Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (6. Kammer) - 6 K 2267/17.TR

Tenor

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 27. April 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 21. September 2016 verpflichtet, über die als ruhegehaltfähig anerkannten Zeiten hinaus dem Kläger die Zeit seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Angestellter an der Universität ... vom 01. März 1981 bis zum 31. März 1985 in vollem Umfang als ruhegehaltfähig anzuerkennen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagte und der Kläger jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich des zuerkannten Teils wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung ruhegehaltfähiger (Vor-) Dienstzeiten.

2

Der im Jahre 1954 geborene Kläger studierte vom 01. Oktober 1974 bis zum 15. Dezember 1980 Meteorologie an der Universität ... mit dem Abschluss als Diplom-Meteorologe. In der Zeit vom 01. März 1981 bis zum 31. März 1985 war er als Wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität ... mit einer festgesetzten wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Ein begleitendes Promotionsverfahren im Bereich der numerischen Meteorologie schloss der Kläger mit Verleihung des Doktors der Naturwissenschaften am 21. Juni 1985 ab.

3

Am 01. April 1985 trat der Kläger in den Dienst der Beklagten. Er wurde zunächst als Wetterdienstreferendar und Beamter auf Widerruf beim Deutschen Wetterdienst eingestellt. Mit Wirkung vom 01. April 1987 wurde er nach Ablegung der Großen Staatsprüfung für den höheren Wetterdienst in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung versetzt, wo er zunächst als Beamter auf Probe und ab dem 01. Mai 1988 als Beamter auf Lebenszeit beschäftigt war.

4

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2002 beantragte der Kläger gegenüber der Wehrbereichsverwaltung ... im Hinblick auf einen etwaigen Wechsel vom Beamtenstatus in den Soldatenstatus eine vergleichende Berechnung der Versorgung wie sie entstehen würde, (1.) bei weitergeführtem Beamtenverhältnis und Zurruhesetzung mit 65. Lebensjahr, und (2.) bei Übertritt in das Soldatenverhältnis und Zurruhesetzung mit 62. Lebensjahr.

5

Mit Schreiben vom 23. Januar 2003 beantragte der Kläger gegenüber dem Bundesamt für Wehrverwaltung zudem die Berücksichtigung der Zeiten gemäß §§ 11 und 12 Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG – bei der Festsetzung seiner ruhegehaltfähigen Dienstzeiten.

6

Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2003 teilte das Bundesamt für Wehrverwaltung dem Kläger unter Bezug auf seinen Antrag vom 23. Januar 2003 mit, aufgrund des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG würden bei Eintritt des Versorgungsfalles als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt, (1.) nach § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG die Zeit im Angestelltenverhältnis bei der Universität ... mit 4 Jahren und 31 Tagen, und (2.) nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG die Zeit der Hochschulausbildung einschließlich der Prüfungszeit mit 3 Jahren, mithin insgesamt 7 Jahre und 31 Tage. Zudem wies das Bundesamt in dem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben abschließend darauf hin, dass die Angaben nur der Unterrichtung dienten und unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Rechtslage stünden. Sie begründeten keinen Rechtsanspruch und seien für die endgültige Festsetzung der Versorgungsbezüge unverbindlich.

7

Mit Schriftsatz vom 29. April 2003, teilweise korrigiert durch Schreiben vom 19. August 2003, teilte die Wehrbereichsverwaltung ... dem Kläger unter Bezug auf sein Schreiben vom 22. Oktober 2002 seine voraussichtliche ruhegehaltfähige Dienstzeit, den sich daraus ergebenden voraussichtlichen Ruhegehaltsatz und die voraussichtliche Höhe der Brutto-Versorgungsbezüge nach dem BeamtVG bei einer Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. Juni 2019 und nach dem Soldatenversorgungsgesetz – SVG – bei einer Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. Juni 2016 mit. Dabei ging die Wehrbereichsverwaltung sowohl unter Zugrundelegung des BeamtVG als auch des SVG im Hinblick auf das vom Kläger absolvierte Hochschulstudium von einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 3 Jahren und hinsichtlich seiner Zeit im Angestelltenverhältnis bei der Universität ... von einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 4 Jahren und 31 Tagen aus. Zugleich wies sie in dem Schreiben, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, darauf hin, dass die Auskunft unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Rechtslage stehe und keinen Rechtsanspruch auf Festsetzung der Versorgungsbezüge in der angegebenen Höhe bei tatsächlichem Eintritt in den Ruhestand begründe.

