Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 44/12
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen Bescheide der Beklagten, mit denen diese Investitionszuschüsse in Höhe von 448.195,90 Euro nebst Zinsen zurückfordert.
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Die Klägerin zu 1. beantragte mit Antrag vom 14. August 2000 als eine 100 %-ige Tochter der Klägerin zu 2. beim L., dem Rechtsvorgänger der Beklagten, die Gewährung eines Investitionszuschusses aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für die „Errichtung einer Betriebsstätte in A-Stadt“. Ausweislich des am 21. August 2000 im eingegangenen Antrages sollten mit dem Vorhaben elf Dauerarbeitsplätze neu geschaffen werden, davon ein Ausbildungsplatz.
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Mit Zuwendungsbescheid des L. vom 23. Mai 2001 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Februar 2002 wurde den Klägern auf der Grundlage des 29. Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sowie der Regelungen des Landes Sachsen-Anhalt zum 29. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (LR-LSA) ein Investitionszuschuss in Höhe von höchstens 2.300.813,47 Euro bewilligt.
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Die Berechnung des Zuschusses erfolge auf der Grundlage eines Höchstfördersatzes von 50,00 %. Dieser setze sich zusammen aus dem regelmäßigen Fördersatz von 25 % (vgl. Nr. 1.1.1 LR-LSA), einer Erhöhung um 10 %-Punkte, da in der Betriebsstätte durch eigene Berufsausbildung mindestens eine Reproduktionsquote von 8 v.H. erzielt und damit ein besonderer Struktureffekt gemäß Nr. 1.1.4 lit. e) LR-LSA erreicht werde, sowie einer Erhöhung um 15 %-Punkte, weil es sich bei dem klägerischen Unternehmen um ein kleines und mittleres Unternehmen (KMU) handele (vgl. Nr. 1.1.2 LR-LSA).
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Abschnitt V. Ziffer 1 des Zuwendungsbescheides vom 23. Mai 2001 bestimmte als Zuwendungszweck die Stärkung der Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft und die Schaffung neuer dauerhafter Arbeitsplätze beziehungsweise die dauerhafte Sicherung vorhandener Arbeitsplätze durch Förderung von Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft, die geeignet sind, durch Schaffung von zusätzlichen Einkommensquellen das Gesamteinkommen in dem jeweiligen Wirtschaftsraum des Landes Sachsen-Anhalt unmittelbar und auf Dauer nicht unwesentlich zu erhöhen. Spätestens bis zum Ende des Investitionszeitraumes seien in der geförderten Betriebsstätte 11,0 Dauerarbeitsplätze, darunter 1,0 Ausbildungsplätze, durch den Zuwendungsempfänger selbst neu zu schaffen und zu besetzen.
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Zur Sicherung des Zuwendungszwecks wurde die Bewilligung gemäß Abschnitt IX. Ziffer 2 lit. e) und f) des Zuwendungsbescheides vom 23. Mai 2001 mit den Auflagen verbunden, dass bis zum Ende des Investitionszeitraumes in der geförderten Betriebsstätte 11,0 Dauerarbeitsplätze, darunter 1,0 Ausbildungsplätze, durch den Zuwendungsempfänger selbst neu zu schaffen und zu besetzen seien, und bis zum Ablauf von fünf Jahren nach dem festgelegten Ende des Investitionszeitraumes die elf Dauerarbeitsplätze und der Ausbildungsplatz besetzt oder zumindest auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft angeboten würden (Zweckbindungszeitraum), was nach Ablauf des Zweckbindungszeitraumes unverzüglich und unaufgefordert nachzuweisen sei.
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Nachdem die Kläger mit dem Investitionszuschuss und eingesetzten Eigenmitteln ab 2002 im gewerblichen Bereich eine Produktion von Pilzsubstrat geschaffen hatten, widerrief das mit bestandskräftigem Teilwiderrufsbescheid vom 29. Juli 2003 den Zuwendungsbescheid vom 23. Mai 2001 über einen Betrag von 789.899,37 Euro mit Wirkung zum 23. Mai 2001 und machte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 124.555,24 Euro geltend. Die Verwendungsnachweisprüfung habe eine anteilige Finanzierung in Höhe von 33,70 % der förderfähigen Investitionen ergeben. Somit verringere sich der ursprünglich bewilligte Zuschuss auf höchstens 1.510.914,09 Euro.
