Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 A 589/16

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Umbettung der auf dem Friedhof der Beklagten in F. (einstellige Wahlgrabstelle L/18/2) beigesetzten Urne der Mutter der Beigeladenen, Frau G..

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Die Grabstelle wurde nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten anlässlich der (Erd-)Bestattung des Herrn C. im Jahre 2000 von seiner Ehefrau, C., für die Dauer von 25 Jahren erworben. Im Jahre 2005 fand darin unter Verlängerung der Nutzungszeit bis zum Jahre 2030 die Beisetzung der Urne von Frau C. statt. Die Gemeinde F. richtete einen darauf beruhenden Gebührenbescheid unter dem 14.12.2005 an die Klägerin. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten übernahmen danach die Beigeladene sowie der Bruder der Klägerin, Herr C., die Grabpflege; die Klägerin will mehrmals jährlich das Grab aufgesucht haben.

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Am 04.10.2014 lies die Beigeladene über das Bestattungsinstitut S. in der Grabstelle die Urne ihrer Mutter mit Zustimmung der Beklagten ohne Einverständnis der Klägerin beisetzen und eine Gedenktafel ohne Verankerung aufstellen. Nachdem die Klägerin daraufhin die Beisetzung zur Kenntnis nahm, richtete sie sich mit Schreiben vom 21.03.2016 an die Beklagte im Wesentlichen mit dem Ansinnen, eine Umbettung der Urne vorzunehmen. Die Klägerin machte geltend, sie sei mit der Beisetzung einer Nicht-Familienangehörigen auf der Grabstelle nicht einverstanden. Auch sei sie an dem auf die Bestattung gerichteten Verfahren in keiner Weise beteiligt worden. Zudem könne wegen der - vollständigen - Grabbelegung ihre Bestattung dort nicht mehr stattfinden.

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Nach wechselseitigem Schriftverkehr lehnte die Beklagte mit hier streitigem Bescheid vom 22.04.2016 das Umbettungsbegehren der Klägerin ab. Sie führte zur Begründung aus, zum Zeitpunkt des Beauftragung der Bestattung von Frau G. sei unterstellt worden, es läge die Zustimmung aller Grabnutzungsberechtigten vor. Zudem sei auch noch im Dezember 2015 die Umbettung der Urne von der Klägerin nicht verlangt worden, sondern erst im März 2016. Einer Umbettung könne zudem nur aus wichtigem Grund zugestimmt werden; liege ein solcher nicht vor, sei der Totenruhe stets Vorrang einzuräumen. Den daraufhin von der Klägerin eingelegten Widerspruch vom 26.04.2016 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2016 als unbegründet zurück.

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Am 25.08.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr vorprozessuales Vorbringen. Sie sieht insbesondere ihr Grabnutzungsrecht im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nicht hinreichend gewürdigt.

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Der Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2016 zu verpflichten, ihrem Umbettungsantrag vom 21.03.2016 stattzugeben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt die streitigen Bescheide. Die Klägerin sei bereits nicht berechtigt, die Umbettung zu verlangen. Denn nach den vorliegenden Unterlagen seien sowohl ihr Bruder als auch ihre Schwester mit der Beisetzung von Frau G. einverstanden gewesen. Dabei handele es sich um die Mehrheit der Grabnutzungsberechtigten. Da die zum Zeitpunkt des Todes ihrer Mutter geltende Friedhofssatzung der ehemaligen Gemeinde F. keine Regelungen zum Übergang des Grabnutzungsrecht enthielt, seien von ihr die Bestattungspflichtigen in ständiger Übung als Grabnutzungsberechtigte angesehen worden. Der Erfolg der Klage scheitere zudem daran, dass nur Angehörige der Beigesetzten, zu denen die Klägerin nicht gehöre, antragsbefugt in Bezug auf eine Umbettung seien. Die Umbettung sei auch zu Recht versagt worden, weil die Totenfürsorgeberechtigte der Beigesetzten ihr Einverständnis dafür versagt habe. Der Schutz der Totenruhe überwiege damit ihre Rechte an der Grabstätte.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie erklärt, es sei der Wille ihrer Mutter gewesen, in dem Grab beigesetzt zu werden, zumal auch sie seit Jahren bei der Grabpflege geholfen habe. Die Klägerin sei von der Beisetzung nicht in Kenntnis gesetzt worden. Dies sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass sie sich nicht an der Grabpflege beteiligt habe. Deshalb sei sie, die Beigeladene, insbesondere auch wegen des vorbehaltlosen Einverständnisses der Beklagten von einer insoweit bestehenden Berechtigung ausgegangen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

