Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (9. Kammer) - 9 A 215/07

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Schulkostenbeiträgen, die von der Klägerin für die Beschulung Hamburger Kinder in Winnemark, Kreis Rendsburg-Eckernförde während des Jahres 2004 an den St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. gezahlt wurden. Gestützt wird der geltend gemachte Anspruch auf ein im Jahr 1963 geschlossenes „Abkommen über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“, das am 01.04.1963 in Kraft trat und in welchem Klägerin und Beklagter für den Besuch der öffentlichen Schulen in ihren Ländern gegenseitige Schulgeldfreiheit und Gleichbehandlung ihrer Schülerinnen und Schüler vereinbarten - aktualisiert und bis heute gültig aufgrund eines weiteren Abkommens vom 09.01./11.01.2004.

2

Der St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. mit Sitz in Kappeln ist dem Diakonischen Werk angeschlossen und im Bereich der Jugend- und Behindertenhilfe tätig. Er unterhält u.a. Jugendhilfeeinrichtungen sowie Einrichtungen für Schwerst- und Mehrfachbehinderte. Die Wohnhäuser des Schwerstbehindertenbereiches sind Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach dem heutigen SGB XII. Eines dieser Häuser liegt in Winnemark (OT Sundsacker) im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Dieser Wohneinrichtung angegliedert ist die Albert-Schweitzer-Schule, ein vereinseigenes Förderzentrum mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung für behinderte Menschen. Träger des Förderzentrums (nach altem Schulrecht: Sonderschule, § 25 SchulG SH idF der Bekanntmachung v. 2.8.1990, im Folgenden: „SchulG a.F.“) ist der beigeladene Kreis, der dem St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. wiederum seine Aufgaben als Schulträger durch öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 30.06.1980, ergänzt und aktualisiert in 1994 und 1998, übertragen hat. Danach trägt der Verein sämtliche mit dem Schulbetrieb anfallenden Kosten und stellt den Kreis von jeglicher Inanspruchnahme frei. Der Verein soll die Aufgabenwahrnehmung über Pflegesätze finanzieren, wobei der Kreis Pflegesätze zahlt „für die aus dem Kreisgebiet stammenden Kinder, die im Heim aufgenommen werden und die Sonderschule besuchen“ (§ 3 des Vertrages von 1980). In Fortführung dieser Regelungen wurde durch weitere Vereinbarung in 1998 klargestellt, dass die Aufgabenübertragung nunmehr auf § 71 Abs. 4 SchulG a.F. beruhe (§ 1). Insgesamt sollten in der Schule max. 70 geistig behinderte und verhaltensgestörte Kinder beschult werden (§ 4). Während die Finanzierung der laufenden Kosten für Schüler aus Schleswig-Holstein durch die Erhebung von Schulkostenbeiträgen nach den Bestimmungen des Schulgesetzes erfolge (wozu der Verein ermächtigt wurde), gelte für Schüler aus anderen Bundesländern der mit der zuständigen Pflegesatzkommission zu vereinbarende kalendertägliche Schulkostenbeitrag (§ 2 Nr. 1-3). Eine solche Vereinbarung über den „Schulbeitrag für den Besuch der Heim-Sonderschule“ für die beim Verein „untergebrachten Kinder, die die Heim-Sonderschule besuchen“ schloss der Verein mit der Pflegesatzkommission Ost, vertreten durch den Kreisausschuss des Beigeladenen im Jahre 1995. Der Beitrag belief sich im G-Bereich auf 48,40 DM, aktuell 24,75 €, im H-Bereich auf 29,57 DM, aktuell 15,12 €.

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Während des Jahres 2004 waren 14 behinderte Menschen mit Hamburger Wohnsitz in der Einrichtung St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. in Winnemark voll- bzw. teilstationär untergebracht und besuchten von dort aus die Albert-Schweitzer-Schule. Die Unterbringung erfolgte auf Kosten der Klägerin im Rahmen der Eingliederungshilfe. Die der Klägerin vom Verein monatsweise erteilten Heimkostenabrechnungen beinhalteten neben dem Tagespflegesatz und Bettengeld jeweils auch einen Schulbeitrag in Höhe von 24,75 € / Tag. Dieser Schulbeitrag war zuvor vom Beigeladenen als Schulkostenausfallbeitrag iSd § 76 Abs. 3 iVm § 76 Abs. 2 S. 2 SchulG a.F. gegenüber dem Verein als Heimträger geltend gemacht worden.

