Beschluss vom Verwaltungsgericht Schwerin (3. Kammer) - 3 A 317/10

Tenor

Der Zinsbescheid des Beklagten vom 26. März 2009 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Zahlung von sogenannten Vorgriffszinsen.

2

Auf Antrag der "Stadtverwaltung Grevesmühlen" gewährte die "Umweltministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern" mit Zuwendungsbescheid vom 16.09.1991, hinsichtlich des Finanzierungsplans geändert durch Bescheid vom 17.10.1991, für die Erweiterung der Kläranlage Grevesmühlen eine Zuwendung in Höhe von bis zu 5,35 Mio. DM. Zum Bestandteil des Bescheides erklärt (und anscheinend auch beigefügt) wurden die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K).

3

Aufgrund entsprechender Zahlungsanforderungen der Stadtverwaltung Grevesmühlen kam es im Oktober 1991 zu einer Auszahlung in Höhe von 1,1 Mio. DM und im November 1991 zu einer solchen von 0,9 Mio. DM sowie schließlich - auf Zahlungsanforderung des Beklagten hin - im Dezember 1992 in Höhe von 3,35 Mio. DM.

4

Eine Vorlage des Verwendungsnachweises erfolgte im November 2001 durch den Kläger, der die Umstände, die zur verspäteten Vorlage geführt hätten, im Einzelnen darlegte. Das mit der Prüfung beauftragte Staatliche Amt für Umwelt und Natur (STAUN) Schwerin kam gemäß seinem Prüfungsvermerk vom 27.11.2002 zu dem Ergebnis, dass die staatlichen Zuwendungen von insgesamt 5,35 Mio DM ordnungsgemäß und zweckgerichtet verwendet worden seien.

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Nach entsprechender Anhörung (vom 14.06.2009) machte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Zinsbescheid vom 26.03.2010 gemäß § 49 a Abs. 4 VwVfG M-V Zinsen in Höhe von 90.628,40 € (betreffend den Zeitraum Dezember 1991 bis Januar 1994) geltend. Die Prüfung des Verwendungsnachweises habe ergeben, dass einzelne Fördermittelraten zu früh abgerufen, das heiße nicht innerhalb von drei Monaten nach der Auszahlung zweckentsprechend ausgegeben und auch nicht zwischenzeitlich zurückgezahlt worden seien. Der Anspruch auf Vorgriffszinsen ergebe sich aus § 44 a Abs. 3 Landeshaushaltsordnung und § 49 Abs. 4, 3 VwVfG M-V - dies begründete der Beklagte weitergehend.

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Der Kläger hat am 31.03.2010 die vorliegende Klage erhoben.

7

Unter Bezug auf Begründungen in Parallelverfahren (hinsichtlich einer Verjährung bzw. Verwirkung der Forderungen) wird geltend gemacht, im vorliegenden Verfahren stelle sich zusätzlich die Frage, ob der Kläger richtiger Bescheids- und Inhaltsadressat sei; hierzu trägt er im Einzelnen vor.

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Der Kläger beantragt,

9

den Zinsbescheid des Beklagten vom 26.03.2010 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Soweit der Kläger meine, er sei der falsche Adressat der Bescheide, sei dies nicht nachvollziehbar - dies begründet der Beklagte weitergehend.

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Die angeforderten Vorgriffszinsen seien weder verjährt noch verwirkt.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorganges.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene Zinsbescheid des Beklagten vom 26. März 2010 ist rechtswidrig, da die Zinsforderung verjährt ist.

16

Auf die Frage, ob zutreffenderweise der Kläger zur Zahlung von Vorgriffszinsen herangezogen worden ist, kommt es vorliegend nicht an.

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Gemäß § 49a Abs. 4 Satz 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG M-V) können in den Fällen, in denen eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet wird, für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Absatz 3 Satz 1 dieser Norm verlangt werden.

18

Dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen nach dieser Norm für die Entstehung derartiger Vorgriffszinsen vorliegen, ist für die Beteiligten (wie das Gericht) nicht zweifelhaft. Streit besteht indessen über die Frage, wann der Anspruch entsteht (im Folgenden 1.), und wann er verjährt (2. ff.).

