Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 B 426/15

Gründe

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Der am 15.10.2015 gestellte Antrag,

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1. dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes zu unterlassen, die am 29.10.2015 um 15 Uhr geplante Versammlung der A. durchzuführen,

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2. den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, der Jagdgenossenschaft P. schriftlich zu der bereits eingeladenen Versammlung abzuladen,

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3. hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 13.10.2015 anzuordnen bzw. wiederherzustellen,

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hat keinen Erfolg.

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Der Antragsgegner hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte, der Gerichtsakte 3 A 343/14 MD und der im dortigen Klageverfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

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Die Kammer vermag die Zulässigkeit des Antrags nicht festzustellen. Die Antragstellerin hat die gem. § 67 Abs. 6 VwGO erforderliche Vollmacht zur Durchführung des Verfahrens weder mit der Antragsschrift vorgelegt, noch auf die Anforderung in der Verfügung vom 16.10.2015 hin bis heute nachgereicht. Dem Gericht fehlen daher Hinweise, welche Personen zum Jagdvorstand gehören, und Belege, wann und in welcher Weise sie zum Jagdvorstand gewählt worden sind, so dass sie in der Lage waren, ihre Prozessbevollmächtigten zur Stellung eines Antrags nach § 123 VwGO zu beauftragen. Derartige Kenntnisse können auch nicht unter Rückgriff auf die im Verfahren 3 A 343/14 MD vorgelegte Prozessvollmacht ohne Datum (Bl. 45 der Akte) zum dortigen Klageverfahren entnommen werden. Denn die entsprechende Vollmacht wurde von dem im Klageverfahren Beigeladenen mit Schriftsatz vom 13.6.2014 (Bl. 63 der Akte) gerügt, ohne dass die Klägerseite auf die vorgetragenen Bedenken eingegangen ist und die aufgeworfenen Fragen beantwortet hat. Soweit sich die Antragstellerseite auf die Entscheidung des BVerwG (Beschl. v. 9.1.2013 - 9 B 20/12 -) beruft, wonach für die Erteilung einer Prozessvollmacht und den Auftrag zur Klageerhebung ein Beschluss des Jagdvorstandes genüge, sofern die Satzung die Entscheidung über die Prozessführung nicht explizit der Genossenschaftsversammlung zuweise, liegt der Sachverhalt im vorliegenden Fall aus den vorgenannten Gründen anders, denn in erster Linie muss nachvollziehbar sein, wer genau als Jagdvorstand die Befugnis zu einer entsprechenden Beschlussfassung und Auftragserteilung hat.

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Darüber hinaus ist der Antrag unbegründet.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind von der Antragstellerin gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen.

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Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin zwar einen Anordnungsgrund hinsichtlich der besonderen Dringlichkeit glaubhaft gemacht, denn die vom Antragsgegner angesetzte Jagdgenossenversammlung, welche die Antragstellerin verhindern will, steht in bereits 3 Tagen am 29.10.2015 unmittelbar bevor.

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Die Antragstellerin hat aber einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Antragsgegner berechtigt, die angesetzte Jagdgenossenschaftsversammlung einzuberufen.

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Die Ausprägung einer Jagdgenossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 14 LJagdG LSA) zeigt, dass sie faktisch eingebunden ist in das staatliche Organisationsgefüge (vgl. Schuck, Bundesjagdgesetz, Kommentar, 2. Aufl., 2015, § 9 Rn. 12). Ihr steht zwar Satzungsautonomie und Selbstverwaltungsbefugnis zu, aber sie ist dabei an das Recht gebunden und unterliegt der Rechtsaufsicht der Unteren Jagdbehörde (vgl. § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 LJagdG LSA). Zu den gegebenen Aufsichtsmitteln gehört auch die Anordnung. Von dieser Befugnis hat der Antragsgegner im vorliegenden Fall durch Anordnung einer Jagdgenossenschaftsversammlung aller Voraussicht nach rechtmäßig Gebrauch gemacht. Der Antragsgegner hat insbesondere nicht die Absetzung des Jagdvorstandes der Antragstellerin (durch Verwaltungsakt) verfügt, sondern lediglich durch Ansetzung des entsprechenden Tagesordnungspunktes veranlasst, darüber in der Jagdgenossenschaftsversammlung beschließen zu lassen. Ob die Voraussetzungen für eine Abwahl gegeben sind, bedarf mithin der Darlegung in der Jagdgenossenversammlung, wobei das Ergebnis verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist.

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Ein Bedürfnis für vorbeugenden Rechtsschutz besteht daher nicht.

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Die Mitglieder des Jagdvorstandes haben insbesondere im Rahmen ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör ein Äußerungsrecht in der Versammlung. Die Abberufung des Jagdvorstandes ist auch nicht schlechthin ausgeschlossen. In der Satzung der Antragstellerin ist hierzu folgendes vorgesehen: Einem Beschluss der Jagdgenossenschaftsversammlung ist vorbehalten (…) die Wahl, die Abberufung und die Entlastung des Vorstandes (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung). Die Abwahl eines Vorstands aus wichtigem Grund ist grundsätzlich sogar möglich, wenn die Satzung dies nicht ausdrücklich regelt (vgl. Schuck, a.a.O., § 9 Rn. 65). Dies steht im Einklang mit den Grundsätzen, die sich aus einer systematischen Auslegung von Vorstandsvorschriften ergeben: § 27 Abs. 2 BGB lässt die Widerruflichkeit der Bestellung des Vorstands (eines Vereins) bei Vorliegen einer Pflichtverletzung zu. Ebenso lässt das Genossenschaftsgesetz (§ 40) unter bestimmten Voraussetzungen die Amtsenthebung von Vorstandsmitgliedern zu. Dasselbe gilt im Prinzip für die vorzeitige Abwahl eines Hauptverwaltungsbeamten nach dem Kommunalrecht des Landes (§ 64 KommVerfG LSA).

