Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (6. Kammer) - 6 A 139/18

Tenor

Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils trägt der Beklagte, die übrigen Kosten trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Beklagte darf die Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wehrt sich gegen seine Heranziehung zur Erstattung der Kosten einer Ersatzvornahme.

2

Im Mai 2015 erwarb der Kläger die ehemalige „Gärtnerei XX“ in XX in XX. Auf dem Grundstück befindet sich neben einem Büro und Gewächshäusern eine Werkstatt, welche der vorherige Eigentümer zur Lagerung u.a. von landwirtschaftlichen Maschinen, Dünger, Ölen und ähnlichem verwendet hat. Das Grundstück des Klägers wird durch die Straße XX vom XX getrennt, der als westlicher Straßenseitengraben neben der Straße XX verläuft.

3

Anfang Oktober 2017 kam es zu starken Niederschlägen. Am 05.10.2017 trat das Wasser des XX über die Ufer und überflutete die Straße XX sowie das östlich davon liegende Grundstück des Klägers. Die sich auf dem Grundstück befindliche Werkstatt ist bis zu einer Höhe von 40 cm unter Wasser gesetzt worden. Nachdem Öl im Wasser festgestellt wurde, suchte der Fachdienst Boden- und Gewässerschutz des Beklagten das Grundstück noch am selben Tag auf und ordnete gegenüber dem Kläger an, geeignete Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung durchzuführen. Sodann beauftragte der Kläger das ebenfalls anwesende Unternehmen XX mit den entsprechenden Maßnahmen. XX legte am 05.10.2017 absorbierende Ölsperren aus und verankerte diese, um abfließendes Öl aufzunehmen.

4

Am darauffolgenden 06.10.2017 teilte der Geschäftsführer des Unternehmens PosXX mit, dass man wegen Zweifeln an der Solvenz des Klägers dessen Auftrag nicht annehme. Daraufhin beauftragte der Fachdienst Boden- und Gewässerschutz des Beklagten das Unternehmen XX und informierte den Kläger hierüber. XX saugte sodann eine grobe Ölphase von der Oberfläche ab und entsorgte Rückstände. Die absorbierenden Ölsperren wurden vor den Schuppen umgelegt und mobile Ölabscheider aufgestellt und in Betrieb genommen.

5

Außerdem suchte am gleichen Tag das Polizei-Autobahn- und Bezirksrevier XX das Grundstück des Klägers auf, schoss diverse Fotos und fertigte eine Strafanzeige gegen den Kläger wegen des unerlaubten Umgangs mit Abfällen sowie wegen des Verstoßes gegen das Wasserhaushaltsgesetz an. Aus der Sachverhaltsschilderung ergibt sich, dass im Wasser Ölschlieren deutlich sichtbar gewesen seien und es auffällig nach Öl im Wasser gerochen habe. In der Werkstatt seien Werkzeuge, Kanister und auch andere Gegenstände völlig ungeordnet gewesen. Im Wasser habe u. a. noch ein olivgrüner 20 L Metallkanister geschwommen. Der Verschluss des Kanisters sei deformiert und defekt gewesen, sodass das Benzin in das Wasser habe austreten können. Ferner sei dort ein halbaufgeschnittener Plastikkanister mit Altöl gefunden worden. Dieser Behälter habe noch vom Ölwechsel unter einem Zweirad gestanden. Auch hier habe das Altöl bedingt durch die unsachgemäße Lagerung und durch die Überschwemmung ins Wasser gelangen können. In einem weiteren Lagerraum habe man einen grünen 10 L Eimer entdeckt, der laut Aufschrift für Gemüsereis gedacht gewesen sei. Dieser Eimer sei ebenfalls mit Altöl gefüllt und habe im Wasser geschwommen. Der auf dem Eimer befindliche Deckel sei in der Mitte komplett aufgeschlitzt gewesen. Dieses Behältnis sei nicht für die Lagerung oder Aufbewahrung von Altöl gedacht und geeignet. Auch in diesem Lagerraum seien Ölschlieren sichtbar gewesen, ebenso wie „Ölaugen“.

6

An den folgenden Tagen nahm das Unternehmen XX weitere Arbeiten vor, kontrollierte u. a. Abscheider, installierte größere Pumpen, brachte absorbierende Ölsperren zur Sicherung um den Schuppen herum an, brachte Ölbindewürfel aus, positionierte Pumpen neu, nahm an Ortsbegehungen und Besprechungen teil, zog die Geländeoberfläche mit kontaminiertem Boden mittels Bagger ab und entsorgte schlussendlich den kontaminierten Boden und andere in Kontakt mit dem Öl gekommene Gegenstände und Flüssigkeiten.

7

Für diese Arbeiten forderte XX von dem Beklagten mit Rechnung vom 30.10.2017 insgesamt 15.595,14 €, welche der Beklagte am 10.11.2017 zur Auszahlung anwies.

8

Mit Bescheid vom 16.11.2017 setzte der Beklagte die Kosten für die durchgeführte Ersatzvornahme auf dem klägerischen Grundstück auf 15.835,68 €, bestehend aus den Auslagen für die Rechnung der XX in Höhe von 15.595,14 € und Gebühren für die Amtshandlung in Höhe von 237 €, fest. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass wassergefährdende Flüssigkeiten in verschiedenen Behältnissen, die teilweise nicht verschlossen gewesen seien, gelagert worden seien. Durch die Überflutung seien diese aufgetrieben, umgekippt und ausgelaufen, sodass annähernd die gesamte Wasseroberfläche mit Öl verunreinigt gewesen sei. Zur Eindämmung habe der Beklagte als Sofortmaßnahme eine Ölsperre längs der Grundstückszufahrt legen lassen, um die Obstwiese südlich zu schützen. Es habe gegolten, durch schnelles Handeln die Gefährdung angrenzender Flächen und des Grundwassers zu verhindern und die bereits entstandenen Verunreinigungen fachgerecht zu beseitigen. Eine Besichtigung der Werkstatt habe ergeben, dass die Ölverunreinigungen von dort ausgegangen seien. Öl gehöre zu den besonders wassergefährdenden Stoffen und könne bereits in geringer Menge Trinkwasser für die Trinkwasseraufbereitung unbrauchbar machen oder das Grundwasser bzw. das Oberflächenwasser nachhaltig verändern. Es habe sofortiger Handlungsbedarf bestanden. Ein weiteres Ausbreiten der Verunreinigung habe zeitnah verhindert werden müssen. Alternative Maßnahmen habe es nicht gegeben. Der Auftrag sei an die Fachfirma XX erteilt worden, da sie über entsprechend geschultes Personal und geeignete Gerätschaften verfüge. Andere Unternehmen wären nicht gleich schnell vor Ort gewesen.

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Hiergegen erhob der Kläger am 18.12.2017 Widerspruch, den er u.a. damit begründete, dass der zuständige Wasser- und Bodenverband aufgrund mangelnder Räumung des XX als Verursacher heranzuziehen sei. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2018 als unbegründet zurück. Der Kläger sei sowohl Handlungs- als auch Zustandsstörer. Beim Umgang mit Altöl sei generell aufgrund des Besorgnisgrundsatzes aus § 62 WHG besondere Vorsicht geboten. Der Kläger habe Altöl und Diesel in offenen und damit ungesicherten Behältnissen gelagert. Diese Art der Lagerung sei zu beanstanden, was ihm auch vor Ort mitgeteilt worden sei. Als Inhaber der tatsächlichen Gewalt sowohl über das Grundstück als auch über die gelagerten Stoffe sei der Kläger verpflichtet worden. Die unsachgemäße Lagerung des Altöls und die nicht sorgsam geführte Aufsicht über die Lagerung habe die unmittelbare Ursache für die Wasserverunreinigung gesetzt. Die beanstandete fehlende Räumung des Gewässers möge die Ursache für die Überschwemmung sein, allerdings habe nicht die Überschwemmung die Kosten verursacht, sondern das ausgelaufene Altöl.

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Hiergegen hat der Kläger am 02.05.2018 Klage erhoben.

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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 03.02.2021 den Kostenfestsetzungsbescheid vom 16.11.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2018 aufgehoben, soweit er mit einem Betrag von 2.830,90 € Kosten betrifft, die aufgrund der Beauftragung durch den Kläger selbst entstanden sind. Gleichzeitig hat er das Verfahren für erledigt und die Kostenübernahme in diesem Umfang erklärt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 19.02.2021 ebenfalls insoweit für erledigt erklärt. Mit weiterem Schriftsatz vom 02.03.2021 hat der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 04.04.2018 in Höhe von 27 € aufgehoben, da der Widerspruch teilweise erfolgreich gewesen wäre, diesbezüglich für erledigt und die Kostenübernahme erklärt. In diesem Umfang hat auch der Kläger mit Schriftsatz vom 13.03.2021 den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

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Klagebegründend trägt der Kläger vor, durch die Überschwemmung bereits in seinem Eigentum beschädigt zu sein. Die Belastung mit Kosten in Höhe von etwa 16.000 € sei rechtswidrig. Er sei nicht verantwortlich für die Wasser- bzw. Bodenverunreinigung. Ursächlich für die Verschmutzung sei, dass die mit Öl befüllten Behältnisse in seiner Werkstatt durch die Überschwemmung aufgetrieben und umgekippt seien. Als Verursacher der Wasserverunreinigung sei der Wasser- und Bodenverband wegen Verletzung der Unterhaltungspflicht bzw. die Aufsichtsbehörde wegen Verletzung der Gewässeraufsichtspflicht heranzuziehen. Das Wasser sei im XX nicht schnell genug abgelaufen, weil der Graben, insbesondere der Randstreifen, mit Gras- und Wiesenpflanzen verkrautet gewesen sei und das Schöpfwerk erst zu spät eingesetzt habe. Es sei festzustellen, dass die wesentliche Ursache für die Verunreinigung seines Flurstückes durch den Wasser- und Bodenverband gesetzt worden sei. Ohne die Überschwemmung auf seinem Grundstück hätte sich auch kein Wasser-Öl-Gemisch bilden können. Der Beklagte habe verkannt, dass eine Mehrheit von Störern vorliege.

13

Für ihn sei auch nicht vorhersehbar gewesen, dass bei seiner Rückkehr das gesamte Grundstück unter Wasser stehen würde und er besondere Vorkehrungen hätte treffen müssen. Er habe auch nicht wissen können, in welchem Zustand sich der Graben und die damit verbundenen Drainagen befunden hätten. Das Abfüllen von Altöl in einen Eimer sowie in einen Plastikkanister überschreite nicht die Gefahrengrenze, zumal beide Behältnisse in der Werkstatt untergebracht gewesen seien. Letztendlich wisse er nicht, von wo die Verschmutzungen genau ausgegangen seien. Es könne ebenso gut sein, dass die Behälter gehalten hätten und keinerlei Öl ausgelaufen sei. Bezüglich des 10 L Eimers mit der Aufschrift „Gemüsereis“ sei ihm nicht bewusst gewesen, dass dieser mit Altöl befüllt gewesen sei. Er stamme noch aus der Zeit seines Vorgängers. Aus dem leeren 20 L Benzinkanister sei kein Benzin ausgelaufen, es sei aber Wasser hineingelaufen. Der Benzinkanister sei leer gewesen, sodass von diesem keine Verschmutzung ausgegangen sei.

14

Zusätzlich reicht der Kläger diverse Fotos ein, die die Überschwemmungen abbilden.

15

Der Kläger beantragt,

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den Kostenfestsetzungsbescheid vom 16.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2018 aufzuheben,

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist der Beklagte auf den angegriffenen Kostenfestsetzungsbescheid und den Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, Ursache für die Wasserverunreinigung und damit für das Tätigwerden seien der defekte Kanister mit Kraftstoffresten und der mit Altöl gefüllte Eimer mit der Beschriftung „Gemüsereis“ gewesen. Der offene Ölwechsel-Eimer und der defekte Benzinkanister würden eindeutig belegen, dass im Sinne des Wasserrechts mit wassergefährdenden Stoffen durch Vornahme eines Ölwechsels und durch Abfüllen von Benzin oder Diesel umgegangen worden sei. Da Altöl stark wassergefährdend sei, gelten erhöhte Vorsichts- und Sorgfaltsmaßstäbe. Es sei bereits ausreichend, dass der 10 L Eimer mit Altöl einen Schlitz im Deckel aufgewiesen habe. Dadurch könne Wasser in den Eimer eindringen, sich unter dem Altöl sammeln und dieses bei zunehmendem Wasserzufluss oben aus dem Schlitz herausdrücken. Auch der Benzinkanister habe zur Verunreinigung beigetragen, auch wenn er leer gewesen sei. Wenn Wasser in leere Benzinkanister eindringe und nach Umkippen des Behälters wieder austrete, entstehe ein Film aus Leichtstoffen auf dem Wasser. Derartige Kanister seien allein durch Entleeren nicht von Leichtstoffhaftungen gereinigt.

20

Mit Schreiben jeweils vom 22.04.2020 und vom 02.07.2020 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.

23

Das Verfahren ist einzustellen, soweit es die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

24

Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 16.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

25

Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid sind § 238 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 LVwG. Danach kann die Vollzugsbehörde die Handlung auf Kosten des Pflichtigen ausführen oder durch einen Beauftragten ausführen lassen, wenn die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch eine andere Person möglich ist, nicht erfüllt wird. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 LVwG werden für Amtshandlungen nach diesem Abschnitt Kosten erhoben. Kosten sind Gebühren und Auslagen, vgl. § 249 Abs. 1 Satz 2 LVwG. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

26

Zunächst lag der Kostenerhebung eine rechtmäßige Ersatzvornahme nach § 230 Abs. 1 Satz 1, § 235 Abs. 1 Nr. 2, § 238 Abs. 1, § 236 Abs. 1 LVwG zugrunde. Nach § 230 Abs. 1 LVwG ist der Verwaltungszwang ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt (sofortiger Vollzug) im Wege der Ersatzvornahme zulässig, wenn eine gegenwärtige Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Dies gilt insbesondere, wenn Maßnahmen gegen Pflichtige nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind, vgl. § 230 Abs. 1 Satz 2 LVwG. So liegt es hier. Es ist zuerst ein Fall des § 230 LVwG gegeben, da die am 05.10.2017 gegenüber dem Kläger ergangene formlose Anordnung, die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung zu treffen, keinen Verwaltungsakt darstellt, sodass das gestreckte Vollstreckungsverfahren nach § 229 LVwG nicht anwendbar ist.

27

Es ist ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit von einer gegenwärtigen Gefahr betroffen. Schutzgut ist hier das Grundwasser, welches ein Schutzgut von erheblicher Bedeutung darstellt (vgl. VG Kassel, Beschluss vom 30.08.2006 – 7 G 749/06 –, juris Rn. 19). Für dieses Schutzgut liegt auch eine gegenwärtige Gefahr vor. Unter einer Gefahr im Sinne des Ordnungsrechts wird die im Zeitpunkt des Einschreitens der Behörden gegebene hinreichende Wahrscheinlichkeit eines nicht unerheblichen Schadenseintritts verstanden. Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn sie sich schon als Störung verwirklicht hat oder die Störung unmittelbar bevorsteht. Der Begriff der gegenwärtigen Gefahr fordert nur die gesteigerte Wahrscheinlichkeit eines unmittelbar bevorstehenden Schadenseintritts. Eine Gewässerverunreinigung muss also wahrscheinlich sein (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 28.02.2006 – 14 A 152/03 –, juris Rn. 35 f.). Daran gemessen liegt eine gegenwärtige Gefahr vor. Das auf dem Grundstück des Klägers stehende Wasser war bereits mit Öl verunreinigt. Dies ergibt sich zweifelsohne aus den von der Polizei gefertigten Fotos und ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch unstreitig. Bei ungehindertem Fortgang, also einer weiteren Verbreitung der Verschmutzung bzw. dem Unterlassen der Beseitigung der bereits eingetretenen Verunreinigung, wäre das mit Öl verschmutzte Wasser auf weitere Flächen gelaufen und im Boden versickert, sodass die Verschmutzung auch des Grundwassers zu besorgen war. Es ist anerkannt, dass grundsätzlich jedes Hineingelangen von Öl in das Grundwasser eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.04.2013 – 20 A 963/11 –, juris Rn. 21 f., unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 24.08.1989 – 4 B 59.89 –, juris).

28

Weiterhin ist auch der fiktive Grundverwaltungsakt rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des sofortigen Vollzugs gemäß § 230 LVwG setzt die Rechtmäßigkeit der hypothetischen Grundverfügung voraus (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 22.11.2018 – 4 LB 42/17 –, juris Rn. 54, m. w. N.).

29

Der fiktive Grundverwaltungsakt findet seine Rechtsgrundlage in § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG. Danach ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Diese Norm knüpft an eine Gefahrenlage, d. h. einen Verstoß gegen eine Norm des geltenden Wasserrechts an (vgl. Tünnsen-Harmes in: BeckOK Umweltrecht, Giesberts/Reinhardt, 59. Edition, Stand: 01.10.2020, WHG § 100 Rn. 2). Diese Voraussetzungen liegen vor.

30

Zuerst ist eine solche Verfügung formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte als untere Wasserbehörde nach § 101 Abs. 1 Nr. 2 LWG zuständig für die Durchführung des Wasserhaushaltsgesetzes und des Landeswassergesetzes und somit für Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Rahmen der Gewässeraufsicht.

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Auch in materieller Hinsicht begegnet der hypothetische Verwaltungsakt keinen Bedenken. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG liegen vor, denn der Kläger hat gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 WHG verstoßen. Danach ist jede Person verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften zu vermeiden. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger gehört zum Kreis der Verpflichteten, da sich die Sorgfaltspflichten an jede Person richten. Das Grundwasser ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 WHG auch von der Regelung umfasst.

32

Die Sorgfaltspflicht ist gewässerbezogen. Welche Sorgfalt nach den Umständen erforderlich ist, richtet sich zunächst einmal nach den einschlägigen Spezialregelungen und behördlich konkretisierten Vorgaben. Wenn und soweit solche Regelungen und Vorgaben fehlen, muss die erforderliche Sorgfalt im Einzelfall nach objektiven Kriterien bestimmt werden. Es ist auf die Sorgfalt eines umweltbewussten Mitbürgers abzustellen, von dem verlangt werden kann, dass er sich vor einer Maßnahme, die zu einer Einwirkung auf ein Gewässer führen kann, Gedanken über die Zulässigkeit macht. Dabei sind an die Sorgfalt umso höhere Anforderungen zu stellen, je größer der infolge der Einwirkung auf das Gewässer drohende Schaden oder dessen Eintrittswahrscheinlichkeit ist (vgl. Faßbender in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 96. EL September 2021, WHG § 5 Rn. 16 f.).

33

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 WHG verstoßen. Auf seinem Grundstück haben sich jedenfalls ein 10 L Eimer („Gemüsereis“) gefüllt mit Altöl sowie ein unverschlossener Kanister mit Kraftstoffresten befunden. Diese waren auch nicht derart risikolos aufbewahrt, dass von ihnen keine Gefahr ausging. Vielmehr zeigt sich in den eingetretenen Verschmutzungen, dass die Lagerung nicht hinreichend sicher war. In Anbetracht der Gefährlichkeit der hier aufbewahrten Stoffe ist vom Kläger zu verlangen, besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, sodass ein unkontrolliertes Auslaufen nicht möglich ist.

34

Sofern der Kläger angibt, er habe nicht einmal gewusst, dass er über einen mit Altöl gefüllten Eimer verfüge, entbindet ihn dies nicht von seiner Pflicht als Eigentümer, dafür Sorge zu tragen, dass von seinem Eigentum keine Gefahr für Schutzgüter der Allgemeinheit ausgehen. Selbst bei Annahme, dass der Eimer tatsächlich noch vom vorherigen Eigentümer befüllt und dort abgestellt wurde, obliegt es dem Kläger, der zum Zeitpunkt des Schadenseintritts immerhin seit zweieinhalb Jahren Eigentümer des Grundstücks war, zu überprüfen, ob von den erworbenen Gegenständen, Flüssigkeiten und sonstigen Dingen Gefahren ausgehen können. Er hat die unsachgemäßen Lagerungen des Voreigentümers auszubessern.

35

§ 100 Abs. 1 Satz 2 WHG räumt der zuständigen Behörde auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen ein. Nach § 114 Satz 1 VwGO beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung lediglich darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Daran gemessen sind Ermessensfehler nicht ersichtlich, insbesondere ist die Maßnahme verhältnismäßig. Der Schutz des Grundwassers vor einer Verunreinigung mit Öl und anderen wassergefährdenden Stoffen ist ein legitimer Zweck, dessen Erreichung durch die hypothetische Verpflichtung des Klägers, Maßnahmen zur Beseitigung der Verunreinigung zu ergreifen, auch gefördert wird. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist gegenüber der Inanspruchnahme des Klägers nicht ersichtlich. Auch die Angemessenheit ist nicht zu bezweifeln. Die zuständige Behörde hat ihr Handeln auf das Notwendige zu beschränken (vgl. Kubitza in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 96. EL September 2021, WHG § 100 Rn. 41). Dass der Beklagte diese Grenzen durch die fiktive Verpflichtung des Klägers überschreitet, ist nicht ersichtlich.

36

Die bestehende gegenwärtige Gefahr konnte auch nicht anders abgewehrt werden, als durch die Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzuges nach § 230 LVwG, denn die Firma XX nahm aufgrund befürchteter mangelnder Solvenz den Auftrag des Klägers nicht an. Damit war eine Gefahrabwendung auf eine andere Weise, insbesondere durch formelle Aufforderung bzw. Durchsetzung der Verpflichtung gegenüber dem Kläger, in der gebotenen Schnelligkeit nicht möglich. Auch hat der Kläger die erforderlichen Maßnahmen nicht selbst ergriffen. Zwar hat er zunächst das Unternehmen XX beauftragt, das sodann auch am Abend des 05.10.2017 und am Morgen des 06.10.2017 tätig wurde. Allerdings nahm das Unternehmen den Auftrag letztendlich nicht an, sodass die Maßnahmen nicht in der erforderlichen Dauer und Intensität durch den Kläger betrieben wurden.

37

Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Ersatzvornahme ist das zulässige Zwangsmittel in diesem Fall, da es um die Vornahme einer Handlung geht, deren Vornahme auch durch eine andere Person möglich ist. Es hat zwar die nach § 236 Abs. 1 Satz 1 LVwG grundsätzlich erforderliche schriftliche Androhung der Ersatzvornahme nicht stattgefunden. Jedoch konnte die Androhung nach § 236 Abs. 1 Satz 2 LVwG unterbleiben. Danach kann das Zwangsmittel mündlich angedroht werden oder die Androhung unterbleiben, wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 1 Nr. 2 LVwG oder des § 230 LVwG vorliegen. Wie oben gezeigt, ist dies der Fall.

38

Die Ersatzvornahme wurde auch ordnungsgemäß durchgeführt und das Ermessen hinsichtlich des Ob und des Wie der Ersatzvornahme ordnungsgemäß ausgeübt. Zu beachten ist hier, dass aufgrund der akut drohenden Gefahr einer weiteren Verunreinigung mit Öl ein sofortiges Handeln erforderlich war. Der Beklagte war gehalten, Maßnahmen zu ergreifen, die unmittelbar und sicher zu einer Verhinderung weiterer Verunreinigungen und zügiger Entfernung der bereits eingetretenen Verunreinigungen führten. Gerade in Anbetracht der Dringlichkeit und der hohen Schutzwürdigkeit des Grundwassers war es nicht erforderlich, zunächst mildere Maßnahmen zu ergreifen, die nicht unmittelbar zum Erfolg führen. Die Ersatzvornahme war auch angemessen, da das Unternehmen XX die notwendigen Arbeiten durchgeführt und dabei regelmäßig die Maßnahmen überprüft und angepasst, z. B. andere Pumpen installiert oder die Ölsperre an einen anderen Ort gelegt hat. Damit sind keine überflüssigen Arbeiten getätigt worden, vielmehr wurde engmaschig kontrolliert, welche Arbeiten tatsächlich notwendig waren.

39

Der Kläger ist auch kostenpflichtig, da er Störer im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne ist. Mangels spezialgesetzlicher Regelungen richtet sich dies nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht (vgl. Kubitza in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 96. EL September 2021, WHG § 100 Rn. 32). Nach § 219 Abs. 1 LVwG ist der Eigentümer einer Sache, die durch ihren Zustand die öffentliche Sicherheit stört oder im einzelnen Fall gefährdet, verantwortlich. Gemessen daran ist der Kläger hier verantwortlich. Er ist der Eigentümer des Grundstücks und der Behältnisse samt deren Inhalt, welche die Verunreinigungen ausgelöst haben. Seine Eigentümerposition ist auch nicht streitig. Andere Personen, die die tatsächliche Gewalt über die Sache ausgeübt haben, sind nicht ersichtlich. Weiter ist der Kläger auch nach § 218 Abs. 1 LVwG sog. Verhaltensstörer. Wird die öffentliche Sicherheit durch das Verhalten von Personen gestört oder im einzelnen Fall gefährdet, so ist die Person verantwortlich, die die Störung oder Gefahr verursacht hat. So liegt es hier. Sein Handeln bzw. das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Sicherung der von ihm gelagerten Gefahrenstoffe führten zu der Verunreinigung des Wassers.

40

Das Störerauswahlermessen hat der Beklagte beanstandungsfrei ausgeübt. Soweit der Kläger geltend macht, der Beklagte hätte vorrangig den Wasser- und Bodenverband XX bzw. XX in Anspruch nehmen müssen, da dieser die Überschwemmung zu verantworten habe, kann dem nicht gefolgt werden. Anknüpfungspunkt sind hier die Verunreinigungen des Wassers durch das Altöl, nicht das Hochwasser. Die Verunreinigungen haben die Ersatzvornahme und die streitgegenständlichen Kosten ausgelöst. Selbst wenn man zugrunde legt, dass der Wasser- und Bodenverband die Überschwemmung auf dem Grundstück des Klägers (mit-)verursacht hat, ist eine wasserrechtliche Pflichtverletzung des Wasser- und Bodenverbandes nicht ersichtlich. Weder eine Verletzung einer Gewässerunterhaltungsverpflichtung noch ein Verstoß gegen allgemeine Sorgfaltspflichten wäre im vorliegenden Fall hinreichend relevant kausal für die unstreitig eingetretene Verschmutzung. Für die Frage der Kausalität im Ordnungsrecht ist darauf abzustellen, wer die Gefahr durch sein Verhalten unmittelbar verursacht hat. Nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung wird nur dasjenige Verhalten als polizeirechtlich relevante Ursache gesehen, das selbst die Gefahrengrenze überschreitet, d. h. selbst die unmittelbare Gefahr verursacht. Lediglich mittelbare oder entferntere Bedingungen werden ausgeschieden (vgl. Beschluss vom 03.04.2020 über die Ablehnung der Beiladung des Wasser- und Bodenverbandes XX, m. w. N.; OVG Koblenz, Beschluss vom 26.01.2012 – 8 A 11081/11 –, juris Rn. 67, m.w.N.). Die unmittelbare Verursachung der Verunreinigung ging hier jedoch von der unsachgemäßen Aufbewahrung bzw. Handhabung des Altöls aus. Die Überschwemmung war allenfalls mittelbar verursachend für die eingetretenen Verunreinigungen und ist somit als Verursachung im ordnungsrechtlichen Sinne auszuschließen.

41

Die Kosten sind auch erstattungsfähig und der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Kostenbescheid bezieht sich auf die Rechnung der Firma XX vom 30.10.2017 und deckt sich mit dem dortigen Betrag. Nachdem die Kosten für die Zeit der Beauftragung durch den Kläger selbst inzwischen abgezogen wurden, begegnen die Kosten keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere sind keine Rechenfehler ersichtlich und die einzelnen Rechnungsposten sind hinreichend durch Arbeitsprotokolle und Übernahmescheine zum Nachweis der Übernahme von Abfällen belegt. Auch die erhobene Gebühr für die Amtshandlung ist beanstandungsfrei. Darüber hinaus sind die einzelnen Kostenpositionen auch nicht vom Kläger angegriffen worden.

42

Die Kosten hinsichtlich des erledigten Teiles trägt nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Beklagte. Das Gericht folgt insoweit den teilweisen Kostenübernahmeerklärungen des Beklagten in den Schriftsätzen vom 03.02.2020 und vom 02.03.2021. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, §§ 711, 709 Satz 1 ZPO.


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