strafgefangene S... den Häftling N... auf das in der Ecke stehende Bett und schlug, über ihn gebeugt stehend, mehrfach mit der Faust gegen den Oberarm und die Rippen, wodurch er bei dem Strafgefangenen N... nicht unerhebliche Schmerzen hervorrief. Während dessen stand der Angeklagte, ohne auf das von ihm beobachtete Geschehen in der Zelle zu reagieren, in der offenen Tür des Haftraumes, obwohl es ihm bei pflichtgemäßem Eingreifen möglich gewesen wäre, die durch den Häftling S... ausgeübten Körperverletzungen zu beenden. Damit hat der Beklagte nach Feststellung des erkennenden Gerichts den Straftatbestand der Körperverletzung im Amt erfüllt.“

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Der Beklagte begründet die Disziplinarklage damit, dass der Beklagte mit seinem Verhalten nicht dem Vertrauen und der Achtung gerecht geworden sei, welches sein Beruf erfordere. Justizvollzugsbeamte seien in ganz besonderem Maße für den Schutz der Gefangenen zuständig. Das Verhalten des Beamten sei geeignet gewesen, dem Misstrauen anderer Gefangener Vorschub zu leisten, welche sich somit schutzlos gegenüber anderen Gefangenen gefühlt hätten und zum anderen sei nicht auszuschließen, dass Drangsalierungen anderer Gefangener Vorschub geleistet worden sei. Im für Gefangene wie Bedienstete gefährlichen Bereich des Justizvollzugs sei es unerlässlich, dass sich Bedienstete weisungskonform verhielten. So sei jedem Vollzugsbediensteten bekannt, dass die Sicherheit und Ordnung sowie das Vollzugsziel durch Mobiltelefone gefährdet werde. So könnten z. B. telefonisch Mauerwürfe, Einbringen von Betäubungsmitteln, Absprachen und schließlich Fluchtvorbereitungen sowie akustische und bildliche Aufnahmen von Mitgefangenen oder Justizvollzugsbeamten vorgenommen werden. Der Beamte habe zu dem Gefangenen S... ein besonderes Näheverhältnis aufgebaut, wodurch auch das Vertrauen dem Beamten gegenüber im Kollegen- wie auch Gefangenenkreis erheblich gestört worden sei.

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Bei der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände sei ein Versagen im Kernbereich festzustellen, wodurch der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn endgültig und vollständig verloren habe. Es sei mit dem Bild und der Verantwortung eines Justizbediensteten nicht vereinbar, wenn dieser die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährde, die Verlässlichkeit gegenüber Kollegen nicht gewährleiste und schließlich selbst straffällig werde. Auch sei ein Ansehensverlust durch die Veröffentlichungen in den Medien eingetreten, so dass auch die Öffentlichkeit kein Verständnis dafür haben dürfte, wenn der Dienstherr den Beklagten weiter beschäftigen würde.

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Der Kläger beantragt,

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den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Disziplinarklage abzuweisen.

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Der Sachverhalt sei trotz mehrerer Rechtszüge und strafrechtlicher Tatsachenfeststellungen nicht restlos aufgeklärt. So sei nicht geklärt, ob der Angriff des Strafgefangenen S... auf den Strafgefangenen N... durch den Beamten hätte abgewehrt werden können.

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Zwar habe der Beklagte bei objektiver Betrachtung seine Dienstpflichten verletzt. Dadurch seien aber weder eine Ansehens- noch eine Vertrauensschädigung entstanden. Dies sei hinsichtlich der Strafgefangenen durch die vor dem Strafgericht getätigten Zeugenaussagen bekundet. Auch ein Ansehensverlust durch Medienveröffentlichungen sei nicht feststellbar. Denn es sei einmalig im April 2009 in der lokalen Presse über die Vorkommnisse berichtet worden.

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Zu beachten sei, dass der Beklagte als lebens- und dienstjüngster Vollzugsbeamter bemüht gewesen sei, ein „menschliches“ Verhalten gegenüber den Strafgefangenen an den Tag zu legen. Gerade durch die Gewährung von menschlichen Gesten gegenüber den Strafgefangenen habe der Beklagte versucht, die Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt aufrechtzuerhalten. Dadurch seien tatsächlich gewisse Drucksituationen bei einigen Strafgefangenen ventiliert worden, indem mal ein Kaffee oder eine Zigarette spendiert oder den Strafgefangenen die Gelegenheit gegeben worden sei, auch einmal außerhalb der regulären Zeiten zusammenzukommen und gemeinsam die Zeit zu verbringen. Dies gelte auch für die Überlassung des Mobiltelefons an den Strafgefangenen S.... Dieses Verhalten habe zudem dazu gedient, besondere Erkenntnisse und Informationen über den Handel mit Betäubungsmitteln in der Justizvollzugsanstalt aufzudecken. So sei der Beamte durch die Staatsanwaltschaft D... gebeten worden, im verdeckten Einsatz als Lockspitzel zur Aufklärung möglicher Straftaten des Strafgefangenen R... tätig zu werden. Aus persönlichen Gründen und des Schutzes seiner Familie habe der Beklagte dies abgelehnt, sich aber gleichsam in einer moralischen Verpflichtung gesehen, so dass er deshalb in besonderem Maße an den Insiderinformationen des Strafgefangenen S... interessiert gewesen sei.

