Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (5. Kammer) - 5 K 1332/16.TR
Tenor
1. Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers fortzuführen und über den von ihm gestellten Asylantrag zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger und die Beklagte haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger, der seinen Angaben zufolge 1993 geboren und somalischer Staatsangehöriger ist, begehrt eine Bescheidung des von ihm am 7. Januar 2014 bei der Außenstelle Trier des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in Trier gestellten Asylantrags, nachdem er am 5. Dezember 2013 am Flughafen Frankfurt-Hahn bei seiner Einreise aus Italien aufgefallen und nachfolgend am 9. Dezember 2013 in Gießen als Asylsuchender erfasst worden war. Außerdem begehrt er eine Verpflichtung der Beklagten, ihm mitzuteilen, bis wann über seinen Asylantrag entschieden wird.
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Bei einem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am Tag der Asylantragstellung trug der Kläger vor, Somalia im Januar 2012 verlassen zu haben und auf dem Landweg über Äthiopien und den Sudan nach Libyen gereist zu sein. Von dort aus sei er im April 2012 mit einem Boot nach Italien übergesetzt, sei etwa einen Monat in Italien geblieben und dann in die Schweiz weitergefahren, wo er sich von Juni 2012 bis Januar 2013 aufgehalten habe, ehe er nach Italien zurückgeschoben worden sei. Im Dezember 2013 sei dann nach Deutschland geflogen.
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Eine in Bezug auf den Kläger durchgeführte Eurodac-Recherche ergab einen Treffer „IT1…“. Außerdem ermittelte die Beklagte, dass dem Kläger in Italien am 24. Juni 2011 subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist.
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Mit Bescheid vom 23. Juni 2014 stellte die Beklagte sodann unter Bezugnahme auf § 26a AsylG fest, dass dem Kläger in Deutschland kein Asylrecht zustehe, und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Diesen Bescheid hob die erkennende Kammer mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 25. Juni 2015 – 5 K 1241/14.TR – auf und führte zur Begründung der Entscheidung unter Bezugnahme auf ein Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 16. Juli 2014 – 10 A 10692/13.OVG – u.a. aus, dass § 26a AsylG vorliegend nicht anwendbar sei, weil dem Kläger im Anwendungsbereich der Dublin II-VO in Italien lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden sei.
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Nachfolgend übersandte die Beklagte dem Kläger zwei Fragebögen mit der Bitte, sie ausgefüllt zurückzusenden. Dem kam der Kläger am 7. September 2015 nach.
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Nachdem die Beklagte auf eine Anfrage des Klägers vom 31. März 2016 unter Fristsetzung bis zum 14. April 2016, bis wann mit einer mündlichen Anhörung und einer Entscheidung zu rechnen sei, nicht geantwortet hatte, hat er am 15. April 2016 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend macht, dass die Beklagte gemäß § 24 Abs. 4 AsylG verpflichtet sei, ihm mitzuteilen, bis wann mit einer inhaltlichen Entscheidung über seinen Asylantrag zu rechnen sei. Der Antrag zu 1) werde im Hinblick auf die Bestimmung des § 44a VwGO gestellt.
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Der Kläger, der sich ebenso wie die Beklagte, die eine generelle Einverständniserklärung abgegeben hat, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten,
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1. sein Asylverfahren fortzuführen und den von ihm gestellten Asylantrag zu bescheiden,
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2. ihm mitzuteilen, bis wann über seinen Asylantrag entschieden wird.
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Die Beklagte beantragt, ohne sich zur Sache zu äußern,
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das Verfahren auszusetzen und eine angemessene Frist für die Entscheidung festzusetzen,
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und ersichtlich hilfsweise, die Klage abzuweisen.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 23. Mai 2016 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegte Verwaltungsakte.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist hinsichtlich des Antrags zu 1) in dem gemäß § 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG – maßgebenden Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung als Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 VwGO zulässig und begründet; die Beklagte ist zur Fortführung des Verfahrens und zur Entscheidung über den Asylantrag des Klägers verpflichtet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO); hinsichtlich des Klageantrags zu 2) ist die Klage unzulässig.
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Nach § 75 Satz 1 VwGO ist eine Klage zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.
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Die Voraussetzungen des § 75 Satz 2 VwGO, wonach eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Antragstellung erhoben werden kann, sind hinsichtlich des Antrags zu 1) vorliegend erfüllt, nachdem der Asylantrag des Klägers bereits vor nahezu 2 ½ Jahren gestellt wurde, ohne dass bislang über ihn entschieden worden ist.
