Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 B 53/13

Gründe

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Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung zweier Duldungsbescheide in Gestalt eines Widerspruchsbescheides, mit denen sie zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das seit dem 31.01.2005 in ihrem Eigentum stehende Grundstück – Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 902 – wegen einer auf ihm ruhenden öffentlichen Last in Form eines Anschlussbeitrags in Höhe von 4.865,79 EUR verpflichtet werden.

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Der Antrag der Antragsteller,

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die aufschiebende Wirkung ihrer gleichzeitig erhobenen Klage gegen die Duldungsbescheide des Antragsgegners vom 03.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 10.01.2013 anzuordnen,

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ist zulässig (nachfolgend 1.) und hat auch in der Sache Erfolg (nachfolgend 2.).

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1. Der Erlass eines Duldungsbescheides, hier auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt – KAG-LSA – i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. der Abgabenordnung – AO –, stellt im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – die Anforderung einer öffentlichen Abgabe dar (vgl. VG Weimar, Beschluss vom 29.10.2012 – 6 E 547/12 – juris, m.w.N.). Der von den Antragstellern erhobene Widerspruch und die nachfolgend erhobene Klage haben damit keine aufschiebende Wirkung, ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO ist somit statthaft. Der Antrag begegnet auch keinen Bedenken hinsichtlich seiner Zulässigkeit im Übrigen. Die Antragsteller haben vor Anrufung des Gerichts und zwar bereits bei Einlegung ihres Widerspruchs einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner gestellt, was gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO grundsätzlich Zugangsvoraussetzung für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht ist. Über diesen hat der Antragsgegner trotz mehrfacher Fristsetzung seitens der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO).

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2. Der Antrag ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abgaben- und Kostenbescheide – zu denen auch die streitbefangenen Duldungsbescheide zählen – keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht kann in diesen Fällen jedoch gemäß § 80 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für die Abgabenpflichtige eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Duldungsbescheide derart überwiegen, dass ein Erfolg des Rechtsbehelfsführers wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Duldungsbescheide des Antragsgegners vom 03.02.2010 bestehen hier.

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Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. d KAG-LSA i.V.m. § 77 Abs. 2 AO hat der Eigentümer eines Grundstücks wegen einer Beitragsforderung, die als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden. Die Inanspruchnahme des duldungspflichtigen Eigentümers erfolgt gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 b KAG-LSA i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AO durch Erlass eines Duldungsbescheides. Voraussetzung eines rechtmäßigen Duldungsbescheides ist zunächst eine materielle Duldungspflicht in Form einer auf dem betroffenen Grundstück ruhenden, öffentlichen Last, hier resultierend aus § 6 Abs. 9 KAG-LSA. Die öffentliche Last begründet keine persönliche Schuldnerschaft des jeweiligen Grundstückseigentümers, sondern hat den Inhalt, dass der Grundstückseigentümer mit dem Grundstück auch dann für die Beitragsschuld haftet, wenn er nicht persönlich beitragspflichtig ist. Sie knüpft ausschließlich an das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.02.1987 – 8 C 25.85 – juris) und kann erst in Anspruch genommen werden, wenn die persönliche Beitragspflicht entstanden und nicht wieder erloschen ist.

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Diese Voraussetzungen dürften zwar nach summarischer Prüfung hier erfüllt sein. Denn ausweislich des beim Verwaltungsvorgang befindlichen, an den vormaligen Eigentümer M.. gerichteten Beitragsbescheids vom 23.05.2003 wurde für den Anschluss an die öffentliche Einrichtung des Antragsgegners ein Abwasserbeitrag für das streitbefangene Grundstück Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 902 in Höhe von 4.865,79 EUR festgesetzt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für diesen Beitragsbescheid ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA. Danach erheben Landkreise und Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes u. a. für die Herstellung ihrer öffentlichen Einrichtungen von den Beitragspflichtigen i. S. v. § 6 Abs. 8 KAG LSA, denen durch die Inanspruchnahme oder die Möglichkeit derselben ein Vorteil entsteht, Beiträge auf der Grundlage einer Satzung, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist oder nicht ein sonstiges Entgelt gefordert wird. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung hat der Antragsgegner aufgrund von § 9 GKG LSA mit Erlass der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung 19.10.1999 – AS –, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt vom 29.10.1999, Gebrauch gemacht, die in der Fassung der 8. Änderung vom 27.11.2008 die maßgebende Rechtsgrundlage bildet (vgl. ständige Rechtsprechung der Kammer, Urteil vom 29.07.2010 – 9 A 279/09 MD – m.w.N.; juris). Damit dürfte die sachliche Beitragspflicht für das im Jahr 2003 an die öffentliche Einrichtung des Antragsgegners angeschlossene streitbefangene Grundstück und daraus resultierend eine entsprechende öffentliche Last auf dem jetzt im Miteigentum der Antragsteller stehenden Grundstücks entstanden sein. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang eine wirksame Zustellung an den vormaligen Eigentümer S… bestreiten, vermag das Gericht nach summarischer Prüfung dem nicht zu folgen. Der Beitragsbescheid wurde ausweislich der beim Verwaltungsvorgang befindlichen Kopie mit Postzustellungsurkunde am 24.05.2003 Herrn S... als Eigentümer des Grundstücks zugestellt. Die Postzustellungsurkunde trägt das Aktenzeichen AWB 13000270, welches der auf dem Beitragsbescheid verwandten Kundennummer des Adressaten entspricht und für Abwasserbeitrag (AWB) stehen dürfte. Dass das Grundstück nicht angeschlossen gewesen sei, wird durch die Antragsteller gleichfalls nicht glaubhaft gemacht.

