Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (7. Kammer) - 7 A 191/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das Wahlergebnis der Wahl zur Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein (Kammer) 2015 aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Wahlvorbereitung.

2

Im Rahmen der Vorbereitung zur Wahl der Kammerversammlung wies der Kammervorstand die Geschäftsstelle an, die Wählerlisten zu erstellen. Die Wahlausschreibung fand sodann am 02.04.2015 statt. Von diesem Zeitpunkt bis zum 07.05.2015 wurde das Wählerverzeichnis ausgelegt. Die Einspruchsfrist lief bis zum 15.05.2015.

3

Der Kläger legte mit dem 19.04.2015 Einspruch gegen die Wählerliste und gegen die Verteilung der Sitze auf die Wahlgruppen ein. Zur Begründung führte er an, dass die von der Geschäftsstelle erstellte Wählerliste unvollständig sei. Die Geschäftsstelle hätte es versäumt die Mitgliedsdaten vor Erstellung der Liste auf den aktuellen Stand zu bringen. Neue Ausbildungsmitglieder seien nach dem Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe (Heilberufekammergesetz – HBKG) mit Beginn ihrer Ausbildung Mitglieder der Kammer. Die Ausbildungsinstitute hätten der Kammer neue Mitglieder gemäß § 1 und 7 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-APrV) zu melden, sodass diese die Auszubildenden anschreiben und ihnen einen Meldebogen zusenden könnten. Vom Institut für Verhaltenstherapie und Psychosomatische Medizin (IVPM) sei seit ca. 4 Jahren keine Meldung an die Kammer erfolgt, sodass 62 Psychotherapeuten in der Ausbildung beim IVPM nicht auf der Wählerliste erfasst worden seien. Die Geschäftsstelle habe es während dieser langen Zeit versäumt nachzufragen und hätte dies spätestens zur Vorbereitung der Wählerliste machen müssen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass sich das Wahlergebnis hätte signifikant verändern können.

4

Am 17.04.2015 meldete das IVPM sodann die 62 Auszubildenden der Kammer, welche diesen einen Meldebogen übersandte. Ca. 65 % der Auszubildenden sendeten ihren Meldebogen bis zum 15.05.2015 zurück. Die Geschäftsstelle glich sodann die Daten mit allen Ausbildungsinstituten ab und nahm acht weitere Personen in die Liste auf und löschte von Amts wegen andere Personen aus verschiedenen Gründen.

5

Mit Bescheid vom 04.05.2015 wurde der Einspruch gegen die Verteilung der Sitze von der Beklagten als unzulässig und gegen die Wählerliste als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus, dass die Verteilung der Sitze von dem Kläger nach dem Abschluss der Wahl im Wege einer Anfechtungsrüge anzugreifen sei. Die Unbegründetheit des Einspruches gegen die Wählerlisten ergebe sich daraus, dass ein Anfechtungsgrund gemäß § 13 Absatz 3 Landesverordnung über die Wahl zur Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein und die von der Kammerversammlung durchzuführende Wahlen (Wahlverordnung Psychotherapeutenkammer - Wahlverordnung) nicht festzustellen gewesen sei. Es hätten keine Unregelmäßigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl gegeben. Die genannten 62 Psychotherapeuten in Ausbildung seien nicht wahlberechtigt gemäß § 15 HBKG gewesen und seien daher auch nicht in die Wählerliste gem. § 5 Absatz 1 Wahlverordnung mit aufzunehmen gewesen. Nur jene Kammermitglieder seien gemäß § 15 Nr. 1 HBKG aufzunehmen, die zu Beginn der Wahlzeit seit mindestens drei Monaten bei der Kammer gemeldet gewesen seien. Die Wahlberechtigung ergebe sich daher nicht nur aus der Kammermitgliedschaft. Es müsse darüber hinaus auch eine Meldung der Mitgliedschaft zum entsprechenden Zeitpunkt, dem 16.03.2015 gemäß § 9 Absatz 1 der Wahlverordnung, vorgelegen haben. Die genannten Personen wären der Kammer zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht einmal bekannt gewesen.

