Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 143/16

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Vergabe eines Kehrbezirks an den Beigeladenen.

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Am 15. April 2016 schrieb der Beklagte die Tätigkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers (bBSF) für den Kehrbezirk Bördekreis Nr. 11 für eine Bestellung zum 1. Juli 2016 aus. Der Kehrbezirk umfasst Ortsteile der Stadt Wolmirstedt sowie der Verbandsgemeinde Elbe-Heide. Als Ende der Bewerbungsfrist wurde der 13. Mai 2016 bestimmt. Es wurde darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine Ausschlussfrist handele, vollständige Bewerbungsunterlagen zu übersenden seien und fehlende Bewerbungsunterlagen nicht nachgefordert würden. Ferner bestimmte der Beklagte in der Ausschreibung, dass für die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren u.a. Nachweise über die bisherigen Schornsteinfegertätigkeiten in Form von Bestellungsurkunden oder Arbeitsverträgen, falls vorhanden über regelmäßige, berufsspezifische Weiterbildungen anhand von Teilnahmebescheinigungen und Zertifikaten mit oder ohne Kompetenznachweis sowie eine unterzeichnete Eigenerklärung, dass der Bewerber gesundheitlich in der Lage ist, die Aufgaben eines bBSF wahrzunehmen, einzusenden seien. Die Auswahl zwischen den Bewerbern werde nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung unter Zugrundelegung einer auf der Homepage des Beklagten einsehbaren Bewertungsmatrix vorgenommen.

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Auf die Ausschreibung bewarben sich unter anderem der Kläger und der Beigeladene. Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 teilte der Beklagte dem Beigeladenen mit, es sei beabsichtigt, ihn zum 1. Juli 2016 als bBSF für den Kehrbezirk Bördekreis Nr. 11 auf sieben Jahre befristet zu bestellen. Er werde gebeten binnen fünf Werktagen mitzuteilen, ob er den Kehrbezirk übernehmen wolle.

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Unter dem 7. Juni 2016 erhob der Kläger eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Frau B., Sachbearbeiterin im für das in Rede stehende Ausschreibungsverfahren zuständigen Referat des Beklagten. Zur Begründung führte er an, die Sachbearbeiterin habe auf seine Nachfragen zum Stand des Auswahlverfahrens und seine Hinweise zu vergangenen Arbeitsverhältnissen sowie einem Arbeitsunfall des Beigeladenen mit unsachlichen Äußerungen reagiert. Er habe das Gefühl, Frau B. könne ihre Arbeit nicht mehr unvoreingenommen erledigen. Diesen Vorwurf ergänzte der Kläger am 14. Juli 2016, indem er darauf hinwies, Frau B. habe dem Beigeladenen geraten, den Kehrbezirk anzunehmen, und sei es zunächst nur wegen der Mehrpunkte, die er (im Auswahlverfahren) als Kehrbezirksinhaber erhalte. Auch dies zeige die fehlende Neutralität der Sachbearbeiterin.

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Mit Schreiben vom 23. Juni 2016 teilte der Beklagte dem Beigeladenen mit, er beabsichtige mit sofortiger Wirkung dessen Ausschluss vom Auswahlverfahren. Der Beigeladene habe die Eigenerklärung über seine gesundheitliche Eignung zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben eines bBSF nicht wahrheitsgemäß abgegeben bzw. aufgrund der zum Zeitpunkt der Erklärung unsicheren Prognose nicht abgeben können. Nachforschungen hätten ergeben, dass der Beigeladene am 16. Februar 2016 einen schweren Arbeitsunfall erlitten habe und seitdem arbeitsunfähig sei. Gemäß der letzten eingereichten Bescheinigung bei den mit der Lohnerstellung befassten Steuerberatern sei als voraussichtlich letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit der 24. Juni 2016 vermerkt. Der Beigeladene habe zum Zeitpunkt seiner Erklärung am 6. Mai 2016 gar nicht sicher wissen können, ob seine Gesundheit bis zum voraussichtlichen Bestellungstermin wieder so hergestellt sein werde, dass er die Aufgaben eines bBSF wahrnehmen könne.

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Mit Schreiben vom 1. Juli 2016 wies der Beigeladene darauf hin, er habe den Arbeitsunfall am 15. Februar 2016 erlitten. Er habe sich seit dem 6. Juni 2016 in der Wiedereingliederung befunden. Mittlerweile – und zwar vor der beabsichtigen Bestellung zum bBSF – sei seine Arbeitsfähigkeit vollständig wiederhergestellt. Zudem habe der Rehabilitationsplan der BG Bau vom 4. Mai 2016, der ihm bereits bei Abgabe der Eigenerklärung vorgelegen habe, die Prognose getroffen, dass er am 6. Juni 2016 wieder vollständig die Arbeitsfähigkeit erreiche. Dass sich diese Prognose nicht bewahrheitet habe, sei auf eine zwischenzeitliche Entzündung am linken Zeh zurückzuführen, die in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall gestanden habe. Er habe die stufenweise Wiedereingliederung daher erst am 6. Juni 2016 beginnen können.

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Mit Bescheid vom 2. September 2016 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er für den fraglichen Kehrbezirk nicht zum bBSF bestellt werde. Nach Auswertung aller Unterlagen erreiche der Kläger mit 104,45 Punkten unter allen Bewerbern den vierten Platz. In der Gesamtschau rechtfertige sich die Platzierung des Klägers aufgrund der größeren Berufserfahrung des – mit 139,03 Punkten – punktbesten Beigeladenen, der bereits 9,47 Jahre als Meistergeselle tätig gewesen sei. Dem Kläger hätten lediglich 0,98 Meistergesellenjahre angerechnet werden können. In der Kategorie Befähigung hätten zugunsten des Klägers elf Weiterbildungen, davon zehn mit Kompetenznachweis, angerechnet werden können.

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Am 30. September 2016 hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben.

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Mit Bescheid vom 4. Januar 2017 bestellte der Beklagte den Beigeladenen widerruflich mit Wirkung vom 13. Januar 2017 zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für den Kehrbezirk Bördekreis Nr. 11. Mit hier bei Gericht am 18. Januar 2017 eingegangenem Schriftsatz vom 16. Januar 2017 hat der Kläger diesen Bescheid zum weiteren Gegenstand des Klageverfahrens erhoben.