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Soweit die Beklagte in anderen Klageverfahren unter Bezugnahme auf einen Beschluss des VG Regensburg vom 6. Juli 2015 - RN 1 K 15.31185 -, juris, die Auffassung vertreten hat, dass im Asylrecht weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage sei, dass der Asylbewerber vor Klageerhebung bei der Beklagten einen Antrag im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG auf Mitteilung gestellt habe, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden werde, teilt die Kammer dieser Auffassung nicht.
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Diese Bestimmung muss im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - Verfahrensrichtlinie - gesehen werden, der zufolge die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass das Prüfungsverfahren, in dem Asylanträge bearbeitet werden, unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird und der Asylbewerber für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, a) über die Verzögerung informiert wird oder b) auf sein Ersuchen hin über den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung über seinen Antrag zu rechnen ist, unterrichtet wird, wobei allerdings diese Unterrichtung für den Mitgliedstaat keine Verpflichtung gegenüber dem Asylbewerber begründet, innerhalb dieses zeitlichen Rahmens eine Entscheidung zu treffen.
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Diese europarechtliche Verpflichtung hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Änderung des § 24 AsylG durch Gesetz vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970/1997) in nationales Recht umgesetzt, wobei es in der Gesetzesbegründung in der BT-Drucksache 16/5065 auf Seite 216 heißt:
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„Absatz 4 setzt Artikel 23 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie um. Die Regelung verpflichtet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, auf Antrag mitzuteilen, innerhalb welcher Frist mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Eine Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb der angegebenen Frist wird hierdurch nicht begründet.“
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Demzufolge ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch § 24 Abs. 4 AsylG die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO einschränken wollte, zumal die Möglichkeit einer nicht antragsgebundenen Informationspflicht des Art. 23 Abs. 2a der Richtlinie 2005/85/EG nicht in nationales Recht umgesetzt wurde.
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Hinzu kommt, dass der europäische Richtliniengeber die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einer zügigen Bearbeitung von Asylverfahren in Art. 31 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes zur Neufassung der Richtlinie 2005/85/EG – neue Asylverfahrensrichtlinie – erneut bekräftigt hat.
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Von daher stellt eine vorherige Antragstellung im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG nach ständiger Rechtsprechung der Kammer keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Untätigkeitsklage im Bereich des Asylrechts dar (vgl. Urteil vom 25. Januar 2016 – 5 K 3792/15.TR –; ebenso: VG Lüneburg, Beschluss vom 15. April 2016 – 5 A 301/15 –, juris, VG München, Urteil vom 8. Februar 2016 – M 24 K 15.31419 –, VG Hannover, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 7 A 5037/15 –, juris, VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 24 K 992/14.A -, juris, VG Osnabrück, Urteil vom 14. Oktober 2015 – 5 A 390/15 –, juris)
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Im Übrigen fehlt es der insoweit auf Bescheidung gerichteten Klage auch nicht deshalb am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger gehalten wäre, statt auf Bescheidung unmittelbar auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung solcher Rechtspositionen zu klagen, die gemäß § 13 AsylG vom Asylantrag umfasst werden. Das Gericht ist nämlich in den Fällen der vorliegenden Art abweichend von den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts nicht verpflichtet, selbst über den geltend gemachten Asylanspruch des Klägers zu entscheiden.
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Zwar sind auch im Bereich des Asylrechts die Verwaltungsgerichte bei einer Verpflichtungsklage grundsätzlich gehalten, die Sache spruchreif zu machen und das Verfahren nicht an die Behörde zurückzuverweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris). Dies gilt indessen in den Fällen, in denen ein Asylbewerber erstmals einen Asylantrag gestellt hat, nur dann, wenn bereits eine behördliche Entscheidung über das Asylbegehren ergangen ist. Ist hingegen noch keine behördliche Entscheidung ergangen, so würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen. Gelangt das Bundesamt nämlich nach entsprechender Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Begehren keinen Erfolg haben kann, so ist es gehalten, mit der Bescheidung des Asylantrags zugleich über aufenthaltsbeendende Anordnungen zu entscheiden. Insoweit kommt in den Fällen der §§ 26a, 27a AsylG der Erlass einer auf der Grundlage des § 34a AsylG ergehenden sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung in Betracht. Gelangt das Bundesamt bei seiner Entscheidung nach § 31 AsylG indessen zu der Schlussfolgerung, dass das Begehren sachlich keinen Erfolg haben kann, sieht § 34 AsylG der Erlass einer Abschiebungsandrohung vor, wobei in den Fällen, in denen das Bundesamt den Asylantrag als gemäß §§ 29a, 30 AsylG offensichtlich unbegründet einstuft, § 36 AsylG das weitere Verfahren bestimmt und eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle der Bundesamtsentscheidung und eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers vorsieht. Eine vergleichbare Möglichkeit zum Erlass aufenthaltsbeendender Anordnungen steht dem Gericht indessen nicht zu, denn es kann weder eine Abschiebungsanordnung im Sinne des § 34a AsylG noch eine Abschiebungsandrohung im Sinne der §§ 34, 36 AsylG erlassen. Vielmehr müsste eine – erneut gerichtlich überprüfbare – Abschiebungsandrohung unter Fristsetzung nachträglich von der Behörde erlassen werden, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylgesetzes völlig widerspricht (vgl. zu alledem: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris). Hinzu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Asylrecht auch in den so genannten Dublin-Verfahren, in denen das Bundesamt den Asylantrag nicht in der Sache geprüft hat, den Gerichten keine Berechtigung zuweist, den geltend gemachten Asylanspruch sachlich zu prüfen, sondern eine Anfechtungsklage als allein statthafte Klageart ansieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 –).
