Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 61/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich im Eilrechtsschutz gegen die nachträgliche Befristung seiner Aufenthaltserlaubnis.

2

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Bis 2015 war er mit der deutschen Staatsangehörigen xy verheiratet, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat (x und y, geb. 2005 und 2006). Aufgrund dessen hielt er sich von 2005 bis zur Abschiebung im Februar 2016 im Bundesgebiet auf. Im Oktober 2016 reiste er entgegen des noch bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots erneut in das Bundesgebiet ein. In diesem Zeitraum ging er eine Beziehung zur deutschen Staatsangehörigen x ein. Im September 2017 reiste er freiwillig zwecks Nachholung des Visumverfahrens aus und reiste sodann im Oktober vor der Geburt der gemeinsamen Tochter x (geb. 30.10.2017) in das Bundesgebiet ein. Bezüglich x hat der Antragsteller die Vaterschaft anerkannt und es besteht eine gemeinsame elterliche Sorge mit Frau x. Am 07.12.2017 erteilte die Antragsgegnerin ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

3

Am 12.11.2018 beantragte er wegen Verlusts die Ausstellung eines neuen elektronischen Aufenthaltstitels (eAT) bezüglich seiner am 07.12.2017 erteilten Aufenthaltserlaubnis. Dazu legte er eine von ihm und von Frau x unterschriebene Erklärung vor, wonach er die Personensorge weiterhin ausübe. Zugleich gab er an, er habe vom 12.10.2017 bis jetzt in der M-Allee x in A-Stadt unangemeldet gewohnt. Auf dem Verfügungsblatt in den Akten der Antragsgegnerin wird der Vorgang als Verlängerung bezeichnet und als Ausstellungsdatum ist der 13.12.2018 vermerkt.

4

Mit Schreiben vom 20.02.2019 erklärte Frau x, der Antragsteller sei von ihrer Seite aus bereits im März 2018 von der M-Allee x abgemeldet worden. Bis zum 02.01.2019 sei sein Wohnort unbekannt gewesen, da sie nicht zusammengelebt hätten bzw. leben. Aufgrund dieses Schreibens hörte die Antragsgegnerin ihn zu einer nachträglichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis an.

5

Daraufhin erklärte der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben, er übe weiterhin die Personensorge aus. Hierzu fügte er eine Erklärung von Frau x vom 03.06.2019 bei (Bl. 647 Beiakte D). Darin erklärt sie, dass der Antragsteller die gemeinsame Tochter x regelmäßig jede Woche dreimal bei ihr besuche. Er sei jeden Sonntag mindestens den halben bis ganzen Tag bei ihr. Er spiele mit ihr und esse mit ihr zusammen und manchmal bringe er sie ins Bett. Die Besuche während der Woche fänden zu verschiedenen Zeiten statt. Er habe sie auch zum Kinderarzt begleitet. Am Geburtstag und an Feiertagen sei er anwesend gewesen. Das Verhältnis zur Tochter sei sehr gut, die Tochter freue sich, wenn sie ihn sehe. Wenn er da sei, versorge und betreue er sie.

6

Am 15.06.2019 wurde y, die zweite gemeinsame Tochter des Antragstellers und Frau x, geboren. Für das Kind y erfolgte keine Vaterschaftsanerkennung und keine Sorgerechtserklärung.

7

Ausweislich eines Aktenvermerks des Hauptzollamts A-Stadt (Bl. 652 Beiakte D) erschien Frau x dort am 07.08.2019 zwecks Herausgabe von Unterlagen, die in einem Verfahren gegen den Antragsteller sichergestellt worden waren. Danach habe sie u.a. angegeben, die Beziehung zum Antragsteller habe lediglich dessen Aufenthaltsrecht zum Ziel gehabt. Um das Kind (x) habe er sich bereits drei Monate nach der Geburt nicht mehr gekümmert. Unterhaltszahlungen leiste er nicht, obwohl er als Werkstattbetreiber Einnahmen erziele. Sie habe dies beim Jugendamt mitgeteilt, aber man habe ihr nicht geglaubt.

8

Daraufhin wurde Frau x wegen der voneinander abweichenden Angaben zur Vorsprache bei der Antragsgegnerin gebeten. Im Rahmen der Vorsprache am 23.08.2019 (Bl. 656 Beiakte D) gab sie nach Hinweis auf die Strafbarkeit von Auskünften zwecks Erschleichung von Aufenthaltstiteln an, der Antragsteller kümmere sich seit kurz nach der Geburt nicht mehr um die Tochter. Die Erklärung vom 03.06.2019 habe sie unter Druck durch den Antragsteller ausgestellt. Er habe gesagt, dass er das von ihr geliehene Geld (ca. 20.000 €) erst zurückzahle, wenn sie diese Erklärung abgebe.

9

Daraufhin hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom selben Tag zu einer beabsichtigten Befristung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wegen Wegfalls der Erteilungsvoraussetzungen an.

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.09.2019 wurde darauf für den Antragsteller vorgetragen, die Angabe, er nehme die Personensorge nicht wahr, sei unzutreffend. Er sei zudem bei der Geburt der zweiten Tochter anwesend gewesen und besuche sie zurzeit regelmäßig im Krankenhaus. Trotz fehlender Sorgeberechtigung sei auch diese Beziehung von Art. 6 GG geschützt.