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Entsprechend war im Fall des seit September 2003 in Winnemark untergebrachten Schülers ... verfahren worden. Der Verein hatte die Übernahme des Schulbeitrags bereits für das Schuljahr 2003/2004 unter Berufung auf § 76 SchulG a.F. bei der Klägerin beantragt, woraufhin diese die Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen hatte. Der Beklagte wiederum erstattete der Klägerin diese Schulbeiträge für das Jahr 2003 und für das erste Halbjahr 2004 mit Schreiben vom 25.10.2004. Eine weitere Erstattung für die Zeit ab 01.08.2004 lehnte er hingegen mit Schreiben vom 08.08.2005 ab. Ebenso waren seit Mai 2005 Ablehnungen erfolgt in den Fällen anderer Schülerinnen und Schüler aus Hamburg. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass es sich bei der Albert-Schweitzer-Schule um eine Sonderschule gem. § 71 Abs. 3 SchulG a.F. handele, für die der Schulträger einen Anspruch auf Erstattung der Schulkostenbeiträge gem. § 76 Abs. 3 SchulG a.F. nur gegenüber den Kreisen bzw. kreisfreien Städten geltend machen könne, nicht aber gegenüber dem Heimträger. Mit dem Hinweis, dass sich der Erstattungsanspruch aus dem „Abkommen über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ ergebe und das SchulG SH keine entgegenstehenden Rechtswirkungen zwischen den Ländern entfalten könne, forderte die Klägerin den Beklagten nochmals auf, die ausstehenden Schulbeiträge für ... anzuerkennen und bezifferte diese mit Schreiben vom 28.11.2007 für die Zeit bis zum 05.07.2007 auf 28.526,72 €. Mit weiterem Schreiben vom 05.12.2007 forderte die Klägerin den Beklagten auf, für weitere 13 gleichgelagerte Fälle die ebenfalls ab 2004 bis 2007 an den St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. gezahlten Schulbeiträge spätestens bis zum 13.12.2007 zu erstatten oder zumindest erst einmal auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Mit Schreiben vom 21.12.2007 teilte der Beklagte der Klägerin und dem Beigeladenen unter Verweis auf einen Erlass von 2004 mit, dass der Beigeladene seiner Ansicht nach nicht berechtigt sei, den Heimträger auf Zahlung von Schulkostenbeiträgen in Anspruch zu nehmen, da § 76 Abs. 3 SchulG a.F. dafür keine Grundlage biete.