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Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte einer Umbettung der auf dem Friedhof in F. (Grabstelle L/18/2) beigesetzten Urne der Frau G. zustimmt; der dies ablehnende Bescheid vom 22.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2016 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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a) Das von der Klägerin im Wesentlichen auf ihr Grabnutzungsrecht gestützte Begehren, nämlich die Zustimmung der Beklagten zur Umbettung der auf der Grabstelle beigesetzten Urne der Frau G. zu erreichen, kann sie im Wege der Folgenbeseitigung verfolgen (vgl. VGH Kassel, U. v. 07.09.1993 - 11 UE 1118/92 -; OVG Münster, B. v. 10.11.1998 - 19 A 1320/98 -, beide juris). In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass der Inhaber eines subjektiven öffentlichen Rechts, namentlich eines Grundrechts, von dem Träger öffentlicher Gewalt, dessen Handeln ihn in seinen Rechten verletzt, nicht nur das künftige Unterlassen dieses rechtswidrigen Verwaltungshandelns verlangen kann, sondern auch, dass dieser die tatsächlichen Folgen seines rechtswidrigen Handelns beseitigt (vgl. BVerwG, U. v. 26. 08.1993 - 4 C 24/91 - und v. 06.09.1988 - 4 C 26.88 -, beide juris). Normative Grundlage dieses öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs ist das beeinträchtigte subjektive Recht in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung ist nach insoweit unumstrittenem Stand der Rechtsprechung jedenfalls unter folgenden Voraussetzungen grundsätzlich gegeben: Es muss ein hoheitlicher Eingriff vorliegen, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der andauert. Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung entfällt allerdings, wenn der verpflichtete Rechtsträger nicht mehr die Rechtsmacht besitzt, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Das ist unter anderem dann anzunehmen, wenn der erstrebte Zustand nach der derzeitigen Rechtsordnung unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993, a.a.O.), bzw. das Begehren sich als unzulässige Rechtsausübung darstellt.

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Die Klägerin hat ihr Umbettungsverlangen auch zu Recht gegen die Beklagte gerichtet, da sie mit der Zulassung der Bestattung der Verstorbenen G. in der Grabstätte die Ursache für das Begehren gesetzt hat und auch nur sie als Einrichtungsträgerin (vgl. §§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 2 Satz 3 BestattG LSA) in der Lage ist, diesen Zustand wieder rückgängig zu machen. Allein die totenfürsorgeberechtigte Beigeladene wäre dagegen nicht berechtigt, dieses Begehren aus eigenem Recht zu erfüllen. Denn aus dem Einrichtungsrecht der Beklagten folgt, dass nur sie selbst Handlungen vornehmen bzw. diese von Dritten (Grabnutzungsberechtigte, Totenfürsorgeberechtigte und -verpflichtete) - ggf. durch Verwaltungsakt - fordern kann (vgl. Gaedke, Friedhofs- und Bestattungsrecht, 9. Aufl., S. 196). Die insoweit notwendigen Rechtsbindungen sowohl für ebenfalls Grabnutzungsberechtigten als auch für die Totenfürsorgeberechtigten werden im gerichtlichen Verfahren durch Beiladungen bewirkt (vgl. insoweit OVG Münster, U. v 12.12.2012 - 19 A 2207/11 -, Rn. 109, juris).

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Das Umbettungsrecht steht auch im Lichte von § 24 Abs. 1 Satz 1 BestattG LSA, 12 Abs. 3 Satz 2 der Friedhofssatzung vom 10.11.2012 [FS] nicht nur einem Angehörigen zur Seite. Denn Regelungsinhalt von § 24 Abs. 1 Satz 1 BestattG LSA ist keine diesbezügliche Beschränkung auf die Angehörigen; vielmehr soll die Umbettung ausweislich der systematischen Stellung der Vorschrift im Gesetz allein unter Erlaubnisvorbehalt des Friedhofsträgers gestellt werden. Da das Grabnutzungsrecht unter dem Schutz von Artikel 14 Abs. 1 GG steht (s. u.), ist die Beklagte auch nicht befugt, ein Umbettungsverlangen im Rahmen ihrer Satzung insoweit einzuschränken.