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Zugleich regelte das L. in dem Bescheid, dass der Zweckbindungszeitraum für die Dauerarbeitsplätze nach Erfüllung des Zuwendungszwecks (hier: erstmalige Besetzung des geforderten Ausbildungsplatzes) am 1. August 2002 beginne und am 1. August 2007 ende. Der Nachweis über die Einhaltung der Zweckbindung sei entsprechend der dem Bescheid beigefügten Formblätter bis spätestens 1. September 2007 vorzulegen. Der Zweckbindungszeitraum für die Wirtschaftsgüter beginne nach Abschluss des Investitionsvorhabens, das auf den 13. März 2002 festgelegt wurde, und ende mithin am 13. März 2007. Der Nachweis über die Einhaltung der Zweckbindung für die Wirtschaftsgüter sei entsprechend dem beigefügten Formblatt bis zum 13. April 2007 vorzulegen.
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Auf das Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 22. Dezember 2008 reichte die … Betriebsberatung ... GbR W. (im Folgenden: Betriebsberatung ...) als betriebswirtschaftliche Beraterin der Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 27. Januar 2009 den Zweckbindungsnachweis ein und teilte mit, dass nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vom III. Quartal 2002 bis II. Quartal 2005 der Ausbildungsplatz über die Agentur für Arbeit angeboten worden sei, jedoch kein geeigneter Bewerber gefunden worden sei, so dass der Ausbildungsplatz für die Restlaufzeit des Zweckbindungszeitraumes nicht wieder habe besetzt werden können.
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Nach Prüfung des Zweckbindungsnachweises durch die Beklagte teilte diese der Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 21. Juli 2009 mit, es lägen die Voraussetzungen für einen teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheides vor, weil der Ausbildungsplatz nicht während der gesamten Dauer der Zweckbindung besetzt gewesen sei, mithin die Auflagen aus dem Zuwendungsbescheid nicht erfüllt worden seien. Zugleich wies sie darauf hin, dass der nicht besetzte Ausbildungsplatz im Rahmen des Ermessens als besetzt anerkannt würde, könnte mit einer Bestätigung der Agentur für Arbeit nachgewiesen werden, dass dieser für den Zeitraum der mangelnden Besetzung beim Arbeitsamt ausgeschrieben gewesen sei und nur aufgrund fehlender geeigneter Bewerber nicht habe besetzt werden können. Sollte eine solche Bestätigung nicht beigebracht werden können, sei es möglich, die Zweckbindung für den Zeitraum der Nichterfüllung, maximal für 36 Monate auszusetzen, sollte der Ausbildungsplatz wieder besetzt worden sein.
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Die Betriebsberatung ... teilte der Beklagten mit Schreiben vom 10. August 2009 mit, dass eine Bestätigung der zuständigen Agentur für Arbeit zum öffentlichen Angebot des Ausbildungsplatzes nach dem III. Quartal 2005 nicht beigebracht werden könne. Der Ausbildungsplatz sei zunächst aus betriebswirtschaftlichen Gründen und nach dem Weggang des damaligen Betriebsleiters ab 2007 mangels eines Mitarbeiters mit Ausbilderbefähigung nicht besetzt worden.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 26. August 2009 wurde der Klägerin zu 1. mitgeteilt, dass mangels Bestätigung der Besetzungsbemühungen durch die Agentur für Arbeit der Ausbildungsplatz nicht als besetzt anerkannt werden könne. Eine Aussetzung der Zweckbindung komme nur in Betracht, wenn der Ausbildungsplatz spätestens zum 1. August 2008 wieder besetzt gewesen sei. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, könne die Erhöhung des Fördersatzes nach Nr. 1.1.4 lit. e) LR-LSA nicht belassen werden. Dies würde zu einem teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheides in Höhe von 448.195,90 Euro führen.
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Hierzu nahm die Betriebsberatung ... mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 Stellung. Der Ausbildungsplatz sei bis zum II. Quartal 2005 und damit zu drei Fünfteln der Zweckbindungsfrist besetzt gewesen. Danach habe er aufgrund näher dargelegter betriebswirtschaftlicher Gründe und mangels eines Mitarbeiters mit Ausbildungsbefähigung nicht mehr besetzt werden können. Die geforderten elf Dauerarbeitsplätze seien in der geförderten Betriebsstätte bis zum Ende des Zweckbindungszeitraumes vorhanden gewesen; weitere 30 Dauerarbeitsplätze seien in den verbundenen/Partnerunternehmen der V.-Unternehmensgruppe geschaffen worden und – teilweise bei Subunternehmen – weitere 15 Saisonarbeitsplätze. Die Rückforderung sei unverhältnismäßig, da drei Fünftel des Zweckbindungszeitraumes erfüllt worden seien. Zudem seien überobligatorisch viele Dauerarbeitsplätze geschaffen worden. Den Erstattungsanspruch nebst Zinsen könnten die Kläger nicht zahlen. Er gefährde das Unternehmen in seinem Bestand sowie die weiteren verbundenen und Partnerunternehmen. Eine Stundung oder Ratenzahlung helfe nicht weiter und belaste das Unternehmen stark. Es sei beabsichtigt, in der geförderten Betriebsstätte in eine zweite Verarbeitungsstufe zu investieren. Hierfür würden Fördermittel aus dem Programm der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Anspruch genommen und weitere circa zehn Dauerarbeitsplätze geschaffen. Dabei würden ab dem Jahr 2010 ein oder zwei Praktikumsstellen für die überbetriebliche Ausbildung geschaffen, was im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sei.
