Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 A 25/18

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines Beitrages für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage des Beklagten.

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Er ist Eigentümer eines in der Gemarkung A-Stadt belegenen Grundstücks Flur …, Flurstück …(…straße ). Das Grundstück war am 15.06.1991 an einen Abwasserkanal angeschlossen, der vor dem Grundstück verläuft.

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Der Beklagte betreibt eine zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage zur Schmutzwasserbeseitigung in Teilen der Verbandsgemeinden O… und W… sowie in der Einheitsgemeinde Stadt A-Stadt und Teilen der Einheitsgemeinde Stadt W... . Zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung dieser Anlage erließ der Beklagte Satzungen über die Erhebung von Schmutzwasserbeiträgen auch für solche Grundstücke, die vor dem 15.06.1991 bereits an eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage zur Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten. Es handelt sich um einen sogenannten besonderen Herstellungsbeitrag, den der Beklagte – in Unterscheidung zu den Herstellungsbeiträgen bei neu angeschlossenen Grundstücken – als Herstellungsbeitrag II bezeichnet.

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Zunächst erließ der Beklagte am 24.02.2015 eine Herstellungsbeitrag-II-Satzung, die am 24.02.2015 durch die Verbandsversammlung des Beklagten beschlossen und am 16.03.2015 in Kraft trat. Sie wurde durch die 1. Änderungssatzung vom 25.06.2015, die am 29.06.2015 in Kraft trat, geändert. Der Beitragssatz für den besonderen Herstellungsbeitrag wurde mit 2,94 €/m2 Beitragsfläche bestimmt.

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Sodann erließ der Beklagte eine neue Herstellungsbeitrag-II-Satzung vom 04.12.2018, die am 09.12.2018 im Amtsblatt des Landkreises … veröffentlicht wurde. Der Beitragssatz des besonderen Herstellungsbeitrages wurde auf 3,90 €/m² der Beitragsfläche bestimmt. Für das Inkrafttreten der Satzung wurde geregelt:

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"§ 13
In-Kraft-Treten

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(1) Diese Satzung tritt rückwirkend zum 16.03.2015 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Satzung vom 24.02.2015 in der Fassung von 25.06.2015 außer Kraft.

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(2) Für die Zeit vom 16.03.2015 bis zum Tage der Bekanntmachung diese Satzung werden die nach den Vorschriften der §§ 3 und 4 dieser Satzung zu berechnenden Beiträge der Höhe nach auf die sich aus der Satzung vom 24.02.2015 in der Fassung der Änderung vom 25.06.2015 ergebenden Beitragshöhen beschränkt."

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Bereits mit Bescheid vom 28.09.2015 erhob der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Herstellungsbeitrag II in Höhe von 4.446,75 €. Der Ermittlung des Beitrages lagen eine Grundstücksfläche von 6.050 m² und ein Vollgeschoss zugrunde. Der Beitragssatz wurde mit 2,94 €/m² berücksichtigt.

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Mit Schreiben vom 26.10.2015 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Beitragsbescheid. Eine Begründung des Widerspruchs erfolgte nicht.

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Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 19.06.2017 als unbegründet zurück.

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Der Kläger hat am 20.07.2017 Klage erhoben. Er beantragt die Aussetzung des Verfahrens und verweist auf das bei dem Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 1185/17 und auf die Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts bei dem Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren 9 C 5/17. Es bestünden erhebliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Regelungen des Kommunalabgabengesetzes mit dem Grundgesetz. Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts in dem Verfahren LVG 1/16 sei eine Entscheidung von vier gegen drei Stimmen gewesen. Im Falle des Landes Brandenburg habe das Bundesverfassungsgericht kommunalabgabenrechtliche Regelungen über einen besonderen Herstellungsbeitrag für verfassungswidrig erklärt. In der Sache wendet der Kläger ein, nicht überprüfen zu können, ob die Gesamtheit der heranzuziehenden Grundstücke tatsächlich von dem Beklagten in seine Kalkulation eingestellt worden sei. Ferner sei in die Kalkulation des Beklagten ein Herstellungsaufwand deswegen nicht eingestellt worden, da von dem Gesamtaufwand bei der Kalkulation des Herstellungsbeitrages II nur ein Teil in Ansatz gebracht worden sei. Dadurch liege der in der Satzung festgelegte Beitragssatz von 2,94 €/m² 27 % unter der Beitragsobergrenze. Wegen Verletzung der Beitragserhebungspflicht sei die Satzung damit unwirksam.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid vom 28.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2017 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verweist für die Entstehung der Beitragspflicht und die dafür notwendige Herstellung einer öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung zum einen darauf, dass bis zum 31.12.1992 eine öffentliche Einrichtung im Rechtssinne nicht habe hergestellt werden können. Die Gemeinden seien erst seit dem 07.12.1993 abwasserbeseitigungspflichtig geworden. Zum anderen sei erst durch die Veröffentlichung der am 18.05.1995 beschlossenen Abwasserbeseitigungssatzung den bereits angeschlossenen Nutzern ein Anschlussrecht eingeräumt worden. Darüber hinaus bestehe die Entwässerungssituation vom 15.06.1991 für das Grundstück des Klägers seitdem bis heute fort. Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.08.2018 (4 K 221/15) habe der Beklagte seine Kalkulation überarbeitet. Der Aufwand für die gemeinsam von Alt- und Neuanschließern genutzten Anlageteile sei nunmehr nicht nur anteilig, sondern vollständig auf Seiten der Altanlieger berücksichtigt worden. Dies führe zu einem neuen Beitragssatz mit einer Obergrenze von 4,10 €/m². Vor diesem Hintergrund sei die Satzung neu erlassen worden. Der rückwirkende Erlass der Abgabensatzung sei zulässig. Das Schlechterstellungsverbot sei jedoch zu beachten und der Beitragssatz im Übergangsrecht auf die bisherigen Beitragshöhen zu beschränken gewesen.

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Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

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1. Auf den Antrag des Klägers aus seinem Schriftsatz vom 12.12.2017 war das Verfahren nicht unter (entsprechender) Anwendung des § 94 VwGO auszusetzen.

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Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zu einem Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zu der Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zu der Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Bei der Ausübung des Ermessens sind das Interesse an zügiger und effektiver Rechtsgewähr und die mit der Aussetzung bezweckte Prozessökonomie zu berücksichtigen.

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Unter Anwendung dieser Maßstäbe war der Rechtsgewähr vorliegend der Vorzug zu geben. Der Kläger verweist auf eine zu dem Herstellungsbeitrag II anhängige Verfassungsbeschwerde bei dem Bundesverfassungsgericht und auf eine Unvereinbarkeit von § 13b und § 18 Abs. 2 KAG-LSA mit dem Grundgesetz. Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann unter prozessökonomischen Gesichtspunkten nicht davon ausgegangen werden, dass in entscheidungserheblicher Weise offene verfassungsrechtliche Fragen in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren geklärt werden. Es liegt bereits eine hinreichende Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung vor. Einerseits das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.03.2017 – 9 B 19/16 –, juris, Rn. 8 und 10) und andererseits sowohl das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. zuletzt OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.12.2018 – 4 L 164/17 –, juris) als auch das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.01.2017 – LVG 1/16 –) haben keinen verfassungsrechtlichen Verstoß in einer unechten Rückwirkung des § 13b und § 18 Abs. 2 KAG-LSA und auch nicht im Hinblick auf das Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit erkannt.

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Das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat in dem gegen § 18 Abs. 2 KAG-LSA geführten Normenkontrollverfahren entschieden, dass die sich im Einzelfall ergebende mögliche Höchstfrist von 24,5 Jahren auch für die bereits bis zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit sowie des Kommunalabgabengesetzes vom 06.10.1997 (GVBl. LSA S. 878) eingetretenen tatsächlichen Vorteilslagen keinen Verstoß gegen das Verbot einer echten Rückwirkung darstellt, mithin nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt und mit der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vereinbar ist (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.01.2017 – LVG 1/16 –). Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat hierzu ausgeführt, dass die Regelungen in § 13b und § 18 Abs. 2 KAG-LSA den berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich einerseits und der Einzelnen an Rechtssicherheit andererseits hinreichend Rechnung tragen. Die gewählte Ausschlussfrist von grundsätzlich zehn Jahren ab Eintritt der Vorteilslage, die jedoch nicht vor dem Ende des Jahres 2015 abläuft, hält sich im Rahmen des dem Gesetzgeber insoweit zustehenden weiten Gestaltungsspielraums und belastet die Abgabepflichtigen nicht unzumutbar. Zum einen unterschreitet sie die auch dem öffentlichen Recht nicht fremde 30-jährige Verjährungsfrist (vgl. § 53 Abs. 2 VwVfG) deutlich, die grundsätzlich aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens erforderlich, aber auch genügend ist. Zudem wirken die Vorteile, die durch die Erschließung eines Grundstücks und die Schaffung der erstmaligen Anschlussmöglichkeit an die leitungsgebundene öffentliche Einrichtung vermittelt wird, lange in die Zukunft fort, während ein besonderes wirtschaftliches Interesse der Beitragspflichtigen an einer möglichst zeitnahen Geltendmachung des Beitragsanspruchs nicht besteht, sondern deren Interesse nur darin liegt, erkennen zu können, wann mit einer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen ist. Schließlich sind die nach der Wiederherstellung der Deutschen Einheit bestehenden Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung und bei der Gründung von Zweckverbänden sowie die sonstigen Schwierigkeiten, in einem neuen Land wie Sachsen-Anhalt überhaupt wirksames Satzungsrecht zu erlassen, in Rechnung zu stellen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 04.06.2015 – 4 L 24/14 –, juris, Rn. 40 m. w. N.).

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Dem schließt sich die Kammer ausdrücklich an.

25

Im Falle des Klägers stellen sich auch keine weitergehenden Fragen, als sie bereits Gegenstand der vorzitierten Rechtsprechung gewesen sind.

26

Solche hat der Kläger nicht aufgezeigt. Soweit er sich auf eine Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts an das Bundesverfassungsgericht bezieht, so ergeben sich für die Rechtslage im Land Sachsen-Anhalt keine neuen Aspekte. Die Vorlage betrifft die Rechtslage in dem Land Rheinland-Pfalz, nach der – auch im Wege der Auslegung – eine an die Erlangung des Vorteils anknüpfende abgabenrechtliche Ausschlussfrist gar nicht bestehe, was sich für den Fall einer der Herstellung nachgehenden Widmung und der Möglichkeit der Gemeinde, die die Beitragserhebung mit der Widmung hinauszuzögern, auswirke (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.09.2018 – 9 C 5/17 –, juris, Rn. 24 ff.). Demgegenüber besteht eine solche Ausschlussfrist im Land Sachsen-Anhalt gemäß § 13b und § 18 Abs. 2 KAG-LSA.

27

Aus dem vorliegenden Sachverhalt ergeben sich auch keine Anknüpfungspunkte, dass eine echte Rückwirkung gegeben sein könnte.

28

Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 i. V. mit § 13b KAG-LSA Art. 1 Nr. 9 und 12 des Gesetzes zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2014 (GVBl. LSA S. 522) entfaltet im Fall des Klägers keine echte Rückwirkung im Sinne einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Es handelt sich nicht um eine Konstellation, in der diese neuen Vorschriften in eine Beitragspflicht eingreifen, deren Festsetzung zu dem Zeitpunkt der Gesetzesänderung mit Wirkung vom 24.12.2014 bereits aufgrund Eintritts der Festsetzungsverjährung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b i. V. mit § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig war. Zu diesem Zeitpunkt war die Beitragspflicht des Klägers noch nicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA in der Fassung vom 06.10.1997 entstanden. Die erste (zudem unwirksame) Satzung des Beklagten über den besonderen Herstellungsbeitrag beschloss seine Verbandsversammlung am 24.02.2015.

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Ferner entfaltete die Vorschrift des § 6 Abs. 6 KAG-LSA in der Fassung des Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit sowie des Kommunalabgabengesetzes vom 06.10.1997 (GVBl. LSA S. 878) in dem vorliegenden Fall des Klägers auch keine echte Rückwirkung im Sinne einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen durch Eingriff in eine unter Anwendung des § 6 Abs. 6 KAG-LSA in der Fassung vom 11.06.1991 (GVBl. LSA S. 105) bereits abgelaufene Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsverjährung hatte vorliegend noch nicht begonnen, da die Beitragspflicht aus zwei Gründen noch nicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG-LSA in der Fassung vom 11.06.1991 i. V. mit § 170 Abs. 1 AO entstanden war. Es fehlt nicht nur an einer bis zu dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung am 09.10.1997 wirksamen Beitragssatzung. Letztere ist für die Entstehung der Beitragspflicht auf der Grundlage des § 6 Abs. 6 KAG-LSA in der Fassung vom 11.06.1991 Voraussetzung, so dass es sich bei der am 09.10.1997 in Kraft getretenen Änderung im Land Sachsen-Anhalt nur um die Klarstellung einer in der Rechtsprechung bereits anerkannten Rechtslage handelte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.02.1998 – B 2 S 141/97 –, juris, Rn. 10 ff.). Deswegen begründet der Verweis des Klägers auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Rechtslage im Land Brandenburg keinen Zweifel an dem Vorliegen einer nur unechten Rückwirkung im Land Sachsen-Anhalt. Im Land Brandenburg war es zu einer konstitutiven Änderung der alten Rechtslage gekommen, die dort zu einer echten Rückwirkung führte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 –, juris, Rn. 47 ff.). Ungeachtet dessen war die Beitragspflicht des Klägers aus einem zweiten Grund noch nicht entstanden. Die beitragsfähige Maßnahme war zu dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung am 09.10.1997 nicht im Sinne des § 6 Abs. 6 KAG-LSA in der Fassung vom 11.06.1991 abgeschlossen.

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2. Der Bescheid über die Erhebung eines Herstellungsbeitrags II für die Schmutzwasserbeseitigung vom 28.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2017 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

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a) Die Rechtmäßigkeit des Bescheides beurteilt sich nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG-LSA i. V. mit § 1 Abs. 1, § 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 und 3 sowie Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA i. V. mit § 1 Abs. 2 und §§ 2 bis 4 der Satzung über die Erhebung von besonderen Herstellungsbeiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung des Beklagten vom 04.12.2018, die am 09.12.2018 im Amtsblatt für den Landkreis .... (Nr. 71-1) bekannt gemacht worden ist (im Folgenden: Herstellungsbeitrag-II-Satzung).

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aa) Als Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Herstellungsbeitrags II scheidet die Herstellungsbeitrag-II-Satzung insoweit aus, als der Beitragssatz gemäß § 4 unter Berücksichtigung einer Beschränkung der Höhe nach gemäß § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung erhoben wird.

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(1) Insoweit verstößt die Satzung gegen die Beitragserhebungspflicht des Beklagten gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA und ist unwirksam.

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Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA werden zur Deckung des Aufwandes für die erforderliche Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtungen von den Beitragspflichtigen im Sinne von § 6 Abs. 8 KAG-LSA, denen durch die Inanspruchnahme oder die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Leistungen ein Vorteil entsteht, nur Beiträge erhoben, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist und soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Damit wird einerseits ein Verbot bestimmt, nicht beitragsfähigen Aufwand anzusetzen, so dass der höchstzulässige Beitragssatz in einem erheblichen Umfang überschritten wird (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.04.2010 – 4 L 341/08 –, juris, Rn. 26). Zugleich bestimmt die Vorschrift andererseits eine Pflicht zu der Erhebung eines grundsätzlich aufwandsdeckenden Beitragssatzes, so dass für eine bewusste Finanzierungsentscheidung dahingehend kein Raum verbleibt, mit der aus sozialpolitischen oder anderweitigen politischen und damit vergleichbaren Gründen oder aufgrund einer Fehleinschätzung zur Aufwandsdeckung durch Gebühren auf eine eigentlich mögliche Aufwandsdeckung durch Beiträge verzichtet wird. Aus dem Grunde des Risikos einer möglichen gerichtlichen Überprüfung ist hingegen ein Abschlag gerechtfertigt, soweit noch eine aus Vorsorgegesichtspunkten festgesetzte Deckungsquote zwischen 80 % und 100 % erreicht wird. Erst eine Überschreitung dieses Sicherheitsabstandes stellt eine Verletzung der Beitragserhebungspflicht dar, die zur Nichtigkeit des Beitragssatzes und damit zur Nichtigkeit der gesamten Beitragssatzung führt, ohne dass der bestimmte Beitragssatz als Minus zum gebotenen Beitragssatz als wirksames Leistungsteil aufrechterhalten werden kann (vgl. zum Ganzen OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.08.2018 – 4 K 221/15, juris, Rn. 53 ff.).

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Gemessen an diesem Maßstab erweist sich die in § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung bestimmte Beschränkung als unwirksam.

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Die Regelung stellt eine Begrenzung der festzusetzenden Beitragshöhe dar. Sie lässt zunächst die Grundlagen der Beitragserhebung und damit auch den Beitragssatz in § 4 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung unberührt. Auf Ebene der Festsetzung führt sie jedoch zu einer Deckelung des in die Beitragsberechnung einzustellenden Beitragssatzes. Im zeitlichen Anwendungsbereich des § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung wird der regulär bestimmte Beitragssatz – in Höhe von 3,90 €/m² – auf die Höhe beschränkt, die § 4 der Satzung des Beklagten vom 24.02.2015 (insoweit nicht geändert durch die Satzung vom 26.06.2015) bestimmt – und zwar auf 2,94 €/m². Im Ergebnis führt die Regelung also zu einer Festsetzung, die von dem in den Erhebungsgrundlagen bestimmten Beitragssatz abweicht. Diese Abweichung verletzt die Beitragserhebungspflicht des Beklagten. Der in der Festsetzung zu berücksichtigende Beitragssatz von nur 2,94 €/m² unterschreitet den von der Beitragsobergrenze zulässigerweise vorzunehmenden Abschlag von bis zu 20 %. Eine Aufwandsdeckungsquote zwischen 80 % und 100 % ist nicht sichergestellt.

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Die ursprüngliche Kalkulation des Herstellungsbeitrags II vom 18.11.2014, die zu einer Beitragsobergrenze in Höhe von 3,09 €/m² führte und die der Satzung vom 14.02.2015 in der Fassung vom 25.06.2015 mit einem Beitragssatz in Höhe von 2,94 €/m² zugrunde lag, würde zwar mit über 95,1 % zu einer Wahrung der gebotenen Aufwendungsdeckungsquote führen. Diese Kalkulation und diese Beitragsobergrenze können jedoch nicht herangezogen werden. Die Kalkulation berücksichtigte nicht, dass für einen besonderen Herstellungsbeitrag, der für bereits am 15.06.1991 an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage zur Schmutzwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstücke erhoben wird, der Aufwand für die Herstellung von Anlagen(teilen), die sowohl der Entsorgung von Altanschließern also auch von Neuanschließern dienen, in voller Höhe in die Kalkulation einzustellen ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.08.2018 – 4 K 221/15 –, juris, Rn. 56 f.). Stattdessen wurden solche Herstellungsaufwände nur anteilig angesetzt, was zu dem Ergebnis erheblich geringerer Aufwände und dadurch zu einer erheblich geringeren Beitragsobergrenze führte. In der Fortschreibung der Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitrages vom 20.11.2018 hat der Beklagte – in Umsetzung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt – die Kosten für Anlagenteile, die sowohl von Altanschließern als auch von Neuanschließern genutzt werden, für Altanschließer in vollem Umfang in Ansatz gebracht. In dieser Kalkulation hat der Beklagte eine Beitragsobergrenze von 4,10 €/m² Beitragsfläche ermittelt. Die danach heranzuziehende Beitragsobergrenze von 4,10 €/m2 ergibt für die Begrenzungsregel des § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung mit 2,94 €/m2 Beitragsfläche nur eine Aufwandsdeckungsquote von unter 72 %.

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(2) Die Wirksamkeit einer Abweichung von dem Beitragssatz im Rahmen der Festsetzung lässt sich vorliegend nicht auf das von der Beklagten angeführte Gebot des § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG-LSA stützen.

39

Danach darf durch eine rückwirkend erlassene Satzung die Gesamtheit der Abgabepflichtigen nicht ungünstiger gestellt werden als nach der ersetzten Satzung. Dieses sogenannte Schlechterstellungsverbot bezieht sich auf den Fall, dass Satzungen innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkend erlassen werden, wobei die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt ausgedehnt werden kann, zu dem die zu ersetzende Satzung in Kraft getreten war oder Kraft treten sollte.

40

Im vorliegenden Fall ist allerdings § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG-LSA nicht anwendbar. Die Vorschrift greift nicht ein, wenn es um die rückwirkende Ersetzung nichtiger Satzungen geht. Unter dem Begriff der Satzung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG-LSA sind – mangels anderweitiger ausdrücklicher Bezugnahme – gemäß § 1 Abs. 3 KAG-LSA nur wirksame Satzungen zu verstehen. Hintergrund dieser Einschränkung auf wirksame Satzungen ist, dass bei dem Schlechterstellungsverbot nicht der Schutz der Beitragspflichtigen im Vordergrund steht. Vielmehr sollen Einnahmen im Wege einer nachträglichen Satzungsänderung verhindert werden, die höher sind als nach der bisherigen Satzung. Im Falle von nichtigen Satzungen kann es zu solchen Mehreinnahmen nicht kommen (vgl. zum Ganzen OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.07.2006 – 4 K 253/05 –, juris, Rn. 40). Vorliegend handelt es sich ebenfalls um die rückwirkende Inkraftsetzung einer Satzung anstelle einer nichtigen Satzung. Die Herstellungsbeitrag-II-Satzung vom 04.12.2018 ersetzte die Satzung vom 14.02.2015 in der Fassung vom 25.06.2015 und wurde rückwirkend zum 16.03.2015, dem Inkrafttreten der früheren Satzung, in Kraft gesetzt. Die frühere Satzung war aufgrund der Unwirksamkeit ihres Beitragssatzes insgesamt nichtig. Wie bereits zu § 4 der Satzung vom 24.02.2015 ausgeführt, verstieß der Beitragssatz in Höhe von 2,94 €/m² gegen die Beitragserhebungspflicht des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA.

41

(3) Für die Wirksamkeit der Bestimmung des § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung spricht auch nicht die Ausschlussfrist des § 13b Satz 1 i. V. mit § 18 Abs. 2 KAG-LSA.

42

Danach ist eine Abgabenfestsetzung unabhängig vom Entstehen einer Abgabepflicht zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des zehnten Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen, wobei diese Ausschlussfrist nicht vor dem Ablauf des Jahres 2015 endet. Dabei handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist, die für Beitragspflichten greift, die im Zeitpunkt des Fristablaufes entweder noch nicht im Sinne des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA entstanden oder noch nicht im Wege einer Festsetzung innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG-LSA i. V. mit § 169 AO geltend gemacht waren (vgl. LT-Drucksache 6/3419, S. 23).

43

Ungeachtet der Frage, ob vorliegend die Ausschlussfrist des § 13b Satz 1 KAG-LSA eingreift, regelt § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung den Fall eines Ausschlusses unzulässiger Nacherhebungen nicht.

44

Hiergegen spricht bereits, dass sich der zeitliche Anwendungsbereich dieser Regelung nicht auf die Zeit nach Bekanntmachung der Herstellungsbeitrag-II-Satzung erstreckt, in dem erst recht ein angenommener Fristablauf des § 13b KAG-LSA vorläge. Darüber hinaus bezieht sich der Wortlaut des § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung auch nicht auf den Ausschluss von Nacherhebungen zu bereits erfolgten Festsetzungen oder auf ein Verbot der Festsetzung des die bisherige Festsetzung übersteigenden Betrages. Vielmehr knüpft die Regelung an die Kappung des in die Berechnung einzubeziehenden Beitragssatzes an. Dann aber kann es wegen Nachberechnungen trotz der Kappung des Beitragssatzes zu einer Überschreitung der bisher festgesetzten Beträge kommen.

45

bb) Im Übrigen begegnen der Herstellungsbeitrag-II-Satzung keine Bedenken im Hinblick auf ihre Wirksamkeit. Sie stellt insoweit eine taugliche, da rechtmäßige Rechtsgrundlage für den Erlass der Bescheide vom 03.08.2015 dar.

46

(1) Der Wirksamkeit der Herstellungsbeitrag-II-Satzung steht nicht entgegen, dass der Beklagte sie gemäß ihrer Bestimmung in § 13 Abs. 1 rückwirkend zum 16.03.2015 und damit auch für den Erlasszeitpunkt des vorliegend angefochtenen Bescheides in Kraft setzte.

47

Erweist sich der Beitragssatz gemäß § 4 der Satzung vom 24.02.2015 in der Fassung der Satzung vom 26.06.2015 – wie bereits ausgeführt – als nichtig, so war der Beklagte gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 KAG-LSA berechtigt, eine Satzung zur Regelung einer gleichen Abgabe rückwirkend bis zu dem Zeitpunkt in Kraft zu setzen, an dem die zu ersetzenden Satzung in Kraft getreten war. Dies ist mit der Herstellungsbeitrag-II-Satzung geschehen. Sie regelt gegenstandsgleich zu der vorausgehenden Satzung die leitungsgebundene Abgabe für Altanschließer. Als Zeitpunkt ihres Inkrafttretens nimmt sie den ersten Tag des Inkrafttretens der vorausgehenden Satzung in Bezug.

48

Der rückwirkenden Heilung einer unwirksamen Satzung steht nicht die Höchstfrist des § 13b i. V. mit § 18 Abs. 2 KAG-LSA entgegen. Das nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 20 Abs. 3 GG zu achtende Gebot der Rechtssicherheit erfordert zwar eine zeitliche Obergrenze, die die berechtigte Erwartung des Bürgers berücksichtigt, geraume Zeit nach Entstehen einer Vorteilslage nicht mehr mit einer Festsetzung eines Beitrags rechnen zu müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 47). Ein berechtigtes Vertrauen durch Zeitablauf kann aber durch eine Festsetzung vor einer verfassungsrechtlich gebotenen Höchstfrist nicht mehr entstehen. Der Vertrauensschutz knüpft an die Festsetzung an. Dementsprechend verbietet § 13b i. V. mit § 18 Abs. 2 KAG-LSA eine Festsetzung ungeachtet einer Entstehung der Abgabenpflicht. Dies hindert jedoch nicht die Heilung unwirksamen Satzungsrechts auch mit einem höheren Beitragssatz rückbezogen auf den Zeitpunkt einer bereits erfolgten Festsetzung. Die Höchstfrist wird auf Ebene der Festsetzung (nicht der Satzung) dadurch gewahrt, dass eine Nacherhebung als Teilfestsetzung nach Ablauf der Höchstfrist gegen diese verstößt (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 05.12.2018 – 9 A 301/17 –, juris, Rn. 29 ff.). Diese Differenzierung trägt der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtssicherheit Rechnung. Denn der aus dem Rechtssicherheitsgebot folgende Vertrauensschutz hindert nicht die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung (vgl. zu dieser Prämisse BVerfG, Beschluss vom 03.09.2009 – 1 BvR 2384/08 –, juris, Rn. 50 f.). Eine rückbezogene Inkraftsetzung stimmt auch mit dem Regelungskonzept der Höchstfrist des § 13b i. V. mit § 18 Abs. 2 KAG-LSA überein. Muss bis zu deren Ablauf ein Bescheid erlassen sein, so setzt die zulässige Festsetzung vor dem Ende der Höchstfrist ungeschrieben die sachliche Beitragspflicht voraus, anderenfalls die Festsetzung rechtswidrig wäre. Entsprechend sind nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage unbeachtlich. Umgekehrt kann eine unwirksame Satzung dann nur durch eine nach Ablauf der Höchstfrist bekannt gemachte Satzung, die rückwirkend für den betreffenden Zeitraum vor Ablauf der Höchstfrist in Kraft tritt, als Rechtsgrundlage für bereits erfolgte Festsetzungen die Wahrung der Höchstfrist gewährleisten (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 05.12.2018 – 9 A 301/17 –, juris, Rn. 30).

49

(2) Die Regelung des Beitragssatzes kann auch für den Zeitraum vom 16.03.2015 bis zum 09.12.2018 auf einer gemäß § 13 Abs. 1 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung rückwirkenden Anwendung allein seines § 4 ohne den § 13 Abs. 2 beruhen. Diese rückwirkende Beitragssatzbestimmung wird in ihrer Wirksamkeit nicht durch die Nichtigkeit von § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung berührt. Dessen Nichtigkeit führt nicht zu einer Unwirksamkeit der Satzung im Übrigen – insbesondere auch nicht des § 13 Abs. 1, was zu einer Anwendung der Herstellungsbeitrag-II-Satzung nur nach ihrer Bekanntmachung führen würde.

50

In entsprechender Anwendung von § 139 BGB führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung nicht zu der Unwirksamkeit weiterer Teile oder zu der Gesamtnichtigkeit der Satzung, wenn – erstens – die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-) Regelung des Lebenssachverhaltes belässt und – zweitens – hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.08.2008 – 9 B 40.08 –, juris, Rn. 13 m. w. N.). Bleibt der mutmaßliche Wille des Normgebers über das Fortbestehen der teilnichtigen, aber teilbaren Norm entscheidend, wird die Gefahr vermieden, dass die rechtsprechenden Organe, die mit der Rechtssatzprüfung betraut sind, durch Zerstückelung und partielle Aufrechterhaltung von Gesetzen selbst Aufgaben der Gesetzgebung wahrnehmen und in das Gestaltungsermessen des Normgebers eingreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1978 – VII C 44.76 –, juris, Rn. 54).

51

Die Regelungen von § 4 einerseits und von § 13 Abs. 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung andererseits sind der Sache nach teilbar. Während die erste Regelung die Beitragssatzhöhe bestimmt, beschränkt die zweite Regelung die Höhe des in der Festsetzung heranzuziehenden Beitragssatzes für einen bestimmten Zeitraum. Fällt diese Beschränkung weg, so verbleibt es für die Festsetzungen bei dem nicht beschränkten Beitragssatz in voller Höhe auch für den Zeitraum, der von der wegfallenden Regelung erfasst worden ist. Gleiches gilt für eine Teilbarkeit von § 13 Abs. 1 und 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung. Absatz 2 stellt eine Ausnahme zu der grundsätzlich rückwirkenden Geltung der Satzung nach Absatz 1 dar. Bei dem Grundsatz kann es aber verbleiben, wenn die Ausnahme wegfällt.

52

Die Herstellungsbeitrag-II-Satzung ist ohne die Beschränkungsregelung ihres § 13 Abs. 2 mit höherrangigem Recht zu vereinbaren und hat einen sinnvollen Regelungsgehalt.

53

Ohne die Regelung des § 13 Abs. 2 entspricht die Herstellungsbeitrag-II-Satzung auch dem hypothetischen Willen des Satzungsgebers. Die Gesamtumstände sprechen dafür, dass die Verbandsversammlung des Beklagten die Satzung zumindest rückwirkend in Kraft setzen wollte. Zu der Erfassung der Beitragsfestsetzungen bis zum 31.12.2015 hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zwar eine rückwirkende Inkraftsetzung einer Beitragssatzung für eine leitungsgebundene Einrichtung bislang nicht gefordert. Es hat bisher ausdrücklich offen gelassen, ob bei einer Beitragsfestsetzung, die vor einem nach den § 13b und § 18 Abs. 2 KAG-LSA maßgebenden Zeitpunkt erfolgt ist, der Erlass der als Rechtsgrundlage heranzuziehenden Beitragssatzung nach diesem Zeitpunkt – möglicherweise auch verbunden mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erst nach dem Zeitpunkt – zur Folge hat, dass die Ausschlussfrist nicht eingehalten ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2018 – 4 L 97/17 –, juris, Rn. 57 m. w. N.). Es ist jedoch der rechtlich sichere Weg gewesen, die Herstellungsbeitrag-II-Satzung rückwirkend in Kraft zu setzen, um die bis zum 31.12.2015 erlassenen Beitragsbescheide von der Heilung des bislang bestehenden Satzungsmangels zu erfassen. Das gilt umso mehr, als dass das Verwaltungsgericht Magdeburg zu der Wahrung der Fristen des § 13b und § 18 Abs. 2 KAG-LSA eine rückwirkende Inkraftsetzung der Satzung zur Erfassung von vor Ablauf der Frist erlassener Bescheide als erforderlich ansieht (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 08.08.2018 – 9 A 645/16 –, juris, Rn. 22 m. w. N.). Dass der Beklagte die Herstellungsbeitrag-II-Satzung zumindest rückwirkend in Kraft setzen wollte, ist auch der Kalkulation vom 20.11.2018 zu entnehmen, die der Herstellungsbeitrag-II-Satzung zugrunde lag. Hiernach sind die Ist-Kosten nur bis zu dem Jahr 2014 und die kalkulatorischen Kosten ab dem Jahr 2015 in Ansatz gebracht worden. Das wäre nicht sinnvoll gewesen, wenn der Satzungsgeber die Satzung erst im Dezember 2018 hätte in Kraft setzen wollen. Denn dann hätte er zumindest bis 2017 die tatsächlich für die Anlage aufgewandten Kosten in Ansatz bringen müssen.