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b) Eine im Wege der Folgenbeseitigung zu bewirkende Umbettung setzt voraus, dass die Bestattung rechtswidrig war und der die Umbettung Begehrende dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Es kann hier schlussendlich dahinstehen, ob der Klägerin überhaupt das Recht zur Seite steht, die Umbettung verlangen zu können und ob die Bestattung rechtswidrig war (aa). Denn selbst dies unterstellt, ist der Klägerin die Verletzung des jedenfalls auch ihr zustehenden (Grabnutzungs-)Rechte eher zuzumuten als die Störung der Totenruhe, die sowohl die Beigeladene als Totenfürsorgeberechtigte als auch die Beklagte zu schützen haben (bb).

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aa) Für die Rechtswidrigkeit der Beisetzung von Frau G. spricht, dass in einem - wie hier - Erdwahlgrab i. S. v. §§ 14 Abs. 2 lit. b), 16 Abs. 3 FS regelmäßig nur Angehörige des Nutzungsberechtigten beigesetzt werden dürfen. Bei Frau G. handelte es sich jedoch weder um eine Angehörige der Klägerin noch ihres Bruders. Auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 3 FS dürften hier - bei einem unterstellten Grabnutzungsrecht für die Kinder des Herrn und Frau C. - nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist zwar die Beisetzung anderer Personen mit besonderer Genehmigung der Beklagten zulässig. Diese verlangt jedoch nach Auffassung des Gerichts das Einverständnis a l l e r Nutzungsberechtigten. Denn bei einem gemeinschaftlichen Nutzungsrecht bilden die Inhaber eine Gemeinschaft nach §§ 744 ff. BGB. Unstreitig ist die Klägerin insoweit gar nicht beteiligt gewesen. Ohne Erfolg könnte sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auch nicht auf das Bestehen einer Anscheinsvollmacht der Beigeladenen berufen. Zwar wäre eine eigene Antragstellung durch die Klägerin dann entbehrlich, wenn die Beigeladene nach Rechtsscheingrundsätzen bevollmächtigt war. Denn als Bevollmächtigter ist auch derjenige, der ohne Nachweis seiner Vollmacht gegenüber der Behörde wie ein Bevollmächtigter auftritt, anzusehen, wenn der von ihm durch sein Auftreten erzeugte Rechtsschein der Bevollmächtigung dem Vertretenen zurechenbar ist. Dabei wird von einer Anscheinsvollmacht gesprochen, wenn der Vertretene das Handeln eines angeblichen Vertreters zwar nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn ferner der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines Vertreters. Eine Duldungsvollmacht, deren dogmatische Einordnung im Einzelnen umstritten ist, liegt dagegen vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (vgl. BFH, B. v. 03.03.2003 - IX B 206/02 -, juris, m. w. N.). Diese Voraussetzungen dürfen hier in Bezug auf das Handeln der Beigeladenen im Zusammenhang mit der Beisetzung ihrer Mutter, Frau G., nicht vorliegen. Insoweit ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Beigeladene gegenüber der Beklagten überhaupt den Rechtsschein eines Handelns für die Klägerin gesetzt hat. Dies ist umso fernliegender, da nicht sie, sondern allein ihr Ehemann überhaupt gemeinsam mit der Klägerin Rechte an der Grabstätte innehaben kann. Mit diesem dürfte sie sich zudem aufgrund der stetigen Grabpflege eher als Verfügungsberechtigte über das Grabnutzungsrechts gesehen haben, was dagegen streitet, dass die Beigeladene überhaupt bestrebt war, gegenüber der Beklagten den Anschein einer Vollmacht zu erwecken.

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Es sprechen auch gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin neben ihren Geschwistern Nutzungsberechtigte an der Grabstätte L/18/2 auf dem Friedhof der Beklagten in F. ist. Zwar hat dieses zur Überzeugung des Gerichts zunächst Frau A C. zugestanden. Hat die zum Zeitpunkt ihres Todes im Jahre 2005 noch bestehende Friedhofssatzung der Gemeinde F. nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten keine Regelungen zum Übergang des Nutzungsrechts getroffen, so ist dieser anhand der seinerzeit bestehenden Ortsüblichkeit zu beurteilen (vgl. VG Magdeburg, U. v. 13.05.2014 - 9 A 133/13 -, juris). Nach dem ebenfalls im Verfahren unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten sind seinerzeit von der Gemeinde F. regelmäßig die Bestattungspflichtigen im Sinne von §§ 14 Abs. 2, 10 BestattG LSA als Nutzungsberechtigte, hier die 3 Kinder der Verstorbenen C., angesehen worden. Dem dürfte auch der Benutzungsgebührenbescheid vom 14.12.2005 nicht gleichsam entgegenstehen. Denn eine Mehrheit von Nutzungsberechtigten schuldet die Friedhofsgebühr regelmäßig als Gesamtschuldner; der Gläubiger ist jedoch berechtigt, von jedem Gesamtschuldner die Forderung in vollen Höhe, jedoch nur einmal, zu fordern (§ 421 BGB). Es ist mithin nicht auszuschließen, dass die Klägerin lediglich als Gesamtschuldnerin für die Nutzungsberechtigten herangezogen wurde.