6

Gegen diesen Beschied legte der Kläger am 28.04.2015 Beschwerde ein und verwies auf die Argumentation aus dem Einspruchsverfahren.

7

Die Beschwerde wurde mit Bescheid des Wahlleiters vom 20.05.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung wurden die Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren wiederholt.

8

Die Wahl fand sodann, in Form der Briefwahl, im Zeitraum vom 17.06.2015 bis zum 10.07.2015 statt. Das Wahlergebnis wurde sodann am 28.09.2015 in der Sitzung der Kammer bekanntgegeben.

9

Am 08.10.2015 legte der Kläger Einspruch gegen das Wahlergebnis der Kammerversammlung der Kammer ein. Zur Begründung führte er die Argumentation aus dem Einspruchsverfahren an.

10

Nach Anhörung des Klägers in der Sitzung der Kammerversammlung vom 20.11.2015 und Vorprüfung durch den Wahlvorstand, wies die Beklagte den Einspruch mit Bescheid vom 14.12.2015 zurück. Sie wiederholte die Begründung aus dem Einspruchsverfahren und führte ergänzend aus, dass die 62 Auszubildenden nicht im Rahmen des Einspruchsverfahrens des Klägers gegen die Wählerliste gemäß § 19 Absatz 2 der Wahlverordnung i.V.m § 15 der Landesverordnung über die Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag (Landeswahlordnung – LWO) hätten berücksichtigt werden müssen. Ein eigenständiges durch das Einspruchsverfahren entstehendes Wahlrecht sehe das Gesetz nicht vor. Vielmehr fordere auch die LWO für das Vorliegen der Wahlberechtigung eine Registrierung zum Stichtag.

11

Mit dem 20.01.2016 erhob der Kläger Widerspruch und wiederholt den Vortrag aus dem vorangegangen Einspruch. Ergänzend führte er aus, dass Wahltermine nicht so gelegt werden könnten, dass die Prüfung der Wählerliste nicht erfolgen könne, denn zum Zeitpunkt, in dem die Auszubildenden Einsicht in die Wählerliste erhielten, sei der Stichtag schon seit zwei Wochen verstrichen gewesen. Die Regelungen zur Wahlberechtigung und zur Wahlprüfung seinen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass im Fall einer Beanstandung auch nach dem Stichtag die materielle Berechtigung und Eintragungsfähigkeit zu überprüfen seien.

12

Nach Anhörung des Klägers in der Sitzung vom 18.03.2016 und der Einholung der Stellungnahme des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein als Rechtsaufsicht über die Kammer, wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 06.04.2016 zurück. Sie wiederholte den Vortrag aus dem vorangegangen Verwaltungsverfahren und führte ergänzend aus, dass ein Verschulden der Geschäftstelle der Kammer nicht zurechenbar sei. Vorbereitende Maßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 3 der Wahlverordnung wären solche des Wahlvorstandes und nicht der Geschäftsstelle. Zudem seien die 62 Auszubildenden nicht ihrer Meldepflicht gemäß § 8 Absatz 1 HBKG nachgekommen, nach der statusbegründende Tatsachen mitzuteilen seien. Die Überprüfung des Einspruches des Klägers gegen die Wählerliste durch den Wahlvorstand sei auch nicht zu beanstanden, denn - wie festgestellt - sei es nach § 15 Absatz 1 HBKG nicht ausreichend, dass objektiv eine Mitgliedschaft bestehe, sondern diese müsse der Kammer auch subjektiv bekannt gewesen sein. Vielmehr hätte die nachträgliche Aufnahme der 62 Auszubildenden auf die Wählerliste zu deren Rechtswidrigkeit aufgrund des Verstoßes gegen § 15 Absatz 1 HBKG geführt.

13

Der Kläger hat am 09.10.2016 Klage erhoben.

