Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (17. Kammer) - 17 A 11/18

Tenor

Dem Beklagten wird das Ruhegehalt aberkannt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aufgrund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Kosten leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Aberkennung des Ruhegehaltes des Beklagten.

2

Der am ... geborene Beklagte besuchte nach der Grundschule das ... Am 21.05.1969 erlangte er dort die allgemeine Hochschulreife.

3

Ab dem Wintersemester 1969/70 studierte er zunächst an der Universität ... und ab dem Wintersemester 1970/71 an der Universität ..., an der er 1976 die Prüfung für Studienräte am Gymnasium (Erste Staatsprüfung) in den Fächern Englisch und Geografie mit „sehr gut“ bestand. Nach einem Promotionsstudium in der Zeit vom 01.07.1976 bis zum 31.12.1976 für eine Archivreise in die USA absolvierte er vom 01.08.1977 bis zum 31.01.1979 den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn der Studienräte am Gymnasium und bestand am 23.01.1979 die Zweite Staatsprüfung mit „gut“. Er wurde dann in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat zur Anstellung ernannt und dem Gymnasium ... zur Dienstleistung zugewiesen. Mit Wirkung vom 12.02.1982 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit als Studienrat verliehen. Nach seiner mit Wirkung vom 01.08.1993 erfolgten Versetzung an das ... wurde er mit Wirkung vom 01.02.1994 zum Oberstudienrat ernannt. Im Juni 1995 erlangte er die Lehrbefähigung für das Fach Wirtschaft/Politik. Vom 18.08.1996 bis zum 31.07.2013 war er vom Schuldienst in Schleswig-Holstein beurlaubt und in diesem Zeitraum als Lehrkraft an der deutschen Schule in ... tätig. Am 07.07.2000 wurde ihm an der Freien Universität ... der Grad eines Doktors der Philosophie verliehen.

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Mit Wirkung vom 01.08.2003 übertrug der Kläger dem Beklagten die Leitung des ... Dort wurde er zum 01.08.2005 zum Studiendirektor und mit Wirkung vom 01.05.2009 zum Oberstudiendirektor ernannt.

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Ab dem 01.07.2009 war der Beklagte erneut im Auslandsschuldienst tätig, diesmal als Leiter der .... Nach Rückkehr wurde er mit Wirkung vom 01.04.2012 an die ... versetzt und dort ab dem 01.08.2012 als Schulleiter eingesetzt. Mit Ablauf des 31.01.2016 trat er nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand.

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Der Beklagte ist verheiratet und hat eine im Jahr 1987 geborene Tochter und einen im Jahr 1995 geborenen Sohn. Er erhält derzeit Versorgungsbezüge in Höhe von etwa 4.500 €.

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Unter dem 09.03.2016 erstattete der Nachfolger des Beklagten im Amt des Schulleiters der ...-Schule Strafanzeige gegen den Beklagten wegen des Verdachts, sich wertvolle Bücher aus dem Schuleigentum angeeignet und sie einem Antiquariat zum Verkauf angeboten zu haben. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht I... gegen den Beklagten Ermittlungen ein. Am 10.03.2016 wurden u.a. die Wohnräume des Beklagten durchsucht. Dort wurden in dessen Arbeitszimmer insgesamt 261 antiquarische Bücher aufgefunden und beschlagnahmt.

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Unter dem 11.07.2016 leitete der Kläger gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein, welches er für die Dauer des sachgleichen Strafverfahrens aussetzte.

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Durch - rechtskräftigen - Strafbefehl des Amtsgerichts ... wurde der Beklagte wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 150 Tages-

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sätzen á 120,00 €, insgesamt 18.000 €, verurteilt.

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Dem Strafbefehl lagen folgende Feststellungen zugrunde:

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„Seit 2006/2007 lagerten in einem Klassenraum der...antike, im Eigentum der Schule stehende Bücher, verstaut in mehreren Schränken, die mit einem Vorhängeschloss gesichert waren. Nachdem unbekannte Täter diese Schränke im September 2013 aufgebrochen hatten, ohne etwas zu entwenden, waren sie vier bis fünf Wochen unverschlossen. Während dieses Zeitraumes entnahmen Sie als Schulleiter der... aus diesen Schränken eigenmächtig und ohne jemanden darüber zu informieren, insgesamt 261 antike Bücher mit einem geschätzten Wert von 65.000 bis 75.000 € und verbrachten diese in Ihr Haus im C-Straße in C-Stadt, um sie zumindest vorübergehend dem eigenen Vermögen einzuverleiben. Darunter befanden sich u.a. die nachfolgenden Werke:

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-Das Buch „Opera“ von Platon aus dem Jahre 1551, mit einem geschätzten Wert von 2.000 €,

14

-vier Bände des Werks „MONUMENTA inedita rerum Germanicarum praecipue Cimbricarum et Megapolensium“ von Westphalen aus den Jahren 1739 bis 1745 mit einem geschätzten Wert von 4.500 €,

15

-die mittelniederdeutsche Flensburger Handschrift „Der Borger Recht Tho Flenßborch“ aus dem Jahr 1576 mit einem geschätzten Wert von 15.000 €,

16

-das Buch „Geometria“ von Descartes aus dem 1683 mit einem geschätzten Wert von 1.500 €,

17

-das Buch „Aristoteles“ von Erasmus von Rotterdam aus dem Jahr 1531 mit einem geschätzten Wert von 5.000 €,

18

-das Buch „Inscriptiones Haffnienses“ von Tycho Brahe aus dem Jahr 1668 mit einem geschätzten Wert von 4.000 € und

19

-das Buch „De iure belli“ von Grotius aus dem Jahr 1631 mit einem geschätzten Wert von 1.500 €.

20

Unter dem 30.06.2017 setzte der Kläger das Disziplinarverfahren fort und hat unter dem 21.11.2018 Disziplinarklage erhoben.

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Er wirft dem Beklagen im Wesentlichen vor, dass dieser in dem Zeitraum ab September 2013 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 01.02.2016 aus Schränken in einem Klassenraum der ... eigenmächtig und ohne jemanden darüber zu informieren, insgesamt 261 antike, im Eigentum der Schule bzw. des Schulträgers stehende Bücher mit einem geschätzten Wert von 65.000 bis 75.000 € entnommen und in seinem Haus mindestens vorübergehend dem eigenen Vermögen habe. Anfang März 2016 habe er dem Antiquariat ... in ... insgesamt 15 und dem Antiquariat ... in ... drei dieser Bücher zum Kauf angeboten.