19

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann als geklärt angesehen werden, dass Vorgriffszinsen in zeitlicher Nähe zur Auszahlung der Mittel entstehen. Ob entscheidender Zeitpunkt der der Auszahlung der Mittel (so Urteil vom 27.04.2005 - 8 C 8.04 -, NVwZ 2005, 1085) ist oder doch erst der mit Ablauf der Frist für die alsbaldige Verwendung (so wohl Urteil vom gleichen Tage - 8 C 5.04 -, NVwZ 2005, 964), mag vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben. Allerdings tendiert die Kammer zu der letztgenannten Auffassung, wonach vorliegend erst drei Monate nach Auszahlung (aufgrund der Regelung der Nr. 5.1.4 und 9.3.1 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung kommunaler Körperschaften [ANBest-K] des Landes Schleswig-Holstein, die gemäß der Bekanntmachung der Finanzministerin vom 5. April 1991 M-V, AmtsBl. M-V S. 232, seinerzeit in Mecklenburg-Vorpommern Anwendung fand) Vorgriffszinsen verlangt werden können. Denn da auch eine Verwendung der ausgezahlten Mittel am letzten Tage der Dreimonatsspanne die Geltendmachung derartiger Vorgriffszinsen ausschließt, erscheint es dogmatisch naheliegender, solche Zinsen erst mit Ablauf der Frist (und nicht mit Auszahlung der Mittel unter der auflösenden Bedingung ihrer alsbaldigen zweckgemäßen Verwendung) entstehen zu lassen.

20

Im Zivilrecht ist ein Anspruch entstanden, sobald er im Wege einer Klage geltend gemacht werden kann (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 69. Aufl. 2010, § 199 Rdnr. 2), im Verwaltungsrecht demzufolge, sobald ein entsprechender Leistungsbescheid ergehen kann, also jeweils mit Ablauf des Monats, in dem eine alsbaldige Verwendung nicht erfolgt ist.

21

2. Dass ein Zinsanspruch nach dem hiesigen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes verjähren kann, unterliegt keinem Zweifel, wie aus § 53 VwVfG M-V abzuleiten ist. Allerdings regelt das Gesetz insoweit lediglich einen Teilaspekt der Verjährung, nämlich dessen Hemmung. Die weitergehenden Regelungen sind im Wege einer Analogie zu schließen - wobei durchaus umstritten ist, in welcher Weise.

22

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (Urteil vom 11.10. 2002 - 3 A 2585/97-, juris) galt für die Forderung von Zinsen auch im Sinne von § 49a Abs. 4 VwVfG M-V unabhängig von voluntativen Einflussnahme eines der Beteiligten eine Ausschlussfrist von vier Jahren, § 197 BGB aF. Diese Entscheidung wurde bestätigt durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 09.02.2005 - 2 L 66/03 - NordÖR 2005, 160).

23

Danach war landesrechtlich geklärt, dass Zinsansprüche aus § 49a Abs. 4 VwVfG M-V in Verfahren, für die noch die vor dem 1.1.2002 geltenden Bestimmungen anzuwenden sind, nach § 197 a.F. BGB in vier Jahren verjähren.

24

b) Die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Es gelten weiterhin die Überlegungen, die in den (den Beteiligten bekannten) Entscheidungen zu ihrer Begründung ausgeführt worden sind.

25

aa) Zwar ist der Hinweis des Beklagten zutreffend, dass die damaligen Entscheidungen zu einem privaten Förderprojekt ergangen sind. Indessen besteht kein struktureller Unterschied zu solchen, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts verantwortet.

26

Insoweit führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15.05.2008 (Az: 5 C 25.07 -, BVerwGE 131, 153, und NVwZ 2008, 1369) Folgendes aus:

27

"4.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet das Rechtsinstitut der Verjährung auch im öffentlichen Recht jedenfalls auf vermögensrechtliche Ansprüche Anwendung (vgl. Urteile vom 15. Dezember 1967 - BVerwG 6 C 98.65 - BVerwGE 28, 336 <338>, vom 18. April 1986 - BVerwG 8 A 1.83 - Buchholz 454.4 § 19 II. WoBauG Nr. 1 - juris Rn. 32, vom 4. Oktober 1994 - BVerwG 1 C 41.92 - BVerwGE 97, 1 <6> und vom 24. Januar 2007 - BVerwG 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 43). Das Rechtsinstitut der Verjährung dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, indem es Ansprüche, die über geraume Zeit hinweg nicht geltend gemacht wurden, dem Streit entzieht. Dieses Anliegen besteht im Privatrecht wie im öffentlichen Recht gleichermaßen (Urteile vom 15. Mai 1984 - BVerwG 3 C 86.82 - BVerwGE 69, 227 <232 f.> und vom 4. Oktober 1994 a.a.O.). Das gilt selbst dann, wenn Gläubiger und Schuldner juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (Urteile vom 15. Dezember 1967 und vom 18. April 1986 a.a.O.). "

28

Auch die vom Beklagten in anderem Zusammenhang als einschlägig angesehene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.2008 Az.: 3 C 37.07, BVerwGE 132, 324) macht dies deutlich:

29

" ... In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass das Rechtsinstitut der Verjährung auch im öffentlichen Recht jedenfalls auf vermögensrechtliche Ansprüche Anwendung findet. Das Rechtsinstitut der Verjährung dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, indem es Ansprüche, die über geraume Zeit hinweg nicht geltend gemacht wurden, dem Streit entzieht. Dieses Anliegen besteht im Privatrecht wie im öffentlichen Recht gleichermaßen. Das gilt selbst dann, wenn Gläubiger und Schuldner juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. Zwar wiegt das Schuldnerinteresse daran, Belege nicht unbefristet aufbewahren zu müssen, um einer Beweisnot zu begegnen, bei Behörden geringer; demgegenüber muss aber das Interesse eines öffentlichen Schuldners an einer planbaren und möglichst zeitnahen Belastung seines öffentlichen Haushalts berücksichtigt werden (Urteil vom 24. Januar 2007 - BVerwG 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 = Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 20 m.w.N.; ebenso Urteile vom 15. Mai 2008 - BVerwG 5 C 25.07 - DVBl 2008, 1122 und vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - juris )."

30

bb) Nach welchen Regeln sich die Verjährung richtet, ist mangels einschlägiger öffentlich-rechtlicher Spezialregelungen im Wege der Analogie zu den als sachnächste in Betracht kommenden Verjährungsregelungen zu entscheiden (BVerwG, Urteile vom 18.04.1986 - 8 A 1.83 -, Buchholz 454.4 § 19 II. WoBauG Nr 1 , und vom 4.10.1994 - 1 C 41.92 -, BVerwGE 97, 1 <7>).

31

Insoweit sind etwa höchstrichterliche Entscheidungen ergangen zu Ansprüchen auf Erstattung von Zweckausgaben (vgl. Urteil vom 24.07.2008 - 7 A 2.07 -, NVwZ 2009, 599) und zu einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (vgl. Urteil vom 15.05.2008 - 5 C 25.07 - a. a. O.); zu einem Herausgabeanspruch aus § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG, der seiner Rechtsnatur nach ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ähnlich demjenigen aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB sei, vgl. auch Urteil vom 11.12.2008 - 3 C 37.07 -, a. a. O.

32

Hinsichtlich eines Zinsanspruchs sind seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.08.1995 (Az.: 3 C 17.94, BVerwGE 99, 109), auf welche in der Entscheidung der Kammer vom 11.10.2002 maßgeblich abgestellt wird, wonach eine vierjährige Verjährungsfrist für einen von der Behörde nachträglich geltend gemachten Zinsanspruch nach § 9 Beihilfenverordnung-Magermilch gilt, der Kammer lediglich die bereits angesprochenen Urteil vom 27.04.2005 (Aktenzeichen: 8 C 5.04, a. a. O. und 8 C 8.04, a. a. O.) bekannt geworden, welche darauf hinweisen, dass die auf einen Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG als Landesrecht angewandten Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung (§§ 194 ff.) kein revisibles Recht darstellen. Demgemäß war weder die Auffassung des OVG Brandenburg (Urteil vom 11.02.2004 - 2 A 680 -, juris), ein Anspruch auf Vorgriffszinsen verjähre nach § 195 BGB a. F. nach 30 Jahren, vom Bundesverwaltungsgericht inhaltlich zu überprüfen noch die Auffassung des VG Potsdam, der Zinsanspruch entstehe in dem Zeitpunkt, in dem er fällig werde. Vielmehr "hatte der Senat folglich seiner Entscheidung die Auffassung des VG zu Grunde zu legen, wonach brandenburgisches Recht die Verjährung des Verzögerungszinsanspruchs erst mit seiner Fälligkeit beginnen lässt."

33

Die Vorstellung des Beklagten, der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung erfordere, dass die Rechtsprechung in Mecklenburg-Vorpommern zu gleichlautenden landesgesetzlichen Regelungen sich an derjenigen der obersten Bundesgerichte zu orientieren habe, ist gerade wegen der Irreversibilität des Landesrechts nicht zwingend.

