Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 1 K 2196/19

Tenor

Der Bescheid des Polizeipräsidiums U. - Polizeirevier ... - vom 11.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums U. vom 25.02.2019 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.
Die am … 1987 geborene Klägerin war Beschuldigte in einem bei der Staatsanwaltschaft U. unter dem Az. 14 Js 9173/18 geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung. Die Klägerin wurde beschuldigt, am 03.03.2018 die zum Tatzeitpunkt 15-jährige N. G. am Arm gepackt und gegen eine Wand gedrückt zu haben. Hierdurch habe die Geschädigte Schmerzen erlitten. Zudem habe die Klägerin die Geschädigte mit den Worten „billige Schlampe“ und „Zigeunerin“ beleidigt. Am 19.03.2018 habe die Klägerin die 15jährige N. G. zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und mit den Händen am Hals gewürgt. Hierdurch habe die Geschädigte Schmerzen erlitten. Zudem habe die Klägerin die Geschädigten mit den Worten „Kuck dich doch mal an, du Zigeuner“ beleidigt. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... am 20.05.2019 wurde das Verfahren mit Zustimmung aller Beteiligten gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Die als Zeugin vernommene Geschädigte hatte in der Hauptverhandlung u.a. angegeben, sie sei nach dem Vorfall vom 19.03.2018 am nächsten Tag nicht in der Schule gewesen. Zum Arzt sei sie nicht gegangen. Druckspuren am Hals habe sie nicht gehabt.
Zuvor war die Klägerin bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten:
1. StA U., 28.05.2009 - 14 Js 27958/08 - einfache vorsätzliche Körperverletzung und Beleidigung - Verweisung auf den Privatklageweg
2. StA U., 28.09.2011 - 16 Js 14388/11 - einfache vorsätzliche Körperverletzung - Verweisung auf den Privatklageweg
3. StA S., 01.10.2014 - 23 Js 46875/13 - einfache vorsätzliche Körperverletzung und Sachbeschädigung an einem Kfz - Verweisung auf den Privatklageweg
4. StA U., 07.11.2014 - 14 Js 10131/14 - Unterschlagung - Einstellung gemäß § 153 stopp
5. StA U., 01.06.2015 - 14 Js 10308/15 - einfache vorsätzliche Körperverletzung - Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 stopp
6. StA U., 02.06.2017 - 14 Js 10489/17 - Beleidigung - Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 stopp
7. StA U., 21.09.2017 - 14 Js 11450/17 - einfache vorsätzliche Körperverletzung - Verweisung auf den Privatklageweg
8. StA U., 19.04.2018 - 14 Js 5269/18 - einfache vorsätzliche Körperverletzung - Verweisung auf den Privatklageweg
Mit Bescheid vom 11.05.2018, zugestellt am 24.05.2018, ordnete das Polizeipräsidium U. - Polizeirevier ... - nach vorheriger Anhörung gegenüber der Klägerin gemäß § 81 b Alt. 2 StPO die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen an, bei denen Fingerabdrücke, erkennungsdienstliche Lichtbilder und eine Personenbeschreibung der Klägerin angefertigt und äußerlich erkennbare körperliche Merkmale ohne Leibesvisitation festgestellt werden sollen (Ziff. 2). Zugleich wurde angeordnet, dass sich die Klägerin bis spätestens 29.06.2018 zur Durchführung der Maßnahmen auf dem Polizeirevier ... einzufinden habe (Ziff. 1). Für den Fall der Nichtbefolgung wurde unter der Voraussetzung, dass die Verfügung Bestandskraft erlangt, die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Ziff. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Maßnahmen seien für die Zwecke des Erkennungsdienstes erforderlich, da die Klägerin Beschuldigte in einem aktuell anhängigen Ermittlungsverfahren sei, Anhaltspunkte für die Annahme vorlägen, dass sie nach kriminalistischer Erfahrung erneut als Verdächtige in Betracht kommen könne und die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen für künftige Ermittlungen geeignet, erforderlich und unter Abwägung des Gesamtsachverhalts verhältnismäßig sei. Die Biographie der Klägerin weise sieben Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung auf, davon allein vier Fälle innerhalb eines Jahres. Die Ausführung der Taten sei ähnlich gelagert gewesen und lasse auf eine Neigung zu Gewalt schließen. Die Häufung der Straftaten komme in ihrer Gesamtheit im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleich.