22

Der Beklagte habe bezüglich der Kaufangebote vorsätzlich gehandelt. Ihm sei bewusst gewesen, dass er nicht das Recht gehabt habe, die antiken, im Eigentum der Schule stehenden Bücher an sich zu nehmen und in sein Haus zu verbringen, um sie mindestens vorübergehend dem eigenen Vermögen einzuverleiben. Nach seiner eigenen Einlassung im Strafverfahren habe er gewusst, dass er nach seiner Pensionierung keinen Einfluss mehr auf das weitere Schicksal der Bücher habe ausüben können. Schließlich sei ihm auch bewusst gewesen, dass er nicht befugt gewesen sei, nicht in seinem Eigentum stehende Bücher zum Kauf anzubieten, unabhängig davon, ob er einen etwaigen Erlös für sich habe behalten wollen oder nicht.

23

Durch sein Verhalten, während seiner aktiven Dienstzeit im Eigentum der Schule stehende antike Bücher in sein Haus verbracht zu haben und einige dieser Bücher nach seiner Zurruhesetzung zum Verkauf angeboten zu haben, habe der Beamte seine Pflichten gemäß § 34 Satz 2 und 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verletzt und damit gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG ein Dienstvergehen begangen. Er habe gegen seine Pflicht, die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen, verstoßen und sei durch sein Verhalten nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden, die sein Beruf erforderten.

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Für ihn als Pädagogen komme hinzu, dass er in seiner Person stets ein gutes Beispiel für einwandfreies Verhalten geben müsse, um seinem Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht werden zu können. Dies habe für ihn als Schulleiter im besonderen Maße gegolten. Er habe in dieser Funktion die Verantwortung für die Erfüllung des pädagogischen Auftrages der Schule und die Organisation und Verwaltung entsprechend den Rechts- und Verwaltungsvorschriften getragen. Schließlich habe er im Rahmen des Schulbetriebes für den Schulträger das dem Schulzweck dienende Vermögen verwaltet. Diesen Pflichten sei er in besonders schwerwiegender Weise nicht gerecht geworden. Strafrechtlich stelle sich das Verhalten, während seiner aktiven Dienstzeit im Eigentum der Schule stehende antike Bücher in sein Haus verbracht zu haben, als Unterschlagung dar. Der Tatbestand der Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) sehe als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bzw. soweit die unterschlagenen Sachen - wie hier - anvertraut gewesen seien, einen Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 246 Abs. 2 StGB) vor.

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Damit liege ein so gewichtiges Dienstvergehen vor, dass der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bei noch aktiven Beamten bis zur Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, bei bereits im Ruhestand befindlichen Beamten bis zur Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehaltes reiche. Wer ihm dienstlich zugängliche Werte mit einem Schätzwert von 65.000 bis 75.000 € eigenmächtig und ohne Genehmigung in seinen privaten Bereich verbringe, erschüttere regelmäßig das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn. Das Land Schleswig-Holstein und die Schulträger seien im hohen Maße auf die Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit aller im Schuldienst des Landes tätigen Personen, insbesondere der mit der Vermögensverwaltung der Schulträger beauftragten Schulleiterinnen und Schulleiter angewiesen. Wer sich über solche Pflichten hinwegsetze, zeige ein besonders hohes Maß an Pflichtvergessenheit und Vertrauensunwürdigkeit, das - im aktiven Beamtenverhältnis - grundsätzlich mit der einseitigen Auflösung des Dienstverhältnisses zu ahnden sei. Bei einem Ruhestandbeamten bedeute dies die Aberkennung des Ruhegehaltes. Eine solche Maßnahme sei auch unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalles vorliegend gerechtfertigt. Durch das Verhalten des Ruhestandsbeamten sei ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten, welcher immer dann anzunehmen sei, wenn aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden müsse, die durch das Fehlverhalten des Beamten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Wer Gegenstände mit dem erwähnten Wert in seinen privaten Haushalt verbringe und diese dann als Privatperson zum Kauf anbiete, begehe ein schweres Dienstvergehen, welches im Kern der ihm obliegenden Dienstpflichten angesiedelt sei. Ein solches Verhalten sei geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt eines Lehrers und Schulleiters bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen und das für eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses unabdingbare Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit eines Beamten zu zerstören. Wer auf diese Art und Weise versage, weise erhebliche Persönlichkeitsmängel auf mit der Folge, dass die Einbuße an Achtung- und Vertrauenswürdigkeit als so gravierend anzusehen sei, dass er für den Dienstherrn untragbar werde, was bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst und - wie vorliegend - bei einem Ruhestandsbeamten zur Aberkennung des Ruhegehaltes führen müsse.

26

Außergewöhnliche Milderungsgründe lägen nicht vor. Der Einwand, die Mitnahme der Bücher, ohne jemandem davon zu berichten, sei von einer emotionalen Ausnahmesituation geprägt gewesen, könne nicht den Milderungsgrund des sogenannten Augenblicksversagens begründen. Es habe sich um 261 schwere und teils auch großformatige Bücher gehandelt, die der Beklagte während seiner aktiven Dienstzeit entweder in kleinen Mengen über einen längeren Zeitraum oder in einer größeren Transportaktion, die angesichts des Umfangs der Bücher auch eine gewisse Zeit gedauert habe, aus der Schule in ... in sein Wohnhaus in C-Stadt verbracht habe. Von einem „Moment“ der Mitnahme und somit einem Augenblicksversagen könne nicht die Rede sein. Es komme hinzu, dass in Fortsetzung seines Planes in der Folgezeit die Bücher bei zwei Antiquariaten zum Kauf angeboten und zu diesem Zweck mit beiden Händlern mehrfach Kontakt aufgenommen worden sei. Andere, nachhaltig entlastende Umstände seien nicht zu verzeichnen, insbesondere sein Hinweis, er habe eine Neigung zum „einsamen Handeln“, stelle einen solchen Milderungsgrund nicht dar.

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Der Kläger beantragt,

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dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

31

Im Wesentlichen macht er geltend:

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Er habe sich ab dem 29.01.2016 für einen überschaubaren Zeitraum die Sachherrschaft über z. T. wertvolle, z. T. auch längst wertlos gewordene bzw. zerstörte Bücher verschafft. Dies stelle ein Dienstvergehen dar, für welches er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sei. Er bekenne sich auch zu seiner Verantwortung dafür, dass er sich, ohne dies mit anderen Beteiligten abzusprechen, die Sachherrschaft über die Bücher verschafft habe. Er hätte dies nicht tun müssen und auch nicht dürfen. Er sei gleichwohl ein besonders pflichtbewusster und kein pflichtvergessener Beamter.

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Vor dem 29.01.2016 seien keine Bücher in der ehelichen Wohnung gelagert gewesen. Er sei vielmehr mit allen Büchern am 29.01.2016 bei sich zu Hause eingetroffen. Er habe seiner Ehefrau gegenüber gesagt, dass er diese Bücher schätzen lassen und sie dann zurückbringen wolle. Danach habe er - weil seine Ehefrau sich an den Büchern im Wohnzimmer gestört habe - diese in sein Arbeitszimmer verbracht.

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Weiterhin habe er keinerlei Forderungen gegenüber den beiden Antiquaren, zu denen er in Kontakt getreten sei, gestellt, und habe einen etwaigen Kaufpreis nicht für sich beanspruchen, sondern die dort abgegebenen Werke lediglich habe schätzen und dann die Wertangabe in Form eines Kaufangebots habe erfragen wollen. Ohne Eigentumsnachweis hätten diese die Bücher nicht angekauft.

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Darüber hinaus sei es ein Anliegen seiner ehemaligen Kollegin ... gewesen, dass er - der Beklagte - sich der Bücher vorübergehend annehme, weil sie mit anderen Aufgaben betraut und dazu nicht in der Lage gewesen sei. Zu berücksichtigen sei indes auch, dass das Verhältnis zwischen Frau ... und ihm gespannt gewesen sei und sie wegen von ihr so wahrgenommener fehlender Unterstützung im Hinblick auf eine private Situation geäußert habe: „Das nehme ich Ihnen übel, das vergesse ich Ihnen nicht.“ Weiterhin sei er in seiner Steuerungsfähigkeit im Frühjahr 2016 eingeschränkt gewesen, weshalb dazu ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben sei. Aufgrund eines erlittenen Überfalls während seiner Zeit in Brasilien leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung, welche einen längerfristigen Verlust von Verhaltenskorrektiven sowie punktuell objektiv betrachteten Übereifer ausgelöst habe.

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Letztlich leide die Klageschrift an nicht unerheblichen Fehlern. Insbesondere sei die Frage der Zueignungsabsicht nicht ordnungsgemäß gewürdigt und entlastende Momente seien nicht berücksichtigt worden. Notwendige Beweise seien nicht erhoben worden. Insgesamt sei zu konstatieren, dass er die „Bücheraktion“ sehr gut gemeint, aber ganz schlecht gemacht habe.

37

Er sei krank und seiner Familie zum Unterhalt verpflichtet; er benötige sein Ruhegehalt.

38

Der Kläger hat dazu erwidert, dass der Vortrag des Beklagten im gerichtlichen Verfahren im Widerspruch zu seinem früheren Vorbringen stehe. Bislang habe er vorgetragen, er habe die Bücher im Herbst 2013 aus dem vom Hausmeister gesicherten Schrank entnommen. Die disziplinaren Ermittlungen dazu hätten ergeben, dass der Hausmeister den Schrank mit 4 x 4er Leisten und 60er Spax-Schrauben zugeschraubt habe.

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Der Beklagte habe demnach die Bücher aus dem insoweit aufwendig gesicherten Schrank entnommen und anschließend die Verschraubung wiederherstellen müssen. Ein solches Verhalten deute darauf hin, dass der Beklagte die Entnahme der (erst) im März 2016 bei ihm zu Hause beschlagnahmten Bücher habe längere Zeit verdecken wollen. Da das Fehlen der Bücher bis zu seiner Zurruhesetzung im Februar 2016 niemandem aufgefallen sei, habe er davon ausgehen können, dass dies auch weiterhin der Fall sein werde.

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Letztlich sei nicht entscheidend, wann genau der Beklagte die Bücher tatsächlich zu sich nach Hause verbracht habe, maßgeblich sei, dass er sich ohne Absprache mit anderen Personen die Sachherrschaft über 261 antike Bücher verschafft habe, die einen Schätzwert von 65.000 bis 75.000 € aufwiesen.

41

Es könne sogar zu seinen Gunsten die Richtigkeit seines Vorbringens unterstellt werden. Auch der sich dann daraus ergebende Zeitraum vom 29.01.2016 (Verbringen der Bücher in sein Wohnhaus) bis zum 10.03.2016 (Beschlagnahme) lasse die Tat nicht weniger schwer erscheinen, zumal dieser kürzere Zeitraum nicht auf einer Entscheidung des Beklagten beruht habe. Die Antiquare ... und ... seien polizeilich vernommen worden. Diese Protokolle seien Bestandteil der Strafakte, die im Disziplinarverfahren als Beweismittel beigezogen worden sei. Herr ... habe ausgesagt, dass es weder für ihn in dem Telefonat mit dem Beklagten noch in dessen E-Mail irgendeinen Anhaltspunkt dafür gegeben habe, dass er - der Beklagte - nicht für sich selbst tätig sei. Explizit habe der Beklagte gegenüber Herrn ... bekundet, dass er nicht mehr für die ... tätig sei und als Privatperson handele. Auf entsprechende Frage des Antiquars habe er dann angegeben, dass die Bücher aus dem ..., einer Schule in ..., stammten, die er dort vor dem Schredder bewahrt habe.

42

Schließlich finde sich auch im Durchsuchungsbericht der Kriminalpolizei ... vom 10.03.2016 der Hinweis, dass der Beklagte angegeben habe, die Bücher verkaufen zu wollen, um das Geld dem Förderverein zukommen zu lassen. Dadurch sei ausreichend belegt, dass der Beklagte die Bücher tatsächlich zum Kauf angeboten habe. Dass die Bücher aus einer Schule gestammt hätten, sei zwar Gegenstand des Gesprächs mit den Antiquaren gewesen, allerdings anders, als es jetzt der Beklagte darstelle. Keine Rolle spiele auch, dass der Beklagte den Erlös aus dem Verkauf der Bücher dem Förderverein habe zukommen lassen wollen. Entscheidend sei, dass er überhaupt nicht die Befugnis gehabt habe, über die im Eigentum des Schulträgers stehenden Bücher zu verfügen. Frau ..., die ehemalige Kollegin des Beklagten, habe im Übrigen in einer telefonischen Befragung glaubhaft ausschließen können, mit dem Beklagten ein Gespräch über ein mögliches Schätzen der Bücher geführt zu haben. Ganz sicher habe sie den Beklagten nicht aufgefordert, die Bücher schätzen zu lassen. Letztlich komme es darauf ebenfalls nicht an. Entscheidend sei, dass er sich - nach seiner eigenen Einlassung - ohne sich mit anderen Beteiligten abzusprechen, die Sachherrschaft über die Bücher verschafft habe.

43

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Klägers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zu lässig.

45

Die Klagschrift genügt den Erfordernissen des §§ 41 Abs. 1 Landesdisziplinargesetz (LDG) i.V.m. 52 Abs. 1 Satz 2 Bundesdisziplinargesetz (BDG). Danach muss sie die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Insbesondere müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich dargestellt sein. Dies erfordert, dass Ort und Zeit der einzelnen Handlungen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Nur eine inhaltlich derart bestimmte Klagschrift ermöglicht dem beklagten Beamten eine sachgerechte Verteidigung gegen die disziplinaren Vorwürfe. Diese Voraussetzungen sind erfüllt; insoweit gibt es seitens des Beklagten auch keine substantiierten Einwände.

