Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 A 121/16
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt als Erbe nach M.A., geborene L., verwitwete O… Ausgleichsleistungen hinsichtlich des Autohauses F. O. und Co. in C-Stadt einschließlich der dazugehörigen Grundstücke.
- 2
Mit Schreiben vom 30.07.1990 meldete die Kanzlei T., S. & Partner vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich der genannten Vermögenswerte an. Darin heißt es:
- 3
" Die Firma M. O. Handelsgesellschaft mbH, deren Gesellschafter Herr Christian A. ist, hat uns mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Herr Christian A. ist Erbe nach Frau M.O. zu deren Vermögen eine Beteiligung am Autohaus F.O. ...straße ... in C-Stadt gehörte.
Aufgrund der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zu Eigentumsfragen vom 15.06.1990 sowie der dazu bereits erlassenen Verordnung stellen wir hiermit namens und in Vollmacht unserer Mandantin den
Antrag
auf Rückübertragung bzw. Entschädigung
in Bezug auf die oben genannte Beteiligung."
- 4
Unter dem 06.08.1990 wurde eine Vollmacht der Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH zu den Akten gereicht. Diese Vollmacht enthält einen Stempelabdruck der M. O.- und Handelsgesellschaft mbH mit einer unleserlichen Unterschrift.
- 5
Wegen des Ausschlussgrundes nach § 1 Abs. 8 Buchst. a Vermögensgesetz (VermG) wurden die Anträge nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) weiterbearbeitet. Mit Schreiben vom 21.12.1999 wurde der Rechtsanwaltskanzlei mitgeteilt, dass es sich bei der Antragstellerin, der Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH, um keine natürliche Person im Sinne des § 1 Abs. 1 AusglLeistG handele. Ein Antrag des Herrn Christian A. auf Rückübertragung bzw. Ausgleichsleistungen liege nicht vor. In dem darauf folgenden Schriftverkehr teilten die Bevollmächtigten der Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH mit, dass gleichlautende Firma im Auftrage von und für Herrn Christian A. gehandelt habe und Herr A. der alleinige Gesellschafter dieses Unternehmens sei. Die Gesellschaft sei von Herrn A. mit der Verwaltung seines Vermögens beauftragt worden. Demnach sei Herr Christian A. als Antragsteller im Ausgleichsleistungsverfahren zu sehen.
- 6
Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 11.01.2016 lehnte der Beklagte den Antrag der Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH mangels Berechtigtenstellung ab. Anspruchsberechtigt seien nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG nur natürliche Personen. Auch Herr A. habe keinen Anspruch auf Zahlungen von Ausgleichsleistungen. Denn insoweit fehle es an einem fristgerechten Antrag nach §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 S. 1 und 3 AusglLeistG bis zum 31.05.1995. Eine Wiedereinsetzung bzgl. dieser Ausschlussfrist sei nicht zulässig. Ebenso komme keine Nachsichtgewährung in Betracht. Schließlich könne der fristgerechte Antrag der Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH nicht als Antrag des Herrn Christian A. gewertet werden. Denn nach der eindeutigen Formulierung in der Antragstellung und der dazu überreichten Vollmacht seien Ansprüche der Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH angemeldet worden. Die Vollmacht vom 30.07.1990 sei von Herrn Dr. G.M. als damaligen Geschäftsführer unterzeichnet worden. Auch eine vollmachtlose Anmeldung könne nach § 30a VermG nur dann fristwahrend wirken, wenn innerhalb der Frist, also bis zum 31.12.1992, eine Vollmacht vorgelegt worden sei. Dies sei gerade nicht der Fall. Nach der vermögensrechtlichen Rechtsprechung sei für eine fristwahrende Anmeldung unabdinglich, den geltend gemachten Anspruch durch Angaben zu Art, Umfang und Ort der Belegenheiten des Vermögenswertes sowie durch eindeutige Bezeichnung der Person des Berechtigten zu individualisieren.
- 7
Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin Ausgleichsleistungen und macht weiter Ausführungen dazu, dass die Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH die Verwaltung des Privatvermögens des Klägers wahrnehme und dieser alleiniger Gesellschafter sei. Weder nach dem Vermögensgesetz noch dem Ausgleichsleistungsgesetz sei eine höchstpersönliche Antragstellung notwendig. Hier liege eine Stellvertretung vor. So sei der Kläger auch im Freistaat Sachsen als Berechtigter anerkannt worden.