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Mit Bescheiden vom 10. November 2009 widerrief die Beklagte gegenüber den Klägern den Zuwendungsbescheid vom 23. Mai 2001 in der Fassung der hierzu ergangenen Bescheide mit Wirkung vom 23. Mai 2001 über einen Betrag in Höhe von 448.195,90 Euro. In dieser Höhe machte sie einen Erstattungsanspruch nebst Zinsen geltend. Die Kläger hätten die Erfüllung des spezifischen Förderkriteriums nach Nr. 1.1.4 lit. e) LR-LSA, über den Zweckbindungszeitraum von fünf Jahren einen Ausbildungsplatz kontinuierlich zu besetzen, nicht nachgewiesen. Da kein anderes Förderkriterium der Nr. 1.1.3 oder 1.1.4 LR-LSA erfüllt werde, könne nur der Regelfördersatz von insgesamt 40 % nach Nr. 1.1.1 und 1.1.2 LR-LSA gewährt werden. Demnach verringere sich der mit Teilwiderrufsbescheid vom 28. Juli 2003 gewährte Fördersatz von bis zu 33,70 % um 10,00 Prozentpunkte auf 23,70 %. Daraus ergebe sich zur anteiligen Finanzierung der festgelegten maximalen förderfähigen Investition in Höhe von 4.484.043,03 Euro ein Zuschuss von höchstens 1.062.718,19 Euro. Bei der Ermessensentscheidung seien neben dem Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der staatlichen Haushaltsmittel die Besonderheiten des Einzelfalls sowie der öffentlichen Interessen am Widerruf des Bescheides und das Interesse des Zuwendungsempfängers am Bestand des Bescheides gleichermaßen zu berücksichtigen. Bei haushaltsrechtlich relevanten Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Aufhebung von Zuwendungsbescheiden verpflichte § 7 LHO LSA zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel. Diese Vorschrift enge den Ermessensspielraum des § 49 Abs. 3 VwVfG erheblich ein und verbiete den großzügigen Verzicht auf den teilweisen Widerruf von Zuwendungsbescheiden, deren teilweise Widerrufbarkeit feststehe.
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Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger unter dem 4. Dezember 2009 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 31. Mai 2010 begründete. Die Aufrechterhaltung des Erstattungsanspruchs und teilweisen Widerrufs stelle eine unbillige Härte dar, die bis hin zur Existenzvernichtung der Unternehmung führen würde. Der Teilwiderruf in der geltend gemachten Höhe sei unverhältnismäßig, da zwei Drittel des Zweckbindungszeitraumes eingehalten worden seien. Bei einem rechtzeitigen Hinweis der Beklagten auf die Folgen der Nichterfüllung von Auflagen hätten die Kläger den Widerruf vermeiden können.
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Mit Schreiben vom 7. April 2011 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass ihr Widerspruch keine Aussicht auf Erfolg verspreche. Mit Schreiben vom 25. August 2011 bot sie an zu prüfen, ob ein anderes spezifisches Förderkriterium gegeben sei, auf das die Förderung umgestellt werden könne.
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Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Kläger dies mit Schreiben vom 11. November 2011 verneint hatte, wies die Beklagte den Widerspruch vom 3. Dezember 2009 gegen die Teilwiderrufsbescheide vom 10. November 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2011 zurück. Die Voraussetzungen für einen teilweisen Widerruf seien gegeben, da angesichts des nur bis zum II. Quartal 2005 besetzten Ausbildungsplatzes der Zuwendungszweck hinsichtlich der gewährten Erhöhung des Regelfördersatzes um 10 % für die in der Betriebsstätte durch eigene Berufsausbildung zu erzielende Reproduktionsquote von 8 v.H. nicht erfüllt sei. § 7 LHO LSA enge den von § 49 Abs. 3 VwVfG eröffneten Ermessensspielraum erheblich ein. Eine Aussetzung der Zweckbindung gemäß Nr. 4.2.2 des 29. Rahmenplans für maximal 36 Monate komme nicht in Betracht, da der Ausbildungsplatz auch später nicht besetzt oder auf dem Arbeitsmarkt angeboten worden sei. Ein alternatives Förderkriterium nach Nr. 1.1.4 der ergänzenden Regelungen des Landes Sachsen-Anhalt komme nicht in Betracht. Dauerarbeitsplätze seien gemäß Teil II Nr. 2.2 des 29. Rahmenplans nur solche Arbeitsplätze, die für einen Überwachungszeitraum von mindestens fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvorhabens tatsächlich besetzt oder auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft angeboten werden; dies gelte entsprechend für Ausbildungsplätze. Dass lediglich aufgrund eines fehlenden leitenden Angestellten mit Ausbildungsbefähigung der Ausbildungsplatz nicht habe besetzt werden können, sei ein von den Zuwendungsempfängern zu tragendes Risiko. Auch sei den Klägern aus dem Zuwendungsbescheid bekannt gewesen oder hätte bekannt sein müssen, dass die Erhöhung des Regelfördersatzes um 10 % daraus resultiere, dass in der Betriebsstätte durch eigene Berufsausbildung mindestens eine Reproduktionsquote von 8 v.H. erzielt werde und eine Rückforderung ausgereichter Fördermittel drohe, wenn Dauerarbeitsplätze nicht geschaffen, mithin Auflagen des Bescheides nicht erfüllt würden. Die Kläger hätten die Beklagte zeitnah darüber informieren können und – nach Abschnitt XI. des Zuwendungsbescheides – müssen, dass der Ausbildungsplatz ab dem III. Quartal 2005 nicht mehr besetzt werden könne. Die wirtschaftlichen Folgen eines Teilwiderrufs seien Gegenstand eines gesonderten Verfahrens nach § 59 LHO, das dem vorliegenden Verfahren nachgelagert sei und einen bestandskräftigen Widerruf voraussetze. Die Entscheidung sei ermessensfehlerfrei. Die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwängen bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum (Teil-)Widerruf einer Subvention, sofern nicht – hier nicht ersichtliche - außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen ließen. Auf die Belassung der Fördermittel könnten die Kläger nicht vertrauen, da ihnen die teilweise Rückforderung der Zuschüsse aufgrund Abschnitt IX. Ziffer 2 lit. e) und f) i.V.m. Abschnitt X. Absatz 1 Anstrich 1 und 2 des Zuwendungsbescheides vorhersehbar gewesen sei.
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Mit ihrer am 10. Februar 2012 erhobenen Klage tragen die Kläger vor, die Teilwiderrufsbescheide seien infolge fehlerhafter Ermessensausübung rechtsfehlerhaft. Der Zuwendungszweck sei im Wesentlichen erfüllt worden. Die geförderten elf Dauerarbeitsplätze einschließlich eines Ausbildungsplatzes seien im 3. Quartal 2002 um fünf Dauerarbeitsplätze überschritten worden und hätten sich bei kontinuierlicher Steigerung auf 27 Arbeitsplätze im 4. Quartal 2005 erhöht. Der vorgehaltene Ausbildungsplatz sei bis zum 3. Jahr der Förderung besetzt gewesen, wobei der Auszubildende in die Unternehmung übernommen worden sei. Dies verdeutliche, dass die gewünschte Stärkung der Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft durch die Schaffung neuer dauerhafter Arbeitsplätze von den Klägern gesichert worden sei. Den Klägern sei eine dauerhafte Betriebsansiedlung mit entsprechender Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region gelungen, allerdings verbunden mit bekannten Schwierigkeiten im landwirtschaftlichen Bereich. Die aus dem angefochtenen Bescheid resultierende Zahlungsverpflichtung bedeute für die Kläger eine unbillige Härte, verbunden mit erheblichen Risiken für das Unternehmen und seine Arbeitsplätze. Den Geschäftsführern der Klägerin zu 1. sei aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten im Zusammenhang mit übersandter Korrespondenz der Beklagten nicht bewusst gewesen, dass bei einem quotal geringen Zeitraum von zwei Jahren im Verhältnis zu fünf Jahren Bindungszeit ein nicht vorgehaltener Ausbildungsplatz zu einer vollständigen und damit überobligatorischen Rückforderung führe. Die Kläger seien davon ausgegangen, ohnehin überobligatorisch dauerhaft Arbeitsplätze vorzuhalten. Die angebotene Kompensation sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Bei einer ermessensfehlerfreien Entscheidung wäre im Rahmen der Interessenabwägung die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu berücksichtigen gewesen. Die festgesetzte Reproduktionsquote sei quotal im Verhältnis drei Fünftel zu zwei Fünfteln erreicht, die geschaffenen Dauerarbeitsplätze lägen doppelt so hoch wie gefordert. Ein etwaiges klägerisches Versäumnis könne nicht dazu führen, dass die Zuwendung, die nicht an das Vorhandensein eines Ausbildungsplatzes gebunden sein könne, mit einem Viertel des zur Auszahlung gelangten Investitionszuschusses zurückgefordert werde. Die Beklagte habe ihrer Entscheidung die zum großen Teil erfolgte Reproduktionsquote nicht zugrunde gelegt. Es sei unzutreffend, dass wesentliche für die Zuwendung unabdingbare Aufgaben nicht eingehalten und der Zuwendungsbescheid nicht erreicht worden sei. Sowohl innerhalb des Bindungszeitraumes als auch anschließend seien dauerhaft Arbeitsplätze geschaffen worden und fünf Jahre nach Abschluss des Investitionsvorhabens besetzt gewesen. Insoweit liege kein Regelfall zum Teilwiderruf der Subventionen vor, sondern sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine den Interessen der Beteiligten gerecht werdende Entscheidung zu treffen.
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Die Kläger beantragen,
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die Bescheide der Beklagten vom 10. November 2009 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. Dezember 2011 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie erwidert, die im Zuwendungsbescheid geforderten elf Dauerarbeitsplätze, darunter ein Ausbildungsplatz, hätten bis zum 1. August 2007 besetzt sein oder zumindest auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft angeboten werden müssen. Die Kläger hätten den im Zuwendungsbescheid bestimmten Zweck und verschiedene mit dem Zuwendungsbescheid verbundene Auflagen nicht erfüllt. Die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwängen bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Subvention, ließen nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen. Fehle es an derartigen Umständen, bedürfe es grundsätzlich keiner Ermessenserwägungen. Derartige außergewöhnliche Umstände hätten die Kläger nicht vorgetragen. Die Beklagte habe bei der Ermessensausübung zugunsten der Kläger berücksichtigt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Fördersatzes von 40 % nach Nr. 1.1.1 i.V.m. Nr. 1.1.2 LR-LSA trotz der nicht erfüllten Ausbildungsplatzziele erfüllt seien, und habe den Zuschuss nur in Höhe der Differenz von 10 % gekürzt. Die nur zeitweilige Vorhaltung und Besetzung des Ausbildungsplatzes stelle keinen atypischen Fall dar. Nach Nr. 2.2 des 29. Rahmenplans müssten die zu schaffenden Dauerarbeitsplätze und Ausbildungsplätze für einen Überwachungszeitraum von mindestens fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvorhabens tatsächlich besetzt oder zumindest auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft angeboten werden. Hierbei handele es sich um eine zentrale Voraussetzung für die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Bei der im Zuwendungsbescheid bestimmten Frist von fünf Jahren für die Besetzung der Dauerarbeits- und Ausbildungsplätze handele es sich um einen Zeitraum, der mindestens erfüllt sein müsse, um von einer Erreichung des Förderzwecks ausgehen zu können. Die nur zeitweise Erfüllung des Zuwendungszweckes genüge nicht. Die Nichterfüllung eines besonderen Struktureffektes nach Nr. 1.1.4 LR-LSA stelle zudem einen Regelfall für einen teilweisen Widerruf von Subventionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ dar. Unzutreffend sei der Einwand, die überobligatorische Schaffung von Arbeitsplätzen hätte berücksichtigt werden müssen. Denn der um 10 % erhöhte Fördersatz sei nur gewährt worden, weil die Kläger in der Betriebsstätte durch eigene Berufsausbildung mindestens eine Reproduktionsquote von 8 v.H. erzielen und damit den besonderen Struktureffekt gemäß Nr. 1.1.4 lit. e) LR-LSA erfüllen wollten. Den dafür notwendigen Ausbildungsplatz hätten die Kläger nicht für den geforderten Zeitraum besetzt. Das Angebot, im Rahmen einer Folgeförderung zwei Praktikumsstellen für eine überbetriebliche Ausbildung zu schaffen, rechtfertige keine andere Entscheidung. Diese könnten nach Angaben der Kläger frühestens 2010 entstehen und wegen Teil II Nr. 4.2.2 des 29. Rahmenplans dem streitigen Vorhaben nicht mehr zugerechnet werden. Zudem würden die mit der Förderung beabsichtigten Ziele bei einer Schaffung und Besetzung von Ausbildungsplätzen im Jahr 2010 nicht zeitnah eintreten. Die wirtschaftlichen Folgen des Teilwiderrufs für die Kläger rechtfertigten kein Absehen vom Teilwiderruf, da diese Gegenstand eines gesonderten Verfahrens nach § 59 LHO seien, das dem streitigen Verfahren nachgelagert sei und das Bestehen eines Erstattungsanspruchs voraussetze. Die sprachlichen Schwierigkeiten der Geschäftsführer der Kläger rechtfertigten ebenfalls keine andere Entscheidung; die Kläger hätten das Vorhaben mit Hilfe eines Beratungsunternehmens durchgeführt.