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Zur Begründung trägt er vor, die auf Seiten des Beklagten mit dem Auswahlverfahren befasste Sachbearbeiterin B. sei aufgrund abfälliger Äußerungen über ihn und der dem Beigeladenen im Verfahren erteilten Ratschläge befangen gewesen. Die fehlende Neutralität habe sich bei der Auswertung der Bewerbungsunterlagen zu seinem Nachteil ausgewirkt. In inhaltlicher Hinsicht sei die Auswahlentscheidung bereits deshalb fehlerhaft, weil der Beigeladene die erforderliche Erklärung über seine gesundheitliche Eignung nicht wahrheitsgemäß beantwortet habe. Im Zeitpunkt seiner Bewerbung habe der Beigeladene keine zuverlässige Aussage über seine Genesung nach dem erlittenen Arbeitsunfall treffen können. In einem persönlichen Gespräch habe der Beigeladene ihm – dem Kläger – gegenüber geäußert, er benötige unbedingt einen Kehrbezirk, da er körperlich „fertig“ sei und die Arbeiten als Geselle nicht mehr oder nicht mehr lange ausüben könne. Anders sei auch nicht zu erklären, dass der Beigeladene nach seiner Bestellung zum bBSF die bisher durchgeführten Feuerstättenschauen und Abnahmen nicht ordnungsgemäß durchgeführt und in mehreren Fällen den Gang auf den Dachboden und das Dach ausgespart habe.

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Außerdem verfüge der Beigeladene nicht über die für die Erfüllung der Aufgaben eines bBSF erforderlichen Rechtskenntnisse. Ihm fehle somit die Eignung. Der Beigeladene habe die Meisterprüfung im Jahr 2000 und damit – anders als er, der Kläger, im Jahr 2015 – nach alter Rechtslage absolviert. Aus einer mehr als 15 Jahre zurückliegenden Meisterprüfung könne nicht darauf geschlossen werden, dass der Bewerber auch über Wissen nach der neuen Rechtslage verfüge. Der Betreffende müsse vielmehr belegen, dass er sein Wissen bezüglich der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten, insbesondere seine verwaltungsrechtlichen Kenntnisse zur Feuerstättenschau und dem Feuerstättenbescheid, durch eine kontinuierliche Weiterbildung vertieft und erweitert hat. Es sei höchst fraglich, ob es insoweit ausreichend sei, dass ein Bewerber wie der Beigeladene, der noch keinen Kehrbezirk geführt habe, lediglich an einer Veranstaltung zum Verwaltungsrecht ohne Kompetenznachweis teilgenommen habe.

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Ebenfalls zweifelhaft sei, dass nach der Bewertungsmatrix bei dem Merkmal „Fachliche Leistung“ bei einem Bewerber, gegen den in seiner Funktion als bBSF bestimmte Aufsichtsmaßnahmen ergriffen worden seien, z.B. wegen nicht oder nicht ordnungsgemäßer Durchführung der Feuerstättenschau, bis zu 40 Punkte abgezogen werden könnten, während ein Bewerber, der noch keinen Kehrbezirk gehabt habe, selbst dann nichts zu befürchten habe, wenn er – wie der Beigeladene – seine offensichtliche Unkenntnis gezeigt habe. So sei der Kehrbezirk Bördekreis Nr. 10, in dem der Beigeladene als Angestellter des bBSF S. tätig gewesen sei, äußerst mangelhaft geführt worden. Es habe schwerwiegende Verstöße gegen die Pflicht zur Führung des Kehrbuchs gegeben. Dem Beigeladenen hätten diese Missstände auffallen müssen, wenn er, wie in seinem Lebenslauf angegeben, seit 2000 regelmäßig mit dem Kehrbezirksverwaltungsprogramm gearbeitet hätte. Außerdem seien Schornsteinfegerarbeiten teilweise nicht oder nur mangelhaft durchgeführt worden. Wenn der Beigeladene aber bereits als Geselle nicht ordnungsgemäß gearbeitet habe, sei er auch nicht geeignet, als bBSF hoheitliche Aufgaben auszuführen. Aufgrund der Hinweise auf die nicht ordnungsgemäße Berufsausübung durch den Beigeladenen könne dessen bessere Platzierung auch nicht mit dem Verweis auf dessen größere Berufserfahrung gerechtfertigt werden. Die durch die Berufsausübung erlangte Berufserfahrung spreche nur dann für eine bessere Befähigung, wenn mit der längeren Berufserfahrung auch ein qualitativer Vorsprung einhergehe.

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Außerdem sei die Vergabe von fünf Punkten für das vom Beigeladenen vorgelegte Geschäftskonzept nicht nachvollziehbar. Die kurze Markt- und Konkurrenzanalyse des Beigeladenen enthalte weder die Anzahl der Liegenschaften noch einen Hinweis darauf, dass im Kehrbezirk Bördekreis Nr. 11 im Zeitpunkt der Ausschreibung bereits für 1.000 der insgesamt 2.500 Liegenschaften Fremdarbeitsaufträge erteilt worden seien. Zwischenzeitlich hätten ca. 2.400 Eigentümer Verträge mit ihm – dem Kläger – über die Durchführung der freien Arbeiten abgeschlossen. Dem Geschäftskonzept des Beigeladenen lasse sich keine Analyse entnehmen, die das sich daraus ergebende Insolvenzrisiko in den Blick nehme. Im Übrigen handele es sich bei der „Rentabilitätsvorschau“ des Beigeladenen eher um einen Rückblick, da die Zahlen aus den Jahren 2011, 2012 und 2013 für den Kehrbezirk Bördekreis Nr. 10 zugrunde gelegt worden seien. Das Konzept sei insoweit auch unschlüssig. So sei nicht ersichtlich, inwiefern beide Kehrbezirke miteinander vergleichbar seien. Abgesehen davon sei der Rückblick auf den Kehrbezirk Nr. 10 auf den hier in Rede stehenden ausgeschriebenen Kehrbezirk aufgrund der geänderten Rechtslage nicht ohne weitere Kommentierung übertragbar. Beispielsweise sei nicht erkennbar, weshalb trotz des erhöhten Arbeitsaufkommens durch die Feuerstättenschauen und die Erstellung der Feuerstättenbescheide die Einnahmen eher stagnierten. Ebenso wenig sei ersichtlich, warum die Personalkosten rückläufig seien, obwohl die Tariflöhne regelmäßig angepasst würden. Soweit der Beigeladene in seinem Kapital- und Finanzierungsplan angegeben habe, er beabsichtige einen Dienstwagen über eine Bank zu finanzieren, bleibe offen, zu welchen Konditionen dies geschehe. Im Übrigen würden in den übrigen Bundesländern keine Punkte für die Abgabe eines Geschäftskonzepts vergeben.