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Am 27.12.2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie begehrt die Erstattung der an den St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. gezahlten Schulbeiträge für das Jahr 2004 in Höhe von insgesamt 93.898,72 € für 14 behinderte Kinder aus Hamburg, die im Einzelnen namentlich mit entsprechendem Zeitraum aufgeführt werden. Der Anspruch ergebe sich aus dem „Abkommens über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ von 1963. In Ziffer I. hätten die Klägerin und der Beklagte für den Besuch von öffentlichen Schulen in ihren Ländern gegenseitige Schulgeldfreiheit vereinbart. Der Begriff „öffentliche Schule“ umfasse auch solche Schulen, die staatlich unterstützt würden, auch wenn sie formell eine private Rechtsform aufwiesen. Darüber hinaus ergebe sich aus Ziffer VIII. des Abkommens ein Erstattungsanspruch. Damit habe der Beklagte die Freistellung von Schulbeiträgen auch für Schüler zugesichert, die in sonstigen Bildungseinrichtungen auf schleswig-holsteinischem Gebiet untergebracht seien und für die die Klägerin bisher Schulbeiträge gezahlt habe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 93.898,72 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2007 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, als Rechtsgrundlage komme zwar das „Abkommen zwischen dem Land Schleswig-Holstein, … und der Freien und Hansestadt Hamburg, … zum grenzüberschreitenden Schulbesuch“ vom 09.01./11.01.2004 in Verbindung mit dem weiter geltenden „Abkommen über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ von 1963 in Betracht. Aus Ziffer VIII. des Abkommens von 1963 ergebe sich aber kein Erstattungsanspruch, sondern lediglich ein Freistellungsanspruch. Danach könne die Klägerin, wenn diese auf Zahlung von Schulbeiträgen durch einen Heimträger in Anspruch genommen werde, von dem Beklagten verlangen, von diesen Zahlungen freigestellt zu werden. Nur so habe der Beklagte die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Forderung des Heimträgers zu überprüfen und ggf. abzuwehren. Gerade um zu verhindern, dass der Beklagte bei einem Erstattungsanspruch einen zu Unrecht geltend gemachten Zahlungsanspruch des Heimträgers gegen den Heimträger im Wege des Regresses - mit zweifelhaften Erfolgsaussichten - geltend machen müsste, sei lediglich ein Freistellungsanspruch und kein Erstattungsanspruch in dem Abkommen vereinbart worden. Hätte die Klägerin rechtzeitig einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, wäre es zu einer Zahlung von Schulbeiträgen an den Heimträger nicht gekommen, weil die Geltendmachung solcher Ansprüche unterbunden worden wäre. Dem Beigeladenen stehe nach dem für 2004 geltenden Schulrecht ein Anspruch auf Zahlung von Schulbeiträgen gegen den Heimträger St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. tatsächlich nicht zu; folglich habe auch der Heimträger keinen entsprechenden Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin. Grundsätzlich könne der Schulträger gem. § 76 Abs. 2 S. 2 SchulG a.F. zwar gegenüber einem Heimträger Schulkostenausfallbeiträge geltend machen für von ihm beschulte Kinder, deren Wohnsitzgemeinde außerhalb Schleswig-Holsteins liege mit der Folge, dass sich der Heimträger diesen Betrag von der Wohnsitzgemeinde erstatten lasse und diese wiederum beim Land Freistellung geltend machen könne. Handele es sich aber - wie hier - um eine Sonderschule, die nach § 71 Abs. 3 SchulG a.F. in der Trägerschaft des Kreises liege, habe der Kreis nach § 76 Abs. 3 SchulG a.F. den Schulbeitrag selbst zu tragen, da § 76 Abs. 3 SchulG a.F. auf einen Ausgleich der Kreise untereinander abziele.

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Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

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Er ist der Auffassung, dass die Schulkostenbeiträge rechtmäßig erhoben worden seien und deshalb auch gemäß der Freistellungsregelung im Abkommen vom beklagten Land zu tragen seien. Entgegen der Auffassung des Beklagten verweise § 76 Abs. 3 SchulG a.F. für das Verhältnis der Kreise untereinander auf den gesamten § 76 Abs. 2 SchulG a.F., mithin sei auch die Ausfallregelung in dessen Satz 2 anzuwenden, wenn der Wohnort - wie hier - außerhalb Schleswig-Holsteins liege. Aus dem Abkommen ergebe sich nichts anderes. Es gelte nur zwischen den Vertragsparteien und entfalte für die Kreise keine Bindungswirkung. Eine Erstreckung sei auch nicht gesetzlich angeordnet.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Sie ist zutreffend gegen das Land als Rechtsträger gerichtet. Ein unmittelbares Vorgehen gegen das Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein wäre lediglich im Falle des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO iVm § 6 S. 2 AGVwGO zwingend vorgegeben; dies gilt jedoch nur bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen.

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Die Klage ist aber unbegründet.

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Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der an den St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. gezahlten Schulkostenausfallbeiträge. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem „Abkommen über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ von 1963 idF des Abkommen zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg zum grenzüberschreitenden Schulbesuch vom 09.01./11.01.2004.

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Im Abkommen von 1963 ist u.a. geregelt:

I.

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„(1) Die Vertragsschließenden vereinbaren im Rahmen der vorhandenen Aufnahmemöglichkeiten ihrer Schulen und soweit sich nicht aus den nachfolgenden Bestimmungen etwas anderes ergibt für den Besuch der öffentlichen Schulen in ihren Ländern gegenseitige Schulgeldfreiheit und Gleichbehandlung der Schüler.

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(2) ….“

IV.

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„(1) Schulgeld (Gebühren für den Schulbesuch) wird für Schüler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der beiden Länder haben, nicht erhoben. …

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(2) Gastschulbeiträge werden gegenseitig nicht erhoben.“

VIII.