14

Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Argumentation aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, dass die Wählerliste gemäß § 5 Absatz 3 der Wahlordnung bis zum 08.06. des Wahljahres zu vervollständigen sei. Die Kammer sei selbst verpflichtet, die Mitgliedschaft zu überwachen und diesbezüglich Verzeichnisse gemäß § 8 Absatz 2 HBKG zu führen. Hierfür bediene sich der Wahlvorstand der Geschäftsstelle als Hilfsorgan, sodass eine Zurückweisung der Verantwortlichkeit gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl verstoße. Auch seien materiell Wahlberechtigte zu berücksichtigen, unerheblich, ob eine Meldung gemäß § 15 Absatz 1 HBKG vorgelegen habe. Denn die Mitgliedschaft im Sinne von § 2 HBKG sei nicht von einer Meldung abhängig. Auch könne die Festlegung einer Meldefrist, für die Ausübung von Statusrechten, für eine ohne Zweifel bestehenden Mitgliedschaft, als Fiktion nur einer Klarstellungsfunktion dienen und sich nicht im jedem Fall gegen die materielle Feststellung der Berechtigung durchsetzen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich zu § 16 des Bundeswahlordnung (BWO). Auch könnten nach § 17 BWO Wahlscheine für diejenigen ausgestellt werden, die nicht im Wählerverzeichnis aufgenommen worden seien, sodass die Stichtagregelung nicht alleinig die Ausübung des Wahlrechtes beeinflusse. Weiter gebe es verschiedene Vorstandsbeschlüsse, wie das Verfahren der Meldung durch die Ausbildungseinrichtungen zu erfolgen habe. Dies Verfahren seien nicht eingehalten worden.

15

Der Kläger beantragt,

16

den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 (AZ: kü-he) und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 06.04.2016, zugestellt am 08.04.2016, (AZ: kü-wo-wi) aufzuheben, sowie die Wahl zur Kammerversammlung für ungültig zu erklären.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die vorangegangen Entscheidungen und führt ergänzend aus, dass die Frist des § 15 Absatz 1 HBKG lediglich eine Regelung darstelle, die die Möglichkeit zur Teilnahme an der Wahl von tatsächlichen Gegebenheiten anhängig mache. Auch sei es zutreffend, dass die Kammer verpflichtet sei, ein Mitgliedsverzeichnis zu führen, jedoch könne die Kammer in Ermangelung territorialer Zuständigkeit nicht ermitteln, ob ein Psychotherapeut in Schleswig-Holstein seine Tätigkeit aufnehme. Vielmehr sei die Kammer auf die Meldung derjenigen angewiesen und daher seien die Mitglieder auch zur Meldung gemäß § 8 Ansatz 1 HBKG verpflichtet. Zudem seien auch nach § 16 Absatz 1 der Bundeswahlordnung nur gemeldete Wahlberechtigte in die Wählerliste mit aufzunehmen, eine Verfassungswidrigkeit des § 5 der Wahlverordnung i.V.m. §15 Absatz 1 HBKG ergebe sich daraus nicht. Darüber hinaus knüpfe auch § 13 BWO, der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform eingestuft worden sei, an eine Drei-Monats-Frist. Daneben könne sich der Kläger nicht auf einen etwaigen Ermittlungsfehler berufen. Denn selbst, wenn der damalige Vorstand seinen Pflichten nicht nachgekommen sein sollte, würde der Kläger seine eigenen Verfehlungen als Mitglied des Vorstandes ausnutzen, um die Wahl anfechten zu können.

20

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage, unter Aufhebung des Bescheides vom 14.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.04.2016 die Wahl zur Kammerversammlung für ungültig zu erklären, ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidungen der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig und der Kläger hat keinen Anspruch auf Erfüllung seines Klagbegehrens (s. § 113 Abs. 5 VwGO).

23

Die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 2 Alt. VwGO i.V.m § 19 Absatz 1 Landesverordnung über die Wahl zur Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein und die von der Kammerversammlung durchzuführende Wahlen (Wahlverordnung Psychotherapeutenkammer - Wahlverordnung) ist zulässig, da es sich bei der erstrebten Wahlprüfungsentscheidung der Kammerversammlung um einen Verwaltungsakt handelt.