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Die gegen den persönlich Beitragspflichtigen Steffens gerichtete Beitragsforderung dürfte nach summarischer Prüfung auch nicht wieder erloschen sein, was, worauf der Antragsteller zwar zu Recht hinweist, zu einem Untergang auch der öffentlichen Last führen würde. Die bloße Behauptung der Antragsteller aber, der Antragsgegner sei bereits durch die Deutsche Bank oder den vormaligen Eigentümer befriedigt worden, wird durch nichts belegt. Denn nach dem Verwaltungsvorgang, von dessen Vollständigkeit die Kammer ausgeht, sind Zahlungseingänge auf die streitbefangene Beitragsforderung nicht ersichtlich.

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Die Inanspruchnahme der Antragsteller ist nach summarischer Prüfung jedoch nicht ermessensgerecht. Denn der Antragsgegner hat die ihm nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 4 lit. b KAG-LSA i.V.m. §§ 191 Abs. 1 Satz 1 2. Alt, 5 AO eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten und von seinem pflichtgemäßen Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).

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Die Inanspruchnahme des Duldungsverpflichteten ist eine Ermessensentscheidung (vgl. hierzu Rüsken in Klein, AO, 8. Aufl., § 191 Rn. 30 ff.), bei der dem subsidiären Charakter des Duldungsanspruchs Rechnung zu tragen ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.01.1989 – 6 B 79/88 – NJW 1989, 1878). Die Inanspruchnahme des persönlich Beitragspflichtigen ist in der Regel vorrangig. Das bedeutet, dass die Inanspruchnahme des Duldungspflichtigen regelmäßig erst in Betracht kommt, wenn erkennbar wird, dass der persönlich Beitragspflichtige zur Erfüllung seiner Schuld nicht (mehr) willens oder nicht (mehr) in der Lage ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.02.1987 – 8 C 25.85 – a.a.O.). Die Ermessensentscheidung kann aber auch deshalb fehlerhaft sein, weil sich die Inanspruchnahme des Duldungspflichtigen mit Rücksicht auf das vorangegangene Verhalten des Beitragsgläubigers als treuwidrig darstellt, sei es, dass der Beitragsgläubiger den Sachverhalt, auf den er die Inanspruchnahme stützt, treuwidrig herbeigeführt hat oder sei es, dass sein vorausgegangenes Verhalten die Verwirkung des Duldungsanspruchs rechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 13.02.1987 – 8 C 25.85 – a.a.O.). In diesen Fällen ist zwar der Erlass eines Duldungsbescheides die allein erfolgversprechende Maßnahme, um den Beitrag noch zu realisieren, gleichwohl ist sein Erlass ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, weil es aufgrund des eigenen vorwerfbaren Verhaltens des Beitragsgläubigers letztlich unbillig wäre, den neuen Grundstückseigentümer in Anspruch zu nehmen. Kriterien für die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung sind in diesen Fällen, ob die Behörde mit ausreichendem Nachdruck und ohne pflichtwidrige Verzögerung die Verwirklichung des Anspruchs gegen den persönlichen Beitragspflichtigen betrieben hat oder ob das Fehlschlagen der Beitreibung des Beitrags gegen den früheren Grundstückseigentümer auf einer besonders groben Pflichtverletzung der Behörde beruht (vgl. VG Dresden, Urteil vom 11.07.2012 – 2 K 839/10 – juris; VG München, Urteil vom 21.10.2010 – M 10 K 09.5458, juris; VG Halle, Urteil vom 22.01.2010 – 4 A 311/09 – juris, m.w.N.).