Dagegen erhob die Klägerin am 12.06.2018 Widerspruch, zu dessen Begründung im Wesentlichen vorgetragen wurde, die Klägerin sei nicht vorbestraft. Sie habe keine Kenntnis von sieben Ermittlungsverfahren. Sie habe eine schwierige Scheidung hinter sich, bei der es zu wechselseitigen Anzeigen gekommen sei. Sie vermute, dass die Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang stünden. Zudem sei sie zweimal von einem psychisch kranken Mann angezeigt worden, der ihr nachgestellt habe. Dessen Ehefrau habe sie zwischenzeitlich aufgesucht und sich für sein Verhalten entschuldigt. Die Ermittlungsverfahren wegen der Anlasstaten seien mittlerweile eingestellt. Die Vorwürfe stünden im Zusammenhang mit Mietstreitigkeiten mit der Familie der Anzeigeerstatterin. Das Mietverhältnis sei beendet. Weitere Auseinandersetzungen seien deshalb nicht zu befürchten. Allen Sachverhalten gemeinsam sei, dass dem Anzeigeerstatter die Identität der Klägerin jeweils bekannt gewesen sei. In keinem der Fälle sei es auf eine Identitätsfeststellung der Klägerin angekommen. Zudem habe es sich bei den zur Begründung der Verfügung herangezogenen Taten um bloße Bagatelltaten gehandelt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2019, zugestellt am 02.03.2019, wies das Polizeipräsidium U. den Widerspruch als unbegründet zurück. Die erhebliche Anzahl von Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung lasse auf eine hohe Aggressivität und Gewaltbereitschaft der Klägerin schließen. Köperverletzungsdelikte gehörten wegen der häufig ausschlaggebenden durch Aggressivität gekennzeichneten Täterpersönlichkeit zu einem Deliktstypus, bei dem nach kriminalistischem Erfahrungswissen generell eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit bestehe. Die Vielzahl der strafrechtlich relevanten Vorkommnisse rechtfertige unabhängig von der Schwere der einzelnen Taten in der Gesamtschau die Annahme, dass die Klägerin aller Wahrscheinlichkeit nach wieder einschlägig straffällig werde. Die Einstellung der Verfahren sei gemäß §§ 153, 170 Abs. 2 und 374 ff. StPO erfolgt, so dass ein Restverdacht gegen die Klägerin verbleibe. Keines der Verfahren sei wegen erwiesener Unschuld mit einem Freispruch abgeschlossen worden.
Am 01.04.2019 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, eine erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin wäre in keinem der gegen sie geführten Ermittlungsverfahren hilfreich gewesen, weil sie den Geschädigten jeweils persönlich bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe auch keine besondere Veranlagung oder Neigung zu Gewalttaten. Sämtliche Verfahren hätten, wäre es zu einer Hauptverhandlung gekommen, mit einem Freispruch geendet. Durch die Verfahrenseinstellung habe es keine Möglichkeit gegeben, die Unschuld der Klägerin festzustellen. In den Verfahren, die auf den Privatklageweg verwiesen worden seien, habe keiner der Anzeigeerstatter den Privatklageweg beschritten. Nach alldem sei die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung unverhältnismäßig. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin wiege schwerer als ein denkbarer polizeipräventiver Zweck. Nunmehr zeige auch der Zeitablauf, dass die Klägerin nicht gewaltbereit sei. Die „kriminalistische Erfahrung“ habe sich nicht bewahrheitet.