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Auch dem behördlichen Disziplinarverfahren, das durch die Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden ist, haftet kein wesentlicher Mangel an. Die sich aus dem LDG ergebenden Anforderungen an die Unterrichtung des Beklagten, die dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung tragen, sind eingehalten worden. Dem Beklagten sind die Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie die jeweils zugrundeliegenden disziplinaren Vorwürfe mitgeteilt worden. Auch die Anforderungen an die Belehrungen und die Anhörungen sind erfüllt. Einer Mitwirkung des Personalrates bedurfte es - weil der Beklagte Ruhestandsbeamter ist - nicht (BVerwG, Beschluss vom 28.01.2015 - 2 B 15/14 - juris Rn. 10).

47

Die Klage ist auch begründet.

48

Der Beklagte hat durch die Verbringung von insgesamt 261 antiquarischen, teils sehr wertvollen Büchern aus den Räumlichkeiten der ... in sein Wohnhaus in C-Stadt sowie der anschließenden Kontaktaufnahme zu zwei Antiquaren ein schweres Dienstvergehen begangen.

49

Nach den Feststellungen im Strafbefehl, den Einlassungen des Beklagten im Strafverfahren, im Disziplinarverfahren und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte ein so schweres Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 BeamtStG) begangen hat, das es in Anbetracht der Schwere, des bekanntgewordenen Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs des Vertrauensverlustes des Dienstherrn und der Allgemeinheit erfordert, den Beklagten - wäre er noch in einem aktiven Beamtenverhältnis - aus dem Dienst zu entfernen. Als entsprechende Maßnahme für einen Ruhestandsbeamten kommt danach nur die Aberkennung des Ruhegehaltes in Betracht.

50

Die Kammer geht entsprechend dem Inhalt des Strafbefehls zunächst davon aus, dass der Beklagte, nach dem durch Unbekannte verübten Aufbruch der Schränke, ohne dass dort etwas entwendet worden war, im Herbst 2013, aus den vorübergehend ungesicherten Schränken die Bücher entnommen hat.

51

Das Gericht folgt insoweit zunächst den im - rechtskräftigen - Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 20.12.2016 ... wiedergegebenen Feststellungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diesen Bezug genommen.

52

Ein Strafbefehl entfaltet zwar nicht die einem Strafurteil innewohnende Bindungswirkung nach §§ 41 Abs. 1 LDG, 57 Abs. 1 BDG. Die dort getroffenen Feststellungen können jedoch gemäß §§ 41 Abs. 1 LDG, 57 Abs. 2 BDG ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden, da es sich bei dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren um ein gesetzlich geordnetes Verfahren handelt. Diese Vorschriften rechtfertigen es jedenfalls dann, von einer gerichtlichen Beweisaufnahme abzusehen, wenn die anderweitig festgestellten Tatsachen im gerichtlichen Disziplinarverfahren unstreitig sind bzw. nicht substantiiert bestritten werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.03.2012 - 2 A 11.10 - juris Rn. 39; OVG Münster, Urteil vom 11.01.2017 - 3 dA 204/16.O - juris Rn. 34 ff.).

53

Der Beamte hat dann - davon geht die Kammer aufgrund der Darlegungen des Beamten in der mündlichen Verhandlung aus - die Bücher nach der Entnahme in seinem Büro „zwischengelagert“ und schließlich kartonweise in den Schulkeller verbracht, bevor er sie dann am 29.01.2016 in einer Aktion in sein Wohnhaus in C-Stadt verbracht hat. Insoweit legt die Kammer ihrer rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen die vom Beamten auf Befragung des Gerichts (noch einmal) geschilderte Version des Geschehens zugrunde.

54

Der Kläger ist dem in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entschieden entgegengetreten. Er hat seine ursprüngliche Annahme, die sich u. a. auf die Vernehmung des damaligen Hausmeisters gründete, wonach der Schrank bei der „Verschraubung“ so voll war, dass nichts mehr hineingepasst hat und er im März 2016 seinen neuen Kollegen noch gewarnt haben will, dass die Bücher ihm beim „Aufschrauben“ entgegenfallen könnten, dass der Beamte die Bücher überhaupt nicht im Schulgebäude bzw.-keller „zwischengelagert“, sondern sie erst nach der Sicherung des Bücherschranks durch den Hausmeister entnommen, anschließend die „Verschraubung“ wiederhergestellt und die Bücher dann - entweder in einer einmaligen großen Aktion oder in mehreren Schritten - zu sich nach Hause transportiert hat, in der mündlichen Verhandlung insoweit relativiert, als er nunmehr davon ausgeht, dass der gesamte Tathergang „unklar“ sei.

55

Wenn man folglich davon ausgeht, dass der Beamte die Bücher erst am 29.01.2016 - nach Genuss einer bei ihm eine euphorische Stimmung auslösenden halben Flasche Sekt - (so der Beamte erstmalig in der mündlichen Verhandlung) - zu sich nach Hause geschafft hat, ändert dies an der rechtlichen Einschätzung eines Dienstvergehens nichts. Denn auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Mitnahme der Bücher kommt es - wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat - nicht entscheidend an. Auch der Umstand, dass der Beamte die Bücher dann in einem (wesentlich) kürzeren Zeitraum unter seiner tatsächlichen Sachherrschaft gehabt hat (Verbringen der Bücher in sein Wohnhaus am 29.01.2016 bis Auffinden und Beschlagnahme am 10.03.2016), lässt die Tat nicht weniger schwer erscheinen, zumal dieser kürzere Zeitraum nicht auf einer Entscheidung des Beklagten beruhte.

56

Einer Beweisaufnahme in Form der Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin, wie im Beweisantrag zu 1) begehrt, bedurfte es nicht, weil es auf die zu beweisenden Tatsache nicht ankommt (§ 244 Abs. 3 Strafprozessordnung -StPO - analog, vgl.Sodan/Ziekow, VwGO, § 86 Rn.100); das Vorbringen des Beamten (Verbringen der Bücher in sein Wohnhaus erst am 29.01.2016 für eine vorübergehende Zeit) kann insoweit als wahr unterstellt werden kann.

57

Entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagte sich die tatsächliche Sachherrschaft jedenfalls für einen vorübergehenden Zeitraum angeeignet und die Bücher wenigstens vorübergehend seinem Vermögen einverleibt hat. Damit dürfte - wie es offensichtlich auch das Strafgericht angenommen hat - im strafrechtlichen Sinne auch ein Enteignungserfolg festzustellen sein. Es genügt für die Vollendung der Unterschlagung der Beginn der Enteignung, in dem der Eigentümer (Schule/Schulträger) tatsächlich aus seiner Eigentümerposition verdrängt wird. Dabei ist es unerheblich, ob das vorübergehend oder auf Dauer erfolgen soll oder ob der Täter Rückgabewillen hat (vgl. Vogel in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, § 246 StGB, Rn. 32).

58

So liegt es hier.