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„(1) Das Land Schleswig-Holstein sichert die Freistellung von Schulkostenbeiträgen auch für die Schüler zu, die in Heimen der Freien und Hansestadt Hamburg - Jugendbehörde -, der Vereinigung städtischer Kinder- und Jugendheime der Freien und Hansestadt Hamburg e.V. und in sonstigen Erziehungsheimen auf schleswig-holsteinischem Gebiet untergebracht sind und für die die Freie und Hansestadt Hamburg - Jugendbehörde - bisher Schulkostenbeiträge gezahlt hat.

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(2) …“

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Soweit der Beklagte meint, ein Erstattungsantrag könne sich aus diesen Normen, insbesondere aus Ziffer VIII. (1) schon deshalb nicht ergeben, weil die dort vorgesehene Freistellung (von geltend gemachten, aber noch nicht erfüllten Ansprüchen) nicht mit einer (nachträglichen) Erstattung gleichzusetzen sei, so mag dies jedenfalls für den Fall einer objektiven Auslegung zutreffen. Eine Freistellungsvereinbarung im Rechtssinne verpflichtet zur Erfüllung begründeter und idR auch zur Abwehr unbegründeter Ansprüche (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., 2007, § 157, Rd. 12).

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Die Willenserklärungen von Vertragsschließenden sind hingegen nicht nach rein objektiven Kriterien auszulegen, sondern nach dem verobjektivierten Empfängerhorizont so, wie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte die Erklärung verstehen durfte (§ 62 S. 2 VwVfG iVm §§ 133, 157 BGB), sofern eine Auslegungsbedürftigkeit besteht und die Willenserklärung nicht nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., 2007, § 133, Rd. 6). Auch wenn die Regelungen in Ziffer I., IV. und VIII. darauf hindeuten, dass die Klägerin generell und von vornherein nicht mit Ansprüchen schleswig-holsteinischer Schulen auf Schulgebühren, Gastschulbeiträge bzw. Schulkostenbeiträge konfrontiert werden soll, zeigt jedenfalls die spätere Praxis, dass speziell VIII. (1) von den Vertragspartnern auch als Erstattungsanspruch verstanden und angewandt worden ist. Dies gilt zum einen für die Ausfallansprüche gemeindlicher Schulträger, die Schülerinnen und Schüler mit Wohnortgemeinde außerhalb Schleswig-Holsteins beschulen und sich gem. § 76 Abs. 2 S.2 SchulG a.F. an den Träger der Einrichtung wenden können, in denen diese Schülerinnen und Schüler untergebracht sind (vgl. den Schriftwechsel zwischen der Ministerin für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport des beklagten Landes, der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Klägerin, dem Heilpädagogium an der Ostsee und der Stadt Eckernförde aus den Jahren 1991 - 1993 im Verwaltungsvorgang). Dies gilt zum anderen aber auch für den Fall des …., der seit dem Schuljahresbeginn 2003 in einer Wohneinrichtung des St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. untergebracht war und eine Schule in der Trägerschaft des beigeladenen Kreises besuchte. Auch hierfür erstattete der Beklagte der Klägerin zunächst das an den Heimträger gezahlte Schulgeld für das Jahr 2003 und für das erste Halbjahr 2004.

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Dessen ungeachtet besteht vorliegend allerdings weder ein Freistellungs- noch ein Erstattungsanspruch, weil schon der gegenüber der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Schulkostenausfallbeiträgen unbegründet war. Der Verein als Heim- und damit Einrichtungsträger konnte eine solche Erstattung von der Klägerin als Sozialhilfeträgerin nicht verlangen, weil er seinerseits bis Ende 2007 nicht verpflichtet war, dem Beigeladenen den Ausfall des Schulkostensbeitrages gem. § 76 Abs. 3 SchulG a.F. zu erstatten.