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Von daher kommt ein Durchentscheiden des Verwaltungsgerichts bei einer Asylverpflichtungsklage nur dann in Betracht, wenn der Kläger bereits mit einem erstmals in Deutschland gestellten Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebenen und in diesem Verfahren eine Abschiebungsandrohung ergangen ist (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 –, a.a.O.; rechtskräftiges Urteil der erkennenden Kammer vom 30. Mai 2012 – 5 K 967/11.TR -, VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Daran fehlt es indessen vorliegend.
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Ausgehend hiervon ist die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1) zulässig.
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Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) ist die Klage indessen unzulässig.
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Zwar bestimmt der als Rechtsgrundlage für dieses Begehren allein in Betracht kommende § 24 Abs. 4 AsylG, dass in den Fällen, in denen eine Entscheidung über den Asylantrag nicht innerhalb von sechs Monaten ergeht, das Bundesamt dem Ausländer auf Antrag mitzuteilen hat, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden wird. Allerdings kommt einer Mitteilung im Sinne der Norm keine Regelungswirkung zu, weil die Behörde sich durch sie keine verbindliche Frist setzt, sondern nur eine unverbindliche Zwischennachricht erteilt, mit welcher Verfahrensdauer in etwa zu rechnen ist (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucksache 16/5065 auf Seite 216 und BVerwG, Beschluss vom 16. März 2016 – 1 B 19/16 –, juris), so dass sie keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG darstellt (vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 25 Rdnr. 22a) und eine auf ihre Erteilung gerichtete Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO von vornherein unzulässig ist.
- 32
Der vom Kläger gestellte Verpflichtungsantrag kann auch nicht in Anwendung des §§ 88 VwGO in einen allgemeinen Leistungsantrag umgedeutet werden (vgl. zu einer derartigen Umdeutung: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juni 2015 –OVG 6 B 40.15 –, juris), denn das Klagebegehren ist auch als allgemeine Leistungsklage unzulässig, weil es dem Kläger an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehlt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob es Voraussetzung für die Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage im öffentlichen Recht ist, dass vor Klageerhebung – woran es vorliegend fehlt – ein entsprechender Antrag bei der Behörde gestellt wurde (vgl. zur Frage eines derartigen Erfordernisses: BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2001 – 2 C 48/00 – und vom 16. April 1997 – 6 C 9/95 –, juris), denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Kläger durch die erstrebte Mitteilung einen schützenswerten rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil erlangen könnte. Einem Asylbewerber, über dessen Asylantrag nicht in angemessener Zeit entschieden wurde, können nämlich durch einen Verstoß der Beklagten gegen die ihr durch § 24 Abs. 4 AsylG auferlegte Informationspflicht keine rechtlich oder tatsächlich relevanten Nachteile entstehen, da ihm durch die Möglichkeit der gerichtskostenfreien Untätigkeitsklage hinreichend Rechtsschutz gewährt wird (vgl. auch Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Band 3, B2. Rdnr. 64 mit weiteren Nachweisen), wobei eine vorherige Antragstellung im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG – wie bereits ausgeführt – keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Untätigkeitsklage im Bereich des Asylrechts.