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Ein endgültiger Verlust des Vertrauensverhältnisses zu dem Dienstherrn oder der Allgemeinheit sei deshalb noch nicht festzustellen. Dementsprechend mag die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme als die Höchstmaßnahme verhältnismäßig und der Pflichtverletzung angemessen sein.

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Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungs- und Ermittlungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Disziplinarklage ist begründet. Der Beklagte hat ein schwerwiegendes Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, welches die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 DG LSA) nach sich zieht.

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Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Die Disziplinarkammer ist davon überzeugt, dass der Beklagte die ihm in der Disziplinarklage vorgeworfenen und bezüglich der Handy-Übergabe eingeräumten Pflichtenverstöße begangen hat.

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1.) Der disziplinarrechtlich zu bewertende Sachverhalt, welcher zur Verurteilung einer Körperverletzung im Amt in einem minderschweren Fall führte, ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen in dem Strafurteil des Landgerichts D... vom 08.11.2011, welche wiederum auf der Bindungswirkung aus dem Urteil des Landgerichts D... vom 31.01.2011 beruhen. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 DG LSA ist das Disziplinargericht an diese tatsächlichen Feststellungen gebunden. Eine Möglichkeit bzw. ein Bedürfnis zur Lösung von diesen tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils nach § 54 Abs. 1 Satz 2 DG LSA sieht das Gericht nicht. Es ist in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils nur ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich ist. Die Disziplinargerichte dürfen die eigene Entscheidungsfreiheit nicht an die Stelle der Entscheidung des Strafgerichtes setzen. Strafgerichtliche Feststellungen, die auf einer nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrenswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen, sind daher auch dann für die Disziplinargerichte bindend, wenn diese aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Nur erhebliche Zweifel können daher zu einer nochmaligen Prüfung veranlassen (vgl. BVerwG, U. v. 05.09.1990, 1 D 78.89; vom 07.10.1986, 1 D 46.86; zuletzt: Beschl. V. 01.03.2013, 2 B 78/12; OVG NRW, U. v. 29.10.1981, 1 V 10/89; VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.06.2001, D 17 S 2-01; VG Regensburg, U. v. 09.12.2009, RO 10 A DK 09.1074; VG Meiningen, U. v. 19.04.2010, 6 D 60014/09 Me; zusammenfassend: VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12; alle juris).

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Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat die Disziplinarkammer keine Zweifel an der Richtigkeit der strafrichterlichen Feststellungen zu dem Tathergang. Ausgehend von der Bindungswirkung bestreitet dies der Beamte auch nicht, sondern zieht nur andere rechtliche Schlussfolgerungen daraus. So sieht der Beklagte auch bei Zugrundlegung der strafgerichtlichen Feststellungen, dass der Angriff durch den Strafgefangenen S... auf den Strafgefangenen N... in seinem Beisein durchgeführt wurde, Aufklärungsbedarf dahingehend, ob er noch hätte eingreifen und den Vorfall unterbinden können.

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Letzteres aufgegriffen, sieht die Kammer jedoch auch dort keine Lösungsmöglichkeit bzw. Veranlassung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Vernehmung des Geschädigten N... als Zeugen zu dieser Tatsache, musste und durfte deshalb bereits nicht nachgegangen werden. Denn gerade das fehlende Eingreifen des Beklagten, also sein Unterlassen, stellt den Tatbestand der Körperverletzung im Amt dar und wurde vom Strafgericht dahingehend gewürdigt. Die Strafkammer kam im Ergebnis der Beweisaufnahme und in Würdigung der Aussagen der Zeugen N..., L… und F… abweichend von der Einlassung des Beklagten zu der Überzeugung, dass sich die Körperverletzung wie erwähnt zugetragen hat, der Beklagte dies ohne einzugreifen beobachtete, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

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Die Bindungswirkung erstreckt sich auf den inneren und äußeren Tatbestand der Straftat, also auch auf Vorsatz sowie die Schuldfähigkeit (vgl. zuletzt OVG Lüneburg, U. v. 05.12.2012, 19 LD 3/12; juris). Daher musste und durfte dem weiteren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag dazu, dass der Strafgefangene N... dem Beklagten ein jederzeit „ordentliches Verhalten“ als Vollzugsbediensteter bescheinigt habe durch Vernehmung des Zeugen N... nicht nachgegangen werden.

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2.) Darüber hinaus steht auch aufgrund der eignen Einlassung des Beamten fest, dass er dem Gefangenen S... ein Handy mit Fotofunktion, Parfümproben, zwei Musik-CD’s sowie Cappuccino der Geschmacksrichtung „Karamell“ in die Haftanstalt mitgebracht und übergeben hat.

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3.) Durch diese Handlungen hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die aus den Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Straffvollzug (DSVollz) resultierenden allgemeinen Berufspflichten der Bediensteten der Vollzugsanstalten (vgl. nur: §§ 2, 9, 20) und damit gegen die in § 34 BeamtStG normierte Wohlverhaltenspflicht und die nach § 35 Satz 2 BeamtStG bestehende Pflicht zur Weisungsgebundenheit verstoßen.

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Nach Nr. 2 Abs. 1 DSVollz dürfen Vollzugsbedienstete ohne ausdrückliche Erlaubnis der Anstaltsleitung weder Geld noch andere Sachen an Gefangenen aushändigen. Nach Nr. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DSVollz sind die Gefangenen so zu beaufsichtigen, dass Sicherheit und Ordnung jederzeit gewährleistet sind, wobei sich die Beaufsichtigung insbesondere auf eine Unterbindung unerlaubten Verkehrs erstreckt.

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4.) Hinsichtlich der auszusprechenden Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten richtungsweisend (vgl. § 13 DG LSA). Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 29.11.2012, 8 A 12/11 und Urteil v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und v. 03.05.2007, 2 C 9.06; OVG Lüneburg, Urteil v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; alle juris).

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Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 DG LSA ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; alle juris).

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Für das danach zu findende Disziplinarmaß können die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein.

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Setzt sich das (einheitliche) Dienstvergehen (vgl. zur Einheit des Dienstvergehens nur: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. Nachw.; juris) aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, Urteil v. 23.02.2005, 1 D 1.04; juris). Vorliegend wiegen beide vorgeworfenen Pflichtverletzungen (gleich) schwer.

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a.) Die Überlassung eines funktionstüchtigen Mobiltelefons zudem mit Kamerafunktion an einen Strafgefangenen stellt einen schweren Verstoß gegen die Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug dar (vgl. VG Magdeburg, Beschluss v. 12.10.2009, 8 B 18/09; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.03.2010, 3 A 11391/09; VG Trier, Urteil v. 08.12.2009, 3 K 387/09.TR; alle juris). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat bezüglich „nur“ der Weitergabe einer SIM-Karte an Gefangene durch einen Justizvollzugsbeamten die Entfernung aus dem Dienst ausgesprochen und im Urteil v. 22.03.2010 (3 A 11391/09; juris) unter Bestätigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts Trier (Urteil v. 08.12.2009, 3 K 387/09.TR; juris) ausgeführt:

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„Durch die Weitergabe […] hat er dem Gefangenen die Möglichkeit unkontrollierter Mobilfunkgespräche eröffnet. Damit hat er nicht nur ein unbeherrschbares Risiko für die Sicherheit der Allgemeinheit geschaffen. Er hat auch die Gesundheit und das Leben der Bediensteten und der anderen Gefangenen in der Anstalt in Gefahr gebracht. Die durch den Beklagten geschaffene Möglichkeit unkontrollierter Telefongespräche hätte dazu missbraucht werden können, aus der Anstalt heraus kriminelle Handlungen zu veranlassen oder Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörde zu behindern. Außerdem hätten Gefangene – mithilfe der beiden SIM-Karten – Ausbruchsversuche organisieren oder so genannte „Mauerwerfer“ lenken können, um an weitere unerlaubte Gegenstände – etwa an Drogen oder Waffen – zu gelangen. Schließlich hat der Beklagte sich durch die grob pflichtwidrige Überlassung der SIM-Karen an den Gefangenen nicht nur diesem gegenüber, sondern auch gegenüber allen anderen Gefangenen, die davon erfahren haben, erpressbar gemacht. Auch aus diesem Grund war das Handeln des Beklagten geeignet, die Anstaltssicherheit erheblich zu gefährden (vgl. BayVGH, Urteil v. 11. Juli 2007 – 16a D 06.85 – juris).

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[…]

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Der Dienstherr ist im hoch sicherheitsrelevanten Bereich der Justizvollzugsanstalt in besonderer Weise auf ein unbedingtes Vertrauen in das Pflichtbewusstsein, die Zuverlässigkeit und die Ehrlichkeit seiner Beamten angewiesen. Eine lückenlose Kontrolle der Bediensteten ist unter den Bedingungen des Justizvollzuges nicht möglich. Sie muss daher sehr weit gehend durch Vertrauen ersetzt werden. Außerdem hat die Pflichtvergessenheit einzelner Beamter im Justizvollzug häufig sehr weit reichende Folgen für die Sicherheit der Anstalt und der Allgemeinheit (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.03.2010, 3 A 11391/09; juris).“

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Diesen Ausführungen schließt sich die Disziplinarkammer an und verschafft ihnen auch Geltung im vorliegenden Fall. Denn hier hat der Beklagte nicht nur eine SIM-Karte dem Gefangenen geliefert sondern gleich ein funktionstüchtiges Mobiltelefon mit Kamerafunktion. Dabei ist neben der Telekommunikation auch auf die anstaltswidrige Möglichkeit der Kameranutzung und der sich daraus ergebenen Gefahren und missbräuchlichen Nutzung hinzuweisen. Der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme steht demnach bereits zur Ahndung dieser Pflichtverletzung aufgrund des Vertrauensbruchs im Raum.