59

Der Beklagte hat die Bücher, ohne Wissen der Schule oder des Schulträgers (Stadt ...) aus den Schulschränken entnommen und ohne jemanden darüber in Kenntnis zu setzen, in sein Wohnhaus in C-Stadt verbracht. Niemand außer ihm kannte demnach ihren Aufenthaltsort; der Eigentümer hatte keine Zugriffsmöglichkeit mehr.

60

Auch als wahr kann unterstellt werden mit der Folge, dass die Tatsache insofern unerheblich und darüber nicht mehr Beweis zu erheben ist, die Behauptung des Beamten, er habe seiner Ehefrau gesagt, dass er die Bücher zurückbringen wolle. Unabhängig davon, dass es lebensfremd erscheint, die gesamte Büchermenge wieder der Schule zuzuführen, da der Beamte gar keinen Zugang mehr zu den Schulräumlichkeiten hatte und er in einem solchen -unwahrscheinlichen - Fall Gefahr liefe, dass seine „Wegnahmehandlung“ offenbar werden würde, mag die Äußerung gegenüber seiner Ehefrau möglicherweise so gefallen sein. Das belegt indes allenfalls, dass er zu jenem Zeitpunkt einen Willen zur Rückgabe hatte. Dieser ist aber später - wie noch zu zeigen sein wird - weggefallen bzw. aufgegeben worden. Gleiches gilt im Ergebnis für die Behauptung, seine Ehefrau hätte gehört, dass er anlässlich eines Telefonats mit einem Antiquar von Büchern der Schule gesprochen habe. Abgesehen davon, dass der Beweisantrag insoweit unsubstantiiert ist, kann auch diese Tatsache als wahr unterstellt werden. Denn - wie ebenfalls noch darzulegen sein wird - hat sich der Beamte (entweder bereits anlässlich des Telefonats gegenüber dem Antiquar), jedenfalls aber später gegenüber den Antiquaren zumindest als zum Verkauf der Bücher legitimiert bzw. in einer eigentümerähnlichen Position präsentiert.

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Einer Vernehmung der ehemaligen Kollegin des Klägers, Frau ..., als Zeugin, wie mit Beweisantrag zu 2) begehrt, kam nicht in Betracht. Im Antrag wird zum einen keine beweiserhebliche Tatsache benannt, zum anderen ist die Behauptung, dass der Beamte in Absprache mit Frau ... und nicht in völliger Eigeninitiative unter Ausschluss anderer Personen die Bücher verwalten wollte, für die hier maßgebliche Frage der Schätzung und eines evtl. Verkaufs nicht erheblich, weil es darauf nicht ankommt (§ 244 Abs. 3 StPO analog, vgl.Sodann/Ziekow, VwGO, a.a.O.); der Vortrag des Beamten kann insoweit ebenfalls als wahr unterstellt werden.

62

Neben der insoweit - unstreitigen - tatsächlichen Sachherrschaft über die Bücher für einen gewissen Zeitraum, sprechen alle (nicht bestrittenen) Fakten sowie die Einlassungen des Beamten auch dafür, dass er einen Rückgabewillen hinsichtlich der Bücher nicht gehabt hat, sondern (allenfalls) ein Surrogat (Verkaufserlös) herausgeben wollte.

63

Dabei setzt die - notwendige - Manifestation des Zueignungswillens (und damit fehlenden Rückgabewillen) ein Verhalten voraus, durch den dieser objektiviert, d.h. nach außen erkennbar wird (vgl. Fischer, StGB, § 246 Rn. 6 f. m.w.N.).

64

Letzteres wird zunächst belegt durch den Inhalt des Durchsuchungsberichts der Kriminalpolizeistelle ... vom 14.03.2016. In diesem wird ausgeführt, dass er - der Beamte - die Bücher verkaufen wollte, um das Geld (mithin das Surrogat), dem Förderverein der ... zukommen zu lassen. Diese Absicht wird durch die im Ermittlungsverfahren eingeholten Aussagen der Antiquare ... vom 15.03.2016 und ... vom 04.04.2016 gestützt. Nach ihren Bekundungen hat der Beklagte die Bücher schätzen lassen und Kaufangebote einholen wollen. Der Antiquar ... hat insoweit angegeben, dass der Beklagte ihm gegenüber bekundet habe, dass er noch „mehrere (Bücher) hätte, die er verkaufen würde“. Er hat darüber hinaus ausgesagt, dass der Beklagte geäußert habe „…er … diese Bücher nur aus Platzgründen veräußern (würde) …“. Den Antiquar ... habe er gefragt, ob dieser „an dem Ankauf von Büchern, 16. bis 17. Jahrhundert, interessiert sei“. All dies belegt, dass der Beklagte den Antiquaren gegenüber an keiner Stelle darauf hingewiesen hat, dass er für einen Dritten oder im Auftrag eines Dritten, insbesondere (s)einer Schule oder des Schulträgers gehandelt hat oder handeln wollte.

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Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat der Beamte zudem selbst angegeben, dass er anlässlich der Kontakte zu den Antiquaren nicht zu erkennen gegeben habe, dass er für einen Dritten handelte. Aus Sicht eines objektiven Dritten konnte danach nur der Eindruck entstanden sein, dass der Beamte für sich selbst handeln wollte und sich damit ähnlich einem Eigentümer, zumindest aber als Verfügungsberechtigter über die Bücher geriert hat.

66

Schließlich ist auch in der Stellungnahme des Verteidigers des Beamten vom 05.12.2016 davon die Rede, dass er (der Beamte) sich „die Stellung eines Eigentümers über die Bücher angemaßt hat“ sowie „Kaufangebote“ einholen wollte.

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Dem Beweisantrag zu 3) des Beklagtenvertreters, den Antiquar ... als Zeugen zu vernehmen, um zu beweisen, „dass der Beklagte auch vor einem Gegenüber nicht in strafbarer Absicht oder Erkenntnis handelte, als er Bücher zum Verkauf schätzen ließ und eine Eigentumsanmaßung zu keinem Punkt stattfand“, war (ebenfalls) nicht nachzugehen. Zum einen handelt es sich bei der „strafbaren Absicht“ der „Erkenntnis“ und der „Eigentumsanmaßung“ nicht um Tatsachen, sondern um (rechtliche) Bewertungen, die dem Beweis nicht zugänglich sind. Zum anderen widerspricht dies auch in zweierlei Hinsicht den eigenen Einlassungen des Beamten. Er hat - wie ausgeführt - nicht in Abrede gestellt, nicht angegeben zu haben, nicht für sich, sondern für einen Dritten die Bücher schätzen und ggf. verkaufen zu wollen. Daraus konnten Dritte wie die Antiquare nur den Schluss ziehen, dass der Beamte (zumindest) die Stellung eines Verfügungsberechtigten bzw. als zum Verkauf Befugten innehatte. Die Verkaufsabsicht des Beklagten wird im Übrigen belegt durch das Beweisthema des Antrages zu 3) selbst, wo es heißt, dass „er die Bücher zum Verkauf schätzen ließ…“. Auch dies bestätigt die Verkaufsabsicht des Beklagten.