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Von daher stellt sich die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 2) als unzulässig dar, ohne dass es darauf ankommt, ob der Zulässigkeit dieses Antrags außerdem § 44a VwGO entgegensteht (vgl. hierzu auch: VG Stuttgart, Urteil vom 3. Februar 2015 - A 6 K 3840/14 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Mai 2016 – A 11 S 223/16 – und das das vorstehend zitierte Urteil des VG Stuttgart betreffende Berufungsurteil vom 1. Dezember 2015 – A 11 S 490/15 –, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 44a Rdnrn. 1 und 3).
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Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch in der Sache begründet, denn es fehlt an einem sachlichen Grund für die bisherige Nichtbescheidung des Asylantrags des Klägers, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt.
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Wie den vorstehend zitierten Gesetzesmaterialien entnommen werden kann, sieht der Gesetzgeber eine Frist von sechs Monaten grundsätzlich als angemessene Zeit für eine Bearbeitung eines Asylantrags an. Von daher spricht zwar viel dafür, dass bis zum Ablauf dieser Frist stets ein zureichender Grund für eine Nichtbescheidung eines Asylantrages vorliegt. Dieser Sechsmonatszeitraum ist indessen vorliegend weit überschritten.
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Soweit in der Rechtsprechung teilweise angenommen wird, dass dem Sechsmonatszeitraum stets weitere drei Monate hinzuzurechnen seien (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Februar 2014 - 13 L 148/14.A - mit weiteren Nachweisen, juris), kann dies dahingestellt bleiben, da vorliegend auch dieser Neunmonatszeitraum überschritten ist.
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Im Übrigen muss nach Auffassung der Kammer auch gesehen werden, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 – ausdrücklich betont hat, dass die Situation von Asylbewerbern nicht durch eine unangemessen lange Dauer zur Bearbeitung ihres Verfahrens verschlimmert werden darf, wobei das BVerwG eine Verfahrensdauer von etwas mehr als elf Monaten von der Asylantragstellung bis zur Erteilung der Zustimmung eines anderen EU-Mitgliedstaates zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers nicht als unangemessen lang erachtet (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 34/14 –, juris).
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Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es in der Praxis schwierig sei, das Verfahren innerhalb von 6 Monaten abzuschließen, und deshalb Art. 31 Abs. 3 Sätze 3 und 4 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes eine Bearbeitungszeit von bis zu 18 Monaten vorsehe, muss berücksichtigt werden, dass diese Norm gemäß Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU von vornherein auf den Asylantrag des Klägers nicht anwendbar ist, die Mitgliedstaaten im Übrigen dieser Norm gemäß Art. 51 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU erst bis zum 20. Juli 2018 nachzukommen haben und schließlich auch dieser 18-monatige Zeitraum vorliegend bereits verstrichen ist.
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Schließlich kann ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des klägerischen Asylantrags auch nicht in der erheblich gestiegenen Zahl der beim Bundesamt anhängigen Asylverfahren gesehen werden. Zwar hat die Beklagte unter Angabe von statistischen Daten nachvollziehbar erläutert, dass die Zahl der Asylanträge in letzter Zeit enorm angestiegen ist. Der pauschale Hinweis darauf, dass diesen Herausforderungen durch organisatorische Umverteilungsmaßnahmen und Priorisierungsentscheidungen Rechnung getragen werden müsse und derzeit alle Entscheider mit dem Abbau des weiter steigenden Antragsanfalls beschäftigt seien, lässt indessen nur den Schluss zu, dass die Untätigkeit der Beklagten im vorliegenden Verfahren die Folge einer seit mehreren Jahren zu verzeichnenden ständigen Arbeitsüberlastung des Bundesamtes ist. Dies stellt indessen keinen sachlichen Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO dar (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 28. Ergänzungslieferung 2015, § 75 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen; rechtskräftiges Urteil der erkennenden Kammer vom 26. Mai 2015 – 5 K 726/15. TR –, VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 a.a.O.). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welche konkreten Vorkehrungen die Beklagte in der Vergangenheit getroffen hat, um Verfahren grundsätzlich in der Reihenfolge der Antragstellung abzuschließen und lediglich besonders eilbedürftige Verfahren einer schnelleren Erledigung zuzuführen. Ferner hat die Beklagten nicht hinreichend dargelegt, inwieweit sie im Vorfeld alles Zumutbare unternommen hat, um zusätzliches Personal zur Bewältigung der ansteigenden Verfahrenszahlen heranzuziehen bzw. einzustellen. Soweit sie in jüngster Zeit dahingehende Bemühungen getätigt hat, können diese angesichts des Zeitraums, der vorliegend bereits seit Stellung des Asylantrags vergangen ist, keine Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO rechtfertigen.
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Von daher ist die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1) in der Sache begründet.
- 41
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.
- 42
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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