8

Mit Wirkung zum 01. Juni 2007 wurde der Kläger in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen.

9

Unter dem 26. April 2016 beantragte der Kläger im Hinblick auf die bevorstehende Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. Juni 2016, sämtliche seit seinem Eintritt in die Bundeswehr am 01. April 1987 geleisteten Dienstzeiten für die Festsetzung seiner zukünftigen Versorgungsbezüge zu berücksichtigen sowie ferner die mit Bescheid des Bundesamtes für Wehrverwaltung vom 29. Januar 2003 festgesetzten ruhegehaltfähigen Dienstzeiten mit zu berücksichtigen.

10

Auf diesen Antrag hin erkannte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Bescheid vom 27. April 2016 nach § 23 Abs. 1 SVG die Zeit des Studiums der Meteorologie für 855 Tage und nach § 23 Abs. 2 SVG die Zeit der Tätigkeit als Angestellter der Universität ... zu 50 % als ruhegehaltfähig an. Zur Begründung führte das Personalamt unter anderem aus, die Zeit der praktischen hauptberuflichen Tätigkeit an der Universität ... sei für die Wahrnehmung der dem Kläger als Berufssoldat übertragenen Aufgaben im Sinne des § 23 Abs. 2 SVG förderlich gewesen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 01. Mai 2016 zugestellt.

11

Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Beschwerde ein. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, es bestehe bereits keine Rechtsgrundlage für den Erlass des neuen Bescheides, da der Ausgangsbescheid aus dem Jahr 2003 rechtmäßig gewesen sei, sodass nur ein Widerruf gemäß § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – vorgenommen werden könne. Hierfür lägen aber weder die Voraussetzungen vor, noch sei ein Widerruf oder einer Rücknahme des früheren Bescheides tatsächlich erfolgt. Insbesondere sei es materiell-rechtlich richtig, die Zeiten des früheren Angestelltenverhältnisses an der Universität ... mit 100 %, anstatt nunmehr nur noch mit 50 % anzusetzen, da wissenschaftliche Angestellte an den Universitäten in dieser Zeit ganztags in Forschung und Lehre eingesetzt worden seien. Auch hätte nach § 24 Abs. 1 SVG die Promotion während des Angestelltenverhältnisses an der Universität ... berücksichtigt werden müssen, da er sich gerade aufgrund der durch die Promotion erworbenen Expertise für die Einstellung in die Bundeswehr durchzusetzen vermochte. Selbst wenn der Ursprungsbescheid rechtswidrig gewesen sein sollte, könne er sich auf Vertrauensschutz berufen, weil die Berechnung und Gegenüberstellung aus dem Jahre 2003 Grundlage seiner Entscheidung gewesen sei, vom Beamtenverhältnis in das Soldatenverhältnis zu wechseln.

12

Mit Beschwerdebescheid vom 21. September 2016 wies das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Beschwerde des Klägers zurück. Zur Begründung führte das Personalamt im Wesentlichen aus, der Bescheid müsse sich nicht an den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG messen lassen, da der Anerkennungsbescheid vom 29. Januar 2003 auf Grundlage des damaligen Beamtenverhältnisses ergangen sei und sich mit Überführung in das Soldatenverhältnis nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt habe. Gegen die Anrechnung der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität ... nach § 23 Abs. 2 SVG zu 50 % bestünden keine Bedenken, da der Behörde insoweit ein Ermessensspielraum eingeräumt sei und Ermessensfehler nicht ersichtlich seien. Die Anrechnung sei in äquivalentem Maße zu seinem Tätigkeitsumfang von nur 20 Stunden in der Woche erfolgt. Insbesondere bestehe keine Bindung an die auf Grundlage des Beamtenverhältnisses erfolgten Festsetzungen des Bundesamtes für Wehrverwaltung. Schließlich sei die Anrechnung der Promotion nach § 24 Abs. 1 SVG rechtsfehlerfrei unterblieben, da nicht ersichtlich sei, dass die hierdurch erworbenen Fachkenntnisse notwendige Voraussetzung für seine Verwendung im Fachbereich der Meteorologie bildeten. Der Beschwerdebescheid wurde dem Klägerbevollmächtigten am 27. September 2016 zugestellt.