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Zudem habe der Beklagte Fortbildungsveranstaltungen, die er – der Kläger – in den Jahren 2011, 2012 und 2014 besucht habe, fehlerhaft unter Verweis auf nicht vorliegende Nachweise über deren Stundendauer unberücksichtigt gelassen. Die im Jahr 2011 und 2012 durchgeführten Weiterbildungen würden von beinahe jedem Gesellen bzw. Meistergesellen absolviert. Aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen der letzten Jahre habe der Beklagte unschwer erkennen können, dass es sich um Weiterbildungen mit einem Umfang von acht Stunden handele, zumal der Beigeladene ebenfalls an diesen beiden Fortbildungen teilgenommen habe und dessen Teilnahmebestätigungen die Stundenzahl erkennen ließen. Da es sich um dreitägige Fortbildungen handele, sei zudem offenkundig, dass die Stundenzahl dieser Veranstaltungen mehr als sechs Stunden betrage. Jedenfalls habe der Beklagte fehlende Angaben zu den Stundenzahlen bei ihm – dem Kläger – erfragen müssen. Zwischenzeitlich habe er sich von den betreffenden Bildungsstätten Bestätigungen ausstellen lassen, welche auch die Stundenzahlen aufwiesen. Fehlerhaft sei zudem die Nichtberücksichtigung der von ihm 2016 durchgeführten Schulung in der digitalen Kehrbezirksverwaltung. Diese habe zwar nicht die in der Bewertungsmatrix geforderten sechs Stunden gedauert. Es sei aber nicht ersichtlich, weshalb bei Unterschreitung dieser Stundenzahl überhaupt keine Punkte vergeben würden. Dies treffe auch auf das von ihm im Jahr 2016 begonnene und bis heute noch andauernde Existenzgründerseminar zu. Den einschlägigen Vorschriften über das Ausschreibungs- und Auswahlverfahren sei nicht zu entnehmen, dass ein derartiger Lehrgang bereits bis zur Ausschlussfrist für die Einreichung der entsprechenden Nachweise begonnen worden sein müsse.

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Dass dem Beigeladenen sowohl die fachliche Eignung als auch die persönliche Zuverlässigkeit für die Wahrnehmung der Aufgaben eines bBSF fehlten, zeige bereits die kurze Zeit, in welcher der Beigeladene diese Aufgaben nun wahrnehme. Neben den bereits erwähnten fehlenden Begutachtungen des Schornsteins vom Dach aus seien weitere Mängel zu verzeichnen. So habe der Beigeladene in dieser Zeit trotz vorhergehender Feuerstättenschau keinen einzigen Feuerstättenbescheid an die betreffenden Kunden versendet. Daneben seien zahlreiche weitere mangelhafte Arbeitsleistungen des Beigeladenen festzustellen, die belegten, dass der Beigeladene nicht über das erforderliche Grundwissen eines bBSF verfüge. Außerdem habe der Beigeladene mehrfach versucht, seine Stellung als bBSF für privatwirtschaftliche Interessen zu missbrauchen. Bereits eine Woche nach seiner Bestellung habe der Beigeladene besonders umsatzstarke Kunden des Kehrbezirks aufgesucht, um seine Tätigkeit im Bereich der freien Schornsteinfegerarbeiten anzubieten, obwohl dort hoheitliche Maßnahmen gerade nicht durchzuführen gewesen und die betreffenden Liegenschaften im elektronischen Kehrbuch mit dem Vermerk „Fremdarbeit“ versehen seien. Dabei dürften Daten aus dem Kehrbuch nur genutzt werden, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erforderlich sei. Hiergegen habe der Beigeladene verstoßen. Dass der Beigeladene kurz nach Übernahme des Kehrbezirks mehr mit der Gewinnung neuer Kunden als mit der Planung und Durchführung hoheitlicher Tätigkeiten beschäftigt gewesen sei, zeige sich auch daran, dass er drei Tage nach seiner Bestellung die Durchführung der Abnahme eines neuen Heizkessels unter Hinweis auf viele andere Termine abgelehnt habe.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide des Beklagten vom 2. September 2016 und vom 4. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seine Bewerbung auf den Kehrbezirk Bördekreis Nr. 11 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er tritt der Klage mit der Begründung entgegen, auch wenn eine neuere Meisterprüfung eine genauere Bewertung der Kenntnisse über die aktuelle Rechtslage liefere, könne der naturgemäß ältere Bewerber, der seine Meisterprüfung vor längerer Zeit abgelegt habe, nicht schlechter gestellt werden. Berufsqualifizierende Abschlüsse stellten stets nur eine Momentaufnahme dar. Da eine Prüfung aller Bewerber nach aktuellem Recht im Rahmen einer Kehrbezirksvergabe nicht praktikabel sei, könne die Note der Meisterprüfung als sinnvolles Indiz hinsichtlich der Sachkenntnis und der Lernbereitschaft sowie -fähigkeit herangezogen werden. Das Geschäftskonzept sei eine zukunftsorientierte Prognose und deshalb auch nur eingeschränkt überprüfbar. Hiervon ausgehend sei das Geschäftskonzept des Beigeladenen im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung als geeignet angesehen und entsprechend mit fünf Punkten bewertet worden. Was den Nachweis des Stundenumfangs der absolvierten Fortbildungen betreffe, sei es nicht Aufgabe der Auswahlbehörde, bei einer Vielzahl von Ausschreibungen mit einer Vielzahl von Bewerbern alle einzelnen Bewerbungsunterlagen vergleichend im Auge zu behalten. Das Existenzgründerseminar des Klägers habe keine Berücksichtigung finden können, da es erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist, die eine Ausschlussfrist darstelle, habe begonnen werden sollen. Im Übrigen sei es sachgerecht, Weiterbildungen erst ab einer Dauer von sechs Stunden mit Punkten zu berücksichtigen, da erst ab einer bestimmten Dauer ein Einfluss auf die Befähigung gegeben sei. Soweit der Kläger ausführe, der ehemalige Arbeitgeber des Beigeladenen habe seinen Kehrbezirk schlecht verwaltet, ergäben sich daraus keine Auswirkungen auf die Eignung des Beigeladenen. Die nunmehr vom Kläger behaupteten Schlechtleistungen des Beigeladenen selbst seien für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung ohne Belang, da die Behauptungen einen Zeitraum beträfen, der nach der Auswahlentscheidung liege.

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Der Beigeladene beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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In der Sache trägt er ergänzend zu dem Vorbringen des Beklagten vor, er habe an den in seinem Lebenslauf angeführten Arbeiten des seinerzeitigen bBSF S. teilgenommen bzw. an diesen mitgewirkt, ohne aber die Verantwortung hierfür zu haben.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig.

