Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 52/20

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt, aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie nicht zum Präsenzunterricht herangezogen zu werden.

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Der XX Jahre alte Antragsteller steht als beamteter Lehrer im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Er ist an der Gemeinschaftsschule XXX in XXX tätig. Der Antragsteller leidet u.a. an arterieller Hypertonie (Herzinfarkt 2015, mehrere Stents), Adipositas und Diabetes mellitus. Laut mehrerer vom Antragsteller vorgelegter ärztlicher Atteste (vom 21.04. sowie vom 04. und 05.08.2020) besteht bei ihm aufgrund seiner Vorerkrankungen bei einer etwaigen Infektion mit dem Virus SARS-CoV2 eine deutlich erhöhte Gefahr für einen schweren Krankheitsverlauf; der Antragsteller sei daher als sog. Risiko-Patient einzustufen. Die Betriebsärztin kam in ihrer Stellungnahme vom 13.08.2020 gleichwohl zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller unter Berücksichtigung des Schulstandortes, des Schultyps, der vorgegebenen Hygienerichtlinien, der daraus resultierenden Gefährdungsbeurteilung, des aktuellen Infektionsgeschehens und des schulischen Infektionsrisikos trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen im Rahmen der arbeitsvertraglich bzw. dienstrechtlich festgelegten Aufgaben an seiner Schule einsetzbar sei.

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Bereits am 06.08.2020 hat der Antragsteller um gerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:

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Die Erbringung der Dienstleistung in Form des Präsenzunterrichts sei für ihn unzumutbar, da die Arbeitsschutzbestimmungen nicht eingehalten würden. Eine einzelfallbezogene Bewertung der für ihn bestehenden Gefahrenlage habe nicht stattgefunden. Viele Schülerinnen und Schüler sowie Kolleginnen und Kollegen kehrten vermutlich aus Urlaubsgebieten zurück, die sich aktuell wieder zu Risikogebieten entwickelten. Für seine Schule bestehe keine entsprechende Vorgabe, dass Schülerinnen und Schüler nur in solcher Zahl in die Schule zurückkehrten, wie dies zum Infektionsschutz gerade für ihn notwendig wäre.

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Es existiere kein ausreichendes Hygienekonzept an seiner Schule und die konkrete Umsetzung des Konzeptes, die die Betriebsärztin sich nicht angesehen haben dürfte, weise diverse Mängel auf. So würden Abstände zwischen Schülern und Lehrkräften in den Klassenräumen nicht immer eingehalten. In Notfallsituationen und für aufsichtführende Lehrkräfte auf dem Hof könne der Abstand nicht eingehalten werden. Beim Anstehen in der Mensa, am Bäckerwagen, im Rahmen der Einbahnstraßenregelung im T-Gebäude, bei Regenpausen, an den Fahrradständern, am Ende der Pause am Eingang und auf dem Schulweg würden Kohorten durchmischt. Außerhalb der Schule begegneten die Schüler anderen Kindern aus verschiedenen Kohorten. Viele Fenster im Hauptgebäude ließen sich nicht öffnen. Im T-Gebäude habe trotz geöffneter Fenster bei gleicher Temperatur außen und innen kaum ein Gasaustausch stattgefunden. Im Pavillon habe ebenfalls „schlechte Luft“ geherrscht. Lüften werde im Winter vermehrt zu Erkältungen führen. Bei mehrstündigen Klausuren funktioniere das Lüftungskonzept nicht. Regenpausen seien in dem Konzept nicht bedacht worden. Die Möglichkeit von Schmierinfektionen sei nicht ausgeschlossen. Die Desinfektion in den naturwissenschaftlichen Räumen und für die Lehrercomputer funktioniere nicht. Nicht alle desinfizierten beim Verlassen der Räume die Pulte der Lehrkräfte. Dies gelte auch für die Toiletten. Sportgeräte würden gemeinsam genutzt. Das Waschen der Hände nur am Anfang und am Ende des Sportunterrichts scheine nicht ausreichend. Im Lehrerzimmer gelte keine Maskenpflicht. Im Unterricht nähmen die Kinder die Masken ab und schafften es nicht, sich diese aufzusetzen, bevor sie sich den Lehrkräften näherten. Es seien bislang keine FFP2-Masken bereitgestellt worden. Beim Kopieren und im Lehrerzimmer hätten viele Kollegen keine Maske auf, bei den Dienstversammlungen in der Mensa würden viele Kollegen diese erst auf Bitten aus dem Kollegium aufsetzen. Risikopatienten würden im Hygieneplan nicht berücksichtigt. Bestimmungen und Anweisungen seien nicht immer klar. Beim Hygieneplan fehle ein wirksames Kontrollsystem. Kritikpunkte, die Kolleginnen und Kollegen vorgetragen hätten, seien im Hygieneplan nicht eingearbeitet worden. Ein Lehrer sei für seine Kritik sowohl vom Personalrat als auch von der Schulleitung massiv kritisiert worden. Ein Lehrerzimmer für Risikogruppen sei derzeit nicht vorhanden. Eine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung durch die Betriebsärztin unter Berücksichtigung seiner schweren Erkrankungen habe nicht stattgefunden.

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Schließlich habe sich das Infektionsgeschehen insbesondere auch im Kreis Stormarn verschlechtert.

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Der Antragsteller beantragt,

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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen, ihn - den Antragsteller - zum Präsenzunterricht heranzuziehen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er ist der Auffassung, dass der Antrag in der gestellten Form bereits unzulässig sei, da er vorbehaltlos und zeitlich nicht befristet gestellt sei. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Der Antragsteller wäre durch die Wahrnehmung seiner Dienstpflichten nicht erheblichen Gefahren für seine Gesundheit ausgesetzt. Er habe keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit der individuell zu dem Antragsteller vorgenommenen arbeitsmedizinischen Bewertung zu zweifeln. Der Antragsteller sei in seiner Schule aktuell keinem über dem allgemeinen Lebensrisiko liegenden Risiko einer Infektion ausgesetzt. Er habe mit der Handreichung für Schulen „Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen im Rahmen des Schulbetriebs unter dem Aspekt des Schutzes vor Ansteckung durch das SARS-CoV-2“ vom 23. Juni 2020 sowie den „Corona-Reaktions-Plan Schule SH“ generelle Rahmenbedingungen zum Schutz der Beschäftigten geschaffen, die an der jeweiligen Schule umzusetzen seien. An der Gemeinschaftsschule XXX sei ein individueller Hygieneplan erstellt worden, der laufend überprüft und entsprechend den aktuell geltenden Vorgaben überarbeitet werde. Der Hygieneplan „Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen im Rahmen des Schulbetriebs unter dem Aspekt des Schutzes vor Ansteckung durch das SARS-CoV-2“ beinhalte Maßnahmen in Bezug auf die persönliche Hygiene für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler, Maßnahmen in Bezug auf die Raumhygiene für Klassenzimmer, Fachräume, Lehrerzimmer, Kopierraum und Schulgebäude, Hygiene im Sanitärbereich, Infektionsschutz in den Pausen, Hygienemaßnahmen bei der Wegeführung sowie Regelungen zu Konferenzen und zur Meldepflicht.

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Die Betriebsärztin habe die Schule des Antragstellers am 02.09.2020 gemeinsam mit dem Schulleiter und dem örtlichen Personalrat besichtigt und dem Schulleiter bestätigt, dass das aufgestellte Konzept von den organisatorischen Ansätzen gut strukturiert sei und einen ausreichenden Schutz der Lehrkräfte vor einer arbeitsplatzbedingten Covid-19-Infektion biete. Hinsichtlich der von der Betriebsärztin beanstandeten Lüftungssituation in den Klassenräumen im 1. OG Altbau solle durch Öffnung der stillgelegten Notausstiegsfenster Abhilfe geschaffen werden. Für Lehrkräfte mit einem gesundheitlichen Risiko werde ein zusätzlicher externer Schutzraum (ein Risikolehrkräftezimmer) angeboten. Der Umfang der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Bereich der Schulen sei nunmehr in einer Landesverordnung geregelt. Vom Leiter der Gemeinschaftsschule werde bestätigt, dass ein Mindestabstand von 1,5 Metern zur Lehrkraft einzuhalten sei. Werde der Abstand unterschritten, sei eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, und zwar auch in Dienstversammlungen und Konferenzen. Der Zugang zu den Kopierräumen sei begrenzt und es seien Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen. Lehrkräfte der Gemeinschaftsschule hätten die Möglichkeit gehabt, sich an dem Hygienekonzept zu beteiligen und Verbesserungsvorschläge anzubringen. Im Hygieneplan sei vorgesehen, diesen regelmäßig zu überprüfen und ggf. zu ändern, um neue Vorgaben einzuarbeiten oder den Plan den Gegebenheiten der Schule entsprechend besser anzupassen. Die Kontrolle des Konzeptes erfolge durch jede einzelne Lehrkraft. Es liege damit auch im Einflussbereich des Antragstellers, den Abstand einzuhalten und von den Schülerinnen und Schülern sowie den anderen Lehrkräften die Einhaltung der Vorgaben einzufordern. Seinen persönlichen Schutz könne der Antragsteller durch das Tragen einer FFP 2-Maske und/oder eines sog. Face Shields noch erhöhen. Der Gefahr von Schmierinfektionen könne er durch persönliche Hygienemaßnahmen entgegenwirken. Die Landesverordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus vom 01.09.2020 gewährleiste den Schutz durch ein Hereintragen der Infektion durch Reisende.

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Damit seien unter Fürsorge- und Arbeitsschutzgesichtspunkten hinreichende Vorkehrungen getroffen worden, die geeignet seien, das Risiko einer Ansteckung auf ein vertretbares und zumutbares Maß zu begrenzen. Einen allumfassenden Gesundheitsschutz könne es während der pandemischen Lage nicht geben. Es gebe ihn im Übrigen auch in zahlreichen anderen Tätigkeitsbereichen nicht. Der besonderen Situation nach den Sommerferien werde durch zusätzliche präventive Schutzmaßnahmen wie die dringende Empfehlung zum Tragen von Schutzmasken und die Teststrategie des Bundes für die Rückkehrenden aus Risikogebieten ausreichend Rechnung getragen.

II.

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Der nach §§ 122, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sinngemäß darauf gerichtete Antrag des Antragstellers,

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dem Antragsgegner einstweilig zu untersagen, ihn zum Präsenzunterricht heranzuziehen, bis der Antragsgegner ausreichende Maßnahmen zur Vermeidung einer Infektion bei ihm mit SARS-CoV-2 während seines Dienstes getroffen hat,

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ist (noch) zulässig. Zwar ist der ursprünglich gestellte Antrag des Antragstellers hinsichtlich der Untersagung, ihn zum Präsenzunterricht heranzuziehen, weder zeitlich noch sachlich befristet. Er ist daher nicht geeignet, Gegenstand eines auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens zu sein. Es fehlt insofern - auch in Anbetracht der Grundsätze der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache wegen der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) - am vorläufigen Charakter des Rechtschutzbegehrens. Vielmehr wäre unmittelbare Folge der Stattgabe des ursprünglichen Antrags eine inzidente Feststellung der Dienstunfähigkeit, die jedoch die Regelungen der §§ 41 ff. Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein (LBG SH) umgehen würde. Dies ist vom Antragsteller offensichtlich nicht gewollt, mit der Folge, dass sein Antrag auszulegen ist. So rügt er im Wesentlichen, dass der Dienstherr und die Schule, an der er unterrichtet, keine ausreichenden Schutzmaßnahmen getroffen haben, um seinem individuell erhöhten Gesundheitsrisiko, das mit einer Infektion mit SARS-CoV-2 besteht, gerecht zu werden. Aus diesem Grund ist sein Antrag entsprechend seinem Begehren insofern zu begrenzen und seine Zulässigkeit zu bejahen.

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Der Antrag bleibt allerdings in der Sache ohne Erfolg. Er ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht kann eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 VwGO). Dazu hat der Antragsteller Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich ergibt, dass ihm ein Anspruch, ein Recht oder ein sonstiges schützenswertes Interesse zusteht (sog. Anordnungsanspruch) und ferner, dass dieser Anordnungsanspruch in Folge einer Gefährdung durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss, somit eine Eilbedürftigkeit besteht (sog. Anordnungsgrund, § 123 Abs. 3 VwGO in Verb. mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

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Zwar hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Für die Kammer bestehen keinerlei Zweifel an der Eilbedürftigkeit einer Entscheidung, da das Schuljahr 2020/2021 bereits am 10. August 2020 begonnen hat, und damit der Antragsteller verpflichtet ist, im Rahmen seiner Dienstpflichten Präsenzunterricht durchzuführen.

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Es fehlt jedoch an einem Anordnungsanspruch. Ein solcher setzt voraus, dass dem Antragsteller trotz der vom Antragsgegner und von der Gemeinschaftsschule XXX ergriffenen Maßnahmen die Durchführung von Präsenzunterricht unter Abwägung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn mit seiner beamtenrechtlichen Einsatzpflicht unzumutbar ist.

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Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG garantiert. Sie hat einfachgesetzliche Konkretisierungen in § 45 BeamtStG erfahren. Danach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien zu sorgen und die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung zu schützen. Von der Fürsorgepflicht ist auch die Pflicht des Dienstherrn umfasst, für die Ausübung des Amtes angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen (BVerwG, Urteil vom 24.01.2013 - 5 C 12/12 - juris Rn. 24 mit weit. Nachw.). Der Beamte hat kraft der Fürsorgepflicht des Dienstherrn einen Anspruch gegen diesen auf Schutz nicht nur vor sicheren, sondern schon vor ernstlich möglichen Beeinträchtigungen seiner Gesundheit durch Einwirkungen am Arbeitsplatz (BVerwG, Urteil vom 13.09.1984 - 2 C 33/82 - juris Rn. 18).

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Darüber hinaus sind die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) unmittelbar auch auf Beamte anwendbar, § 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22.11.2017 - 2 LA 117/15 - juris Rn. 11). Dieses wird wiederum durch die Regelungen der Arbeitsstättenverordnung noch näher konkretisiert. Danach ist der Dienstherr verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben und sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird, § 4 Nr. 1 ArbSchG. Nach § 4 Nr. 6 ArbSchG sind dabei auch spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen. Hieraus folgt im Einzelnen auch ein ggf. gerichtlich durchsetzbarer Anspruch des Beamten auf Einhaltung der gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften. Die Auswahl zwischen mehreren möglichen Mitteln zur Abhilfe liegt allerdings im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn (BVerwG, Urteil vom 13.09.1984, a.a.O., Rn. 19).

22

Der danach dem Antragsteller zustehende Anspruch auf Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften gewährt ihm jedoch nicht das Recht, seinen Dienst an der Gemeinschaftsschule XXX in Form von Präsenzunterricht zu verweigern. Ob diesbezüglich ein Verweigerungsrecht entsprechend § 273 BGB besteht, richtet sich nach den Umständen im jeweiligen Einzelfall. Das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung zu erhalten, ist abzuwägen mit dem individuellen Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung der beanspruchten arbeitsrechtlichen Schutzpflichten. Entsprechendes gilt im öffentlichen Dienstrecht, wo die vom Antragsteller beanspruchte, durch arbeitsschutzrechtliche Regelungen konkretisierte Fürsorgepflicht des Dienstherrn in einem vergleichbaren Verhältnis zu seiner beamtenrechtlichen Einsatzpflicht (§ 34 Satz 1 BeamtStG) steht. Ein Recht zur Verweigerung der Arbeits- oder Dienstleistung besteht nur, wenn diese bei Nichteinhaltung der Schutzvorschriften unzumutbar ist (HessVGH, Beschluss vom 14.05.2020 - 1 B 1308/20 - juris Rn. 10 mit weit. Nachw.). Maßgeblich für die Beurteilung des Einzelfalls sind dabei insbesondere die vom Dienstherrn im Hinblick auf die Coronapandemie für den jeweiligen Dienstort aufgestellten Schutzkonzepte. Bieten diese neben dem Schutz der Allgemeinheit ausreichende Maßnahmen zum Individualschutz, um die Wahrscheinlichkeit einer Infektion des Beamten unter Berücksichtigung seiner Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe möglichst zu vermeiden, muss ein darüberhinausgehendes Dienstverweigerungsrecht ausgeschlossen sein.

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Diesen - strengen - Maßstab für die Annahme eines Dienstverweigerungsrechts seitens eines Beamten zugrunde gelegt, ist ein Anspruch des Antragstellers auf Verweigerung des Präsenzunterrichts nicht glaubhaft gemacht. Die nach dem Vorstehenden gebotene Bewertung der Zumutbarkeit zur Heranziehung zum Dienst geht zu Lasten des Antragstellers aus. Denn die hier vom Antragsgegner und der Schule getroffenen Maßnahmen werden dem sich aus der Fürsorgepflicht und den arbeitsrechtlichen Schutzpflichten ergebenden Maßstab gerecht. Der Antragsteller ist nach § 34 Satz 1 BeamtStG verpflichtet, seine Kernaufgabe der Unterrichtserteilung zu erfüllen. Die Unterrichtserteilung erfolgt grundsätzlich gegenüber den Schülerinnen und Schülern in persönlicher Präsenz. Im Ergebnis führt die besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht dazu, dass ihm die Erfüllung dieser Pflicht als Kern seiner beamtenrechtlichen Einsatzpflicht gegenwärtig nicht zugemutet werden kann.

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Zwar gehört der Antragsteller grundsätzlich aufgrund seiner Erkrankungen zur Gruppe der besonders schutzbedürftigen Beschäftigten. Er ist unter Zugrundelegung der Information des Robert Koch-Instituts (SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 - COVID-19 - Stand: 02.10.2020) zunächst Teil einer der Personengruppen, bei denen im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 häufiger schwere Krankheitsverläufe beobachtet werden. Die ergriffenen konkreten und im gerichtlichen Verfahren umfassend dargelegten Maßnahmen erscheinen gegenwärtig ausreichend, um das Risiko einer Erkrankung des Antragstellers an SARS-CoV-2 auch in Anbetracht der bei ihm erhöhten Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs auf ein zumutbares Maß zu reduzieren. Zu dieser Einschätzung ist die Betriebsärztin, eine Fachärztin für Arbeitsmedizin, nach einer Begehung der Gemeinschaftsschule XXX auf der Basis der einschlägigen rechtlichen Regelungen (ArbSchG, Biostoffverordnung und Infektionsschutzgesetz) gelangt. Sie hat die vom Antragsteller vorgelegten Atteste, das schulische Hygienekonzept und das derzeitige regionale Infektionsgeschehen berücksichtigt. Hinsichtlich der von ihr ausschließlich beanstandeten Lüftungssituation in den Klassenräumen des 1. Obergeschosses im Altbau soll laut Auskunft des Schulleiters in den Herbstferien durch Öffnung der stillgelegten Notausstiegsfenster Abhilfe geschaffen werden. Das Hygienekonzept der Schule als solches hat die Betriebsärztin als gut strukturiert und ausreichend angesehen, um die Lehrkräfte vor einer arbeitsplatzbedingten Covid 19 Infektion zu schützen.