41

b.) Es liegt auf der Hand, dass gerade bei einem Beamten im Justizvollzugsdienst eine begangene und zur Strafverurteilung geführte Straftat der Körperverletzung im Amt ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstellt. Angesichts der Bandbreite denkbarer Fallgestaltungen bei der Begehung des Amtsdeliktes hat sich eine sogenannte Regeleinstufung hinsichtlich der auszusprechenden Disziplinarmaßnahme in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung noch nicht herausgebildet.

42

Festzustellen ist aber, dass ein Justizvollzugsbeamter - wie im Übrigen auch ein Polizeivollzugsbeamter - der eine vorsätzliche Körperverletzung im Amt an einer in seinem Gewahrsam befindlichen Person begeht, dem Kernbereich seiner Amtspflichten zuwider handelt und das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit auf das Schwerste beeinträchtigt. In der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass ein Polizeivollzugsbeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine oder mehrere vorsätzliche Körperverletzungen begeht, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorliegt, in grober Weise gegen seinen polizeilichen Auftrag zur Gefahrenabwehr verstößt und den Kernbereich seiner Pflichten verletzt. Er missbraucht die ihm verliehene Machtbefugnis und erschüttert in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei als staatliche Institution. Die Allgemeinheit darf erwarten, dass das strafgesetzliche Verbot, andere körperlich nicht zu verletzen, gerade von Polizeivollzugsbeamten befolgt wird, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung dieses Verbotes zu überwachen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, namentlich solche Gefahren, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen bedrohen, abzuwehren. In schwerwiegenden Fällen, wozu der Übergriff auf in Polizeigewahrsam befindliche Personen gerade auch im Hinblick auf die dadurch zum Ausdruck kommende Missachtung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu rechnen ist, ist im Regelfall die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Richtschnur geboten (vgl. nur VG Wiesbaden, U. v. 27.09.2012, 28 K 389/11. WI.D; juris m. V. auf: VGH Baden Württemberg, U. v. 04.11.2008, DL 16 S 616/08; Bayr. VGH, U. v. 05.03.2008, 16 a D 07.1368; Bayr.VGH, U. v. 12.10.2011, 16a D 09.928; alle juris).

43

Diese vorgenannte Rechtsprechung gilt - und auch gerade - für Beamte im Justizvollzugsbereich. Denn diese Beamtengruppe hat typischerweise und im Vergleich zu Polizeivollzugsbeamten nur mit ihnen und ihrem Gewahrsam überlassenen Gefangenen zu tun (vgl. auch VGH Baden Württemberg, U. v. 10.11.2006, DL 16 S 22/06 und Urteil v. 16.11.1998, D 17 S 12/98; beide juris). Zudem haben derartige Übergriffe zur Folge, dass das Bekanntwerden gewalttätiger Übergriffe durch Beamte bei den Gefangenen die Angst schüren, ebenso mit gewaltbereiten Beamten konfrontiert zu werden, woraus ein massiver Vertrauensverlust eintritt. Dies gilt im Übrigen - und vielleicht sogar besonders - nicht nur für das aktive Handeln des Beamten sondern auch für die Tatbegehung durch ein Unterlassen des Beamten, also ein Nichteinschreiten gegenüber der von Gefangenen oder gar Beamten auf andere Gefangene begangenen körperlichen Übergriffe. Denn insoweit sind die Besonderheiten und die Fürsorgepflicht der staatlichen Haftanstalten als Garanten gegenüber den Inhaftierten nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu beachten (vgl. Folterandrohung: BVerfG, Beschluss v. 19.02.2008, 1 BvR 1807/07; juris). Es darf unter keinen Umständen zugelassen und hingenommen werden, dass derartige gewaltbereite Freiräume im staatlichen Gewahrsam herrschen und Häftlinge gewalttätigen Übergriffen durch andere Personen schutzlos ausgeliefert sind, so dass der körperlich „Stärkere“ sich durchsetzen kann.

44

a. a.) Die disziplinarrechtliche Rechtsprechung versucht die generelle Schwere des derartigen Dienstvergehens im Einzelfall abzumildern, wenn der Übergriff durch eine - über das Alltägliche hinausgehende, schwere - Provokation oder Angriff durch den Gefangenen bedingt war (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 10.11.2006, DL 16 S 22/06; U. v. 04.11.2008, DL 16 S 616/08; beide juris). Aber auch dann gilt generell, dass der Vollzugsbeamte aufgrund seiner Ausbildung gelernt haben muss, mit derartigen - alltäglichen - Anfeindungen (etwa Anspucken, Verbalbeleidigungen, Verballterror) seines gegenüber fertig zu werden.