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Tatsächlich entsteht dem beigeladenen Kreis als Schulträger einer Sonderschule iSd § 71 Abs. 3 SchulG a.F. ein Ausfall an Schulkostenbeiträgen, wenn er Schülerinnen und Schüler beschult, die in einem schleswig-holsteinischen Heim untergebracht sind, deren Wohnort aber - wie hier - außerhalb Schleswig-Holsteins liegt. Während er für Schülerinnen und Schüler mit Wohnort in einem anderen Kreis oder einer kreisfreien Stadt Schleswig-Holsteins von diesen Kommunen gem. § 76 Abs. 3 iVm § 76 Abs. 1 S. 1 und auch gem. Abs. 2 S. 1 SchulG a.F. einen entsprechenden Schulkostenbeitrag verlangen kann, besteht ein solcher Anspruch nicht gegenüber Wohnortkommunen außerhalb Schleswig-Holsteins. Für die Schaffung einer solchen Anspruchsgrundlage fehlte dem Landesgesetzgeber auch die erforderliche Gesetzgebungskompetenz (vgl. schon OVG Schleswig, Urteile v. 16.07.1992 - 3 L 366/91 - und v. 05.11.1992 - 3 L 24/92 - beide in juris).

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Im Falle des Besuchs von Grundschulen, weiterführenden allgemein bildenden Schulen oder Förderschulen durch Heimkinder sieht § 76 Abs. 2 S. 2 SchulG a.F. vor, dass der Einrichtungsträger dem Schulträger diesen Ausfall des Schulkostenbeitrages zu erstatten hat. Träger dieser Schulen waren zu dieser Zeit gem. §§ 67-69 SchulG a.F. kreisangehörige Gemeinden bzw. zentrale Orte iSd 15 Abs. 2 FAG (idF vom 04.02.1999, GVOBl 1999, 47). Besucht ein Heimkind mit auswärtigem Wohnsitz hingegen eine Sonderschule in der Trägerschaft eines Kreises gem. § 71 Abs. 3 SchulG, sieht die Verweisung des § 76 Abs. 3 SchulG a.F. auf Abs. 2 eine solche Ausfallerstattung nicht vor.

29

Auf diese Rechtslage hat der Beklagte bereits in seinen Schreiben vom 21.12.2007 verwiesen; hierauf kann Bezug genommen werden analog § 117 Abs. 5 VwGO. Insbesondere der Beigeladene war in diesem Zusammenhang auf einen Erlass vom 22.11.2004 (Az. III 16 - 321.1975 -) hingewiesen worden. Dieser legt dar, dass die Kreise - ebenso wie die Gemeinden - als Schulträger keinen Anspruch auf Schullastenausgleich gem. SchulG haben, wenn das beschulte Kind seinen Wohnsitz in einer Gebietskörperschaft außerhalb Schleswig-Holsteins hat. Stattdessen bestehe nach der Ausfallregelung in § 76 Abs. 2 SchulG a.F. ein Anspruch gegen den Träger der (Heim-)Einrichtung, bei dem das Kind untergebracht ist. Dies gelte auch dann, wenn der Schulträger-Kreis seine mit der Trägerschaft verbundenen Aufgaben an eben diesen Heimträger übertragen habe. Anders sei die Rechtslage aber dann, wenn es um Ausgleichsansprüche nach § 76 Abs. 3 iVm § 71 Abs. 3 SchulG a.F. im Falle des Besuchs von Sonderschulen gehe, weil sich die Verweisung des § 76 Abs. 3 nicht auf die Regelung des § 76 Abs. 2 S. 2 SchulG a.F. beziehe.

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Einen inhaltlich ähnlich lautenden Erlass wie den vom 20.11.2004 hat es vonseiten des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein bereits im Jahre 1979 gegeben, gerichtet an das Landesschulamt und das Landesjugendamt und bezogen auf die Vorgängerregelung des § 76 SchulG a.F., den damaligen § 66 Abs. 1 und 2 SchulG. Ebenso weist der bereits erwähnte Schriftwechsel zwischen Klägerin und Beklagtem wegen der Beschulung von Hamburger Kindern im Heilpädagogium an der Ostsee aus den Jahren 1991 - 1993 auf dieses Normverständnis hin.