24

Ergibt nämlich die Wahlprüfung, dass bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sein könnten, wird die Wahl für ungültig erklärt und eine Wiederholungswahl angeordnet (§ 13 Abs. 3 Wahlverordnung). Daraus wird deutlich, dass es einer Entscheidung über die Ungültigkeit der Wahl bedarf, die der Kläger mit seiner Klage erstrebt.

25

Der Kläger ist auch gemäß § 42 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 19 Absatz 1 der Wahlverordnung klagebefugt, da er als Wahlberechtigter in seinem Wahlanfechtungsrecht aus § 13 Absatz 1 Satz 1 der Wahlverordnung verletzt sein könnte. Insbesondere hat er zuvor gegen die Gültigkeit der Wahl zur Kammerversammlung am 08.10.2015 form- und fristgerecht binnen zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung der Wahlergebnisse am 28.09.2015 beim Wahlleiter Einspruch erhoben (vgl. § 13 Absatz 1 der Wahlverordnung). Sein auf einer Unregelmäßigkeit nach § 13 Satz 2 der Wahlverordnung gestützter Einspruch ist mit Bescheid der Kammerversammlung vom 14.12.2015 zurückgewiesen worden.

26

Auch waren sämtliche Mitglieder der Beklagten gemäß § 65 Absatz 2 VwGO notwendig beizuladen. § 65 Absatz 2 VwGO schreibt die Beiladung eines Dritten vor, wenn er an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die danach vorausgesetzte Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung liegt vor, wenn der angestrebte Ausspruch des Gerichts nicht getroffen werden kann, ohne unmittelbar und zwangsläufig in die Rechte des Dritten einzugreifen. Bei einer so gearteten Beteiligung des Dritten an dem streitigen Rechtsverhältnis hat die Beiladung den Zweck, die Rechtskraft des Urteils auf den Dritten zu erstrecken. Notwendig ist dies aus zwei Gründen. Zum einem, muss vermieden werden, dass der Dritte, auf den sich die Rechtskraft ohne seine Prozessbeteiligung nicht erstrecken würde, die Fragen, über die zwischen den Hauptbeteiligten entschieden wird, erneut zur gerichtlichen Prüfung stellen und möglicherweise eine abweichende Entscheidung erlangen kann. Zum anderen, darf die Beklagte nicht zu einer ihm potentiell unmöglichen Leistung verurteilt werden, indem die ihr auferlegte Verpflichtung zum Eingriff in die Rechte des Dritten im Verhältnis zu diesem unwirksam bleibt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 65, Rn. 18a).

27

Im vorliegenden Falle der Wahlanfechtung sind die Gewählten in der dargelegten Weise an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt. Denn, wenn die Wahl für ungültig erklärt wird, führt dies unmittelbar und zwangsläufig zu einem Eingriff in die Rechtsstellung der Gewählten. Die Ungültigerklärung als Rechtsfolge des Überprüfungsverfahrens gemäß § 18 Nr. 3 i.V.m. § 21 Absatz 1 HBKG führt dazu, dass die Gewählten ihr Mandat gemäß § 18 Nr. 3 HBKG verlieren. Gegen diesen Eingriffsakt steht den Gewählten ein Klagerecht mit der möglichen Folge zu, dass sie die gerichtliche Aufhebung der Ungültigerklärung erlangen und die im Ausgangsverfahren unterlegene Beklagte die Befolgung des dort ergangenen Urteils unmöglich machen kann. Vermeidbar ist dies nur durch eine Beiladung der Gewählten, die die Bindungswirkung des gegenüber den Hauptbeteiligten ergehenden Urteils auf diesen ausdehnt. Das Bundesverwaltungsgericht geht deshalb in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei der Wahlanfechtung die Gewählten notwendig beizuladen ist. (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.02.1977, VII B 11.75; BVerwG, Beschluss vom 23.09.1988, 7 B 150.88, jeweils juris).

