Der Kläger, der bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand zum 1. Januar 1986 als technischer Postamtsrat bei der Deutschen Bundespost im Dienst der Beklagten stand, wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs.
Mit Urteil des Amtsgerichts … - Familiengericht - vom 11. Mai 1981 wurde seine Ehe geschieden und zum Zweck des Versorgungsausgleichs zulasten der für den Kläger bei der Oberpostdirektion … bestehenden Versorgungsanwartschaften zugunsten seiner früheren Ehefrau Rentenanwartschaften von DM 202,01 monatlich, bezogen auf den 30. November 1977, begründet. Mit Beschluss des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015 wurde das Urteil des Amtsgericht … vom 11. Mai 1981 hinsichtlich des Versorgungsausgleichs aufgehoben und gleichzeitig im Wege der sog. „internen Teilung“ zulasten des Anrechts des Klägers bei seinem Versorgungsträger, der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die D. P. AG, zugunsten der früheren Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 116,26 EUR monatlich, bezogen auf den 30. November 1977, übertragen.
Im Rahmen der Festsetzung der Versorgungsbezüge nach dem BeamtVG wurde das Ruhegehalt aufgrund des Urteils des Amtsgerichts … vom 11. Mai 1981 von Beginn der Ruhestandsversetzung an gemäß § 57 BeamtVG gekürzt.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2016 wurde der Kürzungsbetrag der Versorgungsbezüge gemäß der Abänderungsentscheidung des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015 rückwirkend zum November 2015 angepasst. Dabei ergab sich unter Berücksichtigung von Bezügeanpassungen eine Kürzung von nunmehr 294,23 EUR monatlich. Gleichzeitig wurde vom Kläger eine Überzahlung für die Monate November und Dezember 2015 sowie Januar 2016 in Höhe von insgesamt 144,16 EUR zurückgefordert und einbehalten. Bei Klageerhebung im März 2018 betrug der Kürzungsbetrag 307,55 EUR (Bl. 12 d. Gerichtsakte).
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 14. Februar 2016 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2016 bestandskräftig zurückgewiesen wurde.
Unter dem 17. Februar 2018 wandte sich der Kläger erneut mit dem Antrag an die Beklagte, die Kürzung der Versorgungsbezüge aufgrund des Versorgungsausgleichs zu beenden. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz vom 19. März 2018 erhob der Kläger eine Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht …, dort eingegangen am 21. März 2018, mit dem sinngemäßen Antrag,
die Beklagte zu verpflichten, die Kürzung seiner Versorgungsbezüge einzustellen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die Beklagte auf sein Schreiben vom 17. Februar 2018 nicht reagiert habe und mit dem Renteneintritt seiner früheren Ehefrau im November 2014 die Kürzung seiner Versorgungsbezüge aufgrund des Versorgungsausgleichs einzustellen sei. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015.
Das Sozialgericht … hat sich mit Beschluss vom 18. April 2018 für unzuständig erklärt und die Sache an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kürzung der Versorgungsbezüge sei rechtmäßig. Aus der letzten Entscheidung des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015 ergebe sich gerade nicht, dass der Versorgungsausgleich einzustellen sei. Vielmehr setze die Beklagte diese Entscheidung lediglich um.
Mit Schreiben des nunmehr bevollmächtigten Klägervertreters vom 17. April 2019 erfolgte weiterer Vortrag dahingehend, dass die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 18. April 2016 noch nicht abschließend über den Streitgegenstand entschieden habe. Dies rechtfertige ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens nach den Voraussetzungen einer Restitutionsklage gem. § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 ZPO.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Über die Klage konnte aufgrund der übereinstimmenden Verzichtserklärungen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.
Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO statthaft. Der Rechtsschutzsuchende kann eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erheben, wenn über seinen Widerspruch oder Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne einen zureichenden Grund in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden worden ist. Hierdurch wird verhindert, dass die Behörde dem Bürger durch Untätigbleiben die Möglichkeit wirksamen Rechtsschutzes nehmen kann (BVerfG, B.v. 6.2.1995 - 1 BvR 54/94 - juris Rn. 5). Es ist eine wesentliche Bedingung für die Wirksamkeit des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzes, dass das verwaltungsrechtliche Vorverfahren die Anrufung der Gerichte nicht zeitlich unzumutbar lange hinauszögert und der Rechtsschutzsuchende eine sachliche Entscheidung durch die Gerichte noch „zur rechten Zeit“ erlangen kann (BVerfG, B.v. 28.10.1975 - 2 BvR 883/73 - BVerfGE 40, 237/257).