68

Zu den oben zitierten Bekundungen der Antiquare anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung verhalten sich indes weder das (Beweis-)Thema noch die Begründung des Beweisantrags zu 3). Vielmehr wird dort im Einzelnen dargelegt, dass der Beamte nicht „verwerflich“ im Hinblick auf die Schätzung der Bücher handelte und die Staatsanwaltschaft keinerlei rechtliche Bewertung unternommen habe. Die Frage eines „verwerflichen“ Handelns stellt ebenfalls keine dem Beweis zugängliche Tatsache dar. Der zweite Teil des Vortrages ist im Übrigen so nicht richtig; denn die Staatsanwaltschaft bzw. das Strafgericht haben die diesbezüglichen Ermittlungen (wegen versuchten Betruges zu Lasten der Antiquare) (nur) eingestellt.

69

Der Beweisantrag zu 4) war auch abzulehnen. Zum einen erschließt sich bereits nicht, welche - erhebliche - Tatsache damit bewiesen werden sollte. Zudem sind die unter Beweis gestellten Tatsachen (Telefonat mit dem Antiquar ... nicht länger als eine Minute; vom Beklagten preisgegebene geringe Informationsfülle nur wegen ersten informellen Kontakts, ob grundsätzliches Interesse an den seltenen Büchern bestehe) auch nicht erheblich; sie konnten als wahr unterstellt werden (s.o. die Ausführungen zum Beweisantrag zu 3)).

70

Selbst wenn der Beklagte - wie bereits angedeutet und von ihm in der Verhandlung noch einmal betont - den Erlös aus einem Verkauf der Bücher nicht für sich behalten, sondern dem Förderverein der Schule zukommen lassen wollte, ändert das an der vorgenommenen Bewertung nichts. Der Förderverein war und ist nicht Eigentümer der Bücher.

71

Dass der Beklagte auch selbst von der Verwirklichung des Unterschlagungstatbestandes ausging und auch den erforderlichen Vorsatz aufwies (und damit ein schuldhaftes Dienstvergehen begangen hat), wird schließlich aus der Einlassung seines Verteidigers im Strafverfahren vom 05.12.2016 deutlich. Dort heißt es ausdrücklich, dass er - der Beklagte - „einen Straftatbestand“ erfüllt habe. Es liegt auf der Hand, dass als „Straftatbestand“ nur die - vorsätzliche - Begehung einer Unterschlagung, wie sie letztlich auch in dem Strafbefehl ihren Niederschlag gefunden hat, gemeint sein konnte. Wenn wirklich Zweifel am vorsätzlichen Verhalten des Beamten, insbesondere ein Rückgabewille bestanden haben sollte, hätte es auch nahegelegen, Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen. Die Erklärungen, warum das nicht geschehen ist (Schaden von der Schule und der Schulleiterschaft in Schleswig-Holstein abwenden), überzeugen nicht.

72

Unbeschadet der vorstehenden Erwägungen hängt die disziplinare Einstufung eines Tatgeschehens als Zugriffsdelikt, wie es hier vorliegt, nicht von der strafrechtlichen Beurteilung ab. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob ein Beamter dienstliche Gelder oder Güter durch Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung erlangt hat. Ein Zugriffsdelikt liegt vielmehr dann vor, wenn der Beamte dienstlich anvertraute Gelder oder Güter veruntreut hat. Für die Bewertung als Zugriffsdelikt ist maßgebend, dass einem Beamten Gelder oder - wie hier - gleichgestellte Werte dienstlich anvertraut oder dienstlich zugänglich sind (std. Rspr.; vgl. etwa. BVerwG, Urteile vom 8.04.2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 16 und vom 23.02.2012 - 2 B 143/11 - Juris Rn. 5). Dies ist hier der Fall.

73

Vorliegend hat der Beamte ein einheitliches Dienstvergehen begangen, da er vorsätzlich und schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Er hat am 29.01.2016 und damit noch während seiner aktiven Dienstzeit vorsätzlich und wegen des Beschlusses der Schulleitungsrunde dienstlich anvertraute Gegenstände für private Zwecke verwendet.

74

Es handelt sich um ein gravierendes Fehlverhalten. Wer dienstlich anvertraute Wertgegenstände unterschlägt, verstößt gegen seine Pflicht zur vollen Hingabe einem Beruf (§ 34 Satz BeamtStG), zur uneigennützigen Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG).

75

Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG ist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass sich die aus 14 Abs. 1 Satz 2 LDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 C 9.14 - juris, Rn. 39).

76

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahmen ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die von der Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung, zum Persönlichkeitsbild und zum bisherigen dienstlichen Verhalten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist.

77

Der abstrakte Strafrahmen der Unterschlagung in seiner einfachen Form (§ 246 Abs. 1 StGB) reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren oder Geldstrafe bzw.in seiner - wie hier - qualifizierten Form bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (Abs. 2).

78

Vorliegend belegen die Einzelumstände eine erhebliche Schwere des Dienstvergehens. Es handelt sich um eine sehr große Anzahl (insgesamt 261) antiquarische Bücher, die insgesamt einen erheblichen Wert aufweisen (65.000 bis 75.000 €). Es ist insoweit ein großer Schaden verursacht worden. Für die Schwere des Dienstvergehens spricht im Übrigen auch die vom Amtsgericht ausgesprochene Sanktion (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.08.2018 - 2 B 5.18 - juris, Rn. 18). Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 150 Tages -

79

sätzen (deren Maximalzahl bei 360 liegt, § 40 Abs. 1 Satz 2 StGB), ist ebenfalls als erheblich anzusehen.

80

Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer und hat bei dem Dienstherrn zu einem endgültigen Vertrauensverlust geführt (§ 13 Abs. 2 Satz 2 LDG). Dies steht bei der prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Umstände zur Überzeugung der Kammer fest.Auf der Grundlage des gesamten Tatsachenmaterials führt die Prognose über das Ausmaß der vom Beamten herbeigeführten Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums zur Verhängung der Höchstmaßnahme. Bei schweren Dienstvergehen eines aktiven Beamten stellt sich vorrangig die Frage, ob er nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Landesdisziplinargesetz (LDG) ist ein aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Dies ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden Ein Beamter, der sich bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergreift, die seinem Gewahrsam unterliegen, zerstört damit in aller Regel das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit, wenn die Beträge insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich überschreiten. Denn die Verwaltung muss sich (allgemein) auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit solchen Geldern und Gütern in hohem Maße verlassen können. Eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet das, dass der Dienstherr und der Schulträger im hohen Maße auf die Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit nicht nur aller im Schuldienst des Landes tätigen Personen, sondern insbesondere der mit der Vermögensverwaltung der Schulträger beauftragten Schulleiterinnen und Schulleiter angewiesen sind. Wer sich als Beamter über diese aus leicht erkennbarer Notwendigkeit begründete Pflicht unter Missachtung seiner Befugnisse hinwegsetzt, beweist im Kern bereits ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit und Vertrauensunwürdigkeit und zerstört diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage, so dass grundsätzlich mit der einseitigen Auflösung des Dienstverhältnisses rechnen muss. Grundsätzlich ist er für den Dienst untragbar. Bei einem Beamten, der noch im aktiven Dienst steht, macht dies grundsätzlich dessen Entfernung erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.05.2007 - 2 C 9.06 - juris Rn. 21), einem Beamten, der sich bereits im Ruhestand befindet, ist nach § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG das Ruhegehalt abzuerkennen.