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Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft, um effektiven Rechtsschutz gegen die zwischenzeitliche Bestellung des Beigeladenen zum bBSF im streitgegenständlichen Kehrbezirk und eine Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über seine Bewerbung auf diesen Kehrbezirk unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erreichen. Bei der Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger nach den §§ 9, 10 des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes – SchfHwG – vom 26. November 2008 (BGBl. I 2008, 2242), im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung des Beklagten zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I 2015, 1474), handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Die den ausgewählten Bewerber begünstigende Bestellung steht in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang mit der Entscheidung über die Bewerberauswahl. Mit der Auswahl des einen Bewerbers geht zwangsläufig die Ablehnung der anderen Bewerber einher. Einer Anfechtung der Bestellung des erfolgreichen durch den abgelehnten Mitbewerber steht der im Beamtenrecht angewandte Grundsatz der Ämterstabilität wegen der von vornherein nur befristet auf sieben Jahre erfolgenden Bestellung (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG) nicht entgegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10. November 2016 - 4 A 2279/13 -, juris Rz. 30 [m. w. N.]). Dies folgt auch aus § 10 Abs. 4 SchfHwG, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Bestellung keine aufschiebende Wirkung haben. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber selbst von einer Anfechtbarkeit der Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger durch einen (abgelehnten) Mitbewerber ausgeht. Er mildert durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit lediglich die Folgen des Gebrauchs eines Rechtsbehelfs für die öffentliche Feuerstättensicherheit, so dass die hoheitlichen Aufgaben während des noch schwebenden Anfechtungsverfahrens vom bestellten Bewerber wahrgenommen werden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, Urt. v. 22. Dezember 2011 - 22 B 11.1139 -, juris; Urt. v. 22. April 2013, - 22 BV 12.1722 -, juris). Ferner ist die Bestellung unbeschadet des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG unter den Voraussetzungen des § 12 SchfHwG aufhebbar. Die dem bBSF eingeräumte Rechtsposition ist damit eine wesentlich schwächere als die eines ernannten Beamten. Dementsprechend hat der Beklagte die Bestellung des Beigeladenen im Bescheid vom 4. Januar 2017 auch als jederzeit widerruflich erklärt.

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Die Klage ist auch begründet.

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Der Bescheid des Beklagten vom 4. Januar 2017, mit dem der Beigeladene zum bBSF für den Kehrbezirk Bördekreis Nr. 11 bestellt worden ist, sowie der an den Kläger gerichtete ablehnende Bescheid des Beklagten vom 2. September 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, über seine Bewerbung auf den Kehrbezirk Bördekreis Nr. 11 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

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Nach § 9 Abs. 4 SchfHwG in der hier maßgeblichen Fassung ist die Auswahl zwischen den Bewerbern um die Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vorzunehmen. In § 9 Abs. 5 SchfHwG (a. F.) werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Ausschreibungsverfahren und die Auswahl der Bewerber zu erlassen, wobei diese Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen werden kann. Auf dieser Grundlage hat das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt die Verordnung über das Ausschreibungs- und Auswahlverfahren für die Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger im Land Sachsen-Anhalt vom 29. Juli 2013 – AASchfVO LSA – (GVBl. LSA S. 406) erlassen. § 6 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt, dass die Auswahl zwischen den Bewerbern gemäß § 9 Abs. 4 SchfHwG (a. F.) nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vorzunehmen ist.

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Bei der Auslegung dieser ersichtlich Art. 33 Abs. 2 GG entnommenen Auswahlkriterien kann grundsätzlich auf die im Beamtenrecht von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, zumal die Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger (auch) die Beleihung mit der öffentlichen Aufgabe der Feuerstättenschau umfasst (vgl. § 14 SchfHwG). § 9 Abs. 4 SchfHwG (a. F.) gibt demnach die entscheidenden Beurteilungsgesichtspunkte für die Bewerberauswahl abschließend vor, und die Auswahlentscheidung kann grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Es muss also nach einem Beurteilungssystem vorgegangen werden, das eine qualitative Bewertung der berufsbezogenen Leistungen der Bewerber vornimmt. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt (vgl. hierzu z.B. BVerfG, Urt. v. 26. November 2010, NVwZ 2011, 746). Allerdings ist hierbei zu beachten, dass es im Schornsteinfegerhandwerksrecht – anders als im Beamtenrecht – keine regelmäßigen oder anlassbezogenen Beurteilungen (eines Dienstherrn) gibt, die das gesamte Spektrum der vorgenannten Kriterien der Bestenauslese abdecken und daher einen unmittelbaren Leistungsvergleich auf einer tragfähigen Grundlage ermöglichen. Auch in diesem Berufsfeld erstellte Arbeitszeugnisse und Ergebnisse von Kehrbezirkskontrollen sind oft nur begrenzt aussagekräftig und ermöglichen insbesondere keinen unmittelbaren Vergleich von Kehrbezirksinhabern und Nichtkehrbezirksinhabern. Insoweit bedarf es der Aufstellung von objektiven, am Leistungsgrundsatz orientierten Kriterien, welche die Merkmale Eignung, Befähigung und fachliche Leistung konkretisieren und in ihrer Gesamtheit einen tragfähigen Leistungsvergleich der Bewerber um Kehrbezirke ermöglichen. Sowohl bei der Formulierung der abstrakten Kriterien, durch die die Begriffe "Eignung", "Befähigung" und "fachliche Leistung" näher konkretisiert werden, als auch bei der Anwendung dieser Kriterien auf den jeweiligen Einzelfall dürfen dabei nur solche Persönlichkeits- und Qualifikationsmerkmale berücksichtigt werden, die einen Bezug zu den in den §§ 13-16 SchfHwG aufgeführten Aufgaben und Befugnissen aufweisen (vgl. BayVGH, Urt. v. 21. Mai 2013 - 22 BV 12.1739 -, juris Rz. 36 [m. w. N.]).

31

Zur Bestimmung abstrakter Kriterien für einen Leistungsvergleich ist zwar in besonderem Maße der Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 5 SchfHwG (a. F.) berufen, der insoweit auch einen relativ weiten Einschätzungsspielraum als Normgeber hat, welche Kriterien im Hinblick auf das Anforderungsprofil eines Kehrbezirksinhabers sachlich zu rechtfertigen sind. Soweit solche Kriterien durch die ausschreibende Behörde selbst festgelegt werden müssen, unterliegen diese – im Vergleich zum Kriterienkatalog eines Normgebers – einer weitergehenden Inhaltskontrolle dahingehend, inwieweit sie in sachlicher Hinsicht dem Leistungsgrundsatz des § 9 Abs. 4 SchfHwG (a. F.) Rechnung tragen können. Demgegenüber unterliegt die Entscheidung der Behörde darüber, welcher Bewerber unter Berücksichtigung der festgelegten Leistungsmerkmale der Bestgeeignete für den ausgeschriebenen Kehrbezirk ist, als Akt wertender Erkenntnis des für die Beurteilung zuständigen Organs einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Dies gilt insbesondere auch dafür, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände die Behörde im Rahmen ihres Auswahlermessens das größere Gewicht beimisst (zum Ganzen: BayVGH, Urt. v. 22. Dezember 2011 - 22 B 11.1139 -, juris). Die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung beschränkt sich daher darauf, ob das der Auswahlentscheidung zu Grunde gelegte Anforderungsprofil sachlichen, dem Grundsatz der Bestenauslese entsprechenden Erwägungen entspricht, ob die Behörde einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob allgemein gültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet oder ob sachfremde Erwägungen angestellt wurden. Letztlich sind also die Sachgerechtigkeit der Auswahlkriterien und ihre willkürfreie Anwendung zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13. Juli 2017 - 8 B 5.17 -, juris). Die Grenzen des der zuständigen Behörde zustehenden Beurteilungsspielraums sind insbesondere dann überschritten, wenn sich die der getroffenen Gewichtung zugrunde liegenden Erwägungen als nicht nachvollziehbar erweisen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10. November 2016 - 4 A 2279/13 -, juris Rz. 46 ff. [m. w. N.]). Ein Anspruch des von einer fehlerhaften Auswahlentscheidung in seinen Rechten betroffenen Bewerbers auf eine erneute Auswahlentscheidung besteht aber nur dann, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also zumindest möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200; s. auch BayVGH, Urt. v. 21. Mai 2013 - 22 BV 12.1739 -, juris Rz. 48).