Die Klägerin beantragt,
10 
den Bescheid des Polizeipräsidiums U. - Polizeirevier ... - vom 11.05.2018 und den Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums U. vom 25.02.2019 aufzuheben,
und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Zur Begründung trägt er ergänzend vor, sowohl die Anzahl als auch die Regelmäßigkeit der begangenen Delikte erlaubten den Schluss, dass die Klägerin dazu neige, bei der Lösung von Konflikten handgreiflich und beleidigend zu werden. Die vom Vertreter der Klägerin geltend gemachten situationsbedingten Faktoren vermöchten die offensichtliche Gewaltbereitschaft der Klägerin nicht zu entkräften. Aus der Tatsache, dass die Klägerin bisher den „potentiell Geschädigten“ bekannt gewesen sei, könne nicht abgeleitet werden, dass sich die Gewalt auch künftig ausschließlich gegen Personen richte, denen die Klägerin bekannt sei. Angesichts der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin könne sich die Gewalt bei einer sich entsprechend emotional entwickelnden Situation auch gegen jede andere Person richten, der die Klägerin dann nicht bekannt wäre.
14 
Mit Beschluss vom 29.04.2020 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
15 
In der mündlichen Verhandlung teilte die Vertreterin des Beklagten ergänzend mit, dass es seit der Anlasstat keine weiteren Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin gegeben habe.
16 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die dem Gericht vorliegenden Behördenakten des Polizeipräsidiums U. und die von den Staatsanwaltschaften U. und S. beigezogenen Ermittlungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
17 
Die als Anfechtungsklage statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig. Das Polizeipräsidium U. hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen die Klägerin anhängig gewesenen Ermittlungsverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>). Für Klagen gegen derartige Maßnahmen der vorsorgenden Strafrechtspflege ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (BVerwG, Beschluss vom 18.05.2011 - 6 B 1.11 -, NVwZ-RR 2011, 710 m.w.N.).
II.
18 
Die Klage ist auch begründet. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit können auch die Vorladung und die Zwangsmittelandrohung keinen Bestand haben.
19 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahmen ist § 81 b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
20 
Das Polizeipräsidium U. hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen die Klägerin geführten Ermittlungsverfahrens (§ 81 b Alt. 1 StPO), sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge für die Zwecke des Erkennungsdienstes angeordnet. Die Klägerin war sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids am 11.05.2018 als auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchbescheids am 25.02.2019 Beschuldigte im Sinne des § 81 b Alt. 2 StPO, da gegen sie ein Verfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung geführt wurde. Hierbei ist es unerheblich, in welchem Verfahrensstadium sich das Ermittlungs- bzw. Strafverfahren befand, da im Rahmen des § 81 b Alt. 2 StPO ein weiter Beschuldigtenbegriff zugrunde gelegt wird, welcher auch den Angeschuldigten und Angeklagten umfasst (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, BVerwGE 162, 275 = NJW 2018, 3194 ). Dass das Strafverfahren gegen die Klägerin mittlerweile beendet ist, ist insofern ohne Bedeutung, da es für die Rechtmäßigkeit einer auf § 81 b Alt. 2 StPO gestützten Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ausreicht, dass der Betroffene im Anordnungszeitpunkt Beschuldigter war (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. ).
21 
2. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen war nicht für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig.
22 
a) Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist – Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen – den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend – fördern könnten (st. Rspr. des BVerwG, zuletzt BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. m.w.N.). Liegen dahin gehende Anhaltspunkte nicht (mehr) vor, so ist die Aufrechterhaltung einer noch nicht vollzogenen angefochtenen Anordnung zur Aufnahme von erkennungsdienstlichen Unterlagen rechtswidrig (BVerwG, a.a.O.).
23 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. juris Rn. 21). Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich. Diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (st. Rspr. des VGH Bad.-Württ., zuletzt Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, VBlBW 2016, 424 m.w.N.).
24 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O.).