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Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der am 27. Februar 2014 mit den Beteiligten durchgeführten Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin sowie der Beratung des erkennenden Gerichts, die am 6. März 2014 stattgefunden hat, gewesen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 27. Februar 2014 gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Bescheide der Beklagten vom 10. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 30. Dezember 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage ist § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn eine mit dem Verwaltungsakt verbundene Auflage von dem Begünstigten nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt wird.
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Danach ist die Beklagte zum Widerruf des Zuwendungsbescheides des L. vom 23. Mai 2001 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Februar 2002 sowie des Teilwiderrufsbescheides vom 29. Juli 2003 (im Folgenden: Zuwendungsbescheid) mit Wirkung vom 23. Mai 2001 über einen Betrag in Höhe von 448.195,90 Euro berechtigt.
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Bei der Gewährung einer Zuwendung für die „Errichtung einer Betriebsstätte in A-Stadt“ handelte es sich um eine haushaltsrechtlich zweckgebundene Geldleistung im Sinne von § 49 Abs. 3 VwVfG. Da die Bewilligung derartiger Zuwendungen im Ermessen der zuständigen Behörde liegt und das Haushaltsrecht selbst Umfang und Voraussetzungen der Subventionierung nicht abschließend regelt, sind aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) für die Beurteilung, ob ein Zuschuss gewährt oder aufrechterhalten werden kann, die jeweils gültigen Verwaltungsvorschriften maßgebend.
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Dies gilt insbesondere bezüglich der Überprüfung der Einhaltung von Zuwendungsauflagen und Zweckbindungsfristen. Die Förderfähigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach dem 29. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 2000 bis 2003 (2004) (vgl. BT-Drs. 14/3250) gemäß §§ 4, 5 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vom 6. Oktober 1969 (BGBl. I 1861) i.V.m. Art. 28 des Einigungsvertrages vom 23. September 1990 (BGBl. II 885 ff.) in der Fassung der ergänzenden Regelungen des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Dezember 2000 (vgl. MBl. LSA 2001, 32 ff.); hierin sind die zum Zeitpunkt eines vollständigen klägerischen Antrages für die GA-Förderung maßgeblichen Bestimmungen zusammengefasst. Diese Vorschriften sind auch rechtmäßig in den bestandskräftigen Zuwendungsbescheid vom 23. Mai 2001 einbezogen und wirksam zum Inhalt der Förderung gemacht worden.
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In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist es dem Gericht verwehrt, die Bestimmungen des Rahmenplans wie ein Gesetz auszulegen und an dieser Interpretation gemessen die Entscheidung der Beklagten zu überprüfen. Denn Subventionsrichtlinien sind keine Rechtsnormen. Vielmehr lenken sie das Ermessen der für die Bewilligung der Subventionen zuständigen Behörde und sind insoweit gemäß § 114 VwGO verwaltungsgerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob bei der Anwendung der Richtlinien im Einzelfall, in dem die beantragte Leistung (teilweise) versagt oder nicht aufrechterhalten worden ist, der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 1979, 3 C 111.79, zitiert nach juris, Rdnr. 24). Derartige Ermessensfehler sind hier nicht gegeben. Die Beklagte hat den Klägern aus sachlichen, mithin willkürfreien Gründen und unter Berufung auf ihre ständige Verwaltungspraxis die Aufrechterhaltung der Förderung bezüglich des dem Widerruf unterliegenden Betrages in Höhe von 448.195,90 Euro versagt.
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Die Kläger haben die unter Abschnitt IX. Nr. 2 lit. e) und f) des Zuwendungsbescheides geregelten Auflagen im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nicht erfüllt, bis zum Ende des Investitionszeitraumes in der geförderten Betriebsstätte elf Dauerarbeitsplätze, darunter einen Ausbildungsplatz, neu zu schaffen und zu besetzen sowie bis zum Ablauf von fünf Jahren nach dem festgelegten Ende des Investitionszeitraumes die elf Dauerarbeitsplätze und den Ausbildungsplatz zu besetzen oder zumindest auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft anzubieten (Zweckbindungszeitraum).