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Aus dieser Rechtsposition heraus ist die Klägerin berechtigt, die Umbettung gerichtlich geltend zu machen. Dem dürfte auch ein auf die Zulässigkeit der Bestattung gerichteter (Mehrheits-)Beschluss ihrer Geschwister C. und H. nicht entgegenstehen. Zwar kann durch Stimmenmehrheit eine die Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung beschlossen werden (§ 745 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da es sich bei dem Grabnutzungsrecht jedoch um ein von der Behörde "verliehenes" öffentlich-rechtliches Sonderrecht handelt (vgl. VG Magdeburg, U. v. 18.10.2013 - 9 A 155/12 -, juris), können Mehrheitsbeschlüsse nicht solche Umstände betreffen, die das Grabnutzungsrecht selbst betreffen.

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bb) Die Klägerin kann jedoch auch bei einer angenommenen rechtswidrigen Beisetzung der Urne von Frau G. und einer in ihrer Person aus dem Grabnutzungsrecht resultierenden Abwehrrecht die mit einer Störung der Totenruhe einhergehende Umbettung nicht verlangen; ihr steht insoweit kein wichtiger Grund im Sinne von § 13 Abs. 1 FS zur Seite.

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Zwar fällt das Grabstättennutzungsrecht zumindest in seinem Kernbereich unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. OVG Münster, B. v. 10.11.1998 - 19 A 1320/98 -, juris; Gaedke, a. a. O., S. 161) und die Klägerin hat schon wegen der Verletzung dieses Rechts ein Interesse an der Umbettung (vgl. auch VGH Kassel, U. v. 07.09.1993, a. a. O.). Allerdings reicht dies nicht aus, um im Rahmen des bei der Kollision zweier durch Grundrechte geschützter Rechtsgüter vorzunehmenden verhältnismäßigen Ausgleichs nach den Kriterien der Zumutbarkeit ein Überwiegen der Interessen der Klägerin anzunehmen. Denn Art. 1 Abs. 1 GG, der den Schutz der Totenruhe gewährleistet, hat auf Grund des durch Art. 79 Abs. 3 GG geschaffenen Wertsystems, wodurch Art. 1 GG zu den "tragenden Konstitutionsprinzipien" gehört, einen besonderen, unantastbaren Rang. In der Regel darf daher der Friedhofsträger gegen den Willen des Totenfürsorgeberechtigten, hier der Beigeladenen, der Umbettung nicht zustimmen oder diese bewirken. Denn die Wahrung der Totenruhe, mit dem auch das allgemeine öffentliche Interessen an der Beibehaltung des Begräbnisplatzes verbunden ist (vgl. VG Hamburg, U. v. 12.02.2001 - 7 VG 3779/00 -, juris), geht dann grundsätzlich allen anderen Gesichtspunkten vor; nur ausnahmsweise darf auch gegen den Willen des Totenfürsorgeberechtigten eine Umbettung vorgenommen werden, wenn der angestrebte Erfolg anders nicht zu erreichen ist und wirklich zwingende Gründe die Maßnahme bedingen (vgl. OVG Münster, B. v. 10.11.1998, a. a. O.).

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Bei der auch hier gebotenen Abwägung nach den Grundsätzen der Zumutbarkeit sind solche gewichtigen Gründe für die Störung der Totenruhe nicht ersichtlich. Denn infolge der Fehlbestattung ist das Grabnutzungsrecht der Klägerin nicht - vollständig - entzogen, sondern nur beeinträchtigt. Besonderes Gewicht kommt dabei dem Umstand zu, dass der seinerzeitige Grund für den Erwerb des Nutzungsrechts bereits verwirklicht werden konnte. Denn die gemeinsame Bestattung der Eltern der Klägerin konnte vollzogen werden und bleibt aufrechterhalten. Sofern die Klägerin demgegenüber geltend macht, mit der Beisetzung der 2. Urne kann sie ihre Zubettung in das Grab der Eltern wegen § 14 Abs. 6 FS nicht mehr verlangen, so spricht gegen eine insoweitige besondere Berücksichtigungsfähigkeit, dass sie nicht alleinige Grabnutzungsberechtigte ist (s. o.), so dass dieses Recht gar nicht zu ihrer ausschließlichen Disposition steht.