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Bei Anlegung dieser Maßstäbe unterliegt die streitgegenständliche Auswahlentscheidung bereits deshalb rechtlichen Beanstandungen, weil das vom Beklagten der Entscheidung zugrunde gelegte Bewertungssystem nicht in ausreichendem Maße auf sachgerechten Erwägungen beruht. Dies betrifft zunächst die Gewichtung der Berufserfahrung der Bewerber.

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Grundsätzlich darf bei der Auswahlentscheidung der bisherigen Berufserfahrung der Bewerber ein besonderes Gewicht beigemessen werden. Dies gilt auch im Verhältnis zur Gewichtung der Meisterprüfungsnote. Denn es ist davon auszugehen, dass die Meisterprüfung mit zunehmender Tätigkeit im Beruf und der darin gesammelten Berufserfahrung mehr und mehr an Gewicht verliert (vgl. BayVGH, Urt. v. 22. Dezember 2011 - 22 B 11.1139 -, juris Rz. 52). Dies darf, insbesondere im Hinblick darauf, dass leistungsstarke jüngere Bewerber im Auswahlverfahren eine echte Chance erhalten müssen, allerdings nicht dazu führen, dass das Ergebnis der Meisterprüfung bis fast zur Bedeutungslosigkeit marginalisiert wird. So darf für das bloße Bestehen der Meisterprüfung kein unangemessen hoher Punktwert im Verhältnis zur bestmöglichen Bewertung der Meisterprüfung vorgesehen werden. Ferner darf nicht schon durch eine nur kurzzeitige Berufserfahrung selbst die schwächste Note in der Meisterprüfung ausgeglichen werden können (vgl. BayVGH, Urt. v. 22. April 2013 - 22 BV 12.1728 -, juris Rz. 40). Die gesetzliche Trias aus Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung soll dazu führen, dass die längere Berufserfahrung älterer Bewerber einerseits und die Aktualität des Prüfungswissens und ggf. die bessere Prüfungsnote jüngerer Bewerber andererseits durch eine angemessene Gewichtung von Berufserfahrung und Qualifikation gleichermaßen berücksichtigt werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 22. April 2013 - 22 BV 12.1722 -, juris Rz. 45). Dabei ist durch eine Deckelung der berücksichtigungsfähigen Berufsjahre sicherzustellen, dass keine Ungleichbehandlung zwischen jüngeren und älteren Bewerbern erfolgen kann und dem Gesetzeszweck, dass Nichtkehrbezirksinhaber künftig schneller als früher einen Kehrbezirk erhalten können, Rechnung getragen wird. Zudem stößt eine starke Gewichtung der Berufserfahrung dann auf Bedenken, wenn Hinweise auf eine nicht ordnungsgemäße Berufsausübung vorliegen. Denn die durch die Berufsausübung erlangte Berufserfahrung spricht nur dann für eine bessere Befähigung, wenn der Beruf ohne Beanstandungen ausgeübt wurde (vgl. zum Vorstehenden BayVGH, Urt. v. 22. Dezember 2011 - 22 B 11.1139 -, juris Rz. 52).

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Diesen Maßstäben genügt die in der Bewertungsmatrix des Beklagten vorgenommene Gewichtung der Berufserfahrung der Bewerber im Vergleich zur Gewichtung der Meisterprüfungsnoten nicht. Zwischen der Bestnote „1“ und der schlechtesten Note „4“ besteht ein Bewertungsunterschied von 15 Punkten. Dieser sich aus dem Vergleich der Meisterprüfungsnoten ergebende Punktevorsprung eines Bewerbers mit der Note 1 vor einem Bewerber mit der Note 4 könnte etwa bereits dadurch kompensiert werden, dass der in der Meisterprüfung deutlich schlechtere Bewerber gegenüber dem besseren Bewerber zwei Jahre mehr Berufserfahrung als Meistergeselle bzw. selbständiger Meister aufweisen kann. Da nach der Bewertungsmatrix Meistergesellenjahre/selbständige Meisterjahre mit dem Faktor 7,5 zu multiplizieren sind, ergäbe sich für den zwei Jahre berufserfahreneren Bewerber insoweit immer ein Bewertungsvorsprung von 15 Punkten. Aufgrund dieser im Verhältnis zu der Berücksichtigung der Unterschiede bei der Meisterprüfungsnote höheren Gewichtung eines Berufserfahrungsvorsprungs wäre eine deutlich schlechtere Meisterprüfungsnote (im Beispiel um drei Notenstufen, was einen Punkteunterschied von lediglich 15 bedeutet) schnell durch eine größere Berufserfahrung kompensiert. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Meisterprüfungsnote Aufschluss über die Ausprägung des berufsbezogenen Fachwissens eines Bewerbers widerspiegelt, während die Berufserfahrung nach der Bewertungsmatrix allein in zeitlicher Hinsicht, d. h. im Wesentlichen ohne Berücksichtigung der Qualität der hierbei erbrachten fachlichen Leistungen, wertend in die Betrachtung einbezogen werden, erscheint dies nicht als sachgerecht bzw. führt zu einer überhöhten Berücksichtigung der Berufserfahrung. Anders gewendet kommt der Meisterprüfungsnote nach dem Bewertungssystem des Beklagten eine nicht hinreichend gewichtige Bedeutung zu. Auch wenn Zeugnisse mit zunehmender Zeitdauer an Aussagekraft über die aktuelle Leistungsfähigkeit eines Bewerbers und dessen Fachwissen verlieren, führt die Bewertungsmatrix dazu, dass selbst einem bereits mehrere Jahre als Meistergeselle oder selbständiger Meister berufserfahrenen Bewerber mit der Spitzennote in der Meisterprüfung bei alleiniger wertender Betrachtung der Berufserfahrung nicht der Vorzug vor einem um drei Notenstufen schlechteren Bewerber eingeräumt werden könnte, sobald der schlechtere Bewerber nur zwei Jahre mehr einschlägige Berufserfahrung aufweisen kann. Daraus folgt eine Fehlgewichtung der Meisterprüfungsnote bzw. des Aspektes der Berufserfahrung, die vom insoweit bestehenden Beurteilungsspielraum des Beklagten nicht mehr gedeckt ist. Dieser Befund zeigt sich nicht zuletzt daran, dass selbst mit einem Gesellenjahr mehr Berufserfahrung aufgrund des diesbezüglich in der Bewertungsmatrix vorgesehenen Faktors 5 eine um eine Notenstufe bessere Meisterprüfungsnote ausgeglichen werden kann. Denn der Bewertungsunterschied zwischen den einzelnen Meisterprüfungsnoten beträgt auch lediglich 5 Punkte. Nach den dargestellten rechtlichen Grundsätzen darf aber nicht schon durch eine nur kurzzeitige Berufserfahrung selbst die schwächste Note in der Meisterprüfung ausgeglichen werden können.