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Hiernach kann der angefochtene Duldungsbescheid voraussichtlich keinen Bestand haben, weil – jedenfalls nach Aktenlage – eine Befriedigung der Beitragsforderung auf andere Weise objektiv möglich war und der Antragsgegner, das ihm – bekanntermaßen – zur Verfügung stehende Befriedigungsinstrument nicht pflichtgemäß und mit Nachdruck in Anspruch genommen hat. Dem Antragsgegner steht es zwar grundsätzlich frei, die Verjährungsfristen – hier die Zahlungsverjährung gegenüber dem persönlichen Beitragsschuldner – auszuschöpfen, ohne dass ihm entgegengehalten werden kann, der Anspruch hätte früher durchgesetzt werden müssen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die unterlassene oder fehlgeschlagene Beitreibung gegenüber dem persönlichen Beitragsschuldner auf einer vorsätzlichen oder sonstigen grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruht (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 31.08.2009 – 9 LA 419/07 – juris, m.w.N.). Für Letzteres bestehen nach summarischer Prüfung hinreichend Anhaltspunkte. Dies ergibt sich aus Folgendem:

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Nach Aktenlage hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 06.10.2003 hinsichtlich der streitbefangenen Beitragsforderung einen Antrag auf Beitritt zum Zwangsversteigerungsverfahren beim Amtsgericht B-Stadt gestellt, welches den Beitritt zum Verfahren mit Beschluss vom 16.10.2003 zugelassen hat. In der Folge hat – wie der beim Verwaltungsvorgang befindliche Aktenvermerk des Antragsgegners vom 01.12.2003 belegt – der Vollstreckungsbedienstete des Antragsgegners – Herr S… – mit dem beurkundenden Notar K.. vereinbart, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung beim Amtsgericht B-Stadt beantragt werden solle, da im Grundstückskaufvertrag zwischen dem vormaligen Eigentümer und der B… GmbH vom 27.11.2003, die Ablösung der Forderung durch die Deutsche Bank, der im Grundbuch eingetragene Grundschuldgläubigerin vereinbart worden sei. Dieser Vereinbarung ist der Antragsgegner mit an das Amtsgericht B-Stadt gerichtetem Antrag vom 01.12.2003 nachgekommen, das mit Beschluss vom 02.12.2003 das Verfahren aufgrund der Bewilligung des Antragsgegners gemäß § 30 ZVG einstweilen einstellte. Nach der dem Beschluss beigefügten Belehrung wurde der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass das Verfahren auf seinen Antrag, der spätestens innerhalb von sechs Monaten seit der Zustellung des Beschlusses eingegangen sein muss, hin fortgesetzt werden kann, ansonsten das Verfahren aufzuheben ist (§ 31 ZVG). Zwar hat der Antragsgegner daraufhin mit an die Deutsche Bank gerichtetem Schreiben vom 27.01.2004 bezugnehmend auf ein bereits geführtes Telefonat (hinsichtlich dessen ausweislich des Verwaltungsvorgangs kein Aktenvermerk existiert), zum Ausdruck gebracht, dass bisher keine Einigung hinsichtlich der Höhe der Ablösesumme bestehe. Ergebnisoffen führte er zudem aus, dass, sollte die Deutsche Bank die Ablösung der Gesamtforderung vornehmen wollen, der Betrag überwiesen werden solle und der Antragsgegner sodann die Verfahrensaufhebung beim Amtsgericht B-Stadt beantragen werde. In der Folge ging vom Antragsgegner jedoch kein weiteres Handeln aus. Weder erfolgte eine erneute Kontaktaufnahme gegenüber dem persönlichen Beitragsschuldner noch gegenüber dem beurkundenden Notar K… oder der Deutschen Bank, mit denen offensichtlich Vereinbarungen getroffen worden waren. Vielmehr erledigte sich allein durch Zeitablauf das Zwangsversteigerungsverfahren. Denn das Amtsgericht B-Stadt hob mit beim Antragsgegner nach Aktenlage am 08.07.2004 eingegangenen Beschluss vom 29.06.2004 das Verfahren zur Zwangsversteigerung wegen fehlenden Fortsetzungsantrags auf, was zur Löschung des Zwangsversteigerungsvermerks im Grundbuch führte. Erneut erfolgte keine Reaktion des Antragsgegners. Erst mit Schreiben vom 23.03.2006 und damit zwei Jahre nach den letzten Verfahrenshandlungen des Antragsgegners kündigte dieser dem persönlich Beitragspflichtigen (erneut) die Zwangsvollstreckung an. Der Antragsgegner hat durch sein Handeln in Kenntnis des freihändigen Verkaufs des belasteten Grundstücks diesen ermöglicht und sein (bereits ausgeübtes) Sicherungsinstrumentarium vorwerfbar ungenutzt gelassen. Soweit er einwendet, er sei davon ausgegangen, dass der Grundstückskaufvertrag nicht zustande gekommen sei, vermag dies nach summarischer Prüfung nicht zu überzeugen. Ihm ist jedenfalls entgegenzuhalten, dass er aufgrund der nicht erfolgten Einigung mit der Deutschen Bank hinsichtlich der Ablösesumme – wovon er offensichtlich selbst ausgeht – es pflichtwidrig unterlassen hat, das von ihm eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren fortzusetzen, obwohl er über die Frist des § 31 ZVG ordnungsgemäß belehrt worden war. Dieses vorwerfbare Verhalten wird zudem durch die Äußerung des Antragsgegners im Schreiben an die Deutsche Bank vom 27.01.2004 bekräftigt. Darin weist der Antragsgegner die Deutsche Bank darauf hin, dass der neue Grundstückseigentümer im Falle der Nichtablösung die Vollstreckung in das Grundstück dulden müsse, mithin das Problem der Zwangsvollstreckung/-versteigerung nur verschoben, nicht beseitigt wäre. Ein solches Verhalten, nämlich – in Kenntnis eines Eigentumsübergangs und eines anhängigen Zwangsversteigerungsverfahrens – den ggf. einfacheren Weg der Inanspruchnahme des dinglich Haftenden zu gehen, ist ermessensmissbräuchlich. Dies kehrt das vorgesehene Verhältnis der Inanspruchnahme von Beitrags- und Duldungsschuldner unzulässigerweise um. Der Antragsgegner hat in diesem Zusammenhang auch keine Gründe dargelegt und glaubhaft gemacht, die sein Verhalten rechtfertigen können. Sicherlich handelt es sich bei der Beitreibung von Beitragsforderungen um ein Massengeschäft beim Antragsgegner, das die Ausschöpfung von Verjährungsfristen regelmäßig rechtfertigt. Hier liegt der Fall jedoch insofern anders, als der Antragsgegner bereits mit der Entscheidung zum Betreiben eines Zwangsversteigerungsverfahrens einen erfolgsversprechenden Weg eingeschlagen hat, den er nicht konsequent weiterverfolgt hat. Das Verfahren ist nach Aktenlage offensichtlich in Vergessenheit geraten, obwohl dem Antragsgegner etwaige Folgen bekannt waren oder jedenfalls – ausweislich der Belehrung im Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 02.12.2003 – hätten bekannt sein müssen. Dies darf den dinglich Verpflichteten nicht zum Nachteil gereicht werden.