81

Die in die Zumessungserwägungen einzustellenden Entlastungsgründe haben weder einzeln noch in der Gesamtschau ein solches Gewicht, dass sie den Vertrauensverlust aufwiegen können.

82

Die von der Schwere der Verfehlungen ausgehenden Wirkung entfällt nur, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, er habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen nicht nur die von der Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten entwickelten sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung, Zugriff auf geringwertige Gelder oder Güter) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenshöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung aufgrund aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann mit einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.05.2007 - 2 C 9/06 - juris, Rn. 22 ff.).

83

Der Beklagte hat das Dienstvergehen nicht in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage begangen. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

84

Der Milderungsgrund einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation lag angesichts des sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Fehlverhaltens ebenfalls nicht vor.

85

Ferner kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt zu haben. Der Milderungsgrund käme in Betracht, wenn er unter dem Einfluss eines von außen auf seine Willensbildung einwirkenden Ereignisses in Versuchung geraten wäre, sich in vorgeworfener Weise eigennützig zu verhalten. Hierbei muss das Ergebnis geeignet sein, bei dem Betroffenen ein gewisses Maß an Spontanität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit auszulösen. Der Genuss einer halben Flasche Sekt mag zwar- wie es der Beamte vorgetragen hat - zu einer gewissen Euphorisierung geführt oder beigetragen haben. Gegen eine unvermutet entstandene besondere Versuchungssituation spricht indes die planvolle Entnahme, die längere „Zwischenlagerung“ der Bücher mit abschließendem Abtransport und Verbringung ins eigene Wohnhaus ohne Kenntnis Dritter und die im Anschluss daran stattgefundenen Kontakte mit den zwei Antiquaren.

86

Anhaltspunkte für eine psychische Ausnahmesituation des Beklagten im Zeitpunkt der Tatbegehung bestehen ebenfalls nicht. Eine solche Situation setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den plötzlichen, unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses voraus, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der seinerseits zu einem für einen derartigen Schockzustand typischen Fehlverhalten des Betroffenen führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.09.2000 - 1 D 24.98 - juris, Rn. 15). Ein Schockzustand kann durch ein Ereignis begründet werden, das den Beamten derart aus der Bahn wirft, dass er nicht mehr in der Lage ist, entsprechend den sonst vorgegebenen Wertvorstellungen zu handeln.

87

Ein solcher Schock, der zur Begehung des Dienstvergehens des Beklagten geführt haben könnte, ist indes nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte darauf hingewiesen hat, der Moment der Mitnahme der Bücher, ohne dass er jemanden davon berichtet hat, sei von einer emotionalen Ausnahmesituation geprägt gewesen, kann nicht - worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat - ein sogenanntes Augenblicksversagen begründen. Dagegen spricht schon die Ent-bzw. Mitnahme von 261 schweren und teils großformatige Büchern, die der Beklagte während seiner aktiven Dienstzeit in kleinen Mengen über einen längeren Zeitraum „zwischengelagert“ und in einer (großen) Transportaktion, die angesichts des Umfangs der Bücher auch eine gewisse Zeit gedauert hat, aus der Schule in ... in sein Wohnhaus in C-Stadt verbracht hat. Von einem „Moment“ der Mitnahme und somit einem Augenblicksverfahren kann daher nicht die Rede sein. Auch hier kommt hinzu, dass er in der Folgezeit die Bücher zwei Antiquariaten zur Schätzung (und zum Ankauf) angeboten hat.

88

Schließlich gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Beklagte das Dienstvergehen in einem die Schuld ausschließenden Zustand begangen hat.

89

Schuldunfähigkeit bedeutet Unzurechnungsfähigkeit, also die Unfähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Für eine solche Annahme ist nichts vorgetragen worden; entsprechende Indizien sind für die Kammer auch nicht ersichtlich.

90

Auch eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB kann vorliegend nicht angenommen werden. Diese setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung i.S.v. § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Unter Einbeziehung der Persönlichkeitsstruktur des Beamten, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat unter Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise, können für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen sein, wie etwa Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen, leichte Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Die Bedeutung der Erheblichkeit i.S.v. § 21 StGB hängt von der Bedeutung der Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab und wird die Schwelle der Erheblichkeit damit bei Zugriffs- und Aneignungsdelikten nur in Ausnahmefällen erreichen, mit anderen Worten (lediglich) verminderte Schuldfähigkeit kann die Fortsetzung eines seiner Vertrauensgrundlage beraubten Beamtenverhältnisses grundsätzlich dann nicht rechtfertigen, wenn es sich - wie hier - um die Verletzung von leicht einsehbaren Kernpflichten des Beamten handelt (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 2 C 59.07 - juris, Rn. 29 und Beschluss vom 27.10.2008 - 2 B 48.08 - juris, Rn. 9).

91

Für die hier relevante Frage der Steuerungsfähigkeit kommt es ebenfalls darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene dem Tatanreiz erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung „erheblich“ war, ist im Übrigen eine Rechtsfrage, die die Disziplinargerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Es ist insoweit Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob die Voraussetzungen der §§ 20 oder 21 StGB gegeben sind und in welchem Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht worden ist.

92

Eine unter Umständen zur Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit führende fehlende Steuerungsfähigkeit im Verhalten des Beklagten vermochte die Kammer nicht festzustellen. Dafür fehlt es an objektiven, greifbaren und belastbaren Anhaltspunkten. Die subjektive Einschätzung des Beklagten und seines Prozessvertreters reicht dafür nicht aus.

93

Den in diesem Zusammenhang gestellten Beweisantrag zu 5) war aus nachfolgenden Gründen nicht nachzugehen.