35

Die überbetonte Gewichtung der Berufserfahrung im Verhältnis zur Meisterprüfungsnote begegnet zudem dahingehend rechtlichen Bedenken, dass nach der Bewertungsmatrix, die der Beklagte seinen Auswahlentscheidungen zugrunde legt, im Bereich der Bewertung der Berufserfahrung Punktabzüge für eine fehlende oder nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nur bei denjenigen Bewerbern vorgesehen sind, die bereits als bevollmächtigte BSF tätig gewesen sind und daher – anders als Mitbewerber, denen in der Vergangenheit noch kein Kehrbezirk übertragen worden ist – der Aufsicht der zuständigen Behörde nach § 21 SchfHwG unterstanden haben. Zwar wird der Beklagte bezogen auf diese Bewerber aufgrund seiner Aufsichtsfunktion am ehesten Erkenntnisse über die Art und Qualität der Berufsausübung gewinnen können. Dies rechtfertigt es indes nicht, in der Bewertungsmatrix in Bezug auf Bewerber, die in der Vergangenheit nicht seiner Aufsicht unterstanden haben, bei der Bewertung der Berufserfahrung keine Punktabzüge für nicht ordnungsgemäße Arbeitsleistungen vorzusehen. Denn wie bereits ausgeführt, besagt allein der Umfang der vorhandenen Berufserfahrung nichts über die Güte der während der Berufsausübung erzielten Arbeitsergebnisse, mithin das dabei dokumentierte Fachwissen und Fachkönnen des Bewerbers. Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Berufsausübung müssen daher bei der Bewertung der Berufserfahrung bei allen Bewerbern berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob sie bereits einen Kehrbezirk innehatten oder nicht. Ob und wie der Beklagte sich im Einzelnen Kenntnis über die Ordnungsgemäßheit der Berufsausübung der Bewerber verschaffen muss, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Zumindest die Einholung einer Auskunft von der jeweiligen Schornsteinfegerinnung oder deren Beibringung durch die Bewerber erscheint gerade im Hinblick auf die offensichtliche Bedeutsamkeit der Berufserfahrung für die Auswahlentscheidung über die Bestellung eines bBSF jedenfalls nicht als unverhältnismäßig aufwändig.

36

Konkreten Anhaltspunkten für eine nicht ordnungsgemäße Berufsausübung während der Zeiten, die bei der Auswahlentscheidung als Berufserfahrung Berücksichtigung finden sollen, ist aber nur dann durch eine entsprechende (negative) Gewichtung Rechnung zu tragen, wenn sie dem Beklagten im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung bekannt gewesen sind oder – aufgrund zumutbar einzuholender Auskünfte – hätten bekannt sein können. Denn für die Beurteilung rechtlich komplexer Auswahlentscheidungen in Konkurrenzsituationen der vorliegenden Art ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der behördlichen Auswahlentscheidung abzustellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 4. März 2016 - 6 S 2239/15 -, juris Rz. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10. November 2016 - 4 A 2279/13 -, juris Rz. 52). Die Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern für die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister setzt neben der Feststellung objektiver Tatsachen bei der Eignungsbeurteilung einen prognostischen Akt wertender Kenntnis voraus, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist und Maßstab bildende Elemente enthält, die die zuständige Behörde selbst festzulegen hat. Maßgeblich für den zu beurteilenden Sachstand ist in derartigen Fällen deshalb grundsätzlich das Erkenntnismaterial, das der Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24. Juni 2004 - 2 C 45/03 -, juris Rz. 18). Jedenfalls bei komplexen Auswahlentscheidungen in Konkurrenzsituationen kann die Entscheidungsgrundlage nur punktuell festgelegt werden und ist daher auch bei Verpflichtungsklagen auf den Auswahlzeitpunkt fixiert (vgl. BayVGH, Beschl. v. 2. August 2010 - 22 CS 10.1572 -, juris Rz. 16).

37

Hiervon ausgehend kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob und inwieweit der Beigeladene nach seiner zwischenzeitlich erfolgten Bestellung zum bBSF im hier in Rede stehenden Kehrbezirk seine Aufgaben ordnungsgemäß wahrgenommen hat. Soweit sich diesbezüglich aus dem Vorbringen des Klägers Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beigeladene nicht sorgfältig handelt und ggf. Zweifel an seiner Zuverlässigkeit aufkommen lässt, hätte der Beklagte dem an sich in einem Verfahren zur Rücknahme oder zum Widerruf der Bestellung des Beigeladenen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG oder in einem Verfahren zur Aufhebung der Bestellung nach § 12 SchfHwG nachzugehen. Da die streitgegenständliche Auswahlentscheidung und die Bestellung des Beigeladenen zum bBSF aber der gerichtlichen Aufhebung unterliegt, hat der Beklagte vor einer erneuten Auswahlentscheidung zu prüfen, ob sich aus dem Klagevorbringen zureichende konkrete Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch den Beigeladenen ergeben und dies ggf. im Rahmen der Gewichtung der Berufserfahrung des Beigeladenen zu berücksichtigen. Gleiches gilt, soweit der Beklagte bei einer Prüfung der die frühere Berufsausübung des Beigeladenen betreffenden Einwendungen des Klägers eine mangelhafte Ausführung der vom Beigeladenen übernommenen Schornsteinfegerarbeiten zu erkennen vermag.

38

Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung ist auch im Hinblick auf die Anerkennung verschiedener Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Zusatzqualifikationen zu beanstanden.