45

Werden diese oftmals aus der konkreten Situation des Inhaftierten bedingten Provokationen mit erheblicher Härte und Brutalität und einer maßlosen Überreaktion des Beamten (z. B: Faustschlag ins Gesicht {VGH Baden-Württemberg, U. v. 10.11.2006, DL 16 S 22/06; juris} Handkantenschlag ins Gesicht {VGH Baden-Württemberg, U. v. 04.11.2008, DL 16 S 616/08; juris}; Schlagstockhagel OVG NRW, U. v. 10.03.1999, 6d A 255/98.O; juris}; achtmal mit Hartgummischlagstock zuschlagen {Bayr. VGH, U. v. 12.10.2011, 16a D 09.828; juris}), woraufhin der Gefangene erhebliche gesundheitliche Schäden davonträgt (Bewusstlosigkeit, Halswirbelsäulendistorsion, Monokelhämatom mit zugeschwollenem Auge {VGH Baden-Württemberg, U. v. 10.11.2006, DL 16 S 22/06; juris}; Offene Unterkieferfraktur, Extraktion mehrerer Zähne {VGH Baden-Württemberg, U. v. 04.11.2008, DL 16 S 616/08; juris}; Riss-Quetsch-Wunde am Kopf mit zahlreichen Hämatomen am ganzen Körper {Bayr. VGH, U. v. 12.10.2011, 16a D 09.828; juris}), beantwortet, sind Milderungsgründe nicht angebracht. Gleiches gilt etwa bei einem sichtbar psychisch Erkrankten oder sonst wie situationsbedingten deutlich unterlegenen Geschädigten (Bay. VGH, U. v. 05.03.2008, 16a D 07.1368; juris).

46

Demnach sind Art, Intensität und Häufigkeit des Amtsdeliktes, dessen Folgen auch in Bezug auf das Ansehen und das Vertrauen in der Öffentlichkeit in den Polizei- und Justizvollzug aufgrund von Presseveröffentlichungen und je nach Sachlage auch das Nachttatverhalten des Täters zu beachten. Auch entscheidend ist, ob es sich um eine persönlichkeitsfremde Tat des Beamten gehandelt hat.

47

b. b.) Unter Auswertung der erkennbaren disziplinarrechtlichen Rechtsprechung geht die Disziplinarkammer davon aus, dass bei rechtswidrigen und schuldhaften Körperverletzungen im Amt an Personen, denen gegenüber der Beamte Amtshandlungen vorzunehmen hatte, im Regelfall als Disziplinarmaßnahme mindestens die Verhängung einer Gehaltskürzung geboten ist. In schwerwiegenden Fällen, vor allem bei Übergriffen auf sich in (polizeilichem) Gewahrsam befindlichen Personen ist angesichts der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden staatlichen Schutzpflicht der körperlichen Integrität diesen Personen gegenüber im Regelfall die Dienstentfernung erforderlich (vgl. Bayr. VGH, U. v. 12.10.2011, 16a D 09.828; juris).

48

5.) Ist damit aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen generell von der Maßnahme der Entfernung aus dem Dienst auszugehen, ist zu fragen, ob – auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten – gewichtige Milderungsgründe eine darunter liegende Disziplinarmaßnahme (noch) rechtfertigen können.

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Dies ist dann der Fall, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe (Milderungsgründe) zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese Besonderheiten müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris). Auch eine dienstliche Überlastung und die übermäßige Dauer des Disziplinarverfahrens kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

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a.) Hinsichtlich der Straftat der Körperverletzung im Amt führt das Landgericht in dem Strafurteil nach den Vorgaben der Revisionsentscheidung aus:

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„Nach einer Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände sah die Kammer in dem vorliegenden Fall ein beträchtliches Überwiegen der mildernden Faktoren und ein Tatbild, das vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erschien.

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Die Kammer hat dabei nicht unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte als Justizvollzugsbeamter in einem ganz besonderen Maße für den Schutz der Gefangenen zuständig war. Die Haftgefangenen befinden sich aufgrund einer staatlichen Entscheidung in behördlicher Verwahrung. Sie müssen daher darauf vertrauen dürfen und sind darauf angewiesen, dass die Beamten in dieser Situation, in die sich die Gefangenen nicht freiwillig begeben haben, geschützt werden. Die Tätigkeit des Justizvollzugsbeamten geht insoweit inhaltlich über die schon tatbestandsbegründeten Voraussetzungen der bloßen Amtsträgereigenschaft noch deutlich hinaus. Das Versagen des Angeklagten in der verfahrensgegenständlichen Situation wiegt daher schwerer als das durchschnittliche Versagen eines anderen Amtsträgers, dass bereits für eine Strafbarkeit nach § 340 Abs. 1 StGB genügt. Das Verhalten des Angeklagten war geeignet, dem Misstrauen anderer Gefangener Vorschub zu leisten, die sich wegen der Untätigkeit des Angeklagten auch in anderen Situationen schutzlos gegenüber anderen Gefangenen fühlen mussten, und es war geeignet, weiteren Drangsalierungen anderer Gefangener Vorschub zu leisten, die sich von der Untätigkeit des Angeklagten gestärkt fühlen konnten. Zudem war zu beachten, dass dieses strafrechtlich relevante Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit weiteren von ihm eingeräumten dienstlichen Verfehlungen (Handy, Umschluss) zu sehen ist. Diese Verfehlungen erfüllen zwar keinen strafrechtlichen Tatbestand, lassen aber negative Rückschlüsse auf die grundsätzliche Einstellung und Gesinnung des Angeklagten in Bezug auf seine Amtstätigkeit zu.

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Andererseits aber war zu seinem Gunsten zu berücksichtigen, dass aus den diversen Möglichkeiten, den Tatbestand des § 340 Abs. 1 StGB zu erfüllen (eigenhändige Begehung der Körperverletzung, Veranlassen der Körperverletzung durch Dritte, Geschehenlassen der Körperverletzung durch bloßes Nichteingreifen), der Angeklagte die Variante erfüllt hat, die den vergleichsweise geringsten, wenn auch tatbestandserfüllenden Unwert besitzt. Der Angeklagte hatte kein eigenes Interesse an der Tatbegehung. Die von ihm nicht unterbundene Körperverletzungshandlungen waren zudem unter Berücksichtigung der von der Tathandlung des S... betroffenen Körperstellen des Opfers unter normalen Umständen nicht geeignet, erhebliche Körperschäden mit einer nennenswerten Krankheitsfolge zu verursachen.

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Der Angeklagte ist zudem strafrechtlich nicht vorbelastet. Seit der Tat ist bereits ein erheblicher Zeitraum vergangen, auch wenn dies dem üblichen Verfahrensablauf über mehrere Instanzen und nicht justizseitigem Verschulden zuzuschreiben ist. Wenn die Tat auch nicht der einzige Grund für die Suspendierung ist, hat der verfahrensgegenständliche Vorwurf doch zu der Suspendierung des Angeklagten beigetragen. Die Suspendierung ist zwar bei voller Fortzahlung der Bezüge erfolgt, so dass der Angeklagte dadurch bislang keine wirtschaftlichen Einbußen erlitten hat. Gleichwohl hat der Angeklagte aber den sozialen Makel zu tragen, dass es ihm aufgrund eines beruflichen Versagens unabhängig von der strafrechtlichen Würdigung nicht gestattet ist, seinen Beruf derzeit weiter auszuüben.“ (Hervorhebungen von Disziplinargericht).

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Diese vom Strafgericht gesehenen Besonderheiten des Falls können, unabhängig von der bereits im dortigen Verfahren angenommenen Milderung, auch im Disziplinarverfahren zur Anwendung gelangen und dem Beklagten zur Entlastung dienen. Dabei stellt das Disziplinargericht aber eine eigenständige Abwägungsentscheidung an und ist trotz der tatbestandlichen Bindungswirkung aber nicht an die strafrechtliche Wertung als minder schwerer Fall gebunden. Die bereits eingangs beschriebene Bindungswirkung betrifft nur die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils, nicht aber die strafrichterliche Wertung zum „Maß der Gewaltanwendung“ in Bezug auf den minder schweren Fall. Anknüpfungspunkt für die zu verhängende Disziplinarmaßnahme ist – auch wenn insoweit abweichend vom strafrechtlichen Ansatz – allein die Sichtweise des Dienstrechts, für die auf das Gewicht und die Schwere der Verletzung des Dienstrechts abzustellen ist (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 22/12; mit Verweis auf VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; beide juris). Demnach sieht das Disziplinargericht zwar - wie ausgeführt - gerade in der Tatbegehung durch Unterlassen, also das Begehen lassen der Körperverletzung, entgegen der strafrichterlichen Wertung bei einem Justizvollzugsbeamten disziplinarrechtlich einen eher nicht mildernden Umstand. Gleichsam ist doch zu berücksichtigen, dass abhängig von der Tatbegehung durch den S..., der Geschädigte N... eher geringe körperliche Schäden davon trug und der Beklagte kein eigenes Interesse an der Tatbegehung hatte. Andererseits hatte der Beklagte gerade keinen Einfluss auf die (anfängliche) Tatbegehung durch den S..., so dass er von dessen Tatbegehung abhängig war. Die Art und Weise und etwa Intensität der Körperverletzungshandlungen durch den S... oder die von ihm getroffenen und verletzten Körperpartien bei dem Geschädigten waren für den Beklagten nicht vorhersehbar, sodass die – milde – Tatausführung durch den S... den Beamten auch nicht einschlägig entlasten kann.

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b.) Der Umstand des langen zeitlichen Ablaufs der strafrechtlichen- und disziplinarrechtlichen Ahndung kann nicht zur Milderung gereichen. Denn diese waren dem strafrechtlichen Instanzenzug und nicht dem Verstoß gegen den disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz geschuldet; zudem bei Verhängung der Höchstmaßnahme unerheblich (vgl. zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

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Die bisherigen Unbescholtenheit und die fehlenden Vorbelastung des Beklagten vermögen in Anbetracht der Schwere der Dienstpflichtverletzungen ebenso nicht durchschlagend entlastend wirken.