94

Bei dem Antrag, ein fachärztliches Gutachten zur Frage der Steuerungsfähigkeit des Beklagten im Frühjahr 2016 einzuholen, weil der Beklagte infolge eines bewaffneten Überfalls in ... an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide und sich hierdurch „charakterliche Eigenschaften und die Reflexion eigenen Handelns hinsichtlich gesellschaftlich normierter Handlungsmuster veränderten“, wird bereits nicht klar, welcher Intention er dient und um welche konkrete Beweistatsache es sich handeln soll. Das in der Begründung genannte Ziel, dass sie (gemeint ist offenbar die einzuholende Begutachtung) die „Motive des Beklagten nachweisen werden“ handelt es sich um einen sog. - unzulässigen - Ausforschungsbeweis. Bis zum Zeitpunkt der Antragstellung sprach für den Wahrheitsgehalt der Behauptung, der Beamte leide unter einer PTBS nach dem Akteninhalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Aus den bis dahin eingereichten ärztlichen Attesten vom 24.07.2012 ... und des Dr. med. ... (ohne Datum, Untersuchung am 22.07.2013) ergeben sich keine entsprechenden Hinweise. In ihnen wird diese Frage auch nicht ansatzweise erörtert oder erwähnt. Beide ärztlichen Stellungnahmen sprechen (nur) von einem psychophysischen Erschöpfungszustand, einer (mittelschweren) depressiven Reaktion und einem Tinnitus.

95

Es genügt insoweit nicht, dass vom Gericht mittels eines völlig vagen und unbestimmten Antrags die Beschaffung von Material verlangt wird, aus dessen Sichtung und Durchforschung sich die zu behauptende und zu beweisende Tatsache erst ergeben soll. Bei einem derartigenBeweisermittlungsantrag“ zielt der Antragsteller letztlich darauf ab, dass die gerichtliche Ermittlungstätigkeit, die auch wegen der Unsubstantiiertheit des formulierten Beweisthemas einen nicht genau abgegrenzten Sachverhalt aufklären soll, Anhaltspunkte für Einzeltatsachen zu Tage fördert, von denen er dann eine „aufgreifen“ und in einem weiteren Beweisantrag unter Beweis stellen kann (Zum Ganzen: vgl. Schoch/Schneider/Bier/Dawin, VwGO, § 86 Rn. 92).

96

Die nach Ablehnung der Beweisanträge vom Beklagtenvertreter zu den Akten gereichten weiteren ärztlichen Stellungnahmen des Dr. ...vom 22.07.2013 und des Dr. ... ohne Datum (Untersuchung am 09.08.2013) haben die Kammer nicht veranlasst, einen Beweisbeschluss zu erlassen und ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Zwar wird in der ärztlichen Stellungnahme des Dr. ... nunmehr (erstmals) darauf hingewiesen, dass der Beamte deutliche Symptome einer mittelgradigen PTBS aufweist (die andere ärztliche Aussage sagt dazu nichts). Die Stellungnahme verhält sich aber nicht, und kann es wegen ihres Alters auch gar nicht, zur Ursächlichkeit einer PTBS zu den Anfang des Jahres 2016 gezeigten Verhaltensweisen des Beklagten.

97

Der Kammer drängte sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht auf; denn es fehlen aktuelle, insbesondere die Zeit Anfang 2016 betreffende ärztliche Aussagen zum psychischen Zustand des Beamten und insbesondere dazu, inwieweit eine ggf. (immer noch) vorhandene PTBS geeignet ist oder sein kann, einen Ursachenzusammenhang zwischen dieser Erkrankung und dem Verhalten des Beamten herzustellen, insbesondere seine Steuerungsfähigkeit so zu beeinflussen oder zu vermindern, dass er zum Zeitpunkt des Abtransports der Bücher nicht in der Lage war, die Folgen seines Handelns zu begreifen oder die Illegitimität seines Vorgehens einzusehen. Nur solcherart fachärztliche Stellungnahmen hätten die Kammer ggf. zu einem entsprechenden Verhalten veranlassen können.

98

In dieser Hinsicht ist von dem Beklagten indes - wie bereits oben ausgeführt - nichts Substantiiertes vorgetragen oder durch ärztliche Atteste entsprechend belegt worden. Insoweit geht die Kammer nicht von die Schuldfähigkeit vermindernden Umständen, insbesondere einer psychischen Störung oder einer spezifischen Persönlichkeitsstörung aus.

99

Schließlich steht dem Beklagten hinsichtlich der Unterschlagung der Bücher auch nicht der Milderungsgrund des Offenbarens des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung zur Seite. Zwar mag es sein, wie die ermittelnden Polizeibeamten auch dokumentiert haben, dass der Beklagte bei der Hausdurchsuchung am 10.03.2016 hilfsbereit, zugänglich und kooperativ gewesen ist. Allerdings hat er diese Verhaltensweise erst an den Tag gelegt, nachdem die Bücher bei ihm anlässlich der Hausdurchsuchung entdeckt und aufgefunden worden waren.

100

In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist nach Überzeugung der Kammer die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Dienst angemessen, was vorliegend, weil der Beamte Versorgungsempfänger ist, zu einer Aberkennung des Ruhegehaltes führt. Die Schwere des Dienstvergehens und das festgestellte Persönlichkeitsbild des Beamten führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Mangels vorliegender einschlägiger Entlastungsgründe gibt es keinen Ansatzpunkt, der geeignet ist, den eingetretenen Vertrauensverlust in irgendeiner Weise zu kompensieren oder abzumildern.

101

Die Aberkennung des Ruhegehaltes ist auch nicht unverhältnismäßig. Dass aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip und das folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst (bzw. wie hier die Aberkennung des Ruhegehaltes) als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung den Zweck der Generalprävention. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst bzw. die Aberkennung des Ruhegehaltes als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. So verhält es sich regelmäßig bei Kernpflichtverletzungen durch Zugriffdelikte von Beamten. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst bzw. die Aberkennung des Ruhegehaltes als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Diese Maßnahme beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen und privaten Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.06.2012 - 2 B 123.11 - juris, Rn. 4; Urteil vom 28.02.2013 - 2 C 3.12 - juris, Rn. 29; vgl. auch OVG Schleswig, Urteil vom 27.11.2018 - 14 LB 2/17 - juris, Rn. 51).

102

Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Ruhestandsbeamte mit der Aberkennung des Ruhegehalts keineswegs ohne Versorgung dasteht, da er in der Rentenversicherung nachzuversichern ist. Der Umstand, dass der gesetzliche Rentenanspruch im vorliegenden Fall voraussichtlich deutlich hinter dem beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch zurückbleiben wird, macht die Maßnahme ebenfalls nicht unverhältnismäßig. Es handelt sich dabei in erster Linie um eine Folge des in rentenrechtlichen Bestimmungen geregelten gesetzlichen Umfangs der Nachversicherung, die nur mittelbar auf die Ahndung mit der disziplinaren Höchstmaßnahme zurückzuführen ist (BVerwG, Urteil vom 26.09.2001 - 1 D 32/00 - juris Rn. 28 m.w.N.).

103

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 41 Abs. 1 LDG i.V.m. 77 BDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verb. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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