Bei verständiger Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) zielt dieses auf eine Einstellung der Kürzung der klägerischen Versorgungsbezüge aufgrund des Versorgungsausgleichs ab. Die Beklagte hat dieses Anliegen bereits mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 18. April 2016 zurückgewiesen. Hierüber hat sie auch abschließend entschieden. Soweit dies von der Klagepartei angezweifelt wird, ist ihre diesbezügliche Auffassung rechtlich nicht nachvollziehbar. Allerdings wandte sich der Kläger am 17. Februar 2018 erneut mit dem Antrag an die Beklagte, die Kürzung seiner Versorgungsbezüge aufgrund des Versorgungsausgleichs zu beenden. Dieser Antrag war - wie auch die Beklagte in der Klageerwiderung ausführt - als ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens (§ 51 VwVfG) zu verstehen.
Die Beklagte hat auch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht über den Antrag vom 17. Februar 2018 auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens entschieden. Zwar war die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO von 3 Monaten bei der Klageerhebung am 21. März 2018 vor dem Sozialgericht …, auf die wegen der Rechtshängigkeitswirkung des § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG trotz der zeitlich später erfolgten Rechtswegverweisung abzustellen ist (vgl. Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Januar 2020, § 83 Rn. 21), noch nicht abgelaufen. Allerdings hat die Beklagte bis heute nicht über den Antrag vom 17. Februar 2018 entschieden, sondern im Schriftsatz vom 29. Juni 2018 lediglich um Nachsicht für die eingetretene Verzögerung gebeten, ohne einen Grund dafür zu nennen, sodass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die Sperrfrist von 3 Monaten abgelaufen war und dieser anfängliche Mangel durch den Ablauf der Frist während des Verwaltungsgerichtsverfahrens bis zur gerichtlichen Sachentscheidung geheilt wurde (BVerwG, U.v. 20.1.1966 - I C 24.63 - BVerwGE 23, 135 - juris Rn. 16).
Allerdings ist die Klage unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Vornahme des von ihm begehrten Verwaltungsakts (Wiederaufgreifen des Verfahrens) hat. Das Gericht konnte vorliegend durchentscheiden, weil keine andere Entscheidung in der Sache ergehen konnte. Auch musste das gerichtliche Verfahren nicht gemäß § 75 Satz 3 VwGO bis zu einer Entscheidung der Beklagten ausgesetzt werden, weil das Gesetz dieses Prozedere nur für den Fall des Vorliegens eines sachlichen Grundes für die Untätigkeit der Behörde vorsieht, hier jedoch gerade kein sachlicher Grund gegeben war (zum Ganzen: Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Januar 2020, § 75 Rn. 7; Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 75 Rn. 58).
Vorliegend fehlt es jedoch an einem Wiederaufgreifensgrund nach § 51 VwVfG. Die Sach- oder Rechtslage hat sich nicht nachträglich zugunsten des Klägers geändert (Nr. 1) und auch ein Wiederaufnahmegrund i.S.d. § 580 ZPO gemäß den Voraussetzungen der zivilprozessualen Restitutionsklage (Nr. 2), wie die Klagepartei meint, liegt ersichtlich nicht vor. Soweit die Klagepartei meint, es finde hier § 580 Nr. 7 ZPO Anwendung, weil über den Widerspruchsbescheid vorliegend noch nicht abschließend entschieden worden sei, sind ihre diesbezüglichen Ausführungen nicht nachvollziehbar. Es erscheint als Wiederaufgreifensgrund allein eine mögliche Erkenntnis über neue Beweismittel nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG denkbar. Allerdings handelt es sich bei den vom Kläger in seinem Schreiben vom 17. Februar 2018 genannten Schriftstücken, die er nunmehr wiedergefunden habe - mit Ausnahme zweier Schreiben, die jedoch nichts Relevantes enthalten (Mitteilung des Deutsche Post Rentenservice vom 27.4.2017 über die Weiterleitung einer Dienstaufsichtsbeschwerde und die Mitteilung des Amtsgerichts … vom 13.2.2018, dass das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sei) -, schon nicht um „neue“ Beweismittel, weil diese Schriftstücke bereits vor der Widerspruchsentscheidung vom 18. April 2016 datieren und somit zu diesem Zeitpunkt bereits existent waren. Sie hätten daher im Widerspruchsverfahren vom Kläger vorgelegt werden können. Hinzu kommt, dass weder ersichtlich ist noch vom Kläger vorgetragen wurde, welches dieser Schriftstücke neue und entscheidungserhebliche Tatsachen enthalten soll, die eine günstigere Sachentscheidung herbeigeführt haben würden. Denn entscheidungserheblich ist insoweit allein der die Beklagte nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bindende letzte wirksame Beschluss des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015 hinsichtlich des Versorgungsausgleichs des Klägers.
Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens im weiteren Sinne hinsichtlich des Kürzungsbescheides vom 26. Januar 2016 bzw. des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2016 nach den §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 VwVfG. Ein solcher Anspruch ist aufgrund der bindenden familiengerichtlichen Entscheidung ganz offensichtlich ausgeschlossen, sodass die Kammer in dieser Frage - trotz eines grundsätzlich bestehenden Ermessens der Beklagten - ausnahmsweise durchentscheiden konnte.
Beide Bescheide erweisen sich - auch aus heutiger Sicht - als rechtmäßig, sodass § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bereits tatbestandlich nicht einschlägig ist. Denn mit der Kürzung der Versorgungsbezüge setzt die Beklagte als zuständiger Versorgungsträger allein die sie nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bindende familiengerichtliche Entscheidung - namentlich den Beschluss des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015 - um. Eine weitergehende Sachentscheidungsbefugnis steht ihr nicht zu, sodass sie auch lediglich den Versorgungsausgleich im tenorierten Umfang ausführt. Dem jüngsten Beschluss des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015 ist - entgegen der Ausführungen des Klägers - auch nicht etwa zu entnehmen, dass der Versorgungsausgleich einzustellen wäre. Denn darin wurde zwar in Ziffer 1. das frühere Urteil des Amtsgerichts …, Familiengericht, vom 11. Mai 1981 in dessen Ziffer III. aufgehoben; gleichzeitig wurde in dem Beschluss vom 30. Juli 2015 jedoch in den Ziffern 2. und 3. ein neuer vollumfänglich revidierter Versorgungsausgleich im Wege der sog. „internen Teilung“ durchgeführt (vgl. § 51 VersAusglG). Es trifft daher nicht zu, wie der Kläger meint, dass das Amtsgericht …, Abteilung für Familiensachen, die Einstellung des Versorgungsausgleichs angeordnet habe. Vielmehr hat es diesen neu berechnet und insoweit die alte Ausgleichssumme durch einen neuen Punktwert ersetzt. Diese familiengerichtliche Entscheidung ist ausweislich des Rechtskraftvermerks überdies seit dem 11. September 2015 rechtskräftig. Es wurde somit zwar eine vollständige Revision des bisherigen Versorgungsausgleichs durchgeführt, dieser mündete aber (allein) in der Entscheidung über einen neuen Versorgungsausgleich auf aktueller Berechnungsgrundlage. Da dieser familiengerichtliche Beschluss vom 30. Juli 2015 nach wie vor fort gilt, ist dessen Umsetzung durch die Beklagte vorliegend nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Versorgungsausgleich, wie der Kläger meint, nicht deshalb einzustellen, weil seine frühere Ehefrau nunmehr selbst das Renteneintrittsalter erreicht hat und eine Rente bezieht. Eine Anpassung der Kürzung nach Rechtskraft erfolgt ausschließlich aus den in den §§ 33 ff. VersAusglG genannten, aber hier nicht einschlägigen, Gründen oder endet mit dem Ende des Versorgungsbezugs des Ausgleichsverpflichteten (dazu Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Bd. 2, Stand März 2020, § 57 BeamtVG Rn. 183 ff.).
Auch im Hinblick auf § 49 Abs. 1 VwVfG ergibt sich nichts Anderes. Denn der (rechtmäßige) Kürzungsbescheid vom 26. Januar 2016 müsste demzufolge aufgrund der bindenden familiengerichtlichen Entscheidung mit diesem Inhalt erneut erlassen werden, sodass auch ein Widerruf ausscheidet. Denn die Beklagte als Versorgungsträger ist insoweit an die Entscheidung des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, vom 30. Juli 2015 gebunden, in der die gegenseitigen Ansprüche des Klägers und seiner früheren Ehefrau im Rahmen des Versorgungsausgleichs tituliert wurden (§ 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG).
Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 ff. ZPO