25 
Grundlage der Prognose der künftigen Begehung von Straftaten können auch Erkenntnisse aus einem nach §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren sein. Die Verfahrenseinstellung als solche steht der Annahme eines (Rest-)Tatverdachts nicht entgegen. Die Berücksichtigung von Verdachtsgründen, die auch nach einer Verfahrenseinstellung fortbestehen können, stellt keine Schuldfeststellung oder -zuweisung dar, wenn und soweit sie anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient. Sie verstößt daher auch nicht gegen die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verbürgte Unschuldsvermutung (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O. m.w.N.; zu § 170 Abs. 2 StPO auch BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. m.w.N.). Dasselbe gilt auch für Verfahrenseinstellungen nach § 45 JGG (OVG LSA, Beschluss vom 02.10.2012 - 3 O 25/12 -, juris Rn. 9). Auf Grund der unterschiedlichen an die Prognoseentscheidung zu richtenden Maßstäbe können zudem Strafaussetzungen zur Bewährung nach § 56 StGB die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht von vornherein entfallen lassen (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. ; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.05.2008 - 1 S 1503/07 -, NJW 2008, 3082 ; jeweils m.w.N.). Allerdings ist in allen diesen Fällen unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles sorgfältig zu prüfen, aus welchen Gründen eine erkennungsdienstliche Behandlung dennoch notwendig ist (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. ), was im Falle einer Verfahrenseinstellung eine Berücksichtigung der Gründe für diese Einstellung erfordert (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O. m.w.N.).
26 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Notwendigkeit der Maßnahmen ist nicht nur der Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung, sondern auch der Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme dieser Maßnahmen. Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der streitigen noch nicht vollzogenen Anordnung kommt es deshalb für die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten Maßnahmen auf die Sachlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O. ; Urteil vom 13.07.2011 - 1 S 350/11 -, juris Rn. 24).
27 
b) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen als rechtswidrig, weil sie bereits dem Grunde nach nicht notwendig war.
28 
aa) Zwar kann nach kriminalistischer Erfahrung nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtige in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Die diesbezüglich von dem Beklagten getroffene Prognose über das künftige Verhalten der Klägerin beruht, soweit es um Straftaten geht, die dem bisherigen Verhaltensmuster entsprechen, auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage und ist nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar. Auch wenn seit zwei Jahren keine neuen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, ist dieser Zeitraum zu kurz, um daraus auf eine dauerhafte Verhaltensänderung schließen zu können.
29 
Bei einer Gesamtschau der gegen die Klägerin bislang geführten Ermittlungsverfahren ergibt sich, dass diese in Konfliktsituationen im privaten und beruflichen Umfeld (Trennungsstreitigkeiten mit dem (Ex-)Ehemann, Streitigkeiten mit Mietern und Nachbarn, Streit mit einem Autokäufer) zu impulsiven Reaktionen neigt und gelegentlich handgreiflich wird, wobei es zu (einfachen) Körperverletzungen kommen kann. Der Umstand, dass derzeit keine derartigen Konflikte existieren, lässt die Wiederholungsgefahr bezüglich gleichartiger künftiger Straftaten nicht entfallen, weil die Taten ein durchgehendes Verhaltensmuster erkennen lassen, welches persönlichkeitsprägend sein dürfte.
30 
bb) Gleichwohl ist die Notwendigkeit für die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zu verneinen, weil die Personalien der Klägerin bei den Körperverletzungsdelikten in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt unbekannt waren und für eine andere Art der Tatbegehung, bei der erkennungsdienstliche Unterlagen für die Ermittlung der Klägerin als Täterin benötigt werden könnten, keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen (in diesem Sinne auch BayVGH, Beschluss vom 11.03.2004 - 24 CS 03.3324 -, juris). Die Notwendigkeit kann nicht allein mit der Häufung geringfügiger Delikte begründet werden (in diesem Sinne auch VG Saarlouis, Urteil vom 26.02.2013 - 6 K 53/12 -, juris Rn. 37). Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei den Taten, die Gegenstand der gegen die Klägerin geführten Ermittlungsverfahren waren, zwar durchgehend um vorsätzliche Körperverletzungen handelte, diesen aber häufig Provokationen seitens der Opfer vorausgegangen waren. Die Taten waren zudem von einer gleichbleibend geringen kriminellen Intensität gekennzeichnet und hatten für die Opfer keine erheblichen Verletzungsfolgen (leichte Kratzwunden und/oder Hautrötungen, geringe Schmerzen). Keines der Opfer wurde so schwer verletzt, dass es sich in ärztliche Behandlung begeben musste. Bei diesem Befund kann nicht prognostiziert werden, dass die Klägerin künftig eine stärkere kriminelle Energie entwickeln und Körperverletzungen mit schwereren Tatfolgen begehen könnte. Nichts anderes folgt aus dem etwas aus der Reihe fallenden Ermittlungsverfahren 14 Js 10489/17, in welchem die Klägerin - anders als in sämtlichen anderen Ermittlungsverfahren - dem (vermeintlichen) Opfer nicht bekannt war, aber anhand des Kfz-Kennzeichens über eine Halterabfrage ermittelt werden konnte. Gegenstand dieses nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Verfahrens war keine Körperverletzung, sondern nur eine Beleidigung, wobei Aussage gegen Aussage stand und mangels unbeteiligter Zeugen eine weitere Sachaufklärung nicht möglich war. Zwar verblieb auch hier ein Resttatverdacht gegen die Klägerin, doch handelt es sich nach den Umständen der Tat um ein Bagatelldelikt, welches die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht zu rechtfertigen vermag. Nach alldem ergibt die gebotene Gesamtschau, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht notwendig und nicht verhältnismäßig ist.
31 
3. Da die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht erforderlich ist, ist auch die auf § 27 Abs. 1 Nr. 2 PolG gestützte Vorladung der Klägerin zu diesem Zweck rechtswidrig.
32 
4. Nachdem die Grundverfügung rechtswidrig ist, kann die Zwangsmittelandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.
III.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, denn ein verständiger Beteiligter in der Lage der Klägerin durfte im Zeitpunkt der Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.05.2000 - 7 C 8.99 -, Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 5) mit Blick auf die Bedeutung und Schwierigkeit der Sache vernünftigerweise die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für erforderlich halten. Es war der rechtsunkundigen Klägerin nicht zumutbar, das Widerspruchsverfahren ohne Rechtsanwalt zu führen. Auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit kommt es bei der Entscheidung des Gerichts nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.04.1996 - 2 S 928/96 -, VBlBW 1996, 340 f.; OVG LSA, Beschluss vom 21.01.2000 - F 1 S 224.99 -, NVwZ-RR 2000, 842).
34 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

Gründe

 
I.
17 
Die als Anfechtungsklage statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig. Das Polizeipräsidium U. hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen die Klägerin anhängig gewesenen Ermittlungsverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>). Für Klagen gegen derartige Maßnahmen der vorsorgenden Strafrechtspflege ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (BVerwG, Beschluss vom 18.05.2011 - 6 B 1.11 -, NVwZ-RR 2011, 710 m.w.N.).
II.
18 
Die Klage ist auch begründet. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit können auch die Vorladung und die Zwangsmittelandrohung keinen Bestand haben.
19 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahmen ist § 81 b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
20 
Das Polizeipräsidium U. hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen die Klägerin geführten Ermittlungsverfahrens (§ 81 b Alt. 1 StPO), sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge für die Zwecke des Erkennungsdienstes angeordnet. Die Klägerin war sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids am 11.05.2018 als auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchbescheids am 25.02.2019 Beschuldigte im Sinne des § 81 b Alt. 2 StPO, da gegen sie ein Verfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung geführt wurde. Hierbei ist es unerheblich, in welchem Verfahrensstadium sich das Ermittlungs- bzw. Strafverfahren befand, da im Rahmen des § 81 b Alt. 2 StPO ein weiter Beschuldigtenbegriff zugrunde gelegt wird, welcher auch den Angeschuldigten und Angeklagten umfasst (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, BVerwGE 162, 275 = NJW 2018, 3194 ). Dass das Strafverfahren gegen die Klägerin mittlerweile beendet ist, ist insofern ohne Bedeutung, da es für die Rechtmäßigkeit einer auf § 81 b Alt. 2 StPO gestützten Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ausreicht, dass der Betroffene im Anordnungszeitpunkt Beschuldigter war (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. ).