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Die Beigeladene übt die ihr als Totenfürsorgeberechtigte zukommende Erklärungsmacht hinsichtlich ihres Einverständnisses mit einer Umbettung auch nicht rechtmissbräuchlich aus. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch im öffentlichen Recht gilt (vgl. U. v. 14.04.1978 - 4 C 6.76 -; B. v. 05.03.1998 -; B. v. 17.08.2011 - 3 B 36.11 - und U. v. 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, alle juris) beschränkt zwar die für die Beklagte rechtliche Beachtlichkeit der der Beigeladenen zustehenden Erklärungsmacht. Anders gewendet: Für die Behörde ist die mangelnde Zustimmung nur dann rechtlich beachtlich, wenn sie nicht Ausdruck eines rechtsmissbräuchlichen Umgangs mit dieser Erklärungsmacht ist. Dies wäre u. a. dann der Fall, wenn die Totenfürsorgeberechtigte damit gegen den mutmaßlichen Willen der Bestatteten handelt. Dies ist vorliegend jedoch nicht festzustellen. Dieser Wille ist im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht etwa deshalb irrelevant, weil er auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet war. Denn Herr C., der Mann der Beigeladenen, ist jedenfalls mitberechtigt an der Grabstätte, weshalb bei einem Einverständnis aller Berechtigten und der Beklagten die Beisetzung rechtlich auch in dieser Grabstelle möglich war. Dass ihre Beisetzung schlussendlich in rechtswidriger Weise erfolgte, spricht jedenfalls nicht gegen einen auf den Bestattungsort gerichteten und abwägungsrelevanten Bestattungswillen von Frau G.. Zudem ist die Rechtswidrigkeit bereits Voraussetzung für den Folgenbeseitigungsanspruch, weshalb diesem Aspekt im Rahmen der Interessenabwägung nur eine geringe Bedeutung beizumessen ist. Die Beigeladene hat vorliegend ihre Erklärungsmacht auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich ausgeübt, da sie aufgrund der langjährigen Grabpflege im Zusammenhang mit der Bestattung eher "im guten Glauben" handelte und auch ihr diesbezügliches Verhalten gegenüber der Beklagten nicht von solchen Aspekten (Arglist, Täuschung etc.) geprägt war, die die nunmehr verweigerte Zustimmung zur Umbettung als treuewidrig erscheinen lassen müssten.

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Auch sind hinsichtlich des aus dem Totenfürsorgerecht folgenden angemessenen Totengedenken und dem Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Eltern keine besonderen Gründe ersichtlich, die die Aufrechterhaltung des Zustandes für die Klägerin als nicht zumutbar erscheinen lassen. Insoweit kämen aus der Sicht des Gerichts allenfalls solche Umstände von besonderem Gewicht in Betracht, wie sie etwa von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Freistellung von der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht angenommen werden. Dies wäre allenfalls bei einem besonders groben Fehlverhalten des fehlerhaft Bestatteten gegenüber den Bestatteten bzw. deren Totenfürsorgeberechtigten der Fall (z. B. Begehung einer Straftat etc.; vgl. VG Magdeburg, U. v. 26.08.2014 - 9 A 317/13 MD -, juris). Diesen Grad erreichen die hier von der Klägerin geltend gemachten "familiären Disharmonien" in keiner Weise.

II.

26

Nach § 154 Abs. 1 VwGO trägt die Klägerin als Unterlegene die Kosten des Verfahrens. Mangels eigener Antragstellung konnten der Beigeladenen Kosten nicht auferlegt werden (§ 154 Abs. 3 VwGO). Ihre außergerichtlichen Kosten waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären. Denn stellt ein Beigeladener im Verfahren keinen Antrag und setzt sich deshalb keinem Kostenrisiko aus, so ist es regelmäßig unbillig, seine außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären.

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Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr.11 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, welche (wirtschaftliche) Bedeutung der Rechtsstreit für die Klägerin hat.


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