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c.) Im Hinblick auf die nach § 13 DG LSA anzustellende Persönlichkeitsbewertung des Beamten mag seine Einlassung für ihn sprechen, dass er als unerfahrener und zudem jüngster Dienst- und Lebenszeitbeamter versucht habe, einen „menschlichen“ Umgang mit den Strafgefangenen zu pflegen. Dabei muss zunächst ganz eindeutig hervorgehoben werden, dass es nicht angehen kann und darf, dass ein Justizvollzugsbeamter die ihm im Umgang mit den Gefangenen durch die Anstaltsleitung oder dem Gesetz- und Verordnungsgeber aufgegebenen Weisungen und Anordnungen unberücksichtigt lässt und seine eigenen, davon unabhängigen Vorstellungen im Strafvollzug entwickelt und verwirklicht (vgl. ausführlich: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; juris). Dem muss aber gleichwohl nicht entgegenstehen, dass durch ein freundliches und von Respekt dem Gefangenen gegenüber getragenes Auftreten, in diesem Rahmen gewisse Nischen möglich erscheinen, wonach kleinere, dem Anstaltszweck und der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Haftanstalt nicht zu wider laufende, Gefälligkeiten getätigt werden können. Dazu mag - im Einzelfall - der Austausch der Kaffegetränke gegen eine andere Geschmacksrichtung oder auch die zur Verfügung Stellung bestimmter Toiletten- und Hygieneartikel oder Zigaretten gehören. Ganz eindeutig gehört die Übergabe eines Mobiltelefons nicht dazu. Daher war auch hier dem Beweisantrag zur Vernehmung des Zeugen N... zur Bescheinigung eines „ordentlichen Verhaltens als Vollzugsbeamter“ nicht nachzugehen. Dies kann der Beklagte auch nicht mildernd damit rechtfertigen, dass der Gefangene ansonsten keine Möglichkeit zur Telefonnutzung gehabt hätte. Denn in begründeten Not- und Eilfällen oder beim Vorliegen sonstiger Besonderheiten kann und darf der Inhaftierte selbstverständlich offiziell auch außerhalb der Reihe telefonieren.

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Ein ähnliches – naives – Dienstverhalten liegt der Annahme des Beklagten zugrunde, er müsse als „Lockspitzel“ durch bestimmtes Verhalten gegenüber den Häftlingen tätig werden. Ein derartiger Einsatz ist nicht belegt und wird vom Beklagten auch nicht behauptet. Im Gegenteil trägt er vor, er habe ein entsprechendes Angebot abgelehnt. Dass er sich gleichwohl verpflichtet gefühlt habe, Gefangene „auszuspionieren“ belegt sein naives Dienstverhalten.

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Insgesamt zeichnet sich bei der Persönlichkeitsbewertung des Beklagten eher ein Bild ab, wonach er als fachlich bzw. charakterlich ungeeignet für den sicherheitsrelevanten Beruf des Justizvollzugsbeamten erscheint. Diese - beamtenrechtlichen - Zugangsvoraussetzungen, die entscheidend bei der Prüfung und Prognoseentscheidung hinsichtlich der Lebenszeiternennung sind, können auch bei der disziplinarrechtlichen Bewertung der Tat Anwendung finden. Denn der Pflichtenverstoß ist unmittelbar durch die Ungeeignetheit zur Berufsausübung bedingt. Ohne das Fehlverständnis über die zwingende Einhaltung der sicherheits- und ordnungsrelevanten Bestimmungen und damit der Ungeeignetheit zur Tätigkeit in der Haftanstalt, wäre der Pflichtenverstoß nicht begangen worden. Ist der Beamte in seinem Aufgabenbereich überfordert, so dass er dafür als ungeeignet angesehen werden muss, scheitert seine Dienstpflicht zu vollem dienstlichen Einsatz und zur zuverlässigen, weisungsgemäßen Dienstleistung an seiner persönlichen Leistungsfähigkeit (vgl. Köhler in Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, A. IV. 4 Rz. 110). Dabei legt das Disziplinargericht gleichwohl Wert auf die Feststellung, dass vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für ein schuldmilderndes oder schuldausschließendes Verhalten (§§ 20, 21 StGB) des Beklagten vorliegen (vgl. dazu: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; juris). Da diese Verhaltensweisen des Beklagten innerhalb der beamtenrechtlichen Probezeit nicht erkennbar waren, trifft den Kläger bzw. die beschäftigende Haftanstalt kein irgendwie geartetes Mitverschulden oder eine Möglichkeit der Abwendung der Ereignisse (vgl. dazu: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; juris).