28

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn ein Anfechtungsgrund nach § 13 Abs. 3 der Wahlordnung liegt nicht vor. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu, die Wahl zur Kammerversammlung 2015 insgesamt für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen (vgl. § 113 Absatz 5 Satz 1 VwGO).

29

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Wahlprüfungsanspruch ist § 13 Abs. 3 der Wahlverordnung. Nach dieser Vorschrift ist eine Wahl für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen, wenn festgestellt wird, dass es bei der Vorbereitung
oder Durchführung der Wahl zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein können. Dabei ist der Begriff der Unregelmäßigkeit im Interesse des Zwecks des Wahlprüfungsverfahrens weit zu verstehen. Er erfasst alle Umstände, die dem Schutzzweck der wahlrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze zuwiderlaufen. (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.12.2011, 15 A 876/11, VG Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2015 – 7 K 7984/14 -, jeweils juris).

30

Bei der Wahl zur Kammerversammlung 2015 kam es zu keinen solchen Unregelmäßigkeiten im Sinne des § 13 Absatz 3 der Wahlverordnung. Es wurde keine unvollständige Wählerliste aufgestellt (1.), die benannten Personen mussten nicht auf den Einspruch des Klägers in die Wählerliste aufgenommen werden (2.) und ein Tätigwerden der Kammer zur Ermittlung der benannten Personen war nicht geboten (3.).

31

1. Eine Unregelmäßigkeit bei der Vorbereitung der Wahl liegt insbesondere nicht in einem unvollständig oder unrichtig aufgestellten Wählerverzeichnis (Wählerliste). Gemäß § 5 Abs. 1 der Wahlverordnung wird eine Wählerliste durch den Wahlleiter oder die Wahlleiterin aufgestellt. In der Wählerliste sind alle Wahlberechtigten aufzunehmen. Die Wahlberechtigung ergibt sich aus § 15 HBKG. Hiernach sind nach Nr. 1 alle Kammermitglieder wahlberechtigt, die zu Beginn der Wahlzeit seit mindestens drei Monaten bei der Kammer gemeldet sind. Voraussetzung für die Wahlberechtigung ist somit die Kammermitgliedschaft und die Meldung bei der Kammer zum maßgeblichen Zeitpunkt. Der Wahl beginnt gemäß § 1 Absatz 1 der Wahlverordnung mit der Ausgabe der Wahlunterlagen (§ 9 Absatz 1 Satz 3 der Wahlverordnung), mithin dem 16.06.2015. Drei Monate vorher, am 16.03.2015, waren die benannten Personen der Kammer jedoch weder gemeldet noch ihr bekannt, sodass keine Wahlberechtigung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt vorlag und die Wählerliste nicht fehlerhaft aufgestellte wurde.

32

Auch ist die Meldung bei der Kammer nach § 15 Nr. 1 HBKG durch die Personen selbst (vgl. § 8 Absatz 1 HBKG) notwendig, da es der Kammer aufgrund mangelnder eigener Zuständigkeit an der Möglichkeit fehlt, selbst zu recherchieren, ob eine Person die Tätigkeit als Psychotherapeut im Kammerbezirk aufnimmt. In Abgrenzung dazu ist die Pflicht zum Führen von Mitgliedsverzeichnissen gemäß § 8 Absatz 2 HBKG nachrangig einzuordnen. Denn erst nach Erhalt der Information über ein neues Mitglied, durch die Person selber gemäß § 8 Absatz 1 HBKG, kann die Kammer die entsprechenden Daten erheben, um ihrer Pflicht nach § 8 Absatz 2 HBKG nachzukommen. Dabei ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass nach § 2 HBKG Mitglieder der Kammer auch die Auszubildenden sind. Dies entbindet diese aber nicht von ihrer persönlichen Meldeverpflichtung.

33

Dass eine Vereinbarung zwischen der Kammer und den Ausbildungsinstituten bestand, dass diese die neuen Auszubildenden bei der Kammer melden, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Denn die Pflicht des Mitglieds selbst wird dadurch nicht berührt. Vielmehr ist von jedem Auszubildenden zu erwarten, sich über die ihm obliegenden Pflichten zu informieren und diesen nachzukommen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Regelungen nach §§ 1, 7 PsychTh-APrV. Diese beziehen sich nur auf den Ausbildungs- und Prüfungsverlauf und der damit verbunden Anmeldung zur Prüfung und geben nichts für die Obliegenheiten und Verpflichtungen von Kammermitgliedern her.

34

Der Verpflichtung zur Meldung bis zum Stichtag gemäß § 15 Nr. 3 HBKG verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die Kammer ist befugt auf der Grundlage des HBKG das Wahlverfahren für die Kammerversammlung zu regeln. Insoweit können andere Regelungen zu Wahlen nur indizielle Hinweise zur Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Regelungen geben. So ist z.B. in § 12 Absatz 1 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (BWahlG) die gleiche Stichtagsregelung niedergelegt, wie sie auch in § 15 HBKG zu finden ist. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.10.1973 - 2 BvC 3/73 -, juris), sodass dieser Rückschluss auch hier zu ziehen ist. Darüber hinaus kann auf die Verfassungswidrigkeit der Kammerregelungen auch nicht aus einer nicht normierten Möglichkeit der Ausstellung eines Wahlscheines geschlossen werden, wie sie in § 17 Absatz 2, 52 Absatz 1 Nr. 6  BWahlG i.V.m. § 25 Bundeswahlordnung (BWO) niedergelegt ist. Denn die gleiche Regelung findet sich in § 17 Absatz 2 der Landesverordnung über die Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag (Landeswahlordnung – LWO), welcher gemäß § 19 Absatz 2 der Wahlverordnung vorliegend Anwendung findet. Auch wird der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und der Wahlfreiheit (vgl. Art. 38 Abs. 1 GG) durch solch eine Regelung nicht verletzt, da, wie bereits festgestellt, kein unberechtigter Ausschluss von der Wahl vorliegt. Letztlich hätten die benannten Personen bei eine korrekten Erfüllung ihrer Meldepflicht an der Wahl teilnehmen können.

35

2. Eine Unregelmäßigkeit nach § 13 Abs. 3 der Wahlordnung ergibt sich auch nicht aus der Nichtaufnahme der benannten Personen in die Wahlliste, nach dem durchgeführten Einspruch durch den Kläger, da diese nicht gem. § 15 Nr. 3 HBKG wahlberechtigt waren. Das Einspruchsverfahren dient der Überprüfung von Vollständigkeit und Richtigkeit der Wählerliste, mithin der Wahlberechtigung gemäß § 15 HBkG. Es begründet jedoch nicht konstitutiv eine Wahlberechtigung.

36

3. Letztlich lässt sich eine Unregelmäßigkeit in Sinne von § 13 Abs. 3 der Wahlverordnung auch nicht darin feststellen, dass die Hilfsorgane der Kammer, insbesondere die Geschäftsführung, keine Ermittlungen angestellt haben, ob neue Mitglieder ihre Tätigkeit in Schleswig-Holstein aufgenommen haben. Denn eine solche Ermittlungspflicht der Kammer liegt, wie bereits dargelegt, nicht vor. Die Meldepflicht auf Seiten der Mitglieder gem. § 8 Absatz 1 HBKG gilt uneingeschränkt. Für eine Differenzierung in Bezug auf die Meldeverpflichtung zwischen Berufstätigen und Auszubildenden ist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht ein Anhaltspunkt ersichtlich.

37

Danach liegen keine durchgreifenden Unregelmäßigkeiten der Wahl zur Kammerversammlung vor.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO und die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und haben daher keinen Kostenerstattunganspruch. Da der Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären, eine für den Kläger positive Kostenentscheidung voraussetzt, kann diesem Antrag des Klägers unter Verweis auf die vorstehenden Ausführungen von vornherein kein Erfolg beschieden sein, ihm fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen