Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 A 165/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf sowie die Rückforderung einer Zuwendung i.H.v. 130.150,47 € durch die Beklagte.
- 2
Sie – die Klägerin – beantragte am 23.09.2014 Fördermittel für die Errichtung einer Betriebsstätte in A-Stadt, in welcher sie einen Heizdraht mit Keramikmantel sowie eine Heiz- bzw. Kühlfolie zu produzieren beabsichtigte. Hierzu plante sie, ca. 46.000.000,- € in das Vorhaben zu investieren und insgesamt 210 Arbeitsplätze zu schaffen.
- 3
Die Beklagte bewilligte ihr mit Zuwendungsbescheid vom 14.12.2015 im Rahmen des „Landesprogramms Wirtschaft“ (LPW) mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) nach Maßgabe der Richtlinie für die Förderung einzelbetrieblicher Investitionen von Unternehmen eine nicht rückzahlbare Zuwendung i.H.v. 15,94 % der tatsächlich entstehenden zuwendungsfähigen Ausgaben, höchstens jedoch 7.350.000 €. Die Förderung erfolge zweckgebunden zur Mitfinanzierung des im Antrag dargestellten Investitionsvorhabens zur Errichtung einer Betriebsstätte in A-Stadt, verbunden mit der Auflage, 210 Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Nebenbestimmungen, wird auf den Zuwendungsbescheid (Bl. 166 ff. der Beiakte A) verwiesen.
- 4
Unter dem 26.01.2016 beantragte die Klägerin die Auszahlung eines Betrages von 114.651,11 € für die Anschaffung von vier Spezialmaschinen („Nordson Coater T8“, „Nordson VersaBlue Tankschmelze“, „Rollenschneider Kampf KS 106“, „ELMARCO Spinner“), welche die Beklagte unter dem 23.02.2016 anwies. Unter dem 05.08.2016 wie die Beklagte eine weitere Auszahlung i.H.v. 15.499,35 € für die Anschaffung einer zusätzlichen Spezialmaschine (ELMARCO Spinner) an.
- 5
Mit ihrem Durchführungsbericht vom 20.01.2017 (Bl. 259 ff. der Beiakte B) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass es ihr nicht gelungen sei, die vermeintlich von ihrem früheren Gesellschafter – Herrn XXX XXXX – entwickelte Technologie zu produzieren. Die von ihm präsentierten Muster, welche für die Investitionsentscheidung maßgeblich gewesen seien, hätten sich als zugekaufte Fremdprodukte erwiesen, die nicht im Zusammenhang zu der patentierten Verfahrenstechnik und den darin aufgelisteten Materialien gestanden hätten. Sie habe daher rechtliche Schritte gegen ihn veranlasst und ihm zum Ende des Vorjahres als Gesellschafter aus ihrer Unternehmensgruppe wegen unternehmensschädigenden Verhaltens ausgeschlossen. Sie beabsichtige jedoch weiterhin, Produkte im Bereich der Heiz- und Kühltechnologie zu fertigen. Hierzu erarbeite sie einen neuen Geschäfts- und Investitionsplan. Daher habe sie noch keine Personalanpassungen für ihre Produktionsstätte in A-Stadt vorgenommen, in der sie derzeit neun Mitarbeiter beschäftige.
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Unter dem 15.03.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie vor dem Hintergrund der bewilligten Zuschussmittel i.H.v. 7.350.000,- € und der bisher lediglich erfolgten Auszahlungen i.H.v. 130.150,47 € nicht mehr von einer Umsetzbarkeit des Gesamtvorhabens bis zum bevorstehenden Ende des Bewilligungszeitraums am 30.09.2017 ausgehe. Sie beabsichtigte daher, den Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise zu widerrufen.
- 7
Mit Bescheid vom 27.03.2017 änderte sie den bewilligten Zuschuss nach Ziff. 2.1 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen für Projektförderung (ANBest-P) ab, indem sie anstelle des ursprünglich bewilligten Betrags nur noch die bereits ausgezahlte Summe als Zuschussmittel bewilligte. Ergänzend wies sie die Zuwendung zweckgebunden zur Mitfinanzierung der Errichtung der Betriebsstätte in A-Stadt, verbunden mit der Schaffung von fünf Dauerarbeits- und Ausbildungsplätzen, aus und verfügte, dass die geförderten Wirtschaftsgüter für eine Dauer von fünf Jahren nach Abschluss des Vorhabens eigenbetrieblich zu nutzen und keiner anderen als der bezweckten Verwendung zuzuführen seien.
- 8
Am 04.07.2017 schloss die Klägerin mit der Verkäuferin der Maschinen „Nordson Coater T8“, „Nordson VersaBlue Schmelzpumpe“ sowie dem „Rollenschneider Kampf KS 106“ am 04.07.2017 vor dem Landgericht A-Stadt einen Vergleich (Az.: 15 HKO 141/16), mit dem sie sich verpflichtete, die Maschinen der Verkäuferin zu übergeben und zu übereignen; hierfür habe sich diese verpflichtet, der Klägerin die Maschinen bis zum 31.08.2017 unter Verzicht auf die übrige Kaufpreisforderung i.H.v. 153.000,- € und unter Erstattung eines Betrages i.H.v. 100.000,- € abzunehmen.
- 9
Die Klägerin teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 20.09.2017 mit.
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Unter dem 13.10.2017 hörte die Beklagte die Klägerin zu einem beabsichtigten Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 14.12.2015 i.V.m. dem Änderungsbescheid vom 27.03.2017 an.
- 11
Mit Bescheid vom 23.10.2017 widerrief die Beklagte nach §§ 117 Abs. 3, 117a Abs. 1 LVwG ihren Zuwendungsbescheid vom 14.12.2015 i.V.m. dem Änderungsbescheid vom 27.03.2017 mit Wirkung für die Vergangenheit und forderte den ausgezahlten Betrag nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Auszahlung von der Klägerin zurück. Die Klägerin könne den Förderungszweck nicht mehr erfüllen, da sie die im Wege der Förderung angeschafften Spezialmaschinen an die Verkäuferin zurückgegeben habe.
- 12
Die Klägerin legte hiergegen am 14.12.2017 Widerspruch ein. Sie habe die bewilligten Mittel dem Förderzweck zugeführt, indem sie Produktionsmaschinen angeschafft habe, die sie in der errichteten Betriebsstätte habe einsetzen wollen. Der frühere Gesellschafter – Herr XXX XXXX – habe die übrigen Gesellschafter der Klägerin betrogen, indem er vorgegeben habe, der Entwickler dieser Heizfolie zu sein. Hierdurch habe er u.a. die Übertragung des zuvor erworbenen Drittpatents zu der Heizfolie, die Gründung verschiedener Gesellschaften sowie der geförderten Betriebsstätte in A-Stadt bewirkt. Tatsächlich seien die nur auf sein Anraten erworbenen Maschinen objektiv nicht zur Produktion der Heizfolie in der Lage gewesen. Zwar habe sie – die Klägerin – die Maschinen in der Folge nicht für den notwendigen Zeitraum eigenbetrieblich genutzt und einer anderen als der mit dem Zuschuss bezweckten Verwendung zugeführt. Sie habe hierzu jedoch keine andere Wahl gehabt. Da eine Veräußerung der Maschinen nicht möglich gewesen sei, habe man diese in der Produktionshalle lagern müssen, sodass der kostenintensive Mietvertrag nicht habe gekündigt werden können. Zur Schadensbegrenzung habe sich alleine der Abschluss eines Vergleichs mit der Verkäuferin der Maschinen als geeignet erwiesen. Hierdurch habe sie – die Klägerin – den Mietvertrag kündigen und die noch ausstehende Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 153.000,- € abwenden können.
- 13
Da sie unverschuldet in diese Situation geraten sei und die ausgezahlten Fördermittel ausgegeben habe, sei sie nach § 117a Abs. 2 LVwG i.V.m. § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entreichert. Zwar habe sie aufgrund des Vergleichs vor dem Landgericht A-Stadt einen Betrag von 100.000,- € zurückerhalten, jedoch sei ihr durch die Anschaffung der Maschinen ein Schaden von ca. 450.000,- € entstanden. Zudem sei bei der Bemessung der Rückforderung nach § 117a Abs. 2 LVwG aufgrund der Saldotheorie das wirtschaftliche Austauschverhältnis zu berücksichtigen. Insoweit sei die tatsächlich eingetretene Schaffung der beauflagten fünf Dauerarbeitsplätze zu berücksichtigen, weshalb die Rückforderung sie unangemessen benachteilige. Wegen der Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbegründung (Bl. 370 ff. der Beiakte C) verwiesen.
- 14
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 14.02.2018 zurück. Die Voraussetzungen für Widerruf nach § 117 Abs. 3 Nr. 1 und 2 LVwG lägen vor. Das Vorhaben sei durch die Rückgabe der Maschinen bereits innerhalb des Bewilligungszeitraums gescheitert, weshalb der Förderzweck nicht mehr erreicht werden könne. Daher komme es nicht darauf an, dass die Klägerin jedenfalls fünf Arbeitsplätze geschaffen habe. Allerdings sei auch dieser Förderzweck nicht erfüllt, da die Förderung eine fünfjährige Sicherung der Arbeitsplätze vorgesehen habe. Da der Zuwendungszweck in Gänze nicht mehr erreicht werden könne, sei ein Teilwiderruf ausgeschlossen gewesen. Das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel erfordere daher die vollständige Rückforderung des ausgezahlten Betrages. Das wirtschaftliche Risiko der Klägerin sei insofern nicht zu berücksichtigen gewesen. Auch könne sie sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Durch den Verzicht der Verkäuferin auf die restliche Kaufpreiszahlung i.H.v. 153.000,- € sowie die Erstattung eines Betrages von 100.000,- € sei die Klägerin um mehr als den Rückforderungsbetrag bereichert; dieser Betrag befinde sich wertmäßig noch in ihrem Vermögen. Zudem sei ihr auch bekannt gewesen, dass sie im Falle einer Veräußerung der geförderten Wirtschaftsgüter mit einem Widerspruch zu rechnen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid (Bl. 624 ff. der Beiakte C) verwiesen.
- 15
Die Klägerin hat am 07.03.2018 Klage erhoben.
- 16
Sie trägt in Ergänzung ihrer vorherigen Ausführungen vor:
- 17
Der Förderzweck sei aufgrund der Täuschung durch Herrn XXX XXXX von vornherein objektiv unerreichbar gewesen, sodass der Zuwendungsbescheid unerkannt rechtswidrig ergangen sei und nur unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 LVwG hätte zurückgenommen werden dürfen. Dessen Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor, weil sie auf den Bestand des Zuwendungsbescheides in schutzwürdiger Weise habe vertrauen dürfen. Auch habe die Beklagte für den Wegfall der Bereicherung nicht alleine auf die erworbenen Vermögensvorteile abstellen dürfen. Bei einer Gesamtbetrachtung habe sie einen wirtschaftlichen Verlust von mindestens 457.929,53 € erlitten, was den Rückforderungsbetrag deutlich übersteige.
- 18
Sie beantragt,
- 19
den Widerrufs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 23.10.2017 in Form des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 14.02.2018 aufzuheben.
- 20
Die Beklagte beantragt,
- 21
die Klage abzuweisen.