- 8
Der Kläger beantragt,
- 9
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11.01.2016 zu verpflichten, Ausgleichsleistungen für die beantragten Vermögenswerte zu bewilligen.
- 10
Der Beklagte beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen und
- 12
verteidigt die in dem Bescheid geäußerte Rechtsansicht, wonach kein fristgerechter Antrag des Klägers vorliege.
- 13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
- 14
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Denn der Kläger hat keinen fristgerechten Antrag auf Ausgleichsleistungen gestellt.
- 15
Gemäß § 1 Abs. 1 AusglLeistG erhalten natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 Vermögensgesetz (VermG) durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verloren haben, oder ihren Erben oder weitere Erben eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes.
- 16
1.) Danach ist der fristgerecht gestellte Antrag der Firma M. Or.- und Handelsgesellschaft mbH bereits deswegen abzulehnen, da es sich dabei nicht um eine natürliche Person handelt und zudem die Firma unstreitig nicht Erbe nach der Geschädigten, Frau M. J. geworden ist.
- 17
2.) Ebenso hat der Beklagte in dem Bescheid rechtmäßig erkannt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Ausgleichsleistungen zukommt. Denn insoweit fehlt es an einem fristgerechten Antrag gem. §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 S. 1 und 3 AusglLeistG. Dieser hätte bis zum 31.05.1995 gestellt werden müssen. Dies ist unzweifelhaft nicht geschehen.
- 18
Das Gericht folgt dabei der Rechtsansicht des Beklagten, dass der - fristgerecht - gestellte Antrag der Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH nicht als Antrag für den Kläger zu sehen ist bzw. auch nur zu werten wäre.
- 19
Aufgrund des eindeutigen Wortlautes in der im Tatbestand zitierten Anmeldung vom 30.07.1990 ist diese alleinig für Die Firma M. O.- Handelsgesellschaft mbH erfolgt. Dafür steht die Nennung der Firma und die weiteren Bezeichnungen im Text wie "Wahrnehmung ihrer Interessen"; "unsere Mandantin". Auch die sodann überreichte Vollmacht nimmt eindeutig Bezug auf die Firma M. O.- und Handelsgesellschaft mbH, für die – unleserlich – der damalige Geschäftsführer Herr Dr. G.M. zeichnete.
- 20
Die Nennung des Klägers als Gesellschafter und Erbe nach der Geschädigten mag dies nicht in Zweifel ziehen. Denn auch eine und sogar innerhalb der Anmeldefrist erteilte Innenvollmacht zur Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche reicht nur dann zur Zurechnung der Anmeldung des Vollmachtnehmers für den berechtigten Vollmachtgeber aus, wenn der über eine Innenvollmacht des Restitutionsberechtigten verfügende Anmelder ausdrücklich im Namen und in Vertretung der Berechtigten anmeldet hat und die Behörde innerhalb der Anmeldefrist nicht die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht verlangt hat (VG Dresden, Urteil v. 11.11.1998, 5 K 1584/95; juris).
- 21
Auch in der Folgezeit sind bis zum dem entscheidungserheblichen Ausschlussdatum des 31.05.1995 keine Anträge des Klägers oder Vollmachten vorgelegt worden. Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation zum vollmachtlosen Vertreter nach den Vorschriften des BGB, dass es vorliegend im Bereich des Restitutionsrechts andere und spezielle Regelungen gelten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss ein Restitutionsantrag die Person des Berechtigten hinreichend konkret bezeichnen und durch eine hinter dem Rückgabeantrag stehende Willenserklärung des Berechtigten gedeckt sein (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 13.12.2006, 8 C 24.05; juris). Der Restitutionsantrag muss also sowohl hinsichtlich der Person als auch in Bezug auf den oder die begehrten Vermögensgegenstände individualisierbar sein. Hierbei auftretende Zweifelsfragen sind, da der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB im Wege der Auslegung zu klären (BVerwG, Urteil v. 15.11.2000, 8 C 28.99; juris). Dabei können bei der Beantwortung der Frage, ob eine fristgemäße Anmeldung vorliegt, nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bis zum Ablauf der Anmeldefrist der Behörde bekannt geworden sind (BVerwG, Beschluss v. 13.05.2003, 8 B 174.02; VG Magdeburg, Urteil v. 08.07.2016, 8 A 21/16; beide juris). Wie bereits ausgeführt lagen bis zum Ende der Ausschussfrist – spätestens am 31.05.1995 – keine Anträge oder Vollmachten des Klägers vor.
