Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 1 K 1512/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist Initiator der Kunstaktion „Das 11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“, mit der er seit dem Jahr 2014 u.a. auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag sowie dem Deutschen Katholikentag auftritt, um über die seiner Ansicht nach verfassungswidrige Subventionierung dieser Veranstaltungen durch Bund, Länder und Kommunen aufzuklären. Er ist zugleich einer der Regionalgruppenkoordinatoren der H. -C. -Stiftung, die gemeinsam mit dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) die Aktion „Das 11. Gebot“ (finanziell) unterstützt.
3Am 16. März 2017 meldete der Kläger beim Polizeipräsidium Münster eine Versammlung mit einer erwarteten Teilnehmerzahl von 10 bis 20 Personen an, die er während des 101. Deutschen Katholikentages 2018 in Münster unter dem Thema „Kunstaktion mit politischer Willensbildung gegen die verfassungswidrige Subventionierung des Katholikentages 2018 in Münster“ durchführen wollte. Als Veranstalter benannte er die H. -C. -Stiftung in Zusammenarbeit mit dem IBKA Münster. Dabei gab der Kläger in dem hierfür vorgesehenen Formular als Zeitraum „Datum 08.-13.05.2018 Uhrzeit 10:00 – 23:00“ sowie als Versammlungsort „alle für Fußgänger ohne Eintritt im Stadtgebiet begehbaren Bereiche, Plätze, Straßen, Fußwege“ an und erläuterte dazu u.a., es gebe keinen festen Zugverlauf, der jeweilige Ort und die jeweilige Zeit richteten sich nach den Wünschen der Medien. Der Kläger beabsichtigte, einen fahrbaren Kundenstopper sowie einen etwa eineinhalb Meter breiten und etwa drei Meter langen, nicht motorisierten, d.h. handgezogenen Wagen mitzuführen, auf dem sich eine etwa drei Meter hohe Moses-Skulptur sowie daneben eine weitere, ebenso hohe Skulptur in der Optik einer Steintafel mit der Aufschrift „Das 11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ befinden sollten. Das Gewicht der Skulptur mit Informationsmaterial gab der Kläger gegenüber dem Polizeipräsidium Münster ursprünglich mit mehreren hundert Kilogramm an; tatsächlich soll das gesamte Objekt, das heißt der Wagen einschließlich der darauf angebrachten Skulpturen, nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung unter 300 Kilogramm wiegen.
4In einem darauf folgenden Telefongespräch am 12. April 2017 erklärte der Kläger gegenüber dem Polizeipräsidium Münster, dass er die einzelnen Veranstaltungen noch nicht konkret benennen könne. Er wolle seine Aktionen u.a. in räumlicher Nähe zu den im Rahmen des Katholikentages stattfindenden Veranstaltungen durchführen, über die er aber noch keine näheren Informationen habe. Daher habe er die Anmeldung zunächst einmal in der vorliegenden unbestimmten Form abgegeben. Er wolle frühzeitig die betroffenen Behörden informieren und mit diesen in Kontakt treten. Vor diesem Hintergrund vereinbarten der Kläger und das Polizeipräsidium Münster, dass dieser sich ca. im März 2018 erneut melde, um die Anmeldungen konkreter zu fassen und zu besprechen, welche Örtlichkeiten für dann geplante Versammlungen zur Verfügung stünden.
5Am 3. Mai 2018 konkretisierte der Kläger seine Anmeldung, indem er konkrete Zeiten und Orte für seine Versammlung benannte: Er wolle am 9. Mai 2018 von 10.00 bis 13.00 Uhr am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, von 13.00 bis 19.00 Uhr auf dem Domplatz, mittig, und von 19.00 bis 23.00 Uhr am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, auftreten. Am 10. Mai 2018 sei die Versammlung von 10.00 bis 14.00 Uhr in der Stubengasse, vor der Caritasbühne, und von 14.00 bis 23.00 Uhr am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, geplant. Am 11. Mai 2018 wolle er sich von 10.00 bis 16.00 Uhr am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, und von 16.00 bis 23.00 Uhr auf dem Schlossplatz, angrenzend zur Promenade, aufhalten. Für den 12. Mai 2018 seien von 10.00 bis 18.00 Uhr das Historische Rathaus, Prinzipalmarkt 10, und von 18.00 bis 23.00 Uhr der Domplatz, mittig, vorgesehen.
6Im Rahmen der in der Folge geführten Kooperationsgespräche wies das Polizeipräsidium Münster darauf hin, dass einige der gewünschten Kundgebungsorte ganz oder zu bestimmten Zeiten nicht zur Verfügung stünden. Die ihm dafür angebotenen Ersatzstandorte hielt der Kläger für inakzeptabel. Eine einvernehmliche Lösung konnte nicht erreicht werden.
7Daraufhin bestätigte das Polizeipräsidium Münster mit Ziffer I. der Ordnungsverfügung vom 8. Mai 2018 dem Kläger die Anmeldung der Versammlung als stationäre Kundgebungen unter freiem Himmel – insoweit übereinstimmend mit den Angaben des Klägers – am 9. Mai 2018 in der Zeit von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr, am 11. Mai 2018 in der Zeit von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr und am 12. Mai 2018 in der Zeit von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr, jeweils in Höhe des Historischen Rathauses, Prinzipalmarkt in Münster. Mit Ziffer II. der Verfügung untersagte das Polizeipräsidium Münster dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Durchführung von Kundgebungen, soweit dieser sich frei mit seiner Mosesfigur auf dem Kirchentagsgelände bewegen wolle oder an den in seiner Anmeldung vom 3. Mai 2018 über den Platz vor dem Historischen Rathaus hinausgehenden Flächen festhalte (Domplatz, Stubengasse, Schlossplatz, etc.) bzw. am 10. Mai 2018 vor dem Historischen Rathaus stehen wolle. Zugleich wies es den Kläger darauf hin, dass es diesem unbenommen bleibe, einen der zuvor vorgeschlagenen Ausweichplätze nach vorheriger Absprache für seine Kundgebung zu nutzen.
8Zur Begründung von Ziffer II. führte es im Wesentlichen aus: Die ursprüngliche Versammlungsanmeldung sei weder zeitlich noch räumlich hinreichend bestimmt gewesen. Die Konkretisierung sei am 3. Mai 2018 erfolgt. Die darin genannten Standorte stünden auf der Grundlage einer Gefahrenprognose teilweise nicht zur Verfügung. Der Domplatz sei am 9. Mai 2018 in der Zeit von 13.00 bis 19.00 Uhr nicht nutzbar, da dort die Eröffnungsfeier des Katholikentages mit bis zu 12.000 Personen stattfinde. Auf dem Stubengassenplatz fänden am 10. Mai 2018 in der Zeit von 10.00 bis 14.00 Uhr Veranstaltungen des Katholikentages statt, so dass die Fläche vor der Caritasbühne nicht zur Verfügung stehe. Die Fläche vor dem Rathaus, Prinzipalmarkt 10, müsse am 10. Mai 2018 aufgrund des Besuchs des als gefährdet eingestuften kolumbianischen Staatspräsidenten frei bleiben, der vor dem Rathaus von dem Oberbürgermeister der Stadt Münster sowie dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung empfangen werde. Der Bereich Schlossplatz inklusive der dortigen Promenade werde während der gesamten Dauer des Katholikentages vollständig von diesem genutzt, u.a. sei dort die Kirchenmeile aufgebaut. Am 11. Mai 2018 finde vor dem Schloss von 19.00 bis 22.00 Uhr ein Konzert statt. Der Domplatz stehe am 12. Mai 2018 nicht wie angemeldet zur Verfügung, da dort in der Zeit von 19.00 bis 22.00 Uhr ein großes Fest mit bis zu 12.000 Personen stattfinde. Allgemein sei festzuhalten, dass sich in der Innenstadt von Münster während der Veranstaltungen des Katholikentages voraussichtlich weit mehr als 50.000 Personen zeitgleich aufhalten würden. Es sei vorhersehbar, dass es an vielen Stellen in der Innenstadt zu Personenverdichtungen kommen werde. Der Kläger beabsichtige, zum Transport seiner großen Figur einen Klein-LKW zu nutzen. Die beabsichtigten Fahrzeugbewegungen gingen jedoch einher mit Gefahren für Leben und Gesundheit von Personen. Außerdem seien nicht alle Bereiche der Innenstadt frei befahrbar, da aufgrund der bestehenden hohen abstrakten Gefährdung u.a. durch den islamischen Terrorismus Terrorabwehrsperren errichtet worden seien. Der Katholikentag könne sich auf Art. 4 GG stützen, dem stehe die Versammlungsfreiheit des Klägers aus Art. 8 GG gegenüber. Es sei im Rahmen einer praktischen Konkordanz ein angemessener Ausgleich der kollidierenden Grundrechte herbeizuführen. Hierzu seien dem Kläger Alternativflächen angeboten worden. Dessen Versammlungsanliegen genieße keinen Vorrang gegenüber den Veranstaltungen des Katholikentages.
9Im weiteren Verlauf stellte das Polizeipräsidium Münster klar, dass die Fläche vor dem Historischen Rathaus am 9. Mai 2018 von 19.00 bis 23.00 Uhr nicht zur Verfügung stehe. Dort werde im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung auf dem Domplatz, zu der ca. 12.000 Menschen erwartet würden, der Abend der Begegnung stattfinden. Zu diesem Zweck befänden sich zahlreiche Aufbauten (Pagoden, Sitzmöglichkeiten etc.) auch auf dem Prinzipalmarkt. Angesichts der zu erwartenden Menschenmenge könne die Versammlung aus Sicherheitsgründen nicht vor dem Rathaus stattfinden. Anders als im Bescheid mitgeteilt, könne der Kläger am 10. Mai 2018 den Platz vor dem Rathaus ab 18.00 Uhr nutzen. Der kolumbianische Präsident werde zusammen mit zehn Ministern um 13.30 Uhr auf dem Flughafen Münster/Osnabrück landen und dann zum Rathaus fahren. Er werde das Rathaus ca. gegen 17.00 Uhr verlassen.
10Den am 9. Mai 2018 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gestellten Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen Ziffer II. des Bescheides des Polizeipräsidiums Münster vom 8. Mai 2018 hinsichtlich der verfügten Untersagung, die Versammlung im Bereich des Historischen Rathauses am Prinzipalmarkt, Domplatz, Stubengasse, Schlossplatz durchzuführen, wiederherzustellen, lehnte das erkennende Gericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 9. Mai 2018 - 1 L 507/18 - ab.
11In der Folge führte der Kläger seine Versammlung durch, wobei er in Abstimmung mit dem Beklagten auf Alternativstandorte auswich, soweit ihm die Durchführung von einzelnen Kundgebungen an den von ihm angemeldeten Orten untersagt worden war.
12Der Kläger hat am 9. Mai 2018 Klage erhoben.
13Zur Begründung seiner ursprünglich als Anfechtungsklage erhobenen und dann als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführten Klage bringt er im Wesentlichen vor: Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe, da er konkret plane, auch auf kommenden Kirchentagen und Katholikentagen zu demonstrieren. In der Vergangenheit seien gegen ihn immer wieder mit Sicherheitszwecken begründete Beschränkungen ausgesprochen worden. Hiermit sei auch bei zukünftigen Veranstaltungen zu rechnen. Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könnten seine Rechte nicht hinreichend sichern, da es den Gerichten in diesem Rahmen nicht möglich sei, die komplexen Sicherheitskonzepte der Veranstaltungen zu überprüfen. Es gehe ihm darum, in Zukunft frühzeitig in die Erstellung von Sicherheitskonzepten einbezogen zu werden, um mit seiner Versammlung nicht mehr in Randbereiche der Veranstaltungen verdrängt zu werden. Hierzu bedürfe es einer grundsätzlichen Klärung, dass das Versammlungsrecht seine Einbeziehung im Vorfeld garantiere.
14Die versammlungsrechtlichen Auflagen des Beklagten seien rechtswidrig gewesen. Der Beklagte habe gegen seine Kooperationspflicht verstoßen. Diese hätte es geboten, ihn in die Planungen einzubeziehen und alle Umstände zu erörtern, die potentiell zu einem (eingeschränkten) Versammlungsverbot hätten führen können. Dies sei nicht bzw. nicht ausreichend geschehen. Er habe die Versammlung bereits am 16. März 2017 angemeldet und sei trotzdem nicht in die Erstellung des Sicherheitskonzepts einbezogen worden. Schon dies alleine führe zur Rechtswidrigkeit. Dabei könne es keine Rolle spielen, dass er die konkreten Versammlungsorte erst am 3. Mai 2018 mitgeteilt habe. Die Versammlungsbehörde hätte bereits vorher ein Kooperationsgespräch in die Wege leiten müssen. Er habe sich zuvor mehrfach telefonisch gemeldet, sei aber immer wieder mit dem Hinweis vertröstet worden, dass der Katholikentag sein Programm noch nicht vorgelegt habe. Außerdem habe er sich ursprünglich mit seiner fahrbaren Moses-Statue frei auf dem Katholikentagsgelände bewegen wollen. Dies aber sei ihm untersagt worden. Wenn der Beklagte seiner Verpflichtung nachgekommen wäre, ihn bei der Erstellung des Sicherheitskonzepts einzubeziehen, wären die Standortfragen zu dem Zeitpunkt bereits geklärt gewesen. Im Übrigen sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Anmeldung früher zu konkretisieren, weil es noch keine Informationen über die Veranstaltungsorte des Katholikentages gegeben habe. Zudem seien die tatsächlichen Umstände, die zur Untersagung der Nutzung des Domplatzes und der Stubengasse geführt hätten, nicht ausreichend erörtert worden. Der allgemeine Hinweis auf die „Belegung durch den Katholikentag“ sei nicht ausreichend gewesen, weil er ja gerade auf dem Katholikentag bzw. an dessen zentralen Orten habe präsent sein wollen.
15Es bleibe unklar, warum er nicht an den von ihm gewünschten Standorten oder zumindest in unmittelbarer räumlicher Nähe, etwa bezogen auf den Staatsbesuch am 10. Mai 2018 am Rand einer Politiker-Schutz-Absperrung, habe demonstrieren können, zumal die Außengastronomie auf dem Prinzipalmarkt weiter geöffnet gewesen sei. Die Gefahrenprognose des Beklagten sei unzureichend gewesen. Sie habe schon nicht erkennen lassen, welcher Schaden für welches Rechtsgut einzutreten gedroht habe, sondern lediglich Ausführungen zu den Flächenbelegungen und dem Besucheraufkommen beim Katholikentag beinhaltet. Sicherheitsbedenken hätten nicht bestanden. Hierbei sei auch die geringe Größe der Versammlung zu berücksichtigen gewesen, von der selbst keine Gefahr ausgegangen sei. Außerdem wäre es möglich gewesen, ihn mit seiner Figur, wie alle anderen Besucher, am Zugang zum Sicherheitsbereich zu kontrollieren. Zudem sei die Berufung auf ein Sicherheitskonzept jedenfalls dann unzulässig, wenn – wie hier – die Versammlung bei Erstellung des Konzepts bereits angemeldet, aber trotzdem nicht berücksichtigt worden sei. Ein Vorrang oder „Erstanmelderprivileg“ des Veranstalters des Katholikentages habe nicht bestanden. Der Beklagte habe über ein Jahr im Voraus von seinem Anliegen gewusst. Bereits zu dieser Zeit hätte man ihm Versammlungsorte reservieren können, die dann dem Katholikentag nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Der geringfügige Raumbedarf seiner Versammlung hätte die Veranstaltungen des Katholikentages nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Stattdessen habe man einseitig dem Katholikentag Vorrang gewährt, indem man ihn zunächst unter Hinweis auf dessen noch nicht abgeschlossene Planungen vertröstet und später dann auf dessen vorrangigen Platzbedarf verwiesen habe.
16Die für den Katholikentag vorgesehenen Flächen seien trotzdem vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit erfasst gewesen. Dies habe der Beklagte nicht erkannt und deswegen das diesem eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Es hätte vielmehr eine praktische Konkordanz hergestellt werden müssen. Dem hätte es entsprochen, beide Veranstaltungen am selben Ort gleichzeitig zuzulassen. Dass dies unmöglich gewesen wäre, sei nicht ersichtlich. Die verfügten Beschränkungen der Versammlung hätten demgegenüber faktisch zu deren Totalverbot geführt, weil die Kundgebung von denjenigen Orten verbannt worden sei, an denen die zentralen politischen Diskussionen stattgefunden und sich die Personen befunden hätten, an die sich seine Versammlung gerichtet habe. Mit der Versammlung habe er die Besucher des Katholikentages, die Veranstalter wie auch die Politik erreichen wollen. Dies sei an den ihm angebotenen Alternativstandorten nicht bzw. nicht ausreichend möglich gewesen. Der Beklagte habe sich nicht ernsthaft um gleichwertige Alternativstandorte bemüht. Seine Versammlung sei von der öffentlichen Wahrnehmung ausgesperrt worden, um die Veranstalter des Katholikentages vor unliebsamer Kritik zu schützen. Der einzige Ort, an dem er mit seinem Anliegen die gewünschte Aufmerksamkeit und Wahrnehmung erfahren habe, sei der Platz vor dem Historischen Rathaus gewesen. Aber auch dies sei durch zeitliche Einschränkungen massiv entwertet worden. So habe er am 9. Mai 2018 ab 13.00 Uhr, am 10. Mai 2018 sowie am 11. Mai 2018 ab 18.00 den Bereich des Prinzipalmarkts verlassen müssen.
17Der Kläger beantragt,
18festzustellen, dass der Bescheid des Polizeipräsidiums Münster vom 8. Mai 2018 insoweit rechtswidrig gewesen ist und ihn in seinen Rechten verletzt hat, als ihm untersagt worden ist, in Münster eine Versammlung am 9. Mai 2018 von 13.00 bis 19.00 Uhr auf dem Domplatz, mittig, und von 19.00 bis 23.00 am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, am 10. Mai 2018 von 10.00 bis 14.00 Uhr in der Stubengasse, vor der Caritasbühne, und von 14.00 bis 18.00 Uhr am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, am 11. Mai 2018 von 16.00 bis 23.00 Uhr auf dem Schlossplatz, angrenzend zur Promenade, sowie am 12. Mai 2018 von 18.00 bis 23.00 Uhr auf dem Domplatz, mittig, durchzuführen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er wiederholt und vertieft seine Ausführungen aus dem angegriffenen Bescheid. Ergänzend bringt er im Wesentlichen vor: Eine Anmeldung einer Versammlung könne nur abschließend bearbeitet werden, wenn Angaben u.a. zu Zeit, Ort und Streckenführung vorlägen. Dies sei bei der Anmeldung des Klägers vom 16. März 2017 nicht der Fall gewesen. Die angebotenen Ersatzstandorte hätten sich in unmittelbarer Nähe zu Veranstaltungen des Katholikentages befunden, so dass dessen Besucher hätten erreicht werden können.
22Mit Beschluss vom 17. Februar 2021 hat das Gericht seinen Beiladungsbeschluss vom 9. Mai 2018 zur Klarstellung des wirklichen aktuellen Prozessverhältnisses aufgehoben, weil die dort beschlossene Beiladung des Vereins C. J. e.V.“ unwirksam geworden ist, da infolge der Auflösung des Vereins dessen Beteiligten- und damit auch Beiladungsfähigkeit erloschen sind (vgl. §§ 61, 63 Nr. 3, 65 Abs. 1 VwGO). Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 30. Juni 2021 und 19. August 2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem sowie im Verfahren 1 L 507/18 sowie des von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
25I. Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter an Stelle der Kammer (vgl. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
26II. Die Klage ist – nach ohne Weiteres zulässigem innerprozessualen Übergang vom erledigten Anfechtungs- zu einem Fortsetzungsfeststellungsbegehren – zulässig, aber unbegründet.
271. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig, nachdem sich die an den – entgegen der formellen Benennung in der Versammlungsanmeldung als Veranstalter auftretenden – Kläger gerichteten versammlungsrechtlichen Auflagen nach Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt haben (vgl. § 43 Abs. 2 Var. 4 VwVfG NRW). Insbesondere steht dem Kläger auch das nach dieser Bestimmung erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung zu, dass die versammlungsrechtlichen Auflagen rechtswidrig gewesen sind.
28Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet es, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. In versammlungsrechtlichen Verfahren sind diese Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG anzuwenden. Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet hiernach stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist. Derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens ist ebenso zu bejahen, wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber etwa infolge von versammlungsbehördlichen Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 VersG nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Demgegenüber ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht gegeben, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = juris, Rn. 28, 36 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2018 - 15 A 943/17 -, juris, Rn. 11; siehe noch BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 6 B 154.18 u.a. -, juris, Rn. 5 m.w.N.; siehe aber auch BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, BVerwGE 146, 303 = juris, Rn. 29 ff.
30Gemessen hieran steht dem Kläger ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu. Zwar wurde die Grundrechtsausübung nicht durch ein Vollverbot der Versammlung unterbunden, jedoch konnte die angemeldete Versammlung des Klägers im verfahrensgegenständlichen Umfang nur in einer ihren spezifischen Charakter verändernden Weise durchgeführt werden. Die zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Regelungen haben die Verwirklichung des kommunikativen Anliegens des Klägers wesentlich erschwert, weil er in deren Folge die Versammlung insoweit nicht an den von ihm angemeldeten, sondern lediglich an Ausweichorten durchführen konnte, die seiner Auffassung nach zur beabsichtigten Kontaktaufnahme zu den Besuchern des Katholikentages wie auch den Veranstaltern und den Vertretern der Politik ungeeignet(er) waren.
312. Die Klage ist unbegründet. Die Regelungen in Ziffer II. des Bescheids des Polizeipräsidiums Münster vom 8. Mai 2018 in seiner durch die nachträglichen Klarstellungen gefundenen Gestalt sind im angegriffenen Umfang rechtmäßig gewesen und haben den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Satz 1 VwGO).
32Das an den Kläger gerichtete Verbot, in Münster eine Versammlung am 9. Mai 2018 von 13.00 bis 19.00 Uhr auf dem Domplatz, mittig, und von 19.00 bis 23.00 am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, am 10. Mai 2018 von 10.00 bis 14.00 Uhr in der Stubengasse, vor der Caritasbühne, und von 14.00 bis 18.00 Uhr am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, am 11. Mai 2018 von 16.00 bis 23.00 Uhr auf dem Schlossplatz, angrenzend zur Promenade, sowie am 12. Mai 2018 von 18.00 bis 23.00 Uhr auf dem Domplatz, mittig, durchzuführen, findet seine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 VersG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
33Ist eine versammlungsbehördliche Verfügung auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde.
34Hierbei ist zu berücksichtigen, dass von dem Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nach Art. 8 Abs. 1 GG prinzipiell auch die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst ist. Die Behörde hat im Normalfall lediglich zu prüfen, ob durch die Wahl des konkreten Versammlungsorts Rechte anderer oder sonstige verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigt werden. Ist dies der Fall, kann der Veranstalter die Bedenken durch eine Modifikation des geplanten Ablaufs ausräumen oder aber es kommen versammlungsrechtliche Auflagen in Betracht, um eine praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz herzustellen. Art. 8 Abs. 1 GG und dem aus ihm abgeleiteten Grundsatz versammlungsfreundlichen Verhaltens der Versammlungsbehörde entspricht es, dass auch bei Auflagen das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters im Rahmen des Möglichen respektiert wird. Ferner ist von Bedeutung, ob durch die Auflage die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit beseitigt werden kann, ohne den durch das Zusammenspiel von Motto und geplantem Veranstaltungsort geprägten Charakter der Versammlung – ein Anliegen ggf. auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen am Wirksamsten zur Geltung zu bringen – erheblich zu verändern.
35Vgl. im Einzelnen etwa OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 2020 - 15 A 355/19 -, juris, Rn. 35 ff. m.w.N.
36Gemessen an diesen Maßstäben sind die in Ziffer II. der angegriffenen Verfügung vom 8. Mai 2018 geregelten Auflagen im angegriffenen Umfang rechtmäßig gewesen.
37a) Die Rechtswidrigkeit ergibt sich zunächst nicht aus den vom Kläger geltend gemachten Verstößen im Kooperationsverfahren. Dabei kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten derartige Verstöße zur Rechtswidrigkeit der verfahrensgegenständlichen Auflage führen können. Denn jedenfalls lassen sich keine Verstöße des Polizeipräsidiums Münster im Rahmen des Kooperationsverfahrens feststellen.
38Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahrenprognose einschließlich ihrer tatsächlichen Grundlagen sowie die daraus resultierenden Rechtsfolgen nicht ausreichend erörtert worden sein könnten, wie der Kläger meint, bestehen nicht. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger das Programm des Katholikentages mit seinen jeweiligen Einzelveranstaltungen nicht nur bekannt war, sondern er dies zugleich erkennbar seiner konkretisierten Versammlungsanmeldung zugrunde gelegt hat. Jedenfalls unter den besonderen Umständen dieses Einzelfalles dringt der Kläger auch nicht mit seinem Vorbringen durch, die Versammlungsbehörde hätte ihn frühzeitig(er) in das Sicherheitskonzept einbeziehen müssen, da er die Versammlungen bereits über ein Jahr vorher angemeldet habe.
39Die am 16. März 2017 erfolgte Anmeldung der für den Zeitraum des 101. Deutschen Katholikentages vom 9. bis 13. Mai 2018 in Münster geplanten Versammlung des Klägers bot – ebenso wie etwaige nachfolgende telefonische Erkundigungen – für sich genommen keinen Anlass für ein weiteres eigeninitiatives Tätigwerden der Versammlungsbehörde im Sinne einer Einbeziehung in das Sicherheitskonzept. Die Anmeldung versetzte das Polizeipräsidium nicht in die Lage, entsprechend dem Zweck des Anmeldeerfordernisses Vorkehrungen zum störungsfreien Ablauf der Veranstaltungen und zum Schutz der Interessen Dritter oder der Allgemeinheit treffen zu können, weil sie keine konkreten Angaben zu Zeit und Ort bzw. Streckenführung der geplanten Versammlung enthielt. Vielmehr gab der Kläger als Zeitraum „Datum 08.-13.05.2018 Uhrzeit 10:00 – 23:00“ und als Versammlungsort „alle für Fußgänger ohne Eintritt im Stadtgebiet begehbaren Bereiche, Plätze, Straßen, Fußwege“ an und erläuterte dazu, es gebe keinen festen Zugverlauf, der jeweilige Ort und die jeweilige Zeit richteten sich nach den Wünschen der Medien. Darüber hinaus erklärte der Kläger nach einem im Verwaltungsvorgang enthaltenen Vermerk vom 12. April 2017, an dessen zutreffender Dokumentation wie inhaltlicher Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln besteht, dass er die einzelnen Veranstaltungen noch nicht konkret benennen könne. Er wolle seine Aktionen u.a. in räumlicher Nähe zu den im Rahmen des Katholikentages stattfindenden Veranstaltungen durchführen, über die er aber noch keine näheren Informationen habe. Daher habe er die Anmeldung zunächst einmal in der vorliegenden unbestimmten Form abgegeben. Vor diesem Hintergrund vereinbarten der Kläger und die Versammlungsbehörde ausweislich des Vermerks, dass dieser sich im März 2018 erneut melde, um die Anmeldungen konkreter zu fassen und zu besprechen, welche Örtlichkeiten für dann geplante Versammlungen zur Verfügung stehen.
40Die angesichts einer Großveranstaltung wie dem Katholikentag mit über 1.000 Einzelveranstaltungen und weit über 50.000 Besuchern zwingend erforderliche Konkretisierung der Angaben zu Zeit und Ort der geplanten Versammlung des Klägers, bei der dieser nach seinen ursprünglich mitgeteilten Angaben eine mehrere hundert Kilogramm schwere Skulptur auf einem etwa eineinhalb Meter breiten und etwa drei Meter langen handgezogenen Wagen transportieren wollte, erfolgte dann allerdings erst am 3. Mai 2018, d.h. weniger als eine Woche vor Beginn des Katholikentages, obwohl dessen Programm bereits im März 2018 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war. Jedenfalls unter diesen besonderen Umständen des Einzelfalles bestand kein Anlass für die Versammlungsbehörde, den Kläger bereits vorab in das Sicherheitskonzept einzubinden. Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass eine Einbeziehung des Klägers ohnehin frühestens ab Vorlage des endgültigen Programms des Katholikentages tatsächlich möglich und rechtlich geboten war, weil der Beklagte in dessen Erstellung nicht oder zumindest nicht durchweg und allenfalls informatorisch eingebunden und der „101. Deutscher Katholikentag Münster 2018 e.V.“ als nicht unmittelbar an die Grundrechte gebundener privatrechtlicher Verein nicht verpflichtet war, das Versammlungsbegehren des Klägers bereits im Rahmen seiner autonomen Programmplanung zu berücksichtigen. Vielmehr sind etwaige konkurrierende Ansprüche an den öffentlichen Raum erst nachgelagert durch die Versammlungsbehörde aufzulösen.
41b) Auch sonst ist das angegriffene mit Ziffer II. des Bescheids des Polizeipräsidiums Münster vom 8. Mai 2018 ausgesprochene Verbot, die Versammlungen an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten durchzuführen, nicht zu beanstanden gewesen.
42Hierbei legt das Gericht zu Grunde, dass die von dem Kläger in den Blick genommenen Versammlungsorte trotz (teilweiser) Belegung durch den Katholikentag grundsätzlich vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG umfasst waren.
43Vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - 15 B 1500/16 -, juris, Rn. 8 ff., und vom 2. Juli 2020 - 15 A 2100/18 -, juris, Rn. 99 ff.; BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2021 - 6 B 48.20 -, NWVBl 2021, 239 = juris, Rn. 11 f.; jeweils m.w.N.; siehe auch Sächsisches OVG, Beschluss vom 27. Mai 2016 - 3 B 130/16 -, juris, Rn. 6.
44Die in Ziffer II. des Bescheids des Polizeipräsidiums Münster getroffenen Regelungen gewährleisteten eine praktische Konkordanz der widerstreitenden Interessen, insbesondere der vorrangig betroffenen Grundrechte der Versammlungsfreiheit des Klägers und u.a. des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), der Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) der Veranstalter und Teilnehmer des 101. Deutschen Katholikentages sowie der Referenten und Passanten; weitergehender Ermessenserwägungen bedurfte es insoweit nicht.
45Die vom Beklagten getroffene Gefahrenprognose ließ eine Gefahrsituation im vorstehenden Sinne erkennen. Das Polizeipräsidium Münster hat sein Verbot, die Versammlung am 10. Mai 2018 von 14.00 bis 18.00 Uhr am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, durchzuführen, mit Sicherheitsinteressen aufgrund des Besuchs des als gefährdet eingestuften kolumbianischen Staatspräsidenten begründet, d.h. auf den Schutz der Rechtsgüter aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt. Dass es hierzu nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen der Einrichtung eines Sicherheitsbereichs an dem vom Kläger für seine Kundgebung vorgesehenen Ort für die Dauer des Besuchs bedurfte, ist ohne Weiteres plausibel, zumal der in Begleitung von zehn Ministern anreisende Staatspräsident vor dem Rathaus von dem Oberbürgermeister der Stadt Münster sowie dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung empfangen werden sollte.
46Hinsichtlich der Untersagung, Kundgebungen am 9. Mai 2018 von 13.00 bis 19.00 Uhr auf dem Domplatz, mittig, und von 19.00 bis 23.00 am Historischen Rathaus, Prinzipalmarkt 10, am 10. Mai 2018 von 10.00 bis 14.00 Uhr in der Stubengasse, vor der Caritasbühne, am 11. Mai 2018 von 16.00 bis 23.00 Uhr auf dem Schlossplatz, angrenzend zur Promenade, sowie am 12. Mai 2018 von 18.00 bis 23.00 Uhr auf dem Domplatz, mittig, durchzuführen, hat das Polizeipräsidium Münster hinreichend konkret und nachvollziehbar auf den Nutzungskonflikt mit den exakt dort zu diesen Zeiten stattfindenden (Groß-)Veranstaltungen des Katholikentages (u.a. Eröffnungs- und Abschlussfeier mit bis zu 12.000 Personen, Abend der Begegnung, Kirchenmeile bzw. Konzert) verwiesen. Es ist zudem unmittelbar einsichtig, dass über den Eingriff in die Nutzungsrechte des Katholikentages hinaus bei Durchführung der Versammlung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (ggf. auch mittelbar) Gefahren für Leben und Gesundheit von Personen drohten. Insoweit sind u.a. die vom Kläger beabsichtigten Fahrzeugbewegungen – die zu bewegende Skulptur sollte nach den hiernach maßgeblichen vom Kläger ursprünglich mitgeteilten Angaben mehrere hundert Kilogramm schwer sein und mit einem etwa eineinhalb Meter breiten und etwa drei Meter langen handgezogenen Wagen transportiert werden –, der erwartete Zustrom von voraussichtlich mehr als 50.000 Menschen in der Enge des Innenstadtraums der Stadt Münster während der Veranstaltungen des Katholikentages allgemein sowie konkret an den angemeldeten Orten aufgrund der dort stattfindenden Einzelveranstaltungen und die damit verbundenen Personenverdichtungen zu berücksichtigen. Dies wird zusätzlich gesteigert durch das Ziel des Klägers, mit seiner Versammlung die Aufmerksamkeit der Anwesenden zu gewinnen und mit diesen in Austausch zu treten. Schließlich hat das Polizeipräsidium Münster in seine Prognose plausibel die hohe abstrakte Gefährdung durch u.a. den islamistischen Terrorismus sowie die mit Blick darauf errichteten Terrorabwehrsperren in der Innenstadt eingestellt und berücksichtigt, dass in der Folge nicht alle Bereiche der Innenstadt frei befahrbar sind.
47Die Versammlungsbehörde hat zur Auflösung dieser Kollisionslage mit der angegriffenen Regelung nicht, wie der Kläger meint, den Veranstaltungen des Katholikentages einseitig Vorrang gewährt, vielmehr hat sie eine praktische Konkordanz der widerstreitenden Interessen hergestellt. Dies kommt schon darin zum Ausdruck, dass der Kläger verschiedene Kundgebungen wie angemeldet durchführen konnte. In den übrigen – hier streitbefangenen – Fällen ist zu berücksichtigen, dass die vom Kläger angemeldete Versammlung zeitlich und räumlich auf bestimmte Veranstaltungen des Katholikentages bezogen war, es dem Kläger also nicht um den jeweiligen Versammlungsort als solches, sondern unabhängig davon allein um die Nähe zu den stattfindenden Veranstaltungen des Katholikentages ging. Hierin war insofern bereits eine gewisse Vorgängigkeit der Veranstaltungen des Katholikentages angelegt, die das Polizeipräsidium Münster mit seinen Regelungen – angesichts der nach dem Vorstehenden Unvereinbarkeit der gleichzeitigen Nutzung des beanspruchten öffentlichen Raums – lediglich nachvollzogen hat.