13

Der Kläger hat am 25. Oktober 2016, der Rechtsbehelfsbelehrung des Beschwerdebescheides folgend, Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sich mit Beschluss vom 20. Februar 2017 (Az.: ...) für örtlich unzuständig erklärt und die Klage an das erkennende Gericht verwiesen. Zur Begründung nimmt der Kläger auf seine Ausführungen im Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren Bezug. Ergänzend führt er aus, neben dem Bescheid vom 29. Januar 2003 liege auch eine verbindliche Auskunft der Wehrbereichsverwaltung ... vom 29. April 2003 vor. Die darin enthaltene Vergleichsberechnung sei auf Basis des BeamtVG und des SVG zu einer identischen Berücksichtigung der ruhegehaltfähigen Dienstzeiten gelangt, sodass er darauf vertraut habe, der Bescheid vom 29. Januar 2003 werde auch für das Soldatenverhältnis fortgelten. Insoweit bedürfe es zunächst der Entscheidungen gemäß §§ 48, 49 VwVfG, an denen es bislang fehle. Jedenfalls könne er sich auch auf Vertrauensschutz berufen, da die frühere Festsetzung Grundlage seiner Entscheidung gewesen sei, in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten zu wechseln.

14

Nachdem der Kläger seine Klage hinsichtlich der zunächst ebenfalls begehrten Verpflichtung der Beklagten, ihm die Zeit seines Studiums der Meteorologie im Umfang von drei Jahren als ruhegehaltfähig anzuerkennen, zurückgenommen hat, beantragt er,

15

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 27. April 2016 in Gestalt deren Beschwerdebescheides vom 21. September 2016 zu verpflichten, über die als ruhegehaltfähig anerkannten Zeiten hinaus, ihm die Zeit seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Angestellter an der Universität ... vom 01. März 1981 bis zum 31. März 1985 in vollem Umfang als ruhegehaltfähig anzuerkennen,

16

hilfsweise, die Zeit seiner Promotion vom 01. März 1981 bis zum 31. März 1985 als ruhegehaltfähig anzuerkennen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen in dem Beschwerdebescheid Bezug. Ergänzend trägt sie vor, auch das Schreiben der Wehrbereichsverwaltung ... vom 29. April 2003 vermöge keine Bindungswirkung zu entfalten, da ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass die Angaben der Vergleichsberechnung unter dem Vorbehalt der unveränderten Rechtslage stünden und keinen Rechtsanspruch auf Festsetzung der Versorgungsbezüge in der angegebenen Höhe begründeten. Es bedürfe daher keiner vorherigen Rücknahme bzw. keines vorherigen Widerrufs nach den §§ 48, 49 VwVfG, sodass es auf Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht ankomme.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

I. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – einzustellen.

22

II. Im Übrigen ist die zulässige Klage bereits im Hauptantrag begründet, sodass es keiner Entscheidung über den gestellten Hilfsantrag bedarf.

23

Der Bescheid der Beklagten vom 27. April 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 21. September 2016 ist – soweit angegriffen – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf vollumfängliche Anerkennung seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Angestellter an der Universität ... vom 01. März 1981 bis zum 31. März 1985 als ruhegehaltfähig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

24

1. Der Anspruch des Klägers folgt aus dem Bescheid des Bundesamtes für Wehrverwaltung vom 29. Januar 2003, in welchem die Zeit des Klägers im Angestelltenverhältnis bei der Universität ... vom 01. März 1981 bis zum 31. März 1985 im Hinblick auf die Vorschrift des § 10 BeamtVG in der zur Zeit des Erlasses des Bescheides geltenden Fassung in vollem Umfang, mithin für 4 Jahre und 31 Tage, als ruhegehaltfähig anerkannt worden ist.

25

Bei dem Bescheid vom 29. Januar 2003 handelt es sich um eine sog. Vorabentscheidung über die ruhegehaltfähige Dienstzeit im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG. Die genannte Vorschrift berechtigt die Beklagte, über die Frage, ob Zeiten auf Grund der §§ 10 bis 12 BeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen sind, vorab, d.h. vor dem Eintritt des Versorgungsfalles, zu entscheiden. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte durch die hier getroffene Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit Gebrauch gemacht. Eine solche Vorabentscheidung stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, der mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist in Bestandskraft erwächst. Die Verwaltung ist dazu verpflichtet, die vormals als ruhegehaltfähig anerkannten Zeiten auch als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen und den Ruhegehaltsatz danach zu ermitteln (vgl. Plog/Wiedow/Beck, Kommentar zum BBG mit BeamtVG, § 49 BeamtVG Rn. 100; BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1985 – 2 C 40.82 –; VG Ansbach, Urteil vom 27. Juli 2000 – AN 17 K 99.00960 –; VG Minden, Urteil vom 13. April 2005 – 4 K 828/04 –; VG Augsburg, Urteil vom 10. März 2005 – Au 2 K 02.1587 –, jeweils juris).

26

Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Festsetzung in dem Bescheid vom 29. Januar 2003 – wie in § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ausdrücklich vorgesehen – unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Rechtslage ergangen ist. Wenn sich die Rechtslage nach der Vorabentscheidung und bis zum Eintritt des Versorgungsfalles ändert, entfällt auch die Bindungswirkung dieser Entscheidung. Vor diesem Hintergrund ist auch der in dem Bescheid enthaltene Hinweis zu verstehen, dass die Angaben keinen Rechtsanspruch begründeten und für die endgültige Festsetzung bei Eintritt des Versorgungsfalles unverbindlich seien. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beklagte sich dem Grunde nach an der Vorabentscheidung bei der endgültigen Festsetzung der Versorgungsbezüge festhalten lassen muss, wenn sich die zugrundeliegende Rechtslage – wie im vorliegenden Fall – zwischen Vorabentscheidung und Eintritt des Versorgungsfalles nicht geändert hat. Dieser Auslegung entspricht insbesondere auch Sinn und Zweck der Vorschrift, der darin besteht, der Beweissicherung zu dienen und dem Beamten eine sichere Grundlage für die Berechnung seiner späteren Versorgung zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1982 – 2 C 4.81 –, juris Rn. 13).

27

2. Der Bescheid vom 29. Januar 2003 beansprucht auch nach Überführung des Klägers vom Beamtenverhältnis in das Verhältnis eines Berufssoldaten fortwährende Geltung. Die Bindungswirkung der Vorabentscheidung ist durch den Statuswechsel des Klägers nicht entfallen.

28

Die Vorabentscheidung ist für den Dienstherrn, der diese Entscheidung getroffen hat, verbindlich (vgl. Plog/Wiedow/Beck, a.a.O., § 49 BeamtVG Rn. 101). Dienstherr war für den Kläger aber sowohl als Bundesbeamter als auch als Berufssoldat die Bundesrepublik Deutschland. Bleibt der Dienstherr aber derselbe, muss dieser auch die von ihm getroffene Vorabentscheidung gegen sich gelten lassen.

29

Darüber hinaus durfte der Kläger auf den Bestand des Erstbescheides auch deshalb vertrauen, weil die Wehrbereichsverwaltung ... ihm die Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeiten als ruhegehaltfähig nach Übertritt in das Verhältnis eines Berufssoldaten mit Schreiben vom 29. April 2003 bestätigte.

30

Hierin hat die Wehrbereichsverwaltung ... – wie bereits das Bundesamt für Wehrverwaltung mit Bescheid vom 29. Januar 2003 für das Beamtenverhältnis – auch für das Soldatenverhältnis festgestellt, dass die fragliche Zeit des Klägers im Angestelltenverhältnis der Universität ... in vollem Umfang, mithin für 4 Jahre und 31 Tage, als ruhegehaltfähig berücksichtigt würde.

31

Zwar handelt es sich bei einer solchen Versorgungsauskunft nicht um eine verbindliche Regelung der Versorgungsbezüge, sondern lediglich um eine Auskunft, die Ansprüche nicht zu begründen vermag. Die Versorgungsauskunft kann jedoch schutzwürdiges Vertrauen begründen und insofern Bindungswirkung für die Beklagte entfalten, denn eben dies ist gerade Zweck einer solchen Auskunft.

32

Dabei ist es – wie bereits für die Vorabentscheidung ausgeführt – unschädlich, dass die Auskunft unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Rechtslage und vor diesem Hintergrund mit dem Hinweis ergangen ist, dass die Auskunft keinen Rechtsanspruch bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge begründe. Denn eine Rechtsänderung ist im Hinblick auf die streitgegenständliche Anerkennung der Zeit im Anstellungsverhältnis der Universität nicht ersichtlich.

33

Insoweit durfte der Kläger das Schreiben vom 29. April 2003 nach seinem Erklärungsgehalt dahingehend verstehen, dass die bereits am 29. Januar 2003 erteilte Vorabentscheidung auch bei seinem Übertritt in das Verhältnis eines Berufssoldaten fortgelte. Hieran muss sich die Beklagte festhalten lassen (vgl. zu Vorstehendem: VG Kassel, Urteil vom 07. Dezember 2016 – 1 K 33/16.KS –, juris).

34

3. Die Bindungswirkung der Vorabentscheidung bleibt ungeachtet einer etwaigen Rechtswidrigkeit bestehen, soweit diese – wie hier – jedenfalls nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist.

35

Zwar bleibt es der Verwaltung unbenommen trotz der – hier nicht einschlägigen – Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG die Vorabentscheidung nach Maßgabe des § 48 VwVfG zurückzunehmen (ständige Rspr. des BVerwG, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1985, a.a.O.; vgl. Plog/Wiedow/Beck, a.a.O., § 49 BeamtVG Rn. 105 m.w.N.).

36

Eine Rücknahme der Vorabentscheidung durch die Beklagte ist jedoch nicht erfolgt. Insoweit lässt auch der Bescheid vom 27. April 2016 eine konkludente Rücknahme der Vorabentscheidung nicht erkennen. Im Übrigen liegen aber auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Vorabentscheidung nicht vor.

37

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG darf ein begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Nach dem auf Vorabentscheidungen anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, der Voraussetzung für eine Geldleistung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, das auch das Interesse an der sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel umfasst, ist in der Regel gegenüber dem Interesse des Betroffenen an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Zukunft das Übergewicht beizumessen, wenn der Verwaltungsakt Voraussetzung für den laufenden Bezug von Geldleistungen ist. Vertrauensschutz auch für die Zukunft kann in Ausnahmefällen demjenigen gewährt werden, dessen Vertrauen auf den Fortbestand des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes schutzwürdig ist. Solche Ausnahmefälle hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, wenn der Betroffene im (schutzwürdigen) Vertrauen auf die Bestandskraft (den Fortbestand) des Verwaltungsakts eine einschneidende und dauernde - nämlich praktisch unabänderliche - Umstellung seiner gesamten Lebensverhältnisse vorgenommen oder mit ähnlich schweren Folgen eine Disposition unterlassen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1982, a.a.O., juris Rn. 15 m.w.N.).

38

Diese Anforderungen zugrunde gelegt, sind die Voraussetzungen für ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Vorabentscheidung auch für die Zukunft erfüllt. Der Kläger hat sich im Vertrauen auf die für die Höhe seiner Versorgungsbezüge mitbestimmende Anerkennung ruhegehaltfähiger Vordienstzeiten dafür entschieden, vom Beamtenverhältnis in das Verhältnis eines Berufssoldaten überzutreten und damit – im Hinblick auf die geringfügig geringeren Versorgungsleistungen sowie den durch das Soldatenverhältnis bedingten früheren Ruhestandseintritt – eine ihn dauerhaft belastende vermögensrechtliche Entscheidung getroffen. Dass das Vertrauen des Klägers auf die im Bescheid vom 29. Januar 2003 anerkannten Vordienstzeiten (mit)ursächlich für seine Entscheidung war, ergibt sich unzweifelhaft aus seiner Versorgungsanfrage vom 22. Oktober 2002, in der er unter Hinweis auf einen etwaigen Übertritt in den Soldatenstatus um eine vergleichende Berechnung der Versorgung bei weitergeführtem Beamtenverhältnis und Zurruhesetzung mit 65. Lebensjahr und bei Übertritt in das Soldatenverhältnis und Zurruhesetzung mit 62. Lebensjahr bat. Insoweit stünde einer ohnehin nicht erfolgten Rücknahme der Vorabentscheidung jedenfalls auch das schutzwürdige Vertrauen des Klägers in deren Fortbestand entgegen.

39

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

41

Soweit die Klage eingestellt worden ist, verbietet sich eine entsprechende Anwendung, da die Kostenentscheidung auf § 155 Abs. 2 VwGO beruht und damit gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar und damit endgültig vollstreckbar ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 158 Rn. 5).

42

Gründe im Sinne der §§ 124, 124a VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8175,60 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m.Ziff. 40.1 und 10.4 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs, NVwZ-Beilage 2013, S. 58).

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