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Damit befindet sich der Beklagte im Einklang mit der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen OVG. Der 3. Senat des OVG Schleswig (Az.: 3 L 815/94) hat durch Urteil vom 24.03.1995 entschieden, dass Kreise und kreisfreie Städte als Träger von Sonderschulen nicht verlangen können, dass ihnen der Ausfall von Schulkostenbeiträgen entsprechend § 76 Abs. 2 SchulG von dem Heimträger erstattet wird. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des § 76 Abs. 3 SchulG, nach dem weder eine Zahlungspflicht für Heimträger begründet noch die „Erstattung des Ausfalls von Schulkostenbeiträgen“ geregelt werde als auch aus dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, das Land Schleswig-Holstein von finanziellen Belastungen freizuhalten, die aufgrund des Abkommens von 1963 entstünden. Zur Begründung führt es aus:

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„In diesem Zusammenhang hat die Ministerin für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport des Landes Schleswig Holstein in einem an den Schleswig Holsteinischen Landkreistag gerichteten, die Schulkostenbeiträge für Kinder aus Heimen betreffenden Schreiben vom 12. Januar 1995 III 141/321.1966 ausgeführt:

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"Die anläßlich der Anhörung der kommunalen Landesverbände am 21.09.1993 zum Haushaltsbegleitgesetz 1994 gemachte Zusage einer sofortigen Prüfung ist eingehalten worden. Die sofortige Prüfung hat jedoch ergeben, daß eine Gesetzesänderung zu § 76 Abs. 3 des Schulgesetzes unter Ausklammerung des "Hamburg Problems" nicht möglich ist. Wegen des Gleichbehandlungsabkommens mit Hamburg hätte das Land zusätzlich für Schülerinnen und Schüler aus Hamburg, die in schleswig-holsteinischen Heimen untergebracht sind und Sonderschulen in der Trägerschaft der Kreise und kreisfreien Städte besuchen, die von den Heimträgern den Schulträgern zu zahlenden Schulkostenausfallbeiträge zu erstatten. Diese würden sich auf etwa 200.000, -- DM belaufen. Wegen dieser nicht unerheblichen finanziellen Belastungen des Landes sah ich keine Möglichkeit, im Rahmen der Haushaltsbegleitgesetze 1994 und 1995 eine Änderung des § 76 Abs. 3 SchulG vorzuschlagen. Ich werde diesen Gedanken aber wieder aufgreifen, wenn sich im Verhältnis zu Hamburg Möglichkeiten einer gegenseitigen Verrechnung von aus dem Gleichbehandlungsabkommen resultierenden finanziellen Aufwendungen ergeben sollten."

34

Aufgrund dieses Schreibens und mangels gegenteiliger sonstiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, daß der gesetzgeberische Wille dem Wortlaut des § 76 Abs. 3 SchulG entspricht und der Gesetzgeber wegen des "Hamburg Problems" in den Haushaltsbegleitgesetzen 1994 und 1995 vom 08. Februar 1994 (GVOBl. S. 124) und 13. Dezember 1994 (GVOBl. S. 569) ganz bewußt von einer entsprechenden Gesetzesänderung abgesehen hat, um auf diese Weise nicht unerhebliche finanzielle Belastungen des Landes zu vermeiden.“

35

Die Kammer schließt sich der Auffassung des OVG an. Soweit sich dies feststellen lässt, zog sich durch die verschiedenen Gesetzgebungsverfahren seit jeher der Gedanke, dass zwar kreisangehörige Gemeinden im Falle ihrer Schulträgerschaft durch einen umfassenden Gastschulbeitragsanspruch unterstützt werden sollen, nicht aber die Kreise als Kommunen von größerer Wirtschaftskraft (vgl. LT-Drs. 12/546 v. 17.10.1989, S. 35, 98 zu § 66 SchulG, der nahezu wortgleich als § 76 Eingang fand in das Schulgesetz v. 2.8.1990 - GVOBl. S. 451, 474 und LT-Drs. 16/1000 v. 28.9.2006, S. 222 zu § 113, dem heutigen § 111 SchulG v. 24.1.2007 - GVOBl. S. 39). Als Nachfolgeregelung zum § 76 Abs. 3 SchulG a.F. verweist § 111 Abs. 2 S. 3 SchulG n.F. jetzt ausdrücklich auf beide entsprechend anzuwendenden Sätze 1 und 2 des Abs. 2 und gibt damit den nunmehr gewandelten gesetzgeberischen Willen zu erkennen, dass ab dem 01.01.2008 auch Kreise und kreisfreie Städte Ansprüche gegen Einrichtungsträger geltend machen können, weil das Argument höherer Wirtschaftskraft angesichts der Situation der kommunalen Haushalte nicht (mehr) stichhaltig sei. Für die Zeit bis zum 31.12.2007 sollte dies gerade nicht der Fall sein.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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