34

Auch liegen keine (neueren) Erkenntnisse vor, die es nahelegten, nach altem Recht von einer längeren als einer vierjährigen Verjährungsfrist, beginnend unabhängig vom Kenntnisstand des Schuldners, auszugehen. Die Rechtsmeinung, dass ein Zinsanspruch nicht erst mit seiner Geltendmachung entsteht, wird vielmehr auch vom VG Meiningen (Urteil vom 20.05.2009 - 2 K 252/08 Me -, juris), vom VG Weimar (Urteil vom 20.01.2005 - 8 K 4119/04 We -, juris) und vom VG Dessau (Urteil vom 20.08.2007 - 1 K 530/05 Ge -, juris), judiziert.

35

cc) Ob in Fällen betrügerischer Manipulationen, wie sie dem vom Beklagten zitierten Urteil des BFH (vom 7.7.2009 - VII R 24/06 -, BFHE 225,524, betreffend Rückforderung einer Ausfuhrerstattung) vorzuliegen scheinen, "eine absolute Frist von vier Jahren unangemessen kurz" ist, mag auf sich beruhen - der vorliegende Fall gibt keine Anhaltspunkte für derartige Manipulationen (oder auch nur -Manipulationsabsichten).

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dd) Zuzugestehen ist dem Beklagten, dass eine vierjährige Verjährungsfrist (sei es entsprechend BGB a.F. oder der Abgabenordnung) ablaufen kann, bevor der Gläubiger von seinem Anspruch überhaupt Kenntnis erhält. Ein vorzeitiger Mittelabruf in Zuwendungsfällen etwa wird regelmäßig erst für den Zuwendungeber erkennbar, wenn der Verwendungsnachweis vorliegt. Wenn also ein Zuwendungsempfänger (pflichtwidrig) die Vorlage des Verwendungsnachweises entsprechend lange (nämlich um Jahre) hinauszögert, kann die Anwendung einer kurzen Verjährungsfrist zur Verjährung eines Vorgriffszinsenanspruchs führen, bevor der Gläubiger von dessen Vorhandensein Kenntnis bekommt. Andererseits würde die Überlegung, den Verjährungslauf erst mit einer Fälligkeit des Zinsanspruches beginnen zu lassen, die durch Geltendmachung des Zinsanspruches durch Bescheid seitens des Zuwendungsgebers erfolge, in der Praxis zu einer faktischen Unverjährbarkeit derartiger Zinsansprüche führen: Der Subventionsgeber könnte, sofern nicht Verwirkungsumstände hinzugetreten sind, noch Jahrzehnte später (vorliegend: mehr als 12 Jahre nach Entstehen des Anspruches) Zinsen verlangen. Auch wenn beide Konsequenzen für die Praxis wenig befriedigend erscheinen, erachtet die Kammer die letztgenannte Variante für deutlich weniger akzeptabel - unabhängig davon, ob der Zuwendungsempfänger eine Privatperson, eine kommunale Körperschaft oder eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Zum einen hat es der Zuwendungsgeber in der Hand, bei (längerfristig) verzögertem Verwendungsnachweis den Zuwendungsempfänger zu einem pflichtgemäßem Verhalten zu motivieren - nämlich durch die Ankündigung, von der Möglichkeit eines Widerrufs der Zuwendung gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG M-V Gebrauch zu machen - eine Möglichkeit, die gleichfalls in den ANBest-K (Nr. 9.3.1) vorgesehen war. Gleichfalls wäre zu erwägen (gewesen), ob Zinsbescheide "dem Grunde" nach hätten erlassen werden können und damit eine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung hätte erreicht werden können.

37

Festzustellen ist, dass die Gefahr, nicht rechtzeitig von einem Vorgriffszinsanspruch Kenntnis zu erlangen, seit der Umgestaltung der Verjährungsregelung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 kaum noch vorstellbar ist, beginnt doch die Verjährungsfrist zu laufen nur bei Kenntnis des Gläubigers von den den begründenden und der Person des Schuldners oder Unkenntnis hiervon aufgrund grober Fahrlässigkeit, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch aufgrund dieser Situation, wonach eine Änderung der Rechtslage, die nunmehr seit mehr als acht Jahren inkraft ist, eine aus Sicht der Kammer uneingeschränkt sachgerechte Lösung bietet und demgemäß in der Praxis nur noch "Altfälle" nach altem Recht abzuarbeiten sind, sieht die Kammer sich zu einer Veränderung ihrer bisherigen Rechtsprechung (in ihr Gegenteil) nicht veranlasst.