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Unabhängig davon, ob als Absetzungsgrund eine in Frage kommende Pflichtverletzung auch darin liegen kann, dass der Jagdvorstand eine durchzuführende Jagdgenossenschaftsversammlung nicht anberaumt, genügt eben diese Tatsache jedenfalls im vorliegenden Fall dafür, dass der Antragsgegner als Untere Jagdbehörde im Wege der Aufsicht zu der offenkundig erforderlichen Durchführung einer Jagdgenossenschaftsversammlung lädt (vgl. Saarl. OVG, Beschl. v. 13.12.1989 - 1 W 185/88 -, JE IV Nr. 63; Schuck, a.a.O., § 9 Rn. 70). Denn die Jagdgenossenschaft muss als Körperschaft des öffentlichen Rechts immer handlungsfähig sein. Das Unterlassen ihres Vorstandes, seit der zuletzt bereits im Oktober 2013, mithin vor 2 Jahren, durchgeführten Versammlung eine Jahresversammlung anzusetzen, bot dem Antragsgegner insbesondere deshalb Anlass, mit dem Mittel der Ersatzvornahme zu der auf den 29.10.2015 terminierten Jagdgenossenschaftsversammlung zu laden, weil ein wichtiger Grund in den aktenkundig (Beiakte zum Verfahren 3 A 343/14 MD) gewordenen Anträgen von Jagdgenossen auf Durchführung einer Versammlung liegt (Bl. 129 ff. der Beiakte).

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Die Antragstellerin vermag dem nicht entgegenzuhalten, es handele sich bei § 8 Abs. 1 S. 1 der Satzung ("Der Jagdvorstand soll die Versammlung der Jagdgenossen bis zum Ende des laufenden Jagdjahres jährlich mindestens einmal einberufen.") lediglich um eine Sollvorschrift. Wenn eine Jagdgenossenschaftsversammlung jährlich durchgeführt werden soll, bedeutet dies, dass sie in aller Regel ein Mal im Jahr durchzuführen ist und nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe, die darzulegen sind, davon abgesehen werden kann. Die Mustersatzung für Jagdgenossenschaften in Sachsen-Anhalt (Anlage 1 zu § 1 LJagdG LSA) legt ebenso wie die Satzung der Antragstellerin für die ordentliche Jagdgenossenversammlung einen Mindestturnus fest, indem sie in § 7 Abs. 1 vorschreibt, dass mindestens ein Mal im Jagdjahr eine ordentliche Jagdgenossenversammlung stattzufinden hat (vgl. Schuck, a.a.O., Rn. 68). Der Jahresturnus hat jagdrechtlich besondere Bedeutung im Rahmen des gesetzlich festgelegten Jagdjahres (§ 11 Abs. 4 BJagdG) und der Pflicht, gem. § 10 BJagdG über die Verwendung des jährlich anfallenden Reinertrages der Jagdnutzung zu beschließen. Hierbei kann auch auf den allgemeinen Grundsatz des § 36 BGB zum Vereinsrecht zurückgegriffen werden. Danach ist die Mitgliederversammlung in den durch die Satzung bestimmten Fällen sowie dann zu berufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert. Eben dies ist von Mitgliedern der Jagdgenossenschaft gegenüber dem Antragsgegner gem. § 8 Abs. 1 S. 3 der Satzung der Antragstellerin ("Unterlässt der Jagdvorstand die Einberufung der jährlichen Versammlung, so kann jeder Jagdgenosse bei der Rechtsaufsichtsbehörde beantragen, dass diese die Versammlung einberuft.") geltend gemacht worden.

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Als Grund, keine Versammlung durchzuführen, steht der Antragstellerin nicht die vorgetragene Rechtsunsicherheit zur Seite, sie wisse nicht, welche Mitglieder und Flächen in Ansehung des laufenden Verfahrens 3 A 343/14 MD zu ihrem Jagdgenossenschaftsbezirk gehörten. Denn die Antragstellerin ist verpflichtet, eine Mitgliederliste und ein Jagdflächenkataster (vgl. Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Sachsen-Anhalt, 7. Aufl., § 9 BJagdG Anm. 2a, 13) zu führen und zu aktualisieren. Eine entsprechende Prüfung des Stimmrechts der auf der Versammlung anwesenden bzw. vertretenen Jagdgenossen obliegt in der Versammlung dem Vorstand und ist nachträglich überprüfbar. Das Heft zum Handeln kann der Jagdvorstand nicht durch bloßen Aufschub auf unbestimmte Zeit aus der Hand geben.

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Das Gericht sieht daher keine Veranlassung, die von der Unteren Jagdbehörde einberufene Versammlung zu verhindern oder dem hilfsweise gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der bereits mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts nicht in Betracht kommt, stattzugeben.

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Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz war nach alldem abzulehnen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. Dabei geht die Kammer vom Auffangwert in Höhe von 5.000,- € in der Hauptsache aus, da der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (http://www.bverwg.de/medien/pdf/streitwertkatalog.pdf) in der Rubrik Jagdrecht (a.a.O., Ziff. 20) keine vergleichbare Streitigkeit enthält. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt der Wert des Streitgegenstandes demgemäß die Hälfte des Hauptsachestreitwerts, im vorliegenden Fall mithin die festgesetzten 2.500,- €.


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