- 22
So mag zunächst eine vollmachtlose Vertretung möglich sein. Die Vollmacht ist aber innerhalb der Ausschlussfrist beizubringen. Denn nach § 30 Abs. 1 S. 4 VermG gilt die Anmeldung nach der Anmeldeverordnung als Antrag gem. § 30a Abs. 1 VermG, wonach Ansprüche auf Rückübertragung nach dem 31.12.1992 nicht mehr angemeldet werden können. Zweck der Ausschlussfrist ist es, im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern und damit auch im gesamtstaatlichen Interesse sobald wie möglich Rechtsklarheit und Rechtssicherheit darüber herbeizuführen, und in welchem Umfang Vermögenswerte aufgrund von Rückübertragungsansprüchen in ihrer Verkehrsfähigkeit beeinträchtigt sind. Aus diesem Grund erfordert es eine fristwahrende Anmeldung, den geltend gemachten Anspruch durch Angaben zu Art, Umfang und Ort der Belegenheit des Vermögenswertes sowie durch eindeutige Bezeichnung der Person des Berechtigten zu individualisieren. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Person des Anmelders nicht geschehen.
- 23
Auch die Rechtsprechung bzgl. der Anmeldung einer geschädigten Personengesellschaft durch den vermögensrechtlichen Antrag der Personengesellschaft selbst, vermag hier nicht weiterzuhelfen. Denn die M. GmbH war eindeutig und unstreitig selbst nicht geschädigt und auch nach dem Vermögensgesetz nicht berechtigt, da sie zu keiner Zeit Erbin der geschädigten Berechtigten war.
- 24
Da es sich insoweit um eine materiell-rechtlich wirkende Ausschlussfrist handelt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich.Wird eine solche Ausschlussfrist versäumt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig (BVerwG, Urteil vom 28.03.1996, 7 C 28.95; juris). Auch eine Nachsichtgewährung scheidet dann aus. Eine Nachsichtgewährung ist etwa dann angebracht, wenn staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtvorschriften gegeben ist, ohne deren konkrete Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren konnte und wenn durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck der Anmeldevorschriften nicht verfehlt würde (vgl. nur: BVerwG, Beschluss v. 29.06.2006, 8 B 43.06; VG Magdeburg, Urteil v. 08.07.2016, 8 A 21/16; juris). Davon kann nicht ansatzweise ausgegangen werden.
- 25
3.) Dementsprechend folgt das Gericht der rechtlichen Argumentation des Beklagten in dem streitbefangenen Bescheid und darf darauf sowie auf die äußerst ausführlichen rechtlichen Erwägungen und Erklärungen in der Klageerwiderung vom 27.06.2016 (Bl. 67 GA) verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Diesen ausführlichen Begründungen schließt sich das Gericht an, so dass diese nicht wiederholt werden müssen.
- 26
4.) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigem Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert orientiert sich an der vorläufigen Festsetzung (§ 52 Abs. 1 GKG).
- 27
Diese Entscheidung ist nach § 6 Abs. 2 AusglLeistG, § 37 Abs. 2 VermG nicht mit der Berufung oder Beschwerde anfechtbar. Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 S. 1 und 3 AusglLeistG 6x (nicht zugeordnet)
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VermG § 30a Ausschlussfrist 2x
- VwGO § 167 1x
- § 1 Abs. 1 AusglLeistG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- VermG § 30 Antrag 1x
- VwGO § 117 1x
- VwGO § 154 1x
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 2 AusglLeistG 1x (nicht zugeordnet)
- VermG § 37 Gerichtliches Verfahren 1x
- VwGO § 132 1x
- 5 K 1584/95 1x (nicht zugeordnet)
- 8 A 21/16 2x (nicht zugeordnet)