38

Sie geht somit weiterhin davon aus, dass nach hiesigem Landesrecht mit Ablauf des Jahres, in dem der Zinsanspruch entstanden ist, die Verjährung nach §§ 197, 198 BGB a. F. zu laufen begonnen hat.

39

3. Dies hat die Konsequenz, dass (Zins-)Zeiträume bis einschließlich 1997 - vorliegend geht es um solche bis Januar 1994 - nach altem Recht (kenntnisunabhängig) bis zum 1. Januar 2002 verjährt waren.

40

4. Gleiches gilt sogar für den Fall, dass man die Auffassung vertreten wollte, die Verjährungsfrist nach altem Recht habe (abweichend von dem Ausgeführten) 30 Jahre betragen. Insoweit würden dann die Regelungen des Art. 229 § 6 EGBGB, der Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht nach dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, gelten. Nach dessen Abs. 1 finden auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche - und um eine solche handelte es sich bei dieser Prämisse - die Neuregelungen Anwendung; der (u. a.) Beginn der Verjährung bestimmt sich jedoch nach altem Recht. Danach beginnt die Verjährung eines Zinsanspruches jeweils zu Beginn des Folgejahres.

41

Da nach neuem Recht die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre beträgt (§ 195 BGB) und somit kürzer als die alte ist, gilt Abs. 4 des Art. 229 § 6 EGBGB:

42

Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so wird die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet. Läuft jedoch die im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmte längere Frist früher als die im Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist vollendet.

43

Angesichts der (Annahme einer) 30 jährigen Frist nach altem Recht wäre Satz 1 der Norm einschlägig, eine (nunmehr dreijährige) Verjährungsfrist konnte nicht vor dem 31.12.2004 ablaufen.

44

Der Verjährungsbeginn nach neuem Recht ist in § 199 BGB geregelt; dessen Abs. 1 bestimmt:

45

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1.der Anspruch entstanden ist und
2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste

46

Vorliegend hatte der Kläger den Verwendungsnachweis im November 2001 vorgelegt, der Prüfvermerk des STAUN Schwerin datiert vom 27.11.2002. Auch wenn man erst auf den letztgenannten Zeitpunkt abstellen wollte, so lagen dann doch zum Zeitpunkt des 1.1.2003 all die Unterlagen beim Beklagten vor, die nach § 199 Abs. 1 BGB für den Beginn der dreijährigen Regelverjährung des § 195 notwendig waren. Wenn der Beklagte diese Informationen nicht zur Kenntnis genommen bzw. entsprechend zeitnah (und nicht erst im Jahre 2009 anlässlich einer 'Plausibilitätsprüfung') ausgewertet hat, ist ihm dies nach Überzeugung der Kammer als grobfahrlässig anzulasten mit der Konsequenz, dass zum 1.1.2003 die Verjährungsfrist zu laufen begann und (mangels Vorliegen von Verjährungshemmungsgründen) mit dem 31.12.2005 endete.

47

Daran änderte auch die Auffassung des Beklagten nichts, dass der Kläger (durch unzureichende bzw. verspätete Offenlegung der nicht-alsbaldigen Mittelverwendung) gegen Regelungen des Subventionsgesetzes verstoßen habe, dieses als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sei und deshalb als Verjährungsnorm § 852 Abs. 1 BGB a. F. heranzuziehen sei, die auf das Kenntnismoment abstelle. Auch diese Norm wurde im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geändert und den neuen Verjährungsvorschriften angepasst. Nach dem soeben Ausgeführten begann zum 1.1.2003 die Verjährungsfrist zu laufen und endete mit dem 31.12.2005.

48

Auch eventuelle 'Unregelmäßigkeiten' im europarechtlichen Sinne helfen vorliegend nicht weiter; dass aus europarechtlichen Normen sich eine zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides noch laufende Verjährungsfrist ergäbe, ist nicht ersichtlich.

49

5. Ob dem Fehlen jeglicher Ermessenserwägungen im angefochtenen Zinsbescheid unter dem Aspekt rechtliche Bedeutung zukommt, dass der Zeitpunkt des Entstehens des Zinsanspruches (bereits zum Zeitpunkt des Anhörungsschreibens vom 14.06.2009) mehr als eineinhalb Jahrzehnte zurücklag, mag nach dem Ausgeführten offenbleiben.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 709, 708 Nr. 11 ZPO.

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