21 
2. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen war nicht für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig.
22 
a) Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist – Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen – den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend – fördern könnten (st. Rspr. des BVerwG, zuletzt BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. m.w.N.). Liegen dahin gehende Anhaltspunkte nicht (mehr) vor, so ist die Aufrechterhaltung einer noch nicht vollzogenen angefochtenen Anordnung zur Aufnahme von erkennungsdienstlichen Unterlagen rechtswidrig (BVerwG, a.a.O.).
23 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. juris Rn. 21). Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich. Diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (st. Rspr. des VGH Bad.-Württ., zuletzt Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, VBlBW 2016, 424 m.w.N.).
24 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O.).
25 
Grundlage der Prognose der künftigen Begehung von Straftaten können auch Erkenntnisse aus einem nach §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren sein. Die Verfahrenseinstellung als solche steht der Annahme eines (Rest-)Tatverdachts nicht entgegen. Die Berücksichtigung von Verdachtsgründen, die auch nach einer Verfahrenseinstellung fortbestehen können, stellt keine Schuldfeststellung oder -zuweisung dar, wenn und soweit sie anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient. Sie verstößt daher auch nicht gegen die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verbürgte Unschuldsvermutung (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O. m.w.N.; zu § 170 Abs. 2 StPO auch BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. m.w.N.). Dasselbe gilt auch für Verfahrenseinstellungen nach § 45 JGG (OVG LSA, Beschluss vom 02.10.2012 - 3 O 25/12 -, juris Rn. 9). Auf Grund der unterschiedlichen an die Prognoseentscheidung zu richtenden Maßstäbe können zudem Strafaussetzungen zur Bewährung nach § 56 StGB die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht von vornherein entfallen lassen (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. ; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.05.2008 - 1 S 1503/07 -, NJW 2008, 3082 ; jeweils m.w.N.). Allerdings ist in allen diesen Fällen unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles sorgfältig zu prüfen, aus welchen Gründen eine erkennungsdienstliche Behandlung dennoch notwendig ist (BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 6 C 39.16 -, a.a.O. ), was im Falle einer Verfahrenseinstellung eine Berücksichtigung der Gründe für diese Einstellung erfordert (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O. m.w.N.).
26 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Notwendigkeit der Maßnahmen ist nicht nur der Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung, sondern auch der Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme dieser Maßnahmen. Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der streitigen noch nicht vollzogenen Anordnung kommt es deshalb für die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten Maßnahmen auf die Sachlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, a.a.O. ; Urteil vom 13.07.2011 - 1 S 350/11 -, juris Rn. 24).
27 
b) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen als rechtswidrig, weil sie bereits dem Grunde nach nicht notwendig war.
28 
aa) Zwar kann nach kriminalistischer Erfahrung nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtige in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Die diesbezüglich von dem Beklagten getroffene Prognose über das künftige Verhalten der Klägerin beruht, soweit es um Straftaten geht, die dem bisherigen Verhaltensmuster entsprechen, auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage und ist nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar. Auch wenn seit zwei Jahren keine neuen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, ist dieser Zeitraum zu kurz, um daraus auf eine dauerhafte Verhaltensänderung schließen zu können.