39

Das Prinzip der Bestenauslese gebietet es, nicht nur die bei der Meisterprüfung erzielten Ergebnisse angemessen zu berücksichtigten, sondern auch einschlägige Fortbildungsqualifikationen. Hat sich ein Bewerber einschlägig weitergebildet, so muss dies dann zusätzlich in Ansatz gebracht werden, wenn hierdurch gewährleistet wird, dass die das zu übertragende öffentliche Amt betreffenden, in der Meisterprüfung nachgewiesenen Kenntnisse erweitert oder vertieft, zumindest auf dem Laufenden gehalten werden. Die Berücksichtigung zusätzlich erworbener Qualifikationen ist allerdings nur insoweit zwingend, als hinreichend gesichert ist, dass Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen die Eignung, Befähigung oder fachliche Leistungsfähigkeit tatsächlich erhöht haben. Dies wird in der Regel nur dann der Fall sein, wenn hierüber entweder ein zumindest prüfungsähnlicher Leistungsnachweis erbracht wurde oder unabhängig davon feststeht, dass die im Rahmen einer Weiterbildung vermittelten Kenntnisse Bestandteil des Wissens oder der praktischen Fertigkeiten des Bewerbers geworden sind. Inwieweit die Bestellungsbehörde auch Bescheinigungen über den Besuch von Lehrgängen, Seminaren etc. anerkennt, bei denen der Erfolg der Vermittlung der Lehrinhalte nicht überprüft wurde, obliegt – sofern der erforderliche fachliche Bezug besteht – demgegenüber der Ausübung ihres Beurteilungsspielraums. Dessen pflichtgemäße Wahrnehmung wird davon abhängen, ob auch ohne Leistungsnachweis als gesichert gelten kann, dass die Teilnahme hieran dem Bewerber tatsächlich einen andauernden Kenntniszuwachs verschafft hat. Ein Beurteilungsspielraum der Bestellungsbehörde bei der Anerkennung von Weiterbildungen ist auch dann anzuerkennen, wenn eine derartige Maßnahme lange zurückliegt. Denn in solchen Fällen ist damit zu rechnen, dass die seinerzeit erworbenen Kenntnisse dem Betroffenen nicht mehr (ausreichend) präsent sind. Außerdem erhöht sich mit zunehmendem Abstand zu der nach § 9 Abs. 4 SchfHwG (a. F.) zu treffenden Entscheidung die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte einer derartigen Weiterbildungsmaßnahme nicht mehr aktuell sind. Ob sie berücksichtigungsfähig sind, muss daher der sachkundigen Einschätzung der zuständigen Behörde vorbehalten bleiben (vgl. zum Ganzen BayVGH, Urt. v. 21. Mai 2013 - 22 BV 12.1739 -, juris Rz. 42 ff.).

40

Dies zugrunde gelegt ist es zunächst sachgerecht und beurteilungsfehlerfrei, wenn der Beklagte nach seiner Bewertungsmatrix nur Fort- und Weiterbildungen berücksichtigt, die nicht länger als fünf Jahre zurückliegen, einen unmittelbaren Bezug zu den Aufgaben eines bBSF und einen Umfang von jeweils mindestens sechs Stunden haben. Mit der wertenden Berücksichtigung einer Fort- und Weiterbildung erst ab einem Umfang von sechs Stunden hält der Beklagte sich in dem ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraum. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Fortbildung mit einem solchen Mindestumfang einen größeren Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn vermittelt als eine Fortbildung mit einer darunter liegenden Dauer. Die Fortbildung und deren Dauer stehen damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Befähigung der jeweiligen Bewerber. Hiervon ausgehend ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte lediglich solche Fortbildungen berücksichtigt, die der Bewerber im – voraussichtlichen – Zeitpunkt der Auswahlentscheidung auch tatsächlich abgeschlossen hat. Denn mit einer noch nicht beendeten – und erst recht nicht mit einer noch gar nicht angetretenen – Fortbildung ist eben kein Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn verbunden, der mit Blick auf die angestrebte Bestellung zum bBSF unter dem Gesichtspunkt der Befähigung eines Bewerbers berücksichtigt werden könnte. Dementsprechend war der vom Kläger angeführte Existenzgründerlehrgang nicht mit weiteren Punkten zu bewerten. Denn der Kläger hatte diesen Lehrgang im – wie bereits dargestellt – maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung weder beendet geschweige denn überhaupt begonnen.

41

Allerdings hat der Beklagte rechtsfehlerhaft verschiedene Fortbildungen des Klägers unter Verweis auf die in den eingereichten Nachweisen fehlenden Stundenangaben unberücksichtigt gelassen. Zwar ergibt sich aus der Bewertungsmatrix, die für alle Bewerber vor Ablauf der Bewerbungsfrist im Internet einsehbar war, dass es für die Berücksichtigung von Fort- und Weiterbildungen auf deren Stundendauer ankommt. Für die Bewerber war indes weder in der Ausschreibung noch in der Bewertungsmatrix mit der hierfür erforderlichen hinreichenden Deutlichkeit erkennbar, dass allein der Umstand einer fehlenden Angabe des Stundenumfangs einer Fort- und Weiterbildung zu deren Nichtberücksichtigung führt, und zwar auch dann, wenn die Mindeststundendauer tatsächlich erreicht worden ist. Ohne Erfolg verweist der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, nach der Ausschreibung des Kehrbezirks seien Bewerbungsunterlagen vollständig bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist, die eine Ausschlussfrist darstelle, einzureichen. Weder die einschlägigen rechtlichen Regelungen noch die Ausschreibung selbst enthalten einen deutlichen Hinweis darauf, dass der genaue Stundenumfang einer Fortbildung, für die ein Bewerber einen Nachweis binnen der Bewerbungsfrist einreicht, ggf. nicht noch nachgeliefert oder von dem Beklagten in Erfahrung gebracht werden kann. In der Ausschreibung ist lediglich die Rede davon, dass „Nachweise anhand von Teilnahmebescheinigungen und Zertifikaten mit oder ohne Kompetenznachweis über regelmäßige, berufsspezifische Weiterbildungen“ einzusenden sind. In Anbetracht der weitreichenden Konsequenzen, die mit einer Nichtberücksichtigung von absolvierten Fort- und Weiterbildungen bei der Auswahlentscheidung und damit für die weiteren Erwerbschancen des betreffenden Bewerbers verbunden sind, ist die Handhabung des Beklagten im konkreten Fall mit Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.

42

Außerdem ist rechtlich zu erinnern, dass nicht ersichtlich ist, anhand welcher Kriterien der Beklagte die von Bewerbern eingereichten Geschäftskonzepte als nachvollziehbar oder nicht nachvollziehbar bewertet und damit über die Vergabe von 5 Punkten entscheidet. Zwar verfügt der Beklagte auch insoweit über einen Beurteilungsspielraum, welcher der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Um einem unterlegenen Bewerber, dessen Geschäftskonzept nicht als nachvollziehbar angesehen worden ist, ebenso wie einem Bewerber, der – wie hier der Kläger – die Einstufung des Geschäftskonzeptes des ausgewählten Bewerbers als nachvollziehbar in Zweifel zieht, und schließlich auch dem Gericht die Überprüfung der insoweit getroffenen Wertungsentscheidung des Beklagten unter Berücksichtigung des insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums zu ermöglichen, müssen die vom Beklagten angelegten Kriterien bzw. Maßstäbe aber dokumentiert und damit erkennbar sein. Andernfalls ist diesbezüglich ein effektiver Rechtsschutz, den Art. 19 Abs. 4 GG fordert, nicht erreichbar.