- 22
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, dass sie sowohl im Falle eines rechtmäßigen als auch eines rechtswidrigen Zuwendungsbescheids zur Rückforderung berechtigt gewesen sei. Insbesondere komme es im Fall der Rücknahme nach § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG nicht darauf an, ob die Klägerin die Unrichtigkeit ihrer Angaben zu verschulden habe. Zudem könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt im Wege des Erst-Recht-Schlusses auch nach § 117 Abs. 3 LVwG widerrufen werden. Im Übrigen könne sich der Adressat einer Rückforderung aufgrund eines Widerrufs nach § 117 Abs. 3 Nr. 1 und 2 LVwG regelmäßig nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.
- 23
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A - C) verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 24
Die Klage hat keinen Erfolg.
- 25
Sie ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 23.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
I.
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1. Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung des Widerrufs des Zuwendungsbescheids der Beklagten vom 14.12.2015 in Verbindung mit dem Änderungsbescheid vom 27.03.2017 ist § 117 Abs. 3 S. 1 LVwG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der u.a. eine einmalige oder laufende Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht für den im Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1) oder mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und die Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2).
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Der Widerruf des Zuwendungsbescheids ist formell und materiell rechtmäßig.
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Die Voraussetzungen des Tatbestandes liegen vor.
- 30
Es kann offenbleiben, ob es sich bei dem Zuwendungsbescheid der Beklagten vom 14.12.2015 i.V.m. dem Änderungsbescheid vom 27.03.2017 um einen rechtswidrigen oder einen rechtmäßigen Verwaltungsakt i.S.d. §§ 116, 117 LVwG handelte, denn die Beklagte durfte den Zuwendungsbescheid auch dann nach § 117 Abs. 3 LVwG widerrufen, wenn dieser bereits bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen sein sollte. Der Anwendbarkeit des § 117 Abs. 3 LVwG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht nicht entgegen, dass sich dieser nach seinem Wortlaut lediglich auf rechtmäßige Verwaltungsakte bezieht. Dies folgt aus dem Normzweck der §§ 116, 117 LVwG, die einen Interessenausgleich zwischen dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Vertrauensschutz eines betroffenen Adressaten schaffen sollen. Hiervon ausgehend wäre es wertungswidersprüchlich, wenn nach dieser Vorschrift nur ein rechtmäßiger Verwaltungsakt widerrufen werden kann, nicht aber ein rechtswidriger Verwaltungsakt. Denn der durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigte darf, auch wenn der Bescheid eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, nicht bessergestellt sein, als der durch einen rechtmäßigen Verwaltungsakt gleichen Inhalts Begünstigte. Für eine Erstreckung der Widerrufsmöglichkeit auf rechtswidrige Verwaltungsakte spricht zudem auch das praktische Bedürfnis, beim klaren Vorliegen von Widerrufsgründen gegebenenfalls auch ohne aufwändige Prüfung der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Bescheides einen Widerruf aussprechen zu können (OVG Münster, Urt. v. 13.06.2002 – 12 A 693/99 –, Rn. 14 ff., juris; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 49 Rn. 12; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49 Rn. 6 f.; Abel, in: BeckOK VwVfG, 50. Ed. 01.01.2021, § 49 Rn. 2, jeweils m.w.N.).
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Der Zuwendungsbescheid gewährte eine einmalige Geldleistung i.S.v. § 117 Abs. 3 S. 1 LVwG. Dem steht nicht entgegen, dass diese über einen längeren Zeitraum ausgezahlt wurde, da mit dem Zuwendungsbescheid vom 14.12.2015 i.V.m. dem Änderungsbescheid vom 27.03.2017 eine einmalige Zuwendung i.H.v. 15,94 % der tatsächlich entstehenden zuwendungsfähigen Ausgaben, höchstens jedoch 130.150,47 € bewilligt wurden.
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Dahinstehen kann die Frage, ob die Klägerin die Zuwendung nach § 117 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 LVwG nicht zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks verwendet hat.
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Zwar verfolgte die Beklagte mit der Förderung einen bestimmten Zweck, indem der Zuwendungsbescheid nach seiner Abänderung die Zweckgebundenheit zur Mitfinanzierung des im Antrag der Klägerin (Bl. 10 ff. der Beiakte A) dargestellten Investitionsvorhabens – der Errichtung einer Betriebsstätte in A-Stadt und der damit verbundenen Schaffung von fünf Dauerarbeits- und Ausbildungsplätzen – vorsah. Der Zuwendung lag dabei u.a. die Richtlinie für die Förderung einzelbetrieblicher Investitionen von Unternehmen im Rahmen des Landesprogramms Wirtschaft sowie der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zugrunde. Damit verfolgte sie das Ziel, eine langfristige wirtschaftliche Betätigung mit entsprechenden Beschäftigungseffekten für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein zu generieren. Hierzu sahen die Nebenbestimmungen unter Ziff. II.1 und II.7 eine eigenbetriebliche bzw. zweckentsprechende Nutzung der geförderten Wirtschaftsgüter über einen Bindungszeitraum von fünf Jahren nach Abschluss des Vorhabens vor.
- 34
Ob dieser Zweck nach der Abänderung des Zuwendungsbescheids mit der von der Klägerin geschaffenen Infrastruktur – ggf. auch zur Herstellung anderer technischer Produkte als ursprünglich beabsichtigt – noch erreicht werden konnte oder ob er nach den von der Klägerin vorgetragenen Umständen einer Täuschung durch einen früheren Mitgesellschafter von vornherein nicht zu erreichen gewesen ist, weil die angeschafften Maschinen – die Richtigkeit dieses Sachverhalts unterstellt – für eine produktionstechnische Umsetzung des ursprünglich beabsichtigten Vorhabens zu keinem Zeitpunkt geeignet waren, kann jedoch offenbleiben, weil die Klägerin eine nach § 117 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 LVwG mit dem Zuwendungsbescheid verbundene Auflage nicht erfüllt hat.
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Unter einer Auflage ist nach § 107 Abs. 2 Nr. 4 LVwG eine Bestimmung zu verstehen, durch die der oder dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Entscheidend ist dabei, dass das mit der Auflage vorgeschriebene Verhalten nicht erfolgt; ein Verschulden für die Nichterfüllung der Auflage ist nicht erforderlich (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49 Rn. 50).
- 36
Eine solche Auflage ist in der Nebenbestimmung zu Ziff. II.1 des Zuwendungsbescheids zu sehen, aus der u.a. hervorgeht, dass
- 37
„Veränderungen bei der Durchführung des Projektes der IB.SH vorher zur Zustimmung vorzulegen“
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sind.
- 39
Dabei sind unter Veränderungen bei der Durchführung des Projektes im Sinne dieser Nebenbestimmung insbesondere solche Veränderungen zu verstehen, die die geförderten Wirtschaftsgüter betreffen. Dies wird aus dem weiteren Inhalt der Nebenbestimmung zu Ziff. II.1 des Zuwendungsbescheids deutlich, die klarstellt, dass der Zuwendungsbescheid widerrufen, bereits ausgezahlte Beträge ganz oder teilweise zurückgefordert oder ihre weitere Verwendung untersagt werden kann, wenn innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss des Vorhabens (Bindungszeitraum)
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„geförderte Wirtschaftsgüter nicht mehr eigenbetrieblich genutzt bzw. einer anderen als der mit dem Zuschuss bezweckten Verwendung (Beispiele: Verkauf, Vermietung/Verpachtung) zugeführt werden.“
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Dies korrespondiert mit der Nebenbestimmung zu Ziff. II.7 des Zuwendungsbescheids, aus der hervorgeht:
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„Für die aus dieser Zuwendung erworbenen und zu inventarisierenden Gegenstände wird die zeitliche Bindungsfrist zur Erfüllung des Zuwendungsbescheids auf 5 Jahre nach Abschluss des Vorhabens festgelegt. Entsprechend ist gegenüber der IB.SH die Aussonderung der Gegenstände oder deren beabsichtigte anderweitige Verwendung vor Ablauf der Bindungsfrist schriftlich zu begründen und hierzu vorher die Zustimmung der IB.SH einzuholen. Nach Ablauf dieser Bindungsfrist können Sie über diese Gegenstände frei verfügen.“
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Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die vorbezeichneten Nebenbestimmungen zum Teil auf den Bindungszeitraum beziehen, der in Ermangelung eines Abschlusses des Vorhabens vorliegend nicht beginnen konnte. Diese Nebenbestimmungen sind vielmehr vor dem Hintergrund des Zwecks der erstgenannten Nebenbestimmung – die Beklagte über sämtliche zuwendungsrelevanten Umstände in Kenntnis zu setzen und Veränderungen mit ihr abzustimmen – dahingehend auszulegen, dass erst recht Veränderungen, die bereits vor Abschluss des Vorhabens eintreten, gegenüber der Beklagten anzuzeigen und mit dieser abzustimmen waren. Dies folgt auch aus dem letzten Satz der Nebenbestimmung zu Ziff. II.7 des Zuwendungsbescheids, der im Umkehrschluss klarstellt, dass die Klägerin vor Ablauf der Bindungsfrist nicht frei, sondern nur in Abstimmung mit der Beklagten über die geförderten Wirtschaftsgüter verfügen darf.
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Die Klägerin hat gegen diese Auflagen verstoßen, indem sie sich mit dem gerichtlichen Vergleich vom 04.07.2017 verpflichtet hat, die Maschinen „Nordson Coater T8“, „Nordson VersaBlue Tankschmelze“ sowie den „Rollenschneider Kampf KS 106“ der Verkäuferin zurückzugeben und zu übereignen, ohne dies zuvor mit der Beklagten abzustimmen. Vielmehr hat sie diese über den Abschluss und den Inhalt des Vergleichs erst mit E-Mail vom 20.09.2017 und damit mehr als zwei Monate nach dessen Abschluss in Kenntnis gesetzt.
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Die Beklagte hat die Widerrufsfrist nach § 117 Abs. 3 S. 2 LVwG i.V.m. § 116 Abs. 4 LVwG eingehalten. Danach ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von den Tatsachen Kenntnis erhält, die die Rücknahme des Verwaltungsaktes rechtfertigen. Die Beklagte erfuhr mit E-Mail der Klägerin vom 20.09.2017 davon, dass sich diese durch den Vergleich zu Übergabe und Übereignung der Maschinen verpflichtet und damit gegen die Nebenbestimmung zu Ziff. II.1 des Zuwendungsbescheides verstoßen hat. Den streitgegenständlichen Widerrufs- und Rückforderungsbescheid erließ sie – nach Anhörung der Klägerin – in der Folge einen Monat später am 23.10.2017 und wahrte damit die Widerrufsfrist.
- 46
Die Beklagte hat auch das ihr in § 117 Abs. 3 LVwG eingeräumte Widerrufsermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Nach § 114 VwGO prüft das Gericht auch, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht worden ist. Beim Widerruf einer Subventionsbewilligung wegen Zweckverfehlung oder Auflagenverstoßes handelt es sich vor dem Hintergrund des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in § 7 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung Schleswig-Holstein (LHO) um einen Fall des intendierten Ermessens (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.1997 – 3 C 22.96 –, Rn. 14 m.w.N., juris). Dies bedeutet, dass die Ermessenausübung für den Regelfall bereits dahingehend festgelegt ist, dass das Ermessen nur durch die Rückforderung fehlerfrei ausgeübt werden kann, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Die Haushaltsgrundsätze überwiegen im Allgemeinen das Interesse des Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen und verbieten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 20.04.2012 – 4 A 1055/09 –, Rn. 111, juris).
- 47
Hiervon ausgehend ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte. Sie hat vielmehr das ihr zustehende Ermessen erkannt und zu Recht das Vorliegen besonderer Gründe, die ausnahmsweise ein Absehen vom Widerruf gebieten könnten, verneint. Sie musste hierbei insbesondere nicht die von der Klägerin vorgetragenen Umstände einer Täuschung durch einen früheren Mitgesellschafter berücksichtigen. Unabhängig davon, dass dies Gegenstand des unternehmerischen Risikos der Klägerin und damit alleine ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen ist, hat sie – die Klägerin – durch den Verstoß gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheids selbst die Ursache für dessen Widerruf gesetzt. Damit verletzt die Entscheidung der Beklagten, den Zuwendungsbescheid ganz zu widerrufen, auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der als zwingende Ermessensschranke bei der Aufhebung von Zuwendungsbescheiden zu berücksichtigen ist und bei objektiv geringfügigen Zweckverfehlungen oder Auflagenverstößen einem Widerruf des gesamten Bescheids entgegenstehen kann (vgl. VGH München, Urt. v. 25.05.2004 – 22 B 01.2468 –, Rn. 49 m.w.N., juris). Denn den hier nicht beachteten Nebenbestimmungen kommt innerhalb des Zuwendungsbescheids eine zentrale Bedeutung zu, indem sie die zweckentsprechende Nutzung der öffentlich geförderten Wirtschaftsgüter sicherstellen sollen und damit Ausdruck des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind, dem nach dem obigen Maßstab ein besonderes Gewicht zukommt.
- 48
2. Die Rückforderung der ausgezahlten Zuwendung findet ihre Rechtsgrundlage in § 117a Abs. 1 S. 1 LVwG. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit – wie es hier der Fall ist – ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Für den Umfang der Erstattung gelten gemäß § 117a Abs. 2 S. 1 LVwG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend.
- 49
Die Klägerin kann jedoch vorliegend nicht nach Maßgabe von § 117a Abs. 2 S. 1 LVwG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB geltend machen, entreichert zu sein. Denn nach § 117a Abs. 2 S. 2 LVwG kann sich die oder der Begünstigte nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, soweit sie oder er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt haben. Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Erstattungspflichtigen bzw. ihrer vertretungsberechtigten Personen muss sich nur auf die tatsächlichen Voraussetzungen, die zum Widerruf des Verwaltungsakts geführt haben, beziehen. Nicht erforderlich ist, dass auch die Rechtsfolge – der Widerruf bzw. die Unwirksamkeit – erkannt wurde oder hätte erkannt werden müssen (Falkenbach, in: BeckOK VwVfG, 50. Ed. 01.01.2021, § 49a Rn. 31; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 49a Rn. 77).
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Diese Voraussetzungen treffen auf die Klägerin zu. Denn indem sie sich durch ihren nach § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG vertretungsbefugten Geschäftsführer am 04.07.2017 vor dem Landgericht A-Stadt im Wege eines Vergleichs zur Rückgabe und Übereignung der Maschinen verpflichtet hat, waren ihr die tatsächlichen Umstände, die zum streitgegenständlichen Widerruf geführt haben, bekannt. Dabei war ihr aus den Nebenbestimmungen zum Zuwendungsbescheid – namentlich den Auflagen zu Ziff. II.1 (Projektdurchführung) und zu Ziff. II.7 (Zweckbindungsfrist) – zudem auch bewusst, dass Veränderungen bei der Durchführung des Projektes der vorherigen Zustimmung der Beklagten bedürfen und ein Verstoß hiergegen auf Rechtsfolgenseite zum Widerruf der Zuwendung sowie der Rückforderung bereits ausgezahlter Beträge führen kann. Dies galt insbesondere für die Veräußerung geförderter Wirtschafsgüter, hinsichtlich der eine freie Verfügung vor Ablauf der Bindungsfrist ausdrücklich ausgeschlossen war.
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3. Der Zinsanspruch folgt aus § 117a Abs. 3 S. 1 LVwG. Danach ist der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich zu verzinsen. Hier ist der Zuwendungsbescheid mit seinem Widerruf nach § 117 Abs. 4 LVwG rückwirkend unwirksam geworden.
II.
- 52
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
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