11

Auf Bitte um Stellungnahme zur Ausübung der Personensorge äußerte sich Frau x mit Schreiben vom 05.10.2019 erneut gegenüber der Antragsgegnerin (Bl. 676 f. Beiakte D). Danach habe der Antragsteller sie und ihre Tochter x kurz nach der Geburt verlassen. Es habe immer mal Kontakt gegeben, teilweise habe sie aber Wochen oder einen Monat lang nichts gehört. Sie habe es aber mehrmals wieder mit ihm versucht. Als sie mit y schwanger gewesen sei, sei er fortgegangen. Er sei bei beiden Kindern nicht mit zu den Arztbesuchen vor und nach der Geburt gekommen. Ab und zu mal habe er sich telefonisch nach den Kindern erkundigt. Wenn er mal zu Besuch gewesen sei, dann auch oftmals, wenn die Kinder geschlafen hätten. An Feiertagen nehme er teil, wenn man ihn einlade, aber auch dann komme er nur wie ein Besucher. Nachdem sie sich nun über ihn beschwert habe und er Probleme mit den Behörden bekommen habe, interessiere er sich plötzlich wieder für die Kinder. Er frage nach ihnen, habe sie auch ein paar Mal mehr gesehen, allerdings weiterhin ohne Aktivitäten. Unterhalt zahle er nicht. Die Kinder seien für ihn nur der Grund für seinen Aufenthalt.

12

In dem Fragebogen zur Ausübung der Personensorge gab sie an, der Antragsteller sehe die Kinder 2 – 3 Mal im Monat, es sei aber sehr unterschiedlich. Die Besuche erfolgten nicht regelmäßig. Er melde sich auch über längere Zeiträume gar nicht. Der Kontakt über Telefon werde unregelmäßig gepflegt. Er zahle keinen regelmäßigen Unterhalt. Er habe die Kinder auch nicht über einen längeren Zeitraum bei sich gehabt und begleite die Kinder nicht zu Arztbesuchen und bringe sie nicht zur Schule oder helfe bei den Hausaufgaben o.Ä. Ab und zu verbringe er Feiertage mit den Kindern. Nach ihrer Ansicht nehme er nicht an der Erziehung teil.

13

Am 18.11.2019 erging ein Bescheid der Antragsgegnerin, in dem unter Ziffer 1 die „am 12.11.2018 erteilte Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG [...] nachträglich auf den siebten Tag nach der Bekanntgabe dieses Bescheids befristet [wird]“. Die sofortige Vollziehung der Entscheidung unter Ziffer 1 wurde angeordnet. Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung in die Türkei aufgefordert, das Bundesgebiet binnen sieben Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf fünf Jahre befristet. Zur Begründung führte sie u.a. an, die wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sei entfallen. Der Antragsteller pflege reine Besuchskontakte und übe die Personensorge nach § 1631 BGB damit nicht aus. Die Verkürzung der Frist stehe im Ermessen der Behörde. Da die Personensorge nicht ausgeübt werde und es dem Antragsteller nicht durch Integrationsleistungen gelungen sei, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu erwerben, überwiege das öffentliche Interesse an der Ausreise. Die sofortige Vollziehung sei anzuordnen, da von dem Antragsteller eine erhebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung ausgehe. Seit seiner letzten Einreise seien vier strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Er habe aktuell 60.000 € Schulden aufgrund von Hinterziehung von Steuergeldern und Versicherungssummen. Auch habe er sich in der Vergangenheit mehrfach uneinsichtig im Hinblick auf die Einhaltung ausländerrechtlicher Bestimmungen gezeigt. So sei er trotz bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots in das Bundesgebiet eingereist.

14

Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch, den er damit begründete, dass es keine am 12.11.2018 erteilte Aufenthaltserlaubnis gebe. Die am 07.12.2017 erteilte Aufenthaltserlaubnis sei nicht streitbefangen, daher sei der Bescheid aufzuheben. Zudem beruhe die Entscheidung auf unzutreffenden Angaben von Frau x. Die Erklärung vom 03.06.2019 sei weder unter Druck noch gegen Zusage der Rückzahlung angeblicher Schulden erfolgt. Die Angaben seien in sich widersprüchlich. Erst habe sie gesagt, der Antragsteller habe sich drei Monate nach der Geburt von x nicht mehr um diese gekümmert, später habe sie diese Angaben auf einen Zeitpunkt kurz nach der Geburt gesteigert. Am 15.10.2019 (gemeint wohl 05.10.2019) habe sie dann erklärt, er habe sich erst während der zweiten Schwangerschaft abgewandt, also ca. Ende 2018. Es sei daher von einem Zusammenleben von mehr als einem Jahr auszugehen. Die Abmeldung von Amts wegen aus der Wohnung der Kindesmutter am 16.03.2017 sei dem Antragsteller nicht bekannt gewesen und stehe daher dem tatsächlichen Aufenthalt und einer dementsprechend wahrheitsgemäßen Erklärung am 12.11.2018 nicht entgegen. Er habe sich auch nicht in alkoholisiertem Zustand und nicht nur während der Schlafzeiten um die Kinder gekümmert. Er sei vielmehr bei den Geburten dabei gewesen, habe die Kinder gefüttert, mit ihnen gespielt und sie hin und wieder zu Bett gebracht. x habe er zum Kinderarzt begleitet, mit ihr Geburtstag gefeiert und auch andere Feiertage verbracht. Er habe auf seinem Mobiltelefon Nachweise über gemeinsame Unternehmungen mit den Kindern, beispielhaft habe der Prozessbevollmächtigte zwei am 29.09. und 27.10.2019 aufgenommene Filme in Augenschein genommen, die ihn mit den Kindern auf Indoorspielplätzen zeigten. Er leiste auch regelmäßig Unterhaltszahlungen. Zudem sei er bemüht, nun auch den Umgang mit seinen beiden älteren Kindern wieder anzubahnen und überlege, seine geschiedene Ehefrau Frau x wieder zu heiraten.

15

Hierzu legt er eine eidesstattliche Versicherung von Frau x vom 25.11.2019 (Bl. 704 Beiakte D) vor, wonach sie sich vor ca. zwei Monaten wieder angenähert hätten, nachdem die Beziehung zu Frau x beendet sei. Sie überlegten, erneut zu heiraten. Deshalb, und damit er Umgang zu seinen Kindern x und y habe, solle er in Deutschland bleiben.

16

Die Frist zur Ausreise sei zudem unangemessen kurz. Der Antragsteller gehe seit mehreren Monaten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach. Dazu legt er einen Arbeitsvertrag vom 15.07.2019 und Gehaltsabrechnungen von Juli, August und Oktober vor.

17

Jedenfalls mangele es an einer ausreichenden Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Es handele sich um dieselben Gründe, die die Grundverfügung rechtfertigen sollen. Soweit Ermittlungsverfahren anhängig seien, sei der Ausgang abzuwarten.

18

Auf den Widerspruch setzte die Antragsgegnerin den Vollzug bis zur Entscheidung über den Widerspruch aus, um den Sachverhalt weiter zu ermitteln.

19

Am 22.05.2020 suchte das Ordnungsamt den Antragsteller zwecks Übergabe eines Schreibens der Steuerverwaltung zum laufenden Steuerstrafverfahren unter der Adresse W-Straße in A-Stadt auf. Dort hatte sich der Antragsteller rückwirkend zum 01.03.2020 angemeldet. Zudem sollten Fragen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geklärt werden. Ausweislich des Aktenvermerks (Bl. 741 Beiakte D) wohnt der Antragsteller mit seiner Lebensgefährtin Frau L. Diese gab an, sie sei seit November 2019 in einer Beziehung mit dem Antragsteller. Sie wisse von zwei Kindern des Antragstellers, deren Mutter Frau x sei. Diese sehe er jeden Sonntag. Frau x kenne sie nicht. Der Antragsteller erklärte auf Nachfrage zum Vortrag seines Anwalts bezüglich Frau x, dass er jetzt eine andere Freundin habe und dass er dies mit seinem Anwalt klären müsse. Kontakt zu Frau x bestehe nur wegen der beiden Kinder.

20

Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung wurden Frau x und Frau y um Stellungnahme gebeten. Eine Stellungnahme von Frau x erfolgte nicht. Frau y legte eine mehrseitige schriftliche Stellungnahme unter Beifügung einer tabellarischen Auflistung von Kontakten im Zeitraum vom 24.10.2019 bis zum 27.05.2020 vor (Bl. 744 ff. Beiakte D). Darin erklärt sie u.a., dass am 10.02.2020 ein Gespräch beim Jugendamt zur Regelung des Umgangs stattgefunden habe. Sie hätten sich darauf geeinigt, dass sie jeden Sonntag von 10 – 16 Uhr gemeinsam mit den Kindern was unternehmen. Bei Verhinderung solle er 1 -3 Tage vorher absagen und solle dafür einen Ersatztag nehmen. Er müsse zweimal im Monat mit ihr und den Kindern nach vorheriger Absprache einkaufen gehen. Er müsse sie auch zu den Arztbesuchen begleiten, wenn er nicht ausnahmsweise verhindert sei. Auch müsse er aktiver mit den Kindern spielen und nicht nur zuschauen. An diese Abmachungen habe er sich nicht gehalten.

21

Auf den weiteren Inhalt wird vollumfänglich Bezug genommen.

22

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2020 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und ordnete erneut die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wurde u.a. angeführt, die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen von Art. 6 GG setzten eine tatsächliche Verbundenheit voraus, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen sei. Eine solche liege nicht vor. Der Antragsteller nehme lediglich unregelmäßig Besuchskontakte wahr, die nur in Begleitung der Kindesmutter stattfänden. Auch fehle es bei den Besuchen meistens an gemeinsamen Aktivitäten. Die vorgetragenen Besuche der Indoorspielplätze seien kurz nach der Anhörung zur Befristung erfolgt, so dass angenommen werden könne, dass die Aktivitäten unter dem Eindruck der drohenden Aufenthaltsbeendigung erfolgt seien. Eine Hausgemeinschaft habe nicht bestanden. Mangels familiärer Gemeinschaft könne auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG erteilt werden. Die Behauptung, der Antragsteller leiste regelmäßig Unterhaltszahlungen, sei nicht belegt. Auch erscheine die Erklärung von Frau x bezüglich der Annäherung aufgrund der Angaben von Frau L wenig glaubhaft. Weiter sei der Antragsteller mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Es seien Strafbefehle am 15.12.2017 und am 11.07.2018 gegen ihn ergangen. Sieben weitere Strafverfahren seien eingeleitet worden. Die Tätigkeit in der Kfz-Werkstatt begründe kein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei (ARB 1/80), da er sie noch nicht ein Jahr lang ausübe. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung wurden die Strafverfahren und die Verstöße gegen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen angeführt.

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Der Antragsteller hat am 27.07.2020 Klage erhoben und zugleich um Eilrechtsschutz nachgesucht.

24

Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, die Angabe der verschiedenen Erteilungsdaten der Aufenthaltserlaubnis verletze das Bestimmtheitsgebot. Daher sei seine Aufenthaltserlaubnis vom 07.12.2017 nicht nachträglich befristet worden. Da keine wirksame Befristung erfolgt sei, habe er nunmehr ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben.

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Zu dem tatsächlichen Umgang und der Ausübung der Personensorge trägt er weiter vor, dass zwar einige Termine wegen Erkrankung einer der Elternteile oder der Verspätung seinerseits ausgefallen seien, jedoch seien noch mehr Termine von der Kindesmutter abgesagt oder verschoben worden, u.a., weil sie sich mit anderen Leuten habe treffen wollen. Aus den Angaben der Kindesmutter lasse sich bezüglich der letzten sechs Monate nachvollziehen, dass sie am 03.02.2020 zusammen mit den Töchtern beim Kinderarzt gewesen seien. Am 16.02. seien alle auf einem Indoorspielplatz gewesen. Am 01.03. sei er krank gewesen, daraufhin sei er stattdessen am 06.03. mit allen zum Einkaufen gefahren. Am 22.03. habe er 150 € in den Briefkasten geworfen, da die Kindesmutter Geld für einen Kindersitz gebraucht habe. Am 30.03. sei er statt dem 29.03. bei den Kindern gewesen, da die Kindesmutter einkaufen gegangen sei. Am 12.04. habe die Kindesmutter abgesagt. Am 31.05. habe sie ihm geschrieben, dass er überhaupt nicht mehr kommen solle. Seitdem verweigere sie den Kontakt trotz Hilfsangeboten des Antragstellers. Von der im November 2019 bestandenen Überlegung, mit Frau x wieder zusammenzukommen, habe er Abstand genommen, da er kurz darauf eine Liebesbeziehung zu Frau L begonnen habe. Dies sei erst nach Abgabe der Erklärung gewesen.

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Die Trennung von Frau x sei Ende 2018 erfolgt. In den Wochen vor der Geburt der jüngeren Tochter habe sich das Verhältnis entspannt. Allerdings habe sich das Verhältnis danach wieder verschlechtert und Frau x habe Anfang November 2019 den bis dahin regelmäßigen Kontakt unterbunden. Unterhalt habe er meist auf Anforderung gezahlt, aber regelmäßig und in erheblichem Umfang. Er sei auch beim Besuch beim Kinderarzt dabei gewesen.

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Er habe Frau x auch nicht bedroht. Sie wolle sich nur wegen der Trennung an ihm rächen. Die endgültige Trennung sei erfolgt, als er erfahren habe, dass sie ihn mit ihrem Schwager betrogen habe. Insgesamt seien die Angaben widersprüchlich. Die Aussage, er sei seit knapp zwei Monaten nicht zu den Kindern gekommen, werde bereits im letzten Absatz widerlegt, wonach er am 21.05. da gewesen sei. Zudem sei er laut Excel Tabelle am 12.04. da gewesen. In der Darstellung unterschlage Frau x eine Vielzahl von WhatsApp Kontakten, insbesondere die, bei denen sie den Umgang verweigert habe. Auch die Zeitangaben seien teilweise falsch. Die Lücke zwischen dem 30.10.2019 und dem 08.01.2020 erkläre sich dadurch, dass Frau x den Umgang verweigert habe, bis er diesen am 17.12.2019 anwaltlich eingefordert habe. Seit Ende April/Mai 2020 verweigere Frau x erneut den Umgang. Da sie nicht bereit gewesen sei, an einem Vermittlungsgespräch beim Jugendamt teilzunehmen, habe er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Familiengericht gestellt. Diesbezüglich legt er eine Ladung für einen Termin am 07.10.2020 vor. Er legt zudem eine auf den 03.09.2020 datierte eidesstattliche Erklärung von Herrn x vor. Dieser sei der Cousin von Frau x und gibt darin an, sie habe mehrmals in seiner Anwesenheit gesagt, sie werde sich wegen der Trennung an dem Antragsteller rächen und dass er die Kinder nicht sehen werde. Er könne auch bezeugen, dass der Antragsteller mehrmals vor der Tür gestanden habe, um die Kinder zu sehen, Frau x ihm dies jedoch nicht gewährt habe. Außerdem habe der Antragsteller ihr 800 € für den Urlaub gegeben.

28

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

29

1. festzustellen, dass seine Aufenthaltserlaubnis nicht nachträglich befristet worden ist,

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2. hilfsweise, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

33

Sie nimmt Bezug auf ihre Bescheide und macht ergänzend geltend, in dem Bescheid sei das Datum 12.11.2018 lediglich deshalb angegeben, weil an diesem Tag der Antrag gestellt worden sei. Die Verlängerung sei dann am 13.12.2018 erfolgt. Da der Antragsteller lediglich im Besitz eines einzigen Titels sei, könne kein Zweifel an der Bestimmtheit bestehen.

34

Durch die falschen Angaben bei der Vorsprache am 12.11.2018 und die Vorlage der falschen Erklärung von Frau x sei die Glaubwürdigkeit des Antragstellers stark erschüttert. Die Angaben von Frau x seien hingegen insgesamt schlüssig. Es sei demnach davon auszugehen, dass der Antragsteller sich in nur sehr geringem Umfang an die Umgangsregelung halte.

35

Kürzlich habe sich Frau x an die Antragsgegnerin gewandt, da der Antragsteller sie nun bedrohe. Es bestehe wegen der strafrechtlichen Erkenntnisse ein besonderes Vollzugsinteresse.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten.

II.

37

Der Eilantrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1.

38

Der Antrag ist nach dem auslegungsfähigen Begehren des Antragstellers, von aufenthalts-beendenden Maßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO als Antrag auf Feststellung, dass seine Aufenthaltserlaubnis nicht nachträglich befristet worden ist, hilfsweise auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Befristungsentscheidung, zu verstehen.

39

Der so verstandene Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Feststellungsantrag statthaft, da der Antragsteller vorträgt, die streitgegenständlichen Bescheide beträfen seine Aufenthaltserlaubnis nicht. In diesem Fall wäre er im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, sodass er nicht gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig wäre.

40

Der Hilfsantrag ist statthaft als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Denn die aufschiebende Wirkung seiner Klage, die grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO besteht, ist nicht aufgrund einer gesetzlichen Anordnung entfallen. § 84 AufenthG enthält hinsichtlich der nachträglichen Befristung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG keinen gesetzlichen geregelten Fall des Sofortvollzugs. Die aufschiebende Wirkung ist vorliegend wegen der behördlichen Vollziehungsanordnung in dem Widerspruchsbescheid gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallen. Dem Antrag liegt auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu Grunde. Da die Aufenthaltserlaubnis ursprünglich bis zum 21.10.2020 gültig war, würde die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dazu führen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

2.

41

Die Anträge sind jedoch unbegründet.

42

Der Hauptantrag ist unbegründet, da das vom Antragsteller geltend gemachte Rechtsverhältnis – hier das Fortbestehen einer wirksamen und nicht nachträglich befristeten Aufenthaltserlaubnis – nicht besteht. Ziffer 1 des Bescheids der Antragsgegnerin verletzt nicht den Bestimmtheitsgrundsatz, der hinsichtlich des Erlasses eines Verwaltungsaktes einfachgesetzlich in § 108 Abs. 1 des allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG –) geregelt ist. Denn neben der bloßen Auslegung des Tenors kann auch die Begründung in Zusammenhang mit den gesamten Umständen zur Auslegung hinzugezogen werden (Knieß in: Praxis der Kommunalverwaltung SH, § 108 LVwG, S. 284a). Danach bezieht sich Ziffer 1 auf die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers, die ihm am 07.12.2017 erteilt wurde. Diese Aufenthaltserlaubnis galt auch nach Verlust des eAT durch den Antragsteller fort, da der eAT gemäß § 78 AufenthG lediglich die Verkörperung des Titels darstellt und der Verlust keinen Erlöschensgrund gemäß § 51 AufenthG erfüllt. Da der Antragsteller nur diesen Titel besaß, bestanden bei objektiver Betrachtung keine Zweifel daran, dass sich die Befristungsentscheidung auf ihn bezieht. Dafür spricht auch die Nennung der einschlägigen Norm im Bescheidtenor und die vorherige Anhörung des Antragstellers zur Befristung dieses Titels. Aus der Begründung ergibt sich ebenfalls, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der elterlichen Sorge seiner Tochter x gemeint ist.

43

Demzufolge hat der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 erworben. Er war nicht ein Jahr lang ordnungsgemäß beschäftigt, da spätestens die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Widerspruchsbescheid vom 02.07.2020 zur Folge hatte, dass der Antragsteller nicht mehr nach § 4a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Erwerbstätigkeit berechtigt war und demnach nicht mehr ordnungsgemäß beschäftigt war.

44

Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

45

Zunächst ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO in dem Widerspruchsbescheid gesondert in ausreichendem Maße begründet worden, so dass die Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO erfüllt sind. Das Begründungserfordernis aus § 80 Abs. 3 VwGO erfordert eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und das hinter dieses erhebliche Interesse das Interesse des Betroffenen, zunächst von dem von ihm angefochtenen Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden, zurücktreten muss (Kopp/Schenke, VwGO 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 85). Daher genügen formelhafte Begründungen dem Erfordernis aus § 80 Abs. 3 VwGO in der Regel nicht.

46

Entsprechend dieser Maßstäbe ist die Begründung formell nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat u.a. auf die strafrechtlichen Erkenntnisse abgestellt und diese Fälle auch konkret benannt. Die Frage, ob das Vollziehungsinteresse tatsächlich überwiegt, ist für § 80 Abs. 3 VwGO nicht relevant. Dies ist im Rahmen einer ggf. erforderlichen weiteren Einschätzung zu prüfen, in der das Gericht nicht an die Begründung der Behörde gebunden ist.

47

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

48

Die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. In diese Abwägung ist die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzubeziehen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich ist. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag regelmäßig abzulehnen, insbesondere, wenn im Fall einer behördlichen Vollziehungsanordnung eine weitere Interessenabwägung ergibt, dass ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse besteht. Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer weiteren Interessenabwägung, in der gegenüber zu stellen sind zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren aber erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall, dass es zunächst bei der vorläufigen Vollziehung des Verwaltungsaktes bleibt, sein Rechtsschutzbegehren im Hauptsacheverfahren dann jedoch Erfolg hat.

49

Gemessen daran ist der Antrag unbegründet. Die nachträgliche Befristung der Aufenthaltserlaubnis erweist sich als offensichtlich rechtmäßig.

50

Rechtsgrundlage für Ziffer 1 des Bescheids ist § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Danach kann die Befristung einer Aufenthaltserlaubnis auch nachträglich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist.

51

Streitig zwischen den Beteiligten ist die tatsächliche Ausübung der Personensorge hinsichtlich der Tochter x, für die ein gemeinsames Sorgerecht besteht und der Umgang mit der Tochter y, für die Frau x das alleinige Sorgerecht hat. Ersteres stellt eine wesentliche Erteilungsvoraussetzung für die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs.1 Nr. 3 AufenthG dar. Die Vorschrift setzt die aktive Ausübung der Personensorge im Sinne einer von Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK geschützten familiären Lebensgemeinschaft voraus. Wie gewichtig der aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK folgende Schutz der Familie jeweils ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab, insbesondere von der Intensität der familiären Beziehungen, u.U. auch vom Alter der Kinder oder auch der Betreuungsbedürftigkeit einzelner Familienmitglieder. Bei der Bewertung der familiären Beziehungen ist eine schematische Einordnung als einerseits aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder aber andererseits als eine sog. bloße „Begegnungsgemeinschaft“ ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen unzulässig. Insbesondere ist in Konstellationen, in denen der Umgang mit einem Kind betroffen ist, auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, Beschluss vom 05. Juni 2013 – 2 BvR 586/13 – juris, Rn. 14). Dabei ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu den Eltern in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung dient und dass das Kind beide Eltern braucht. Der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters wird nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. August 2019 – 4 MB 48/19 – n.v., m.w.N.). Für die Bejahung einer von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Lebensgemeinschaft kann ein regelmäßiger Kontakt eines getrenntlebenden Elternteils zum Kind, der die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringt, sowie eine emotionale Verbundenheit, gefordert werden (BVerfG, Beschluss vom 01. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 – juris, Rn. 33). Gerade – aber nicht nur – in Fällen, in denen eine nicht nur kurzzeitige oder gar dauerhafte Trennung möglich ist und zudem ein sehr kleines Kind betroffen ist, sind die Ausländerbehörden gehalten, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Dabei ist der Ausländer zur umfassenden Mitwirkung heranzuziehen, § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

52

Gemessen daran ist eine wesentliche Erteilungsvoraussetzung entfallen.

53

Denn eine solche Beziehung vermag die Kammer nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht zu erkennen. Nach dem von der Kammer zu Grunde gelegten Sachverhalt fanden lediglich sporadische Besuchskontakte statt, die keine gelebte Vater-Kind-Beziehung begründen. Gegenteiliges ist vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden.

54

Zwar gilt auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diesbezüglich ergeben sich aber aufgrund der Eilbedürftigkeit Einschränkungen. Die Entscheidung ergeht aufgrund der von den Beteiligten vorgelegten oder sonst sofort oder innerhalb angemessener Zeit verfügbaren („präsenten“) Beweismittel von glaubhaft gemachten Tatsachen und/oder auch nur überwiegenden Wahrscheinlichkeiten (Kopp/Schenke, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 125). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich ausgeschlossen werden (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13. September 1991 – 4 M 125/91 –, juris, Rn. 10). Gleichzeitig sind die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten der Beteiligten zu berücksichtigen. Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO sind die Beteiligten im gerichtlichen Verfahren bei der Sachverhaltsermittlung heranzuziehen. Im behördlichen Verfahren im Bereich des Aufenthaltsrechts gilt § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach besteht die Obliegenheit der Betroffenen, ihre Belange und für sie günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über ihre persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die sie erbringen können, unverzüglich beizubringen. Durch diese Mitwirkungspflicht wird die Amtsermittlungspflicht der Ausländerbehörde modifiziert, nicht beseitigt (Samel in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 82 Rn. 5; Zühlcke in: HTK-AuslR / § 82 AufenthG, Allgemein, Stand: 18.11.2016, Rn.2), dennoch zeigt diese spezialgesetzliche verfahrensrechtliche Bestimmung, dass sich das Verhältnis von Amtsermittlungspflicht der Behörde (§ 83 LVwG) und Mitwirkungslast der Beteiligten (§ 84 Abs. 2 LVwG) deutlich in Richtung des Verantwortungsbereichs der betroffenen Ausländer verschiebt. Der erforderliche Umfang und das Ausmaß der Ermittlung des Sachverhalts durch die Behörde, ggf. auch durch die Hinzuziehung der Beteiligten, richten sich nach den im Einzelfall tatsächlichen Umständen und Möglichkeiten (Beschluss der Kammer vom 19. März 2019 – 11 B 26/19 –).

55

Hiervon ausgehend fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung der streitigen Tatsachen betreffend die Ausübung der elterlichen Sorge und des Umgangs mit seinen Töchtern. Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin und insbesondere nach den ausführlichen Erklärungen von Frau x sind an die hierauf bezogenen Darlegungspflichten des Antragstellers strengere Anforderungen zu stellen. Dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass viel dafürspricht, dass die Angaben von Frau x, insbesondere die Art und Weise der Darstellung, auch von persönlichen Kränkungen beeinflusst sind. Allerdings enthalten die Erklärungen bezüglich des Kontakts zu den Töchtern zahlreiche konkrete Angaben zu bestimmten Zeiträumen, die zwar teilweise im Detail auch ungenau sein können und mitunter auch von Übertreibungen und subjektiven Wahrnehmungen geprägt sind. Allerdings sind sie im Wesentlichen nachvollziehbar und zeigen, dass der Umgang in nur sehr geringem Maße erfolgt. Der Antragsteller hat diese Aussagen nicht substantiiert bestritten, sondern beruft sich vor allem pauschal auf vermeintliche Widersprüche.

56

Zunächst macht er zwar geltend, dass die Angaben zum Trennungszeitpunkt widersprüchlich seien und daher von einem Zusammenleben mit Frau x und x von über einem Jahr (Oktober 2017 bis Ende 2018, jedenfalls nach dem 12.11.2018) auszugehen sei. Er trägt dennoch nicht konkret dazu vor, ob er tatsächlich in diesem Zeitraum ohne Unterbrechung gemeinsam mit seiner Tochter und Frau x in der Wohnung in der M-Allee gewohnt hat, wie genau sich das Zusammenleben gestaltete und wann er ausgezogen ist bzw. wie genau es dazu kam. Auch bleibt unklar, wo er danach gewohnt hat. Im Übrigen ist fraglich, warum eine Abmeldung durch Frau x im März 2018 erfolgt ist, wenn er in diesem Zeitraum noch „normal“ mit ihr dort gelebt hat. In den Angaben von Frau x zum Zeitpunkt der Trennung (kurz nach der Geburt oder drei Monate nach der Geburt) kann die Kammer keinen Widerspruch erkennen. Auch die Angabe, er habe sich während der zweiten Schwangerschaft abgewandt, steht der Glaubhaftigkeit nicht entgegen. Denn zuvor erklärte Frau x, dass nach der Trennung eine erneute Annäherung erfolgt sei.

57

Auch zur Art und zum Ablauf der Besuche macht der Antragsteller eher vage und pauschale Angaben. Frau x machte umfangreiche Angaben dazu, weshalb sie seine Besuche nicht als Wahrnehmung seiner Rolle als Vater einschätze. Hierzu bestreitet der Antragsteller teilweise ausdrücklich einige Punkte und stellt auch klar, in welcher Beziehung die Aussagen falsch seien (zum Beispiel Dauer des Besuchs). Allerdings macht er in nur sehr beschränkten Maße eigene Angaben dazu, wie er eine gelebte Vater-Kind-Beziehung gestaltet. Bei der Frage, ob eine solche Beziehung vorliegt und auch in Zukunft vorliegen wird, kommen Zeiträumen in der näheren Vergangenheit zur Erstellung einer Prognose für die Zukunft grundsätzlich eine besondere Bedeutung zu. Jedoch ist auch hier zu prüfen, inwieweit Kontakte tatsächlich möglich waren und ob sich abzeichnet, dass die Beziehung sich auch nachhaltig verfestigt und nicht ausschließlich auf aufenthaltsrechtlichen Motiven beruht. Danach ist zwar davon auszugehen, dass ab Juni 2020 bis jetzt ein Umgang mangels Gesprächsbereitschaft von Frau x kaum mehr möglich war. Allerdings zeigt der Zeitraum ab der mit Hilfe des Jugendamts getroffenen Umgangsregelung am 10.02.2020 bis zum Abbruch der Kommunikation Ende Mai 2020, dass der Antragsteller nur in sehr geringem Maße von seinen Rechten und Pflichten aus der Vereinbarung Gebrauch gemacht hat bzw. diese erfüllt hat. Er trägt zwar im Einzelnen vor, dass einige Angaben unzutreffend seien und dass auch Termine aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht stattgefunden hätten. Allerdings zieht er nicht substantiiert in Zweifel, dass der weit überwiegende Teil der Sonntagstermine nicht stattgefunden hat und er dies auch nicht durch Ersatztreffen ausgeglichen hat. Aus seinem Vortrag ergibt sich auch nicht, dass er alle Einkaufstermine in diesem Zeitraum eingehalten hat. Dass er wesentliche Arzttermine nicht wahrgenommen hat, wird ebenfalls nicht substantiiert bestritten. Auch gibt er an, dass die endgültige Verweigerung von Frau x am 31.05.2020 erfolgt sei und der Termin am 12.04.2020 ihretwegen nicht stattgefunden habe. Warum er allerdings an den darauffolgenden sechs Sonntagen nicht die Umgangstermine wahrgenommen hat, erklärt er nicht. Die Erklärung von Herrn x, wonach der Antragsteller mehrmals versucht habe, die Kinder zu sehen, dies aber von Frau x nicht zugelassen worden sei, ist nicht aussagekräftig, da sie keine Zeiträume benennt. Sofern es sich um Ereignisse ab Juni 2020 handelt, so steht dies zu den Angaben von Frau x nicht in Widerspruch und begründet für sich keine tatsächlich gelebte familiäre Verbundenheit, sondern nur die vom Antragsteller geäußerte Absicht, Umgang mit den Kindern zu haben. Auch zu den Unterhaltszahlungen bleibt der Vortrag des Antragstellers sehr vage. Er selbst trägt vor, er habe 150 € für den Kindersitz bezahlt und habe am 06.03.2020 für den Einkauf gezahlt. Laut Herrn x habe er einmal 800 € bezahlt. Im Übrigen gibt der Antragsteller an, er habe regelmäßig und in erheblichem Maße Unterhalt gezahlt. Warum er bei einem Zeitraum von fast drei Jahren seit der Geburt der Tochter Azra nur so singuläre Ereignisse vortragen kann, bleibt offen.