29 
Bei einer Gesamtschau der gegen die Klägerin bislang geführten Ermittlungsverfahren ergibt sich, dass diese in Konfliktsituationen im privaten und beruflichen Umfeld (Trennungsstreitigkeiten mit dem (Ex-)Ehemann, Streitigkeiten mit Mietern und Nachbarn, Streit mit einem Autokäufer) zu impulsiven Reaktionen neigt und gelegentlich handgreiflich wird, wobei es zu (einfachen) Körperverletzungen kommen kann. Der Umstand, dass derzeit keine derartigen Konflikte existieren, lässt die Wiederholungsgefahr bezüglich gleichartiger künftiger Straftaten nicht entfallen, weil die Taten ein durchgehendes Verhaltensmuster erkennen lassen, welches persönlichkeitsprägend sein dürfte.
30 
bb) Gleichwohl ist die Notwendigkeit für die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zu verneinen, weil die Personalien der Klägerin bei den Körperverletzungsdelikten in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt unbekannt waren und für eine andere Art der Tatbegehung, bei der erkennungsdienstliche Unterlagen für die Ermittlung der Klägerin als Täterin benötigt werden könnten, keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen (in diesem Sinne auch BayVGH, Beschluss vom 11.03.2004 - 24 CS 03.3324 -, juris). Die Notwendigkeit kann nicht allein mit der Häufung geringfügiger Delikte begründet werden (in diesem Sinne auch VG Saarlouis, Urteil vom 26.02.2013 - 6 K 53/12 -, juris Rn. 37). Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei den Taten, die Gegenstand der gegen die Klägerin geführten Ermittlungsverfahren waren, zwar durchgehend um vorsätzliche Körperverletzungen handelte, diesen aber häufig Provokationen seitens der Opfer vorausgegangen waren. Die Taten waren zudem von einer gleichbleibend geringen kriminellen Intensität gekennzeichnet und hatten für die Opfer keine erheblichen Verletzungsfolgen (leichte Kratzwunden und/oder Hautrötungen, geringe Schmerzen). Keines der Opfer wurde so schwer verletzt, dass es sich in ärztliche Behandlung begeben musste. Bei diesem Befund kann nicht prognostiziert werden, dass die Klägerin künftig eine stärkere kriminelle Energie entwickeln und Körperverletzungen mit schwereren Tatfolgen begehen könnte. Nichts anderes folgt aus dem etwas aus der Reihe fallenden Ermittlungsverfahren 14 Js 10489/17, in welchem die Klägerin - anders als in sämtlichen anderen Ermittlungsverfahren - dem (vermeintlichen) Opfer nicht bekannt war, aber anhand des Kfz-Kennzeichens über eine Halterabfrage ermittelt werden konnte. Gegenstand dieses nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Verfahrens war keine Körperverletzung, sondern nur eine Beleidigung, wobei Aussage gegen Aussage stand und mangels unbeteiligter Zeugen eine weitere Sachaufklärung nicht möglich war. Zwar verblieb auch hier ein Resttatverdacht gegen die Klägerin, doch handelt es sich nach den Umständen der Tat um ein Bagatelldelikt, welches die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht zu rechtfertigen vermag. Nach alldem ergibt die gebotene Gesamtschau, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht notwendig und nicht verhältnismäßig ist.
31 
3. Da die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht erforderlich ist, ist auch die auf § 27 Abs. 1 Nr. 2 PolG gestützte Vorladung der Klägerin zu diesem Zweck rechtswidrig.
32 
4. Nachdem die Grundverfügung rechtswidrig ist, kann die Zwangsmittelandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.
III.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, denn ein verständiger Beteiligter in der Lage der Klägerin durfte im Zeitpunkt der Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.05.2000 - 7 C 8.99 -, Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 5) mit Blick auf die Bedeutung und Schwierigkeit der Sache vernünftigerweise die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für erforderlich halten. Es war der rechtsunkundigen Klägerin nicht zumutbar, das Widerspruchsverfahren ohne Rechtsanwalt zu führen. Auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit kommt es bei der Entscheidung des Gerichts nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.04.1996 - 2 S 928/96 -, VBlBW 1996, 340 f.; OVG LSA, Beschluss vom 21.01.2000 - F 1 S 224.99 -, NVwZ-RR 2000, 842).
34 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

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