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Nach dem Wortlaut dieser Auflagen müssen die zu schaffenden Dauerarbeitsplätze einschließlich des Ausbildungsplatzes mindestens fünf Jahre bestehen. Dies ergibt sich insbesondere auch unter Berücksichtigung von Abschnitt V. Nr. 1 des Zuwendungsbescheides vom 23. Mai 2001, wonach der Zuwendungszweck darin liegt, die Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft zu stärken sowie „neue dauerhafte Arbeitsplätze“ zu schaffen oder „vorhandene Arbeitsplätze dauerhaft“ zu sichern. Der Zweckbindungszeitraum für die Dauerarbeitsplätze und den Ausbildungsplatz begann nach dem Teilwiderrufsbescheid des L. vom 29. Juli 2003 nach Erfüllung des Zuwendungszwecks (hier: erstmalige Besetzung des geforderten Ausbildungsplatzes) am 1. August 2002 und endete am 1. August 2007.
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Obgleich die Klägerin zu 1. im Zweckbindungszeitraum überobligatorisch Dauerarbeitsplätze geschaffen hat, war der erforderliche Ausbildungsplatz, dessen Existenz es für einen nach Nr. 1.1.4 lit. e) LR-LSA um 10 %-Punkte erhöhten Fördersatz bedurfte, lediglich im Zeitraum vom III. Quartal 2002 bis zum II. Quartal 2005 besetzt. Zwar hätte die Beklagte den Ausbildungsplatz im Rahmen des Ermessens auch als besetzt anerkannt, wenn die Kläger eine entsprechende Bestätigung der Agentur für Arbeit vorgelegt hätte, ausweislich deren der Ausbildungsplatz für den Zeitraum seiner fehlenden Besetzung beim Arbeitsamt ausgeschrieben war und nur aufgrund fehlender geeigneter Bewerber nicht habe besetzt werden können. Eine solche Bestätigung vermochten die Kläger indes nicht beizubringen. Stattdessen trug die Betriebsberatung ... entgegen ihrem Schreiben vom 27. Januar 2009 mit Schreiben vom 10. August 2009 lediglich vor, der Ausbildungsplatz sei zunächst aus betriebswirtschaftlichen Gründen und nach dem Weggang des damaligen Betriebsleiters ab 2007 mangels eines Mitarbeiters mit Ausbilderbefähigung nicht besetzt worden.
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Nach Nr. 1.1.4 LR-LSA sowie Abschnitt III Absatz 1 des Zuwendungsbescheides resultierte die Erhöhung des Regelfördersatzes um 10 %-Punkte daraus, dass in der Betriebsstätte durch eigene Berufsausbildung mindestens eine Reproduktionsquote von 8 v.H. erzielt werden sollte, was mit der Schaffung mindestens eines Ausbildungsplatzes gegeben gewesen wäre. Da der Ausbildungsplatz nicht bis zum 1. August 2007 besetzt war und weder die Zweckbindung für den Zeitraum der Nichterfüllung (maximal für 36 Monate) ausgesetzt noch ein anderes Förderkriterium der Nr. 1.1.3 oder 1.1.4 LR-LSA erfüllt wurde, widerrief die Beklagte den Zuwendungsbescheid zu Recht mit Wirkung vom 23. Mai 2001 über einen Betrag in Höhe von 448.195,90 Euro. Denn den Klägern kann nur der Regelfördersatz in Höhe von insgesamt 40 % nach Nr. 1.1.1 und 1.1.2 LR-LSA gewährt werden.
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Die angefochtenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sind unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. statt vieler: VG Magdeburg, Urteile vom 1. Juli 2013, 3 A 15/12 MD, und vom 17. September 2012, 3 A 111/11 MD) auch nicht ermessensfehlerhaft (vgl. § 114 VwGO). Die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwingen beim Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Subvention, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, so bedarf es grundsätzlich keiner Ermessenserwägungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003, 3 C 22.02, zitiert nach juris, Rdnr. 36 m.w.N.).
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Besondere Umstände in diesem Sinne können etwa vorliegen, wenn der Förderungszweck aufgrund außergewöhnlicher, im Zeitpunkt des Investitionsbeginns unvorhersehbarer Änderungen der Marktverhältnisse oder wegen Erschöpfung des Arbeitsmarktes (teilweise) nicht erreicht wurde. Der Umstand, dass die Reproduktionsquote im Verhältnis drei Fünftel zu zwei Fünftel erreicht wurde und dafür doppelt so viele Dauerarbeitsplätze wie gefordert geschaffen wurden, ist jedoch kein außergewöhnlicher Umstand, der eine besondere Abwägung der Zuwendungsbehörde bei der Entscheidung über den Widerruf des Zuwendungsbescheides verlangt. Nach Nr. 2.2 des 29. Rahmenplans (vgl. BT-Drs. 14/3250, S. 52) ist gerade zentrale Voraussetzung für die Förderung aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, dass für eine Überwachungszeit von mindestens fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvorhabens die Arbeitsplätze tatsächlich besetzt oder zumindest auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft angeboten werden. Bei der im Zuwendungsbescheid bestimmten Frist von fünf Jahren (1. August 2002 bis 1. August 2007) für die Besetzung von Dauerarbeitsplätzen und des Ausbildungsplatzes handelt es sich um einen Zeitraum, der mindestens erfüllt sein muss, um von einer Erreichung des Förderungszweckes ausgehen zu können. Der mit der Gewährung der Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe beabsichtigte Zweck liegt gerade darin, dass die Förderungsvoraussetzungen auch nach Abschluss des Investitionsvorhabens für den gesamten festgelegten Zweckbindungszeitraum erfüllt sein müssen (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 16. Dezember 1995, 11 L 7985/95, zitiert nach juris, Rdnr. 45). Allein die Tatsache, dass der Zuwendungszweck nur knapp verfehlt wurde, bildet für sich genommen keinen Grund, der als atypischer Sonderfall besonderer Berücksichtigung bei der Ermessensausübung bedarf (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. November 2006, 1 L 497/05, zitiert nach juris, Rdnr. 35).
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Im Rahmen der Ermessensausübung ist zudem zu bedenken, dass ein Widerruf auch länger zurückliegende Zeiträume erfassen und damit entsprechend hohe Rückzahlungspflichten auslösen kann. Dies wirft die Frage auf, ob ein Widerruf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – namentlich bei Pflichtverletzungen von geringerem Gewicht oder um eine Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz zu vermeiden – im Einzelfall auf bestimmte Zeiträume oder in anderer Weise zu beschränken ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003, 3 C 22.02, zitiert nach juris, Rdnr. 36). Dem hat die Beklagte in ihren streitgegenständlichen Bescheiden ebenfalls Rechnung getragen. So hat sie den Widerruf auf den Teil der Förderung beschränkt, der eine Erhöhung des Regelfördersatzes um 10 %-Punkte nach Nr. 1.1.4 LR-LSA zugrunde lag. Die von den Klägern vorgetragenen wirtschaftlichen Umstände sind nicht als Sonderfall zu betrachten, die einer gesonderten Erörterung in der Begründung der Ermessensentscheidung bedurften. Das wirtschaftliche Risiko für die Nichterreichung der Zuwendungsziele haben die Kläger zu tragen. Etwas anderes mag gelten, wenn diese nachweisen, dass die Entwicklung infolge außergewöhnlicher und unvorhersehbarer Umstände anders verlaufen ist, als bei Investitionsbeginn angenommen werden konnte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. November 2006, a.a.O., Rdnr. 38). Aus den pauschalen Hinweisen der Kläger auf die wirtschaftliche Lage ergeben sich hierfür indes nicht einmal konkrete Anhaltspunkte. Im Übrigen wies die Beklagte die Kläger bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zutreffend darauf hin, dass etwaigen Schwierigkeiten hinsichtlich der Rückzahlung des Erstattungsbetrages gegebenenfalls nach § 59 LHO LSA mit Billigkeitsmaßnahmen begegnet werden könne. Diese sind indes nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern in einem nachfolgenden Verfahren zu prüfen und rechtfertigen im Hinblick auf das vorliegende Verfahren kein Absehen vom teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheides.
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Die in den angefochtenen Bescheiden getroffene Feststellung bezüglich des Erstattungsanspruchs nach § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA zuzüglich Zinsen ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Zinsanspruch folgt für die Zeit bis zum 30. November 2005 aus § 49 a Abs. 3 Satz 1 VwVfG LSA und für die Zeit ab dem 1. Dezember 2005 aus § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 49 a Abs. 3 Satz 1 VwVfG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 7 LHO 2x (nicht zugeordnet)
- § 59 LHO 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 114 2x
- VwGO § 167 1x
- VwVfG § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes 4x
- VwGO § 101 1x
- VwGO § 113 1x
- VwVfG § 1 Anwendungsbereich 3x
- VwVfG § 36 Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt 1x
- VwVfG § 49a Erstattung, Verzinsung 3x
- VwGO § 154 1x
- 3 A 15/12 1x (nicht zugeordnet)
- 3 A 111/11 1x (nicht zugeordnet)
- 11 L 7985/95 1x (nicht zugeordnet)
- 1 L 497/05 1x (nicht zugeordnet)