43

Bei den vorstehend festgestellten Mängeln kann nicht angenommen werden, dass der Kläger im Fall einer rechtsfehlerfreien neuen Auswahlentscheidung gegenüber dem Beigeladenen chancenlos wäre. Zwar würde der Punkteabstand zwischen dem Kläger (104,45 Punkte) und dem Beigeladenen (139,03 Punkte) nicht allein dadurch kompensiert, wenn dem Kläger weitere Punkte für die Fort- und Weiterbildungen zuerkannt würden, welche der Beklagte aufgrund fehlender Stundennachweise unberücksichtigt gelassen hat, und der Beigeladene nicht fünf Punkte auf sein Geschäftskonzept erhielte. Der Beklagte hat mangels Stundennachweises drei Fort- und Weiterbildungen nicht anerkannt, die der Kläger in den Jahren 2011, 2012 und 2014 absolviert hat. Da ein Kompetenznachweis für diese Veranstaltungen nicht vorliegt, würde der Kläger, soweit es sich hierbei jeweils um mindestens sechsstündige Fort- und Weiterbildungen handelt, nach der Bewertungsmatrix des Beklagten insgesamt sechs weitere Punkte (3 x 2 Punkte) erhalten und käme in diesem Bereich auf insgesamt 33 statt bislang 27 Punkte. Hiervon ausgehend fiele der Punktevorsprung des Beigeladenen um 11 Punkte geringer aus, wenn dem Beigeladenen auch noch fünf Punkte aufgrund fehlender Nachvollziehbarkeit seines Geschäftskonzepts abgezogen würden.

44

Vor allem beruht der Punkteabstand zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen aber überwiegend auf der rechtlich beanstandeten Gewichtung der Berufserfahrung. Allein in diesem Bereich bleibt der Kläger um 18,58 Punkte hinter dem Beigeladenen zurück. Der Beklagte hat in der an den Kläger adressierten Mitteilung des Ergebnisses des Auswahlverfahrens dementsprechend auch tragend darauf abgestellt, dass der Beigeladene über die größere Berufserfahrung verfüge. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen nicht die überproportionale Gewichtung der Berufserfahrung im Vergleich zum Ausprägungsgrad der Meisterprüfungsnote ausgewirkt hat. Denn sowohl der Kläger als auch der Beigeladene können lediglich die schlechteste Meisterprüfungsnote vorweisen. Allerdings ist angesichts des dem Beklagten bei der Auswahlentscheidung unter mehreren Gesichtspunkten eingeräumten Beurteilungsspielraumes nicht zu prognostizieren, wie der Beklagte die Fehlgewichtung der Berufserfahrung beheben wird. Es ist beispielsweise denkbar, dass der Beklagte die Berufserfahrung mit niedrigeren Faktoren gewichtet. In diesem Fall würde der Punktevorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Kläger bei alleiniger Betrachtung des Umfangs der Berufserfahrung jedenfalls geringer ausfallen. Auch wenn es insoweit nicht unwahrscheinlich ist, dass der Beklagte wie bisher Gesellenjahre mit einem geringeren Faktor berücksichtigt als Meistergesellenjahre bzw. selbständige Meisterjahre, mit der Folge, dass der Kläger rechnerisch hinter dem Beigeladenen zurückbleiben würde, da Letzterer deutlich mehr Meistergesellenjahre vorzuweisen hat, darf die Kammer dies nicht einfach unterstellen. Andernfalls würde in den Beurteilungsspielraum des Beklagten eingegriffen, der das bisher praktizierte Bewertungssystem – in dem dargestellten rechtlichen Rahmen zumindest theoretisch denkbar – auch gänzlich anders ausgestalten könnte. Hinzu tritt, dass nicht sicher einzuschätzen ist, ob und in welchem Maße der Beklagte die vom Kläger erhobenen Einwände in Bezug auf die Qualität der Berufsausübung des Beigeladenen bei einer neuen Auswahlentscheidung aufgreift und, sollten diese Einwände zutreffend sein, bei der Gewichtung der Berufserfahrung des Beigeladenen berücksichtigt.

45

Hat die Klage bereits aus den vorstehend dargestellten Gründen Erfolg, kommt es auf die übrigen Einwendungen des Klägers nicht mehr an. Lediglich zu dem Einwand des Klägers, der Beigeladene verfüge nicht über die für die Wahrnehmung der Aufgaben eines bBSF erforderlichen Rechtskenntnisse, merkt die Kammer im Hinblick auf die vom Beklagten erneut zu treffende Auswahlentscheidung Folgendes an:

46

Nach § 5 Abs. 2 AASchfVO LSA müssen die Bewerber über die für die Erfüllung der Aufgaben von bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegern erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen. Ob dies der Fall ist, muss die Auswahlbehörde vor der eigentlichen Auswahlentscheidung beantworten. Dies ergibt sich systematisch daraus, dass § 5 AASchfVO LSA verschiedene Anforderungen festlegt, während die Grundsätze für die Auswahl im engeren Sinne – den eigentlichen Vergleich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung – in § 6 AASchfVO LSA geregelt sind. Nach den das Auswahlverfahren näher konkretisierenden landesrechtlichen Verordnungsregelungen scheidet aus der engeren Bewerberauswahl somit von vornherein aus, wer nicht über die für die Erfüllung der Aufgaben eines bBSF erforderlichen Rechtskenntnisse verfügt. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da es sich bei Rechtskenntnissen um leistungsbezogene Qualifikationsmerkmale handelt, die einen unmittelbaren Bezug zu den in den §§ 13-16 SchfHwG aufgeführten Aufgaben und Befugnissen eines bBSF aufweisen, zu denen insbesondere die Durchführung der Feuerstättenschau nach § 14 SchfHwG und der Erlass von Feuerstättenbescheiden nach § 14 a SchfHwG als allein dem bBSF obliegenden Aufgaben gehören.

47

Hiervon ausgehend muss der Beklagte vor der eigentlichen Auswahlentscheidung prüfen, ob die Bewerber überhaupt, d. h. unabhängig von einem Vergleich mit den übrigen Bewerbern, aufgrund vorhandener einschlägiger Rechtskenntnisse für eine Bestellung zum bBSF geeignet sind. Es erscheint zumindest als fraglich, ob der Beklagte bei der hier streitgegenständlichen Auswahlentscheidung eine derartige Prüfung vorgenommen hat. Jedenfalls hat sich der Beklagte in seinen Auswahlerwägungen, derer es nach § 6 Abs. 5 AASchfVO LSA zwingend bedarf, hierzu nicht ausdrücklich verhalten. Ohne eine derartige schriftliche Dokumentation ist aber weder für die unterlegenen Bewerber noch für das Gericht in einer den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Weise erkennbar, ob und anhand welcher Kriterien der Beklagte festgestellt hat, dass der ausgewählte Bewerber über die erforderlichen Rechtskenntnisse für die Ausübung des Amtes eines bBSF verfügt.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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