58

Wie bereits angeführt, ist der Kammer bewusst, dass die Angaben von Frau x auch in Anbetracht von familienrechtlichen Streitigkeiten und persönlichen Zerwürfnissen zu betrachten sind. Indes sind auch die Angaben des Antragstellers vor dem Hintergrund sehr zweifelhafter Angaben in der Vergangenheit zu bewerten. So ist die Kammer nach summarischer Prüfung davon überzeugt, dass der Erklärung von Frau x keine ernsthafte Bemühung des Antragstellers einer Wiederaufnahme der Beziehung zu ihr zu Grunde lag. Denn er hat nicht nachvollziehbar aufgeklärt, wie er von diesen Erwägungen wieder Abstand genommen hat. Die Erklärung ist auf den 25.11.2019 datiert. Noch im selben Monat will er die Beziehung zu Frau L aufgenommen haben, aufgrund der er Frau x dann doch nicht habe heiraten wollen. Da das Ganze in einem Zeitraum von fünf Tagen geschehen sein müsste, wäre eine substantiierte Erklärung zu erwarten gewesen. Stattdessen informierte der Antragsteller die Antragsgegnerin nicht von sich aus über die veränderten Umstände, sondern hielt stillschweigend an diesem Vortrag im Verwaltungsverfahren fest. Bei der Befragung am 22.05.2020 konnte er nur ausweichend reagieren und auch im Nachhinein nicht aufklären, inwiefern dies auf einem Missverständnis mit seinem Prozessbevollmächtigten beruht. Aufgrund dieser Umstände ist auch die Erklärung von Frau x vom 03.06.2019 kritisch zu betrachten und zu vermuten, dass sie durch Einwirkung des Antragstellers falsche Angaben getätigt wurde. Zudem hat sie die Erklärung nachträglich revidiert.

59

Letztlich ist hinzuzufügen, dass der Antragsteller auch in der Vergangenheit in Bezug auf sein Verhältnis zu seinen beiden älteren Kindern ohne Erfolg geltend gemacht hat, dass nur die negative Einstellung der Kindesmutter ihm gegenüber zu Problemen beim Umgang mit den Kindern geführt habe (vgl. dazu Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22.02.2016 – 4 MB 4/16 und 4 O 4/16 –, n.v.).

60

Da demnach die wesentliche Erteilungsvoraussetzung (jedenfalls nachträglich) entfallen ist, steht die Befristungsentscheidung im Ermessen der Behörde. Die danach getroffene Entscheidung lässt keine gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich überprüfbaren Ermessensfehler erkennen. Eine gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßende Ermessensüberschreitung liegt dann vor, wenn das Interesse des Betroffenen, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Beendigung eines materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts überwiegt (BVerwG, Urteil vom 09. Juni 2009 – 1 C 11.08 –, juris, Rn. 15). Ein solches Interesse hat der Antragsteller nicht dargelegt. Insbesondere hat er auch keine nach Art. 6 Abs. 1 GG schützenswerte familiäre Beziehung zu seinen beiden älteren Kindern dargelegt.

61

Auch die weitere Interessenabwägung ergibt, dass ein öffentliches Vollzugsinteresse besteht und dieses das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Seit seiner letzten Einreise wurde der Antragsteller bereits zweimal rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt. Auch wenn den Verurteilungen Straftaten aus den vorherigen Aufenthalten zu Grunde lagen, besteht bei Straffälligkeit ein besonderes Interesse an der Aufenthaltsbeendigung, das über die Gründe der Befristungsentscheidung hinausgeht (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. November 2007 – 11 S 1702/07 –, juris, Rn. 20). Auch wenn die diversen weiteren Verfahren noch nicht abgeschlossen sind, so ergibt sich nach dem oben Gesagten, dass der Antragsteller auf beide Mütter seiner Kinder eingewirkt hat, falsche Erklärungen im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt abzugeben. Auch das laufende Verfahren zur Durchsetzung des Umgangs zu den Kindern x und y steht der Aufenthaltsbeendigung nicht entgegen. Im Verfahren bezüglich der beiden älteren Kinder hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 22.02.2016 – 4 MB 4/16 und 4 O 4/16 hierzu ausgeführt:

62

„Die Hoffnung alleine, dass im Zuge des vom Antragsteller vorgetragenen neuerlichen familiengerichtlichen Verfahrens eine Veränderung der jetzigen Situation erreicht werden könnte, reicht für die Bejahung von Abschiebungsschutz aufgrund einer rechtlichen Unmöglichkeit im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK nicht aus. Dem Antragsteller ist zuzumuten, sich im familiengerichtlichen Verfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen und/oder zum Zwecke der Wahrnehmung eines anberaumten Gerichtstermins ein kurzfristiges Visum für diesen Zweck zu beantragen. Insoweit erscheint es auch zumutbar, Anwaltstermine mit den gegebenenfalls hiernach erlaubten Aufenthaltszeiten zu koordinieren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.11. 2015 - OVG 11 S 67.15 -, juris). Selbst im Falle der Abschiebung ist anerkannt, dass aufgrund einer erforderlichen Anwesenheit bei einem Gerichtstermin ein zwingender Grund anzunehmen ist, der die Erteilung einer Erlaubnis für das kurzfristige Betreten des Bundesgebietes gebietet (§ 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG).“

63

Diesen Erwägungen schließt sich die Kammer in der hier vorliegenden Konstellation an und macht sie sich zu eigen.

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

65

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da der Antragsteller die gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse trotz gerichtlicher Aufforderung vom 28.07.2020 nicht abgegeben hat.

66

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Auffangstreitwert war gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur einfach festzusetzen, da der Antragsteller mit beiden Anträgen das Begehren verfolgt, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zunächst verschont zu bleiben.


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