54

Die Höchstfrist des § 13b und § 18 Abs. 2 KAG LSA ist spätestens am 31.12.2015 und damit vor Bekanntmachung der Herstellungsbeitrag-II-Satzung am 09.12.2018 abgelaufen. So konnte auf Grund der Unwirksamkeit der seit dem 16.03.2015 geltenden Satzung vom 24.02.2015 nur das rückwirkende Inkrafttreten der die Unwirksamkeit heilenden Herstellungsbeitrag-II-Satzung die Wahrung der Höchstfrist gewährleisten (vgl. dazu auch VG Magdeburg, Urteil vom 05.12.2018 – 9 A 301/17 –, juris, Rn. 30). Denn die Höchstfrist beginnt bereits mit dem Eintritt der Vorteilslage. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorteilslage für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück erst nach dem 31.12.2005 eingetreten wäre und die zehn Jahre betragende Höchstfrist des § 13b Satz 1 KAG LSA nach dem 31.12.2015 abgelaufen ist. Eine beitragsrelevante Vorteilslage für ein bereits am 15.06.1991 angeschlossenes Grundstück kann erst entstehen, wenn der Einrichtungsträger eine zur Erledigung der Abwasserentsorgung öffentliche Einrichtung betreibt und dafür auch die übernommenen Anlageteile einsetzt. Darüber hinaus muss er in Bezug auf diese öffentliche Einrichtung im Rechtssinne den – konzeptionell untersetzten – Willen haben, die Herstellung der Anlage zu verwirklichen. Ist diesem konzeptionell untersetzten Willen zu entnehmen, dass er dabei beabsichtigt, im Wesentlichen an der Struktur und dem Aufbau der technischen Anlagen festzuhalten, dann sind die tatsächlich vorhandenen Anlagen durchaus geeignet, den daran angeschlossenen Grundstücken eine tatsächliche Vorteilslage zu vermitteln (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 05.12.2018 – 9 A 301/17 –, juris, Rn. 77). Die sechs von den Altanschließern genutzten Kläranlagen wurden ausweislich der Kalkulation vom 18.11.2014 (S. 31) in den Jahren von 1992 bis 2000 errichtet, teilweise in diesem Zeitraum rekonstruiert oder teilsaniert. In seinem Gebiet nahm der Beklagte damit jedenfalls mehr als zehn Jahre vor dem Ablauf des 31.12.2015 beitragsrechtlich relevante Maßnahmen in Gestalt der Herstellung unter Rückgriff auf bestehende Anlagen oder deren Aufrechterhaltung vor und betrieb eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage. Dem angeschlossenen Grundstück des Klägers erwuchs daraus ein Vorteil. Die Vorteilsgewährung erfolgt auch willentlich durch den Beklagten. Der damalige TAV A-Stadt war – was das gesamte heutige Gebiet des Beklagten betrifft – seit dem 01.01.2006 für die Abwasserbeseitigung verantwortlich. Für die einzelnen Teilgebiete des heutigen Gebietes des Beklagten bestand bereits vorher eine Verantwortlichkeit einerseits des TAV …und andererseits der weiteren Vorgänger. Im TAV A-Stadt trat eine wirksame Abwasserbeseitigungssatzung bereits am 18.05.1995 in Kraft. Die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage war seitdem eine öffentliche Einrichtung und lag bereits vor den letzten Eingliederungen auch für die anderen Teile des heutigen Gebietes des Beklagten vor.

55

b) Auf der Rechtsgrundlage des § 1 Abs. 2 und §§ 2 bis 4 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung ist der Bescheid vom 28.09.2015, mit dem der Kläger zu einem Herstellungsbeitrag II in Höhe von 4.446,75 € herangezogen worden ist, rechtmäßig ergangen und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

56

Aufgrund der Bebauung des Grundstücks, dessen Eigentümer der Kläger ist, hat der Beklagte gemäß § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung für ein Vollgeschoss 25 % der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. Für die Grundstücksfläche hat der Beklagte 6.050 m² zugrunde gelegt, ohne dass der Kläger auch im vorliegenden Verfahren dem Maß der Fläche widersprochen hat.

57

Zwar hat der Beklagte die nach dem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab verbleibende Fläche von 1.512,5 m² mit 2,94 €/m² vervielfacht, obgleich der Beitragssatz nach der maßgeblichen Regelung des § 4 der Herstellungsbeitrag-II-Satzung mit 3,90 €/m² höher liegt. Es steht der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung aber nicht entgegen, dass der Beklagte einen zu geringen Beitrag errechnet und in Ansatz gebracht hat. Es steht der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung aber nicht entgegen, dass der Beklagte einen zu geringen Beitrag errechnet und in Ansatz gebracht hat. Es handelt sich um eine insoweit rechtmäßige Teilerhebung des im satzungsmäßigen Umfange weitergehend begründeten Beitragsanspruchs des Beklagten, der in den Grenzen unter anderem des § 13b Satz 1 i. V. mit § 18 Abs. 2 KAG-LSA festgesetzt werden kann. Dabei steht einer Nacherhebung ein das Beitragsschuldverhältnis nicht im vollen Umfange ausschöpfende und vor Entstehung der sachlichen Beitragspflicht – sprich vor Erlass einer wirksamen Satzung – erlassener Beitragsbescheid nicht entgegen (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 12.11.2004 – 9 B 295/04 –, juris, Rn. 19). Gleiches gilt für die Bestandskraft eines solchen Bescheides. Denn die Beitragspflicht entsteht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA und erlischt gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG-LSA i. V. mit § 47 AO jeweils unabhängig von einer Festsetzung durch Bescheid. Beitragsfestsetzung und Beitragsschuldverhältnis sind voneinander zu trennen. Aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Entstehung der Beitragspflicht folgt nicht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 30.01.2003 – 9 A 355/01 –, juris, Rn. 16 f.).

58

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

59

III. Das Urteil war nach Maßgabe von § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i. V. mit § 708 Nr. 11 Alt. 2 und § 711 ZPO wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

60

IV. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG endgültig festzusetzen. Die Festsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Das Interesse des Klägers folgt aus der Höhe des Herstellungsbeitrags II, dessen Festsetzung Gegenstand des Verfahrens ist.


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