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Mit einer Befriedigung des Antragsgegners durfte auch gerechnet werden. Mit der Ermöglichung des freihändigen Verkaufs zwischen dem vormaligen Eigentümer und der B..GmbH, dessen Gesellschafter und Geschäftsführer der vormalige Eigentümer war, zum Kaufpreis von 26.000,00 EUR, hätte die Beitragsforderung in Höhe von 4.865,79 EUR ohne weiteres gedeckt werden können. Offenbar hat jedoch die Deutsche Bank, als Grundschuldgläubigerin, die damit im Zwangsversteigerungsverfahren nachrangig zu bedienen gewesen wäre (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 ZVG), die Kaufpreissumme vollständig vereinnahmt.

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Auch führt der Einwand des Antragsgegners nicht weiter, wonach er von dem Grundstückskaufvertrag vom 19.07.2004 zwischen den Antragstellern und der B… GmbH, mit dem die Verkäuferin den Eigentumsverschaffungsanspruch gegenüber dem Eigentümer S… nebst der zu ihren Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung hinsichtlich des streitbefangenen Grundstücks an die Antragsteller abgetreten hat und was ausweislich des Grundbuchauszuges am 31.01.2005 zur Eigentumsumschreibung auf die Antragsteller führte, keine Kenntnis gehabt habe. Denn diese Geschehnisse sind allesamt nach der freihändigen Veräußerung des Eigentumsverschaffungsanspruchs und der Aufhebung des Verfahrens der Zwangsversteigerung erfolgt und beeinflussen die festgestellte Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Antragsgegners nicht.

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Offenbleiben soll nach alledem, ob die angegriffenen Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil der Antragsgegner es unterlassen hat, bei der Ermessensentscheidung alle Möglichkeiten zur Befriedigung der offenen Ansprüche gegeneinander abzuwägen. Im Duldungsbescheid sind die zur Inanspruchnahme des Duldungspflichtigen angestellten Ermessenserwägungen anzugeben (VG Halle, Beschluss vom 02.12.2003 – 5 B 60/03 – juris). Der Widerspruchsbescheid, auf den es nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO insoweit ankommt, lässt jegliche Ermessenserwägungen in den rechtlichen Ausführungen vermissen. Zwar werden chronologisch die Befriedigungsversuche des Antragsgegners im Sachverhalt des Bescheides niedergelegt, eine rechtliche Wertung erfolgt nicht.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG –, wobei in Anlehnung an Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2004, 1327) der Wert der streitigen (festgesetzten) Abgabe zugrunde zu legen ist. Dieser Betrag ist nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu vierteln.

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5. Dem Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller ist zu entsprechen. Gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung der Antragsteller, die ihre Bedürftigkeit nachgewiesen haben, erscheint nicht mutwillig und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.


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