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Gleichwohl kann und darf es nicht angehen, dass – zumindest bei leicht und einfach für jedermann zu verstehenden, ja sich aufdrängenden Dienstpflichten, wie sie die Einhaltung der sicherheits- und ordnungsrelevanten Bestimmungen in einer Haftanstalt darstellen -, der Verstoß dagegen aufgrund einer eigenen, andersartigen Dienstauffassung des Beamten für ihn disziplinarrechtlich entlastend wirken können. Denn der bereits im Jahre 1964 vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Satz, dass „derartige ungeeignete“ einmal auf Lebenszeit ernannte Beamte und Richter „ertragen werden müssen“, bezieht sich auf deren alimentierungsgerechten beamtenrechtlichen Beschäftigungsanspruch, nicht aber darauf, ihr Versagen disziplinarrechtlich milder zu bewerten. Es wäre hingegen unerträglich, wenn dienstlich ihrem konkret-funktionalen Amt nicht geeignete Beamte und Richter ihr Versagen und damit ihre Pflichtverletzungen, z. B. als Vorgesetzte ihren dienstlich Unterstellten gegenüber, disziplinarrechtlich mit ihrer persönlichen Ungeeignetheit entlasten könnten. Dabei wirken sich derartige Pflichtverletzungen bei Amtsträgern mit Vorgesetzten- und/oder Leitungsposition aufgrund ihres größeren Verantwortungsbereichs naturgemäß stärker aus als bei Beamten niedriger Ränge und auch deren Vorgesetzte handeln bei Wissen um die Ungeeignetheit pflichtwidrig. Daran gemessen ist entscheidend, dass von dem Beklagten als Justizvollzugsbeamter nichts subjektiv Unmögliches gefordert wurde, welches er aufgrund seiner persönlichen Leistungsfähigkeit nicht hätte leisten können. Eine in diesem Sinne persönliche, individuelle unüberwindliche Leistungsschwäche kann bei dem (Nicht-)Befolgen leicht einsehbarer Dienstvorschriften - wie es vorliegend der Fall ist - nicht angenommen werden.

62

In diesem Sinne führen auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil v. 22.03.2010, 3 A 11391/09; juris) und das Verwaltungsgericht Trier (Urteil v. 08.12.2009, 3 K 387/09.TR; juris) aus, dass bei richtigem Dienstverständnis bezüglich des Mitleides gegenüber den Gefangenen der Beamte die Anstaltsleitung hätte informieren müssen und um Hilfe für den Gefangenen und/oder sich selbst nachsuchen müssen. Der vom Beklagten gewählte Weg der „Selbsthilfe“ ist jedenfalls nicht akzeptabel. Dabei darf auch angemerkt werden, dass der Beklagte vielleicht ein an Dienstjahren unerfahrener Beamter gewesen sein mag. Für die aufgrund von Lebensjahren anzunehmende allgemeine Lebenserfahrung gilt dies für den 1970 geborenen Beklagten nicht. Gerade diese allgemeine Lebenserfahrung hätte ihm die Pflichtwidrigkeit seiner Handlungen vor Augen führen müssen.

63

Die Disziplinarkammer hatte bereits früher (8 A 3/07; Urteil v. 17.04.2007; n. v.) einen Justizvollzugsbeamten in der gleichen dienstlichen Stellung wie der Beklagte aus dem Dienst entfernt, weil das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit zerstört war. Dem lagen Verurteilungen wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (Gesamtfreiheitsstrafe 10 Monate) sowie Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (Geldstrafe von 90 Tagessätzen) zugrunde. Der dortige Beamte brachte Dopingmittel, Einwegspritzen, Alkohol-Pads, Lebensmittel, DVD´s, Parfüm, Schmuck in die Haftanstalt ein und verteilte sie an Gefangene. Mag dieser Fall hinsichtlich der Verstöße gegen die Anstaltsordnung und der strafrechtlich relevanten Verfehlungen eindeutiger die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses belegen, so vermag der vom Beklagten diesbezüglich vorgetragene Vergleich ihn nicht zu entlasten. Denn insoweit wiegt die von ihm begangene Straftat der Körperverletzung im Amt mindestens genauso schwer wie die Fraternisierung mit den Gefangenen.

64

d.) Schließlich vermag den Beklagten nicht zu entlasten, dass er sein Fehlverhalten teilweise einräumt, bereut und glaubhaft vorträgt, dass dies nicht wieder geschehe. Zum einen betrifft dies nur den Tatkomplex der Handy-Überlassung und zum anderen kommt es darauf bei der vom Disziplinargericht anzustellenden Gesamtschau der be- und entlastenden Umstände hinsichtlich der Prognoseentscheidung nicht entscheidend an. Denn die Prognoseentscheidung bezieht sich entscheidend auf die endgültige und nicht wiederbringbare Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn und aber auch der Allgemeinheit als Voraussetzung für die Beendigung des Beamtenverhältnisses. Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 DG LSA) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.01.2004, 1 D 33.02; juris), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z. B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; alle juris).

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6.) Demnach ist in der Gesamtschau festzustellen, dass der Dienstherr aber auch die Allgemeinheit einem Justizvollzugsbeamten, welcher die ihm vorgehaltenen Pflichtverletzungen begeht, nicht mehr das zur Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses notwendige (Rest-)Vertrauen entgegen bringen kann.

66

Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, dass durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Dienstverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihm zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urteil v. 21.06.2000, 1 D 49.99; vgl. nur zuletzt: Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10; bestätigt durch BVerfG, Beschluss v. 28.01.2013, 2 BvR 1912/12; alle juris).

67

7.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 1 Satz 1 DG LSA. Das Verfahren ist gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 gebührenfrei.


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