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Die Einwände des Antragstellers richten sich in erster Linie gegen die unzureichende Umsetzung des Konzeptes. Soweit der Antragsteller fehlende Regelungen für Regenpausen beanstandet, hat der Schulleiter in seiner Stellungnahme mitgeteilt, dass die Schüler in diesen Pausen in den ihnen zugewiesenen Pausenhofzonen verbleiben, also nicht in den Gängen bzw. den Klassenräumen. Hinsichtlich der Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, fehlt es zwar im Hygienekonzept der Schule an einer Regelung. Einer solchen bedarf es jedoch auch nicht, da die Landesverordnung über besondere Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 an Schulen (Schulen-Coronaverordnung) vom 06.10.2020 in § 2 die Mund-Nasen-Bedeckungspflicht auf dem Gelände von Schulen regelt. Entsprechende Bestimmungen finden sich auch in der Handreichung für Schulen „Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen im Rahmen des Schulbetriebs unter dem Aspekt des Schutzes vor Ansteckung durch das SARS-CoV-2" vom 23. Juni 2020 (Stand 24.08.2020). Ein gesondertes Zimmer für Risikolehrkräfte (Schutzraum) mag noch nicht eingerichtet sein, wird dem Antragsteller jedoch laut Auskunft des Schulleiters angeboten, sobald er seinen Dienst an der Schule wiederaufnimmt. Soweit der Antragsteller die unzureichende Umsetzung des Hygienekonzeptes an der Schule beanstandet, muss er sich entgegenhalten lassen, dass es auch seine Aufgabe als an der Schule unterrichtende Lehrkraft ist, für eine Durchsetzung der aufgestellten Regeln, etwa die Einhaltung von Abständen und die Maskenpflicht im Unterricht und bei Dienstveranstaltungen zu sorgen. Darauf weisen der Antragsgegner und der Schulleiter der Gemeinschaftsschule zutreffend hin. Einen Aufenthalt in der von ihm angesprochenen Mensa und an den Fahrradständern, wo nach den Ausführungen des Antragstellers eine Durchmischung von Kohorten stattfindet, kann der Antragsteller vermeiden. Vom Antragsteller beanstandete Vorgänge auf dem Schulweg und außerhalb der Schule entziehen sich dem Einflussbereich der Schule und des Antragsgegners. Für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften ist der Dienstherr nur im Bereich der Schule verantwortlich. Der von dem Antragsteller angesprochene Bäckerwagen, an dem die Kohorten durchmischt würden, kommt nicht mehr. Es bleibt dem Antragsteller auch unbenommen, sein Pult selbst vor jedem Unterricht zu desinfizieren, durch eigene Hygienemaßnahmen mögliche Schmierinfektionen zu vermeiden und die Schüler im Sportunterricht - sollte er diesen überhaupt erteilen - zu weiteren, aus seiner Sicht erforderlichen Hygienemaßnahmen anzuhalten. Ein Austausch der Innenraumluft in den Klassenzimmern und Fachräumen ist laut Hygienekonzept der Schule durch mehrmals tägliches Stoßlüften zu gewährleisten. Eine entsprechende Regelung findet sich unter Ziffer 5 der Handreichung für Schulen „Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen im Rahmen des Schulbetriebs unter dem Aspekt des Schutzes vor Ansteckung durch das SARS-CoV-2“, wobei ein Querlüften auch nach Ansicht der Betriebsärztin bei Außentemperaturen von unter 15° nicht mehr möglich sein dürfte. Der beim Stoßlüften eher geringen Gefahr von Erkältungskrankheiten kann durch entsprechende Kleidung vorgebeugt werden.

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Die Kammer hat auch keinen Anlass daran zu zweifeln, dass sowohl der Antragsgegner als auch die Schule des Antragstellers entsprechend auf das jeweilige aktuelle Infektionsgeschehen und etwaige steigende Fallzahlen reagieren werden. Der öffentliche Gesundheitsdienst hat gemäß § 34 Absatz 9 Infektionsschutzgesetz (IfSG) die notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, soweit der Fall eintritt, dass die Gefahr einer Weiterverbreitung des Virus besteht. Beim Antragsgegner ist eine sog. Covid 19 Taskforce eingerichtet. Durch die 24-stündige Erreichbarkeit der mit der Hygiene beauftragten Betriebsärztin ist gewährleistet, dass umgehend auf eine mögliche Positiv-Testung von Schülern oder Lehrkräften reagiert werden kann. Die vorgesehenen Abläufe werden im „Corona-Reaktions-Plan Schule SH“ verdeutlicht, den der Antragsgegner vorgelegt hat. Zwar sind mittlerweile auch in Schleswig-Holstein wieder steigende Infektionszahlen zu beobachten (vgl. https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Coronavirus-in-SH-65-neue-Infektionen-bestaetigt,corona4736.html). Allerdings erfolgen die meisten Ansteckungen nicht in der Schule, sondern im privaten Bereich (s. https://www.ndr.de/nachrichten/info/Corona-Faelle-Anteil-der-unter-35-Jaehrigen-stark-gestiegen,corona4170.html).

27

Aus dem Anspruch auf Fürsorge und aus den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften ergibt sich kein Anspruch des Antragstellers darauf, an der Schule eine NulIrisiko-Situation anzutreffen. Ein allumfassender Gesundheitsschutz während einer pandemischen Lage kann nicht sichergestellt werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Schulen Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes sind, vgl. § 33 Nr. 3 IfSG. Mithin besteht in einer Gemeinschaftseinrichtung bereits eine allgemeine Infektionsgefährdung in Bezug auf sämtliche Infektionserkrankungen, denen sich eine Lehrkraft aufgrund ihrer Dienstleistungspflicht grundsätzlich auszusetzen hat. Seiner Pflicht als Dienstherr, mögliche Gesundheitsgefahren für die Lehrkräfte auf ein zumutbares Maß zu verringern, ist der Antragsgegner hinreichend nachgekommen.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.

29

Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).


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