48Dabei ist es unter den besonderen Umständen dieses Falles nicht zu beanstanden, dass das Polizeipräsidium Münster dem Kläger mit der verfahrensgegenständlichen Verfügung für die betroffenen Zeiträume nicht zugleich bereits alternative Versammlungsorte zugewiesen hat. Die hierauf bezogene Interessenlage des Klägers ließ sich weder seiner Anmeldung der Versammlung noch der vorgerichtlichen Korrespondenz hinreichend sicher entnehmen. Vor diesem Hintergrund diente es in diesem Fall gerade der Herstellung einer praktischen Konkordanz, dem Kläger keine konkreten Versammlungsorte vorzugeben, sondern ihn seinem Selbstbestimmungsrecht entsprechend auf die Möglichkeit zu verweisen, in Absprache mit dem Polizeipräsidium Münster ggf. auch kurzfristig Ausweichorte für seine Versammlung auszuwählen. Die Bereitschaft des Beklagten, hieran konstruktiv mitzuwirken, ergab sich mit hinreichender Deutlichkeit sowohl aus dem verfahrensgegenständlichen Bescheid, mit dem dieser erkennbar nicht die ggf. im Nachgang noch erfolgende künftige Wahl eines anderen Versammlungsortes durch den Kläger ausschließen, sondern diese lediglich unter den Vorbehalt der ihm nach obigen Grundsätzen zukommenden Prüfung stellen wollte, als auch den vorgerichtlichen Abläufen. So hat das Polizeipräsidium Münster dem Kläger bereits vor Erlass der verfahrensgegenständlichen Verfügung mit Schreiben vom 4. und 7. Mai 2018 verschiedene Alternativflächen für die Durchführung seiner Versammlung angeboten und dieses Angebot auch mit der Verfügung vom 8. Mai 2017 weiterhin aufrechterhalten. Dies hat sich im Übrigen auch im weiteren Verlauf in tatsächlicher Hinsicht bestätigt, so dass der Kläger seine Versammlung durchführen konnte und dabei in Abstimmung mit dem Beklagten auf Alternativstandorte auswich, soweit ihm die Durchführung von Kundgebungen an den von ihm angemeldeten Orten untersagt worden war.
49Vor diesem Hintergrund wurde die Versammlungsfreiheit des Klägers aus Art. 8 Abs. 1 GG nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Der Beklagte hat seine Versammlung nicht vollständig – entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht faktisch vollständig – verboten, sondern als milderes Mittel eine den Versammlungsort modifizierende Auflage gewählt. Der Kläger war für sein mit der Anmeldung zum Ausdruck gebrachtes Anliegen, über die seiner Ansicht nach verfassungswidrige Finanzierungspraxis von Kirchentagen und Katholikentagen aufzuklären, nicht zwingend auf die von ihm ausgewählten Orte angewiesen. Vielmehr bestand die Möglichkeit, seinem Anliegen auch an anderen – hier nicht unmittelbar zur gerichtlichen Überprüfung gestellten – Orten, insbesondere in unmittelbarer Nähe der von ihm bevorzugten Orte Ausdruck zu verleihen und hiermit die Besucher des Katholikentages wie auch Veranstalter, Referenten, Podiumsteilnehmer oder Politiker zu erreichen. Die konkreten Einzelveranstaltungen des Katholikentages sollten der Versammlung des Klägers kein besonderes Gepräge geben, das Anliegen des Klägers war mit diesen nicht unmittelbar verknüpft. Vielmehr ging es ihm darum, seine Botschaft allgemein im Rahmen des Katholikentages möglichst wirksam zur Geltung zu bringen. Dabei dienten die bei seiner Anmeldung in den Blick genommenen Einzelveranstaltungen – insofern lediglich – deshalb als Bezugspunkt, weil sie aus seiner Sicht die Chance größtmöglicher Resonanz boten. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, dass etwa die vom Beklagten angebotenen Ausweichplätze zur Transportierung seines Anliegens von Vornherein aus der maßgeblichen ex-ante-Perspektive ungeeignet waren. So befinden sich zum Beispiel die vom Beklagten angebotenen Ausweichplätze Klemensstraße und Gerichtsstraße im unmittelbaren Umfeld von Stubengasse und Domplatz bzw. Schlossplatz, so dass auch davon ausgegangen werden konnte, dass die Sichtbarkeit der Statue des Klägers hinreichend gewährleistet ist. Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich das pauschale Vorbringen des Klägers, der statt des gewünschten Versammlungsortes „Historisches Rathaus“ zeitweise von ihm aufgesuchte Ausweichort „Klemensstraße“ sei ungenügend gewesen. Für zwei der von ihm insoweit benannten Zeiträume, nämlich am 9. Mai 2018 ab 13.00 Uhr sowie am 11. Mai 2018 ab 18.00 Uhr hatte er das „Historische Rathaus“ schon gar nicht als Versammlungsort angemeldet und demzufolge das Polizeipräsidium Münster mit seinem Bescheid vom 8. Mai 2018 eine dortige Versammlung nicht untersagt. Ohnehin aber geht dieser Vortrag angesichts des oben Gesagten insgesamt ins Leere.
50III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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