Urteil vom Verwaltungsgericht Mainz (1. Kammer) - 1 K 996/17.MZ

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG – für ein Auslandsstudium.

2

Der am ... Dezember 1989 in Rumänien geborene Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger. Ab dem Jahr 1998 durchlief er die allgemeine Schullaufbahn in Italien, die er im Jahre 2010 mit dem Abitur abschloss. Anschließend studierte er an der Universität B. (Italien) und erwarb dort Mitte 2014 sein Diplom. Von September 2015 bis August 2016 absolvierte er das erste Studienjahr des Masterstudiengangs „Relazioni Internazionali“ an der Universität B. (Italien). Eine Ausbildungsförderung in Deutschland erhielt der Kläger bislang nicht.

3

Die ebenfalls in Rumänien geborenen Eltern des Klägers leben seit dem Jahre 2013 in Deutschland. Ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Einkommensteuererklärung gingen sie im Jahre 2014 einer nichtselbstständigen Arbeit nach. Der Kläger ist (jedenfalls) seit dem 1. Juni 2014 unter der gleichen Adresse wie seine Eltern in Deutschland einwohnermeldeamtlich gemeldet.

4

Mit Schreiben vom 14. September 2016 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Ausbildungsförderung für ein Masterstudium der Fachrichtung „Gouvernance des Relations Internationales“ an der Universität T. (Frankreich) für den Zeitraum September 2016 bis August 2017.

5

Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 15. November 2016 auf, (u.a.) einen Nachweis über sein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a und § 5 Abs. 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU –) vorzulegen. Der Kläger legte den geforderten Nachweis nicht vor und teilte dem Beklagten mit E-Mail vom 27. November 2016 mit, als Unionsbürger genieße er Freizügigkeit, so dass er für die Einreise nach Deutschland kein Visum und für den Aufenthalt in Deutschland keinen Aufenthaltstitel benötige.

6

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2016 lehnte der Beklagte die beantragte Bewilligung von Ausbildungsförderung unter Berufung auf § 8 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 2 BAföGab. Der Kläger erfülle die persönlichen Voraussetzungen für die Förderung der Ausbildung an der Universität in Frankreich nicht. Da er unter keine der in § 8 Abs. 1 BAföG genannten Personengruppen falle, käme § 8 Abs. 3 Nr. 2 BAföG zur Anwendung. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien vorliegend auch erfüllt, da die Eltern des Klägers – nach telefonischer Auskunft seines Vaters – bereits seit vier Jahren in Deutschland lebten und rechtmäßig erwerbstätig seien. Allerdings bestimme § 5 Abs. 2 Satz 4 BAföG, dass den in § 8 Abs. 3 BAföG bezeichneten Auszubildenden Ausbildungsförderung für die Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung an einer Ausbildungsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nur zustehe, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – seien. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht, da er eine solche Aufenthaltserlaubnis nicht besitze.

7

In der Folge sprach der Vater des Klägers beim Bürgeramt in S. vor und bat um die Bestätigung des Freizügigkeitsrechts des Klägers. Die Ausländerbehörde teilte dem Beklagten sodann mit E-Mail vom 28. Dezember 2016 mit, eine – rein deklaratorisch wirkende – Daueraufenthaltsbescheinigung gemäß § 4a FreizügG/EU könne nur ausgestellt werden, wenn sich der Unionsbürger fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Im Falle des Klägers fehle es jedoch an einem fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Im Übrigen habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 5 FreizügG/EU die Ausstellung von sogenannten Freizügigkeitsbescheinigungen seit dem 29. Januar 2013 abgeschafft. Das Freizügigkeitsrecht bestehe kraft Gesetzes; ein Verlust des Freizügigkeitsrechts müsse durch die Ausländerbehörde mit Bescheid schriftlich festgestellt werden. Dies sei im Falle des Klägers nicht geschehen.

8

Gegen den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2016 legte der Kläger mit Schreiben vom 3. Januar 2017 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er erneut auf das ihm zustehende Freizügigkeitsrecht.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2017 zurück. Dieser sei zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der Kläger erfülle die persönlichen ausbildungsförderungsrechtlichen Voraussetzungen für Unionsbürger gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 BAföG nicht, da er mangels fünfjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 4a FreizügG/EU besitze. § 8 Abs. 1 Nr. 2 BAföG verwirkliche die Vorstellung des Gesetzgebers, allen Ausländern, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht und damit ein verfestigtes Bleiberecht in Deutschland verfügten, den Zugang zur Ausbildungsförderung zu ermöglichen. Die Vorschrift führe auch nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber deutschen Studenten. Denn gemäß Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Freizügigkeitsrichtlinie – sei der Aufnahmemitgliedstaat – abweichend von dem grundsätzlichen Gleichbehandlungsgebot des Artikel 24 Abs. 1 der Freizügigkeitsrichtlinie – nicht verpflichtet, vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens zu gewähren. Ferner ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Mitgliedstaat eine Beihilfe zur Deckung der Unterhaltskosten von Studierenden von dem Nachweis eines gewissen Integrationsgrades abhängig machen dürfe und ein solcher Nachweis durch die Feststellung, dass der betreffende Studierende sich für eine gewisse Zeit im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten habe, geführt werden könne. Zuletzt komme vorliegend auch ein abgeleiteter Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 BAföG nicht in Betracht, denn der Kläger habe die erforderlichen Zugangsvoraussetzungen für die geförderte Ausbildung nicht im Inland erworben, sondern seine gesamte Ausbildung in Italien aufgenommen und fortgesetzt. Ein Anspruch des Klägers gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 BAföG sei mangels Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG ebenfalls ausgeschlossen.

10

Der Kläger hat am 25. September 2017 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass ihm aufgrund der Änderung des § 5 FreizügG/EU ein Freizügigkeitsrecht kraft Gesetzes zustehe.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2016 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15. August 2017 aufzuheben,

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den Beklagten zu verpflichten, ihm BAföG-Leistungen für sein zweites Masterstudienjahr für September 2016 bis August 2017 gemäß Antrag vom 14. September 2016 zu gewähren und ihn entsprechend zu verbescheiden.

14

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Er verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Hefte) liegen dem Gericht vor und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch der Universität T. in Frankreich (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2017 erweist sich daher als rechtmäßig.

19

Die Förderung einer Ausbildung im Ausland ist in § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG geregelt. Danach wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte, wenn die in den Nummern 1 bis 3 der Regelung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Kläger begehrt zwar vorliegend Ausbildungsförderung für den Besuch einer Universität in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (Frankreich), so dass die in Nummer 3 des § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Er hat aber nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass er im begehrten Bewilligungszeitraum – September 2016 bis August 2017 – seinen ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatte, so dass die Förderung des Auslandsstudiums bereits aus diesem Grund ausscheidet.

20

Der Begriff des ständigen Wohnsitzes des Auszubildenden ist in § 5 Abs. 1 BAföG definiert. Nach dieser Bestimmung ist der ständige Wohnsitz im Sinne des BAföG an dem Ort begründet, der nicht nur vorübergehend Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist, ohne dass es auf den Willen zur ständigen Niederlassung ankommt; wer sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem Ort aufhält, hat dort nicht seinen ständigen Wohnsitz begründet. Diese Legaldefinition lehnt sich an den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff des § 7 BGB an, ohne aber auf den dort für erforderlich gehaltenen Willen zur ständigen Niederlassung abzuheben (vgl. Schepers, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., 38. Lfg., März 2015, § 5 Rn. 6).

21

Erforderlich für die Begründung eines ständigen Wohnsitzes im Sinne des BAföG ist eine tatsächlich vollzogene Niederlassung mit der damit verbundenen Bildung des nicht nur vorübergehenden Lebensmittelpunktes am Aufenthaltsort. Niederlassung bedeutet dabei die tatsächliche Aufenthaltnahme, in der Regel durch Beziehen einer Wohnung oder einer anderen für einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt geeigneten Unterkunft. Der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist anzunehmen bei einer Niederlassung, die vor allen anderen örtlichen Beziehungen des Menschen Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Entfaltung seines gesamten Lebens darstellt. Es ist eine Tatfrage des Einzelfalls, ob und gegebenenfalls wann ein ständiger Wohnsitz an einem bestimmten Ort begründet wird. Dabei sind alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu würdigen. Dazu gehören die persönlichen, beruflichen, wirtschaftlichen und häuslichen Verhältnisse sowie die Absichten des Betroffenen, bei jungen Menschen insbesondere auch ihre familiären Bindungen an das Elternhaus und das Maß ihrer Abhängigkeit vor dem Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung (vgl. zum Wohnsitzbegriff des § 7 BGB: BVerwG, Urteil vom 9. November 1967 – VIII C 141.67 –, juris Rn. 16 ff.). Die polizeiliche An- und Abmeldung ist für die Bestimmung des ständigen Wohnsitzes bloßes Indiz, aber weder konstitutiv (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1967, a.a.O., juris Rn. 18; BGH, Beschluss vom 7. Februar 1990 – XII ARZ 1/90 –, juris Rn. 6) noch gegebenenfalls ausreichend (vgl. Tz. 5.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG VwV –).

22

Gemessen an diesen Anforderungen kann die Kammer auf Grundlage der ihr vorliegenden Informationen nicht feststellen, dass der Kläger im begehrten Bewilligungszeitraum – September 2016 bis August 2017 – seinen ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Da der Kläger insoweit seiner Verpflichtung, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), nicht ausreichend nachgekommen ist, geht dies zu seinen Lasten (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1984 – 9 C 141/83 –, juris Rn. 11).

23

Der Kläger hatte seinen ständigen Wohnsitz ursprünglich – das heißt jedenfalls bis Mitte 2013 – in Italien. Dies ergibt sich zum einen aus seinem Vortrag im vorliegenden Verfahren, wonach er und seine Eltern vor dem Wegzug nach Deutschland im Jahre 2013 in Italien gelebt hätten. Hierfür spricht aber auch eindeutig der schulische Werdegang des Klägers. Ausweislich der Anlage 1 zum Formblatt 1 des Antrags auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG besuchte der Kläger ausschließlich in Italien die Schule. Nach Erwerb des Abiturs im Jahre 2010 nahm er an der Universität B. – und damit ebenfalls in Italien – ein Studium auf. Zwar trägt der Kläger vor, er sei seinem Vater, der bereits im Februar 2013 nach Deutschland gezogen sei, im Juni 2013 „nachgekommen“; seine Mutter sei der Familie im September 2013 gefolgt. Weitere Angaben zu diesem Nachzug macht er jedoch nicht. Ein Nachzug des Klägers im Juni 2013 erscheint aber aus Sicht der Kammer nicht ohne weiteres plausibel. Denn der Kläger studierte zu diesem Zeitpunkt noch an der Universität B.; erst Mitte 2014 schloss er dort sein Studium mit dem Diplom ab. Es erscheint daher unplausibel, dass der Kläger zu dieser Zeit trotz laufenden Studiums seinen Lebensmittelpunkt von Italien nach Deutschland verlagerte. Zwar hält es die Kammer für durchaus möglich, dass der Kläger in der Wohnung seiner Eltern in Deutschland ein Zimmer hatte. Eine temporäre Niederlassung allein genügt aber nach dem oben Gesagten nicht für die Begründung des ständigen Wohnsitzes. Hinzukommen muss vielmehr die Begründung des Lebensmittelpunktes am Ort der Niederlassung.

24

Von einer Begründung des Lebensmittelpunktes in Deutschland Mitte 2013 kann auch nicht allein aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung des Klägers zu seinen Eltern ausgegangen werden. Denn zum Zeitpunkt des Umzugs seiner Eltern von Italien nach Deutschland war der Kläger bereits 23 Jahre alt und damit in einem Alter, in dem Kinder grundsätzlich selbstständig darüber entscheiden, ob sie ihren Eltern im Falle eines Umzugs folgen oder nicht. Dementsprechend regelt § 11 Satz 1 BGB, dass (nur) minderjährige Kinder grundsätzlich den Wohnsitz ihrer Eltern teilen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 11 BGB im Rahmen des § 5 Abs. 1 BAföG: SaarlOVG, Beschluss vom 29. Oktober 2012 – 3 A 238/12 –, juris Rn. 7 ff.). Auch eine etwaige finanzielle Unterstützung des Klägers durch seine Eltern hätte nicht zwangsläufig die Begründung eines gemeinsamen ständigen Wohnsitzes zur Folge gehabt.

25

Im Hinblick auf das laufende Studium des Klägers sowie dessen Alter im angegebenen Zeitpunkt des Nachzugs (Juni 2013) bedurfte es vorliegend daher konkreter Angaben zur Begründung eines ständigen Wohnsitzes in Deutschland. Der Kläger hätte substantiiert darlegen müssen, inwieweit er seinen Lebensmittelpunkt von Italien nach Deutschland verlagert hat. Da es sich dabei um Umstände handelt, die in seiner Sphäre liegen, war er zu einer Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO verpflichtet (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1984 – 9 C 141/83 –, juris Rn. 11). Dieser Mitwirkungspflicht ist er jedoch nicht nachgekommen. Obwohl er seitens des Vorsitzenden der Kammer mit Verfügung vom 16. April 2018 zu Angaben zum ständigen Wohnsitz im beantragten Bewilligungszeitraum unter Hinweis auf § 87b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 und 2 VwGO aufgefordert worden ist, erfolgte mit Schriftsatz vom 24. April 2018 lediglich die – nicht weiter konkretisierte – Mitteilung über den angeblichen Nachzug im Juni 2013.

26

Zwar erscheint es aus Sicht der Kammer vorliegend nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der Kläger nach Abschluss seines Studiums in Italien im August 2014 seinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlagert hat. Denn ausweislich der Anlage 1 zum Formblatt 1 des Antrags auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG nahm der Kläger im Anschluss an dieses Studium nicht direkt eine weitere Ausbildung (in Italien) auf. Vielmehr bezeichnet er den Zeitraum von September 2014 bis August 2015 dort als „Zwischenzeit“. Der Kammer ist aber nicht bekannt, was der Kläger in der „Zwischenzeit“ gemacht bzw. ob er in dieser Zeit seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland begründet hat. Auch insoweit hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 24. April 2018 keine Angaben gemacht. Allein dass er in diesem Zeitraum in Deutschland polizeilich gemeldet war, vermag für die Annahme eines ständigen Wohnsitzes in Deutschland nicht zu genügen (vgl. Tz. 5.1.1 BAföG VwV). Insoweit muss vorliegend auch berücksichtigt werden, dass der Kläger im Anschluss an die „Zwischenzeit“ bis August 2016 erneut an der Universität B. (Italien) studiert hat (vgl. Anlage 1 zum Formblatt 1 des BAföG-Antrags). Es erscheint aus Sicht der Kammer damit naheliegend, dass der Kläger auch während der Zwischenzeit seinen ständigen Wohnsitz in Italien beibehalten hat.

27

Obgleich der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Ausbildungsförderung damit bereits an den fehlenden Voraussetzungen für die Förderung einer Ausbildung im Ausland scheitert, weist die Kammer selbstständig tragend darauf hin, dass der Kläger auch nicht die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung erfüllt, da er nicht zu dem förderungsfähigen Personenkreis gehört (§ 8 BAföG). Ein Anspruch auf Ausbildungsförderung für den Besuch der Universität T. in Frankreich scheidet daher auch aus diesem Grund aus.

28

Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 BAföG. Danach wird Ausbildungsförderung (u.a.) Unionsbürgern geleistet, die ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des FreizügG/EU besitzen. Das Daueraufenthaltsrecht ist in § 4a FreizügG/EU geregelt. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Daueraufenthaltsrecht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich der Kläger im beantragten Bewilligungszeitrum nicht bereits seit fünf Jahren (ständig rechtmäßig) in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Der Kläger hatte damit in diesem Zeitraum kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Soweit er sich in diesem Zusammenhang auf sein Freizügigkeitsrecht als Unionsbürger beruft, verkennt er, dass das Recht zur Aufnahme einer Ausbildung in einem anderen Land der Europäischen Union (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU) nicht zwangsläufig auch zu einem Anspruch auf Ausbildungsförderung führt, der Anspruch auf Ausbildungsförderung vielmehr gesondert im BAföG geregelt ist.

29

Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG. Danach wird Ausbildungsförderung Unionsbürgern geleistet, die nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU als Arbeitnehmer oder Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind (originäres Freizügigkeitsrecht); Ausbildungsförderung erhalten nach dieser Bestimmung darüber hinaus auch deren Ehegatten, Lebenspartner und Kinder, die unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 4 FreizügG/EU unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind oder denen diese Rechte als Kinder nur deshalb nicht zustehen, weil sie 21 Jahre oder älter sind und von ihren Eltern oder deren Ehegatten oder Lebenspartnern keinen Unterhalt erhalten (hypothetisch abgeleitetes Freizügigkeitsrecht). Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe des FreizügG/EU, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Der Begriff des Familienangehörigen ist dabei in § 3 Abs. 2 FreizügG/EU legaldefiniert.

30

Vorliegend hat der Kläger zwar noch – ohne nähere Belege – mit Schriftsatz vom 24. April 2018 mitgeteilt, von seinem Vater regelmäßig Unterhalt – im Schnitt etwa 1.000 Euro – bekommen zu haben, so dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU insoweit erfüllt wären und es sich bei dem Kläger daher um einen Familienangehörigen im Sinne des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU handelt. Der Kammer wurde jedoch nicht dargelegt, ob die Eltern des Klägers (bzw. zumindest ein Elternteil) im beantragten Bewilligungszeitraum als Arbeitnehmer oder Selbstständige in der Bundesrepublik Deutschland tätig gewesen sind und daher gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt waren (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG). Aus der Verwaltungsakte ergibt sich lediglich, dass die Eltern des Klägers im Jahre 2014 – dem für das Einkommen der Eltern gemäß § 24 Abs. 1 BAföG maßgeblichen Zeitraum – einer nichtselbstständigen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland nachgegangen sind. Angaben zur Erwerbssituation seiner Eltern im beantragten Bewilligungszeitraum (September 2016 bis August 2017) hat der – zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO verpflichtete – Kläger trotz entsprechender Aufforderung mit Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom 16. April 2018 und dem darin enthaltenen Hinweis auf § 87b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 und 2 VwGO nicht gemacht. Darüber hinaus hat er auch nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass er seinem Vater nach Deutschland nachgezogen ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU). Zwar ist insoweit ein dauerhaftes Zusammenleben von Unionsbürger und Familienangehörigem in einer gemeinsamen Wohnung nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 25. 1. 2012 – B 14 AS 138/11 R –, juris Rn. 21 ff.). Vorliegend kann die Kammer auf Grundlage der ihr vorliegenden Informationen aber bereits nicht zweifelsfrei feststellen, ob bzw. inwieweit sich der Kläger überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Frage des ständigen Wohnsitzes verwiesen.

31

Ob der Kläger die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BAföG erfüllt, kann offenbleiben. Denn gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 BAföG gilt § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG (u.a.) für die in § 8 Abs. 3 BAföG bezeichneten Auszubildenden nur, wenn sie die Zugangsvoraussetzungen für die geförderte Ausbildung im Inland erworben haben oder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG besitzen. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht: Er hat die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung an der Universität T. in Frankreich nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Italien erworben